Protokoll der Sitzung vom 02.04.2003

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Die Ar- men! Die werden aber immer zitiert!)

- Die werden heute und in den nächsten Tagen noch öfter herangezogen, Herr Klare.

Ich muss feststellen: Bei den Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitikern in Deutschland - da machen Sie keine Ausnahme - scheint es unheimlich schwer zu sein, sich einzugestehen, dass das Lernen in homogenen Lerngruppen nicht effektiv ist und dass dieses System gescheitert ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotz dieser Erkenntnisse bringen Sie Ihren Schulgesetzentwurf genau so ein wie vorher, und zwar ohne irgendetwas von diesen Studien zur Kenntnis zu nehmen.

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich appelliere an Sie: Legen Sie endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab. Nehmen Sie die internationalen Untersuchungen ernst.

(Beifall bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Das können wir gerne zurückgeben!)

Wir brauchen ein Schulsystem mit Zukunft, eine Struktur, die alle Chancen offen hält und fördert und nicht früh nach unten sortiert. Stellen Sie Ihren Gesetzentwurf zurück, und lassen Sie uns gemeinsam Schule neu denken - im besten Interesse für alle Kinder, nicht zu schnell und rasant, aber dafür nachhaltig. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke Frau Korter. - Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klare.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus nicht repräsentativen Studien kann man keine so weitreichende Schlussfolgerung ziehen, wie Sie es hier gerade vorgeschlagen haben.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Bundesweit ist das repräsentativ!)

Dass das nicht repräsentativ ist, ist meiner Meinung nach durch die Zahlen, die der Minister genannt hat, in aller Eindeutigkeit bewiesen.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Warum ist sie denn in Auftrag gegeben worden, Herr Klare?)

Meine Damen und Herren, wenn Sie einmal nach Bayern schauen und sehen, wie gut die Ergebnisse dort sind, dann wissen Sie auch, woran es liegt. Wenn ein Grundschulkind in Bayern die Grundschule verlassen hat, dann hat es faktisch ein halbes Schuljahr mehr Unterricht gehabt als ein Kind in Niedersachsen. Genau darin liegt das Geheimnis des Erfolges.

(Beifall bei der CDU)

Herr Klare, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jüttner?

Nein, in der Aktuellen Stunde kann ich in der knappen Zeit von drei oder vier Minuten keine Zwischenfrage zulassen.

Wir werden dieses Gesetz in dieser weitreichenden Form natürlich nicht ändern, Herr Jüttner. Ich glaube, damit haben Sie auch nicht gerechnet, auch wenn Sie die Forderung jetzt aufgestellt haben. Ich sage Ihnen - ich bin davon überzeugt, weil ich sehr eng daran mitgewirkt habe -: Dieses Schulgesetz, das wir jetzt eingebracht haben, das in einigen Teilen auch noch verfeinert und verändert wird - wir haben darüber gesprochen -, ist das pädagogischste Schulgesetz, das je in diesem Lande eingebracht worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Ich sage Ihnen auch, warum: weil diejenigen, die daran gearbeitet haben, immer vom Kind aus gedacht und nicht Strukturfragen im Kopf gehabt haben. Sie wissen, dass das so ist. Sie merken in den Diskussionen draußen, dass die Leute das in dieser Form auch annehmen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben individuellen Förderansprüchen Rechnung getragen; wir haben ein hohes Maß an Durchlässigkeit hineingeschrieben; wir haben langfristige Bildungsgänge organisiert. Das ist doch das, was Sie aus der DIPFStudie „Orientierungsstufe“ auch hätten herauslesen können. Wo ist eigentlich Ihr Konzept? Ist das eigentlich noch die alte Förderstufe, die nun abgewählt worden ist, die niemand will? Ist das derjenige bei Ihnen, der Ratschläge in dieser Phase geben kann, der ein Modell hat, das Begabungen ignoriert und Losverfahren für Schullaufbahnempfehlungen in Gang bringt? Ist das immer noch Ihr Modell, oder haben Sie jetzt ein neues? Welches haben Sie eigentlich?

(Beifall bei der CDU - Bernd Althus- mann [CDU]: Die haben gar keines!)

Meine Damen und Herren, worauf ich ganz besonders stolz bin, ist, dass wir endlich das Verhältnis zwischen Eltern und Pädagogen in diesem Schulgesetz geregelt haben. Ich bin darauf stolz. Jeder in seinem Bereich an der richtigen Stelle, in der letzten Verantwortung; das bringt dieses Schulgesetz mit sich.

Meine Damen und Herren, wenn Sie die Verlässliche Grundschule als Musterbeispiel von guter schulischer Grundschularbeit darstellen, dann haben Sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Die Verlässliche Grundschule in dieser starren Form muss verändert werden. Sie hat Grundschularbeit beschränkt und nicht in Gang gebracht. Sie hat Fortentwicklung von Grundschularbeit beschränkt und die Lehrer in ihrer Arbeit daran gehindert, das zu machen, was sie vernünftigerweise hätten machen sollen. Nein, meine Damen und Herren, diese Grundschule muss fortentwickelt werden. Die Grundschule - jetzt können Sie einmal über die Definition nachdenken - ist die Schule, die Kinder behutsam an das Lernen heranführen muss. Die Grundschule ist eine Schule, in der Lernfreude vermittelt werden muss. Aber - jetzt kommt der entscheidende Satz, die entscheidende Veränderung - die Grundschule wird auch wieder die Schule werden, in der intensiv gelernt werden muss und in der auch kindgemäße Leistung abgefordert werden muss. Das haben Sie zehn Jahre lang vernachlässigt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, am Ende steht eine vernünftige Empfehlung, die die Grundschullehrer nach vier Jahren verantwortungsbewusst und in einem Dialog mit den Eltern abgeben. Der Dialog mit den Eltern ist im Gesetz festgeschrieben und ist einmalig in dieser Frage.

(Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Ich denke, kontinuierlich? - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Kontinuierlich und einmalig!)

Diese Frage ist so pädagogisch entschieden wie sonst nichts.

Jetzt sage ich Ihnen zum Schluss - ich mache es wirklich kurz -, was mich erheblich geärgert hat, genauso wie es Herr Schwarz und der Minister gesagt haben. Ich habe keine Lust mehr, mir das Gerede über Selektion anzuhören. Meine Damen und Herren, wir können gern darüber streiten, ob der Zeitpunkt nach der 4. Klasse der richtige Zeitpunkt ist, zu dem ein Kind auf die weiterführende Schule geschickt werden kann. Wir haben uns dazu entschieden. Vier andere Bundesländer machen es auch so. Aber das hat doch überhaupt nichts mit Selektion zu tun. Die Zuweisung zu einer weiterführenden Schule ist doch nicht das Ende von Lernen und das Ende von Fördern, ganz im Gegenteil.

In einem differenzierten Schulwesen können Förderangebote wesentlich leichter und präziser an die Kinder herangetragen werden. Das sagt Ihnen doch jeder Fachmann, der jeden Tag in der Schule ist.

Der letzte Satz, meine Damen und Herren: Wir werden unsere Schulen mit einem ganz klaren Profil ausstatten, ausgerichtet an den differenzierten, verschiedenen Begabungen der Kinder, die an diesen Schulen unterrichtet werden, mit langfristigen Bildungsgängen. Das ist die moderne Antwort auf PISA. Gleichmacherei ist die falsche Antwort auf PISA; das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Danke, Herr Klare. - Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde angelangt.

Ich möchte zunächst noch einige Bemerkungen zur Tagesordnung machen. Die Fraktionen sind übereingekommen, dass der Tagesordnungspunkt 5 heute nicht mehr beraten wird, sondern am Freitag anstelle von Tagesordnungspunkt 24. Der Antrag der SPD-Fraktion, der unter Tagesordnungspunkt 24 behandelt werden sollte, wird direkt an die Ausschüsse überwiesen.

Damit kommen wir zu

Tagesordnungspunkt 2: 1. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 15/70 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/85 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/86

Im Ältestenrat haben die Fraktionen vereinbart, die Eingaben, zu denen Änderungsanträge vorliegen, erst am Freitag, den 4. April, zu beraten. Ich halte das Haus für damit einverstanden, dass wir heute nur über die Eingaben beraten, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen.

Ich rufe zunächst die Eingaben aus der 1. Eingabenübersicht in der Drucksache 70 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Gibt es dazu Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer den Beschlussempfehlungen zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen?

- Stimmenthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 3: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Abgeordnetengesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/50

Da es sich bei dem Gesetzentwurf um eine gemeinsame Initiative aller vier im Landtag vertretenen Fraktionen handelt, sind die Fraktionen übereingekommen, dass die aus ihrer Sicht zu machenden Anmerkungen vom Landtagspräsidenten vorgetragen werden. Herr Landtagspräsident, ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde dem Zeitdruck gern entsprechen und das Folgende zu Protokoll geben, aber es besteht eine Schwierigkeit. Es entsteht dann immer der Eindruck, als hätten wir als Fraktionen etwas zu verbergen. Es ist auch relativ kurz gefasst; deshalb trage ich es jetzt vor.

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Abgeordnetengesetzes wird von allen Fraktionen dieses Hauses getragen. Die Frau Vizepräsidentin hat dies mitgeteilt. Der Gesetzentwurf sieht eine Änderung der in § 31 Abs. 1 in den Sätzen 2 und 3 des Niedersächsischen Abgeordnetengesetzes genannten Berechnungsgrößen für die Zuschüsse an die Fraktionen vor und führt im Ergebnis zu einer Kürzung dieser Zuschüsse. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Die Finanzsituation ist insgesamt wohl unstrittig. Wie Sie wissen, ist die Haushaltslage dramatisch. Sie verlangt Einschränkungen und Kürzungen. Der Fraktionsbereich kann dabei auch aus Gründen der Glaubwürdigkeit nicht außen vor bleiben.

Dem Landtag gehören seit Beginn der neuen Wahlperiode bekanntermaßen 26 zusätzliche Abgeordnete sowie eine vierte Fraktion an. Das hat nicht nur zu einem deutlichen Anstieg der Entschädigungen für Abgeordnete insgesamt, sondern

auch zu höheren Zuschüssen an die Fraktionen geführt.

Bei Anwendung - das ist entscheidend - des bisherigen, im Abgeordnetengesetz vorgeschriebenen Schlüssels hätten sich allein bei den Fraktionskostenzuschüssen zusätzliche Haushaltsbelastungen in Höhe von etwa 1,1 Millionen Euro ergeben. Es lag daher nahe, u. a. auch die Fraktionskostenzuschüsse auf den Prüfstand zu stellen.

Das vorliegende Ergebnis ist das Resultat mehrstündiger, schwieriger und - man kann auch sagen - mehrtägiger Beratungen mit den Fraktionsvertretern. Die geänderten Berechnungsgrößen, also der Grundbetrag bzw. der Mehrbetrag für jedes Fraktionsmitglied und der Oppositionszuschlag, stehen nach wie vor in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Die Beträge sind auch angemessen, wie ich meine. Gleichwohl konnten Einsparungen von rund 3,5 % erzielt werden. Das entspricht einem jährlichen Einsparungsbetrag in Höhe von 210 000 Euro.