Ich lese weiter vor. - Frau Präsidentin, würden Sie bitte so gut sein und mir die Gelegenheit geben, vorzulesen. Es scheint für jemanden aus der SPDFraktion ungewöhnlich zu sein, dass man auch lesen kann.
„... teils börsennotiert sind. Die FDP will dieses Vermögen für die Zukunft Niedersachsens aktivieren. Wir wollen dieses Landesvermögen veräußern und die Erlöse in den Innovationsfonds Niedersachsen einbringen. Der Grundstock des Innovationsfonds soll zunächst aus dem Verkauf von Immobilien und zusätzlich aus den Landesbeteiligungen gebildet werden. Die Erträge dieses Fonds sind zweckgebunden für Bildungsund Forschungsmaßnahmen in Niedersachsen zu verwenden, um unser Land dauerhaft fit für die Zukunft zu machen. Bei einem, vorsichtig geschätzt, möglichen Volumen von rund 3 Milliarden Euro stehen jedes Jahr 150 bis 200 Millionen Euro für die Zukunft Niedersachsens zur Verfügung.“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wird sicherlich in Brüssel in besonderer Weise Beachtung finden, wie wir diskutieren und dass wir
über die Frage der Vertretung von Landesinteressen in den Gesellschaften, an denen das Land beteiligt ist, gemeinsam diskutieren und beschließen. Herr Kollege Oppermann, das Aktiengesetz ist jüngst novelliert worden. Danach ist umso eindeutiger, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats, auch Minister Hirche, im Unternehmen VW die Interessen des Unternehmens zu vertreten haben. Es gibt dazu einen Kabinettsbeschluss vom letzten Dienstag, der die Loyalitätspflichten gegenüber dem Land und die Berichtspflichten neu regelt. Worüber sich das alte Kabinett länger als ein Jahr lang aufgehalten hat, haben wir in den ersten vier Wochen klare Beschlüsse gefasst, um genau dem Rechnung zu tragen, dass das ausgewogene Verhältnis zwischen Landesinteressen und Unternehmensinteressen gewahrt wird, wie Kollege Lenz er hat im Übrigen auch einige von uns überrascht, es können nicht alle wissen, dass Sie im Aufsichtsrat von VW und Betriebsratsvorsitzender von VW sind - hier natürlich die Interessen des Landes zu vertreten hat und nicht allein die Interessen von VW. Denn diese Möglichkeiten haben andere Betriebsratsvorsitzende hier im Parlament nicht.
Ich möchte mich dem Parlament gegenüber dankbar zeigen, dass die Anträge von den Fraktionen der CDU, FDP und SPD eingereicht worden sind. Das stellt ein besonderes Bekenntnis zu VW und den Beschäftigten des Unternehmens dar. Es geht allerdings in dem laufenden Vorverfahren tatsächlich um das Regeln des freien Kapitalverkehrs in Europa und um den Nachweis - der ist mir wichtig -, dass das VW-Gesetz genau diesen freien Kapitalverkehr in Europa in keiner Weise beeinträchtigt. Wir werden das innerhalb der Zweimonatsfrist deutlich machen.
Es gibt eine enge Abstimmung mit der Bundesregierung, mit Wolfsburg, aber vor allem auch zwischen Land und Bund gegenüber der EUKommission auf allen Ebenen, auch auf der Arbeitsebene. Ich kann dies sagen für die Kontakte zu Kanzleramtsminister Steinmeier, der ganz in unserem Sinne und mit uns gemeinsam agiert. Ich kann das auch sagen für die beiden deutschen Kommissare in der EU-Kommission, Kommissar Verheu
gen und Kommissarin Schreyer, die beide in dem Thema exzellent zu Hause sind und dort bisher dementsprechend erfolgreich die Argumente vorgetragen haben. Das gilt auch für die Gespräche mit Kommissionspräsident Prodi, mit Kommissar Bolkestein, mit Kommissarin de Palacio, mit Kommissar Monti. Die Kommissare wissen, worum es uns geht. Im Moment allerdings war das Vorprüfungsverfahren nicht zu verhindern, weil man den Dingen nachgehen will.
Ich meine, wir sollten die Fakten - jedenfalls als Landtag - präsent haben: Derzeit werden börsentäglich 2,4 Millionen Aktien von VW gehandelt. Es sind bei BMW 2,7 Millionen täglich, bei Fiat 2,8 Millionen täglich und bei Renault 1,1 Millionen Aktien täglich. Das heißt, es findet alltäglich ein reger Verkauf und Kauf von VW-Aktien statt. Ich halte es auch für ein wichtiges Argument, dass 50 % der Aktien von VW in ausländischen Händen sind. Ich halte es für wichtig, dass wir dieses Argument kennen, dass wir wissen, dass insofern ein globaler Konzern besteht und dass es bei VW weder eine Inländerprivilegierung noch eine Ausländerdiskriminierung gibt. Jeder kann verkaufen, und jeder, der sich am Unternehmen VW beteiligen möchte, kann kaufen. Im Moment sind es ungefähr 320 Millionen Stammaktien. Es zeichnet - darauf haben Sie zu Recht hingewiesen – VW aus, dass es ein klassischer Fall einer Volksaktie ist, dass es 700 000 Kleinaktionäre gibt. Dieser besondere Charakter von VW soll erhalten werden. Es gibt aber auch 123 ausländische institutionelle Investoren, die zusammen über 22 % der Stimmrechte verfügen.
Die Diskussionen mit der EU-Kommission haben ergeben, dass jede einzelne beanstandete Regelung für sich nicht mehr als problematisch gilt, dass es lediglich noch darum geht, dass die Gesamtschau der einzelnen Punkte eine Beeinträchtigung des Kapitalverkehrs darstelle, also eine abschreckende Wirkung habe. Wir werden den Nachweis führen, dass dem nicht so ist.
Es gibt die 20-prozentige Höchststimmrechtbeschränkung auch in anderen Ländern Europas. Es gibt die Festsetzung einer qualifizierten Hauptversammlungsmehrheit von über 80 % auch in anderen EU-Ländern. Sie wäre unproblematisch, wenn sie alleine in der Satzung geregelt wäre.
Drittens und letztens stellt sich die Frage, die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angesprochen wurde, nämlich nach den Entsenderechten für den
Aufsichtsrat. Tatsächlich verfügt der Bund über ein Entsenderecht, das er aber nicht wahrnimmt. Das Land hat ein Entsenderecht für zwei Aufsichtsratsmandate. Bereits nach unserem stimmberechtigten Kapital von derzeit 18,2 % stünde uns mindestens ein solches Quorum von zwei Sitzen zu. Damit ist auch dies EU-rechtskonform.
Ich meine, dass wir gemeinsam als Parlament und als Regierung mit der Bundesregierung, die einzig Verfahrensbeteiligte ist - wir sind noch nicht einmal hinzugeladen –, diese Dinge gegenüber der EU-Kommission deutlich machen sollten. Zumindest ich bin der festen Überzeugung, dass der Prüfstand für freien Kapitalverkehr ein vernünftiger Aktienkurs, ein gutes Kurs-Gewinn-Verhältnis und ein breitgestreutes Interesse an den Aktien ist. Dies liegt vor. Wir haben also gute Karten. Vielleicht schaffen wir es in den nächsten Monaten durch diese Geschlossenheit im Parlament, dass es nicht zu einem weiteren Fortgang des Verfahrens kommt, sondern das Verfahren beendet wird. Es wäre gut, wenn jeder diesbezüglich seinen entsprechenden Einfluss geltend machen würde.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich bedanke mich für die SPDFraktion bei Ihnen ausdrücklich dafür, dass Sie bereits vor Ihrer Amtsübernahme und unmittelbar danach bis zum heutigen Tag die Kontinuität in der Behandlung dieses Themas zwischen allen Regierungen der letzten Jahre in Niedersachsen gewahrt haben. Ich sage ausdrücklich: Ich bin froh darüber, dass Sie gemeinsam mit der Bundesregierung, die Handelnder ist – nicht wir –, gegen den massiven Widerstand aus der Kommission heraus agieren. Mir liegt daran, dass klar ist, dass zwischen Ihrem Handeln und unserer Intention kein Widerspruch besteht. Der Kollege Oppermann hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Thema von so großer Bedeutung ist, dass wir froh darüber wären, wenn es Chefsache bliebe.
Gestatten Sie mir einen Hinweis darauf, warum wir glauben, dass diese Debatte, die ein bisschen humorvolle Züge hatte – zumindest, wenn man
schwarzen Humor akzeptiert -, wichtig ist. Herr Rösler, das hat etwas mit Ihnen, mit Ihnen ganz persönlich, zu tun. Ich glaube, dass es richtig ist, wenn Menschen wie Sie, aber auch die CDUFraktion im Zusammenhang mit der Regierungserklärung sagen, was man tut, und wenn sie tun, was sie sagen. Ihr Wirtschaftsminister war in der Vergangenheit stolz darauf, die VW-Anteile verkaufen zu wollen. Das ist jetzt aber nicht so wichtig. Die Entschließung, die wir heute verabschieden, beinhaltet aber exakt das Gegenteil dessen, was Sie in der Aussprache über die Regierungserklärung zum Thema Staat, Gleichheit und Freiheit gesagt haben. Sie haben in aus Ihrer Sicht hervorragender Weise die ideologischen Grundlagen deutlich gemacht, zu denen Sie stehen. Diese haben nichts, aber auch gar nichts mit einem Gesetz zu tun, das die Standorte von Volkswagen in Niedersachsen sichern soll; sie haben nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, dass wir Betriebsräte und Mitbestimmung brauchen und in der Vergangenheit gebraucht haben, um Arbeitsplätze zu sichern und das Unternehmen fortschrittlich in die Zukunft zu führen. Sie haben die Regierung unterstützt, und zwar als Chef einer Fraktion, die genau das Gegenteil dessen will, was wir heute beschließen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder haben Sie das in Ihrer Antwort auf die Regierungserklärung nicht ernst gemeint – dann wären wir froh –, oder aber Sie sind in Wahrheit dieser Meinung und ducken sich jetzt weg, weil Sie glauben, dass es heute opportun ist, sich anders zu verhalten. Nur diese beiden Möglichkeiten gibt es.
Ich habe mir Ihre Rede damals angehört und habe auch nachgelesen, was darüber geschrieben worden ist. Es ist gut, dass wir wissen, auf welcher ideologischen Grundlage Sie arbeiten. Wir werden Sie bei jeder Entscheidung, bei der Sie im Widerspruch zu dem stehen, was Sie öffentlich erklären, daran erinnern. Sie müssten heute gegen eine Staatsbeteiligung, gegen das Volkswagen-Gesetz sein.
Sie haben massiv gegen Betriebsräte und Mitbestimmung polemisiert. Ihnen und denen, die in der CDU-Fraktion das gleiche wollen, sage ich: Sie haben sich bis zum heutigen Tag immer gegen die Betriebsverfassung und deren Ausbau gewandt. Das ist etwas, was dem Unternehmen Volkswagen
riesigen Schaden zufügen würde. Nur mit Mitbestimmung und Betriebsrat, nur mit dem VWGesetz und nur mit der Landesbeteiligung sind wir in der Lage, dieses Unternehmen zum Wohle des Landes zu erhalten. Deswegen wehren wir uns gegen Ihre ideologischen Grundlagen und gegen Ihr Verständnis von Staat und Freiheit.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die erste Beratung. Wie angekündigt, folgt jetzt unmittelbar die zweite Beratung.
Ich lasse über die Anträge in der Fassung des interfraktionellen Änderungsantrages abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD und FDP sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 11 Erste Beratung: Landeskrankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft erhalten - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/53
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-geführte Landesregierung hatte im Herbst des vergangenen Jahres auf der Grundlage des BergerGutachtens einen Prüfauftrag beschlossen, ob und welches Landesvermögen im Rahmen der weiteren Haushaltskonsolidierung verkauft werden kann. Bei der Aufzählung des möglicherweise zu veräußernden Landesvermögens wurden auch die Landeskrankenhäuser genannt. Ich zitiere:
„Die Landesregierung wird die Möglichkeit einer Privatisierung der bestehenden Landeskrankenhäuser bei
gleichzeitigem Abschluss entsprechender Beleihungsverträge über den Maßregelvollzug prüfen lassen und sich bis zum Frühjahr 2003 über die Ergebnisse berichten lassen.“
Wie wir wissen, hat dieser Prüfauftrag in den Landeskrankenhäusern zu erheblicher Unruhe geführt. Es war auch nicht erstaunlich, dass sowohl die damalige Opposition im Niedersächsischen Landtag als auch die Gewerkschaften und die Belegschaften der Landeskrankenhäuser sofort gegen einen möglichen Verkauf der Landeskrankenhäuser an private Betreiber mobil gemacht haben. Dass die Damen und Herren der damaligen Opposition dabei den Eindruck erweckten, es gehe nicht um einen Prüfauftrag, sondern die Privatisierung sei bereits beschlossene Sache, ist zwar nicht seriös, aber im Rahmen des Wahlkampfes wohl auch nicht anders zu erwarten gewesen.
Nach der Landtagswahl plötzlich in Regierungsverantwortung taucht die CDU bisher jedenfalls zu diesem Thema gänzlich ab. Seit dem 2. Februar ist mir seitens der CDU keine Aussage bekannt, wie denn die jetzigen Mehrheitsfraktionen mit den Landeskrankenhäusern umgehen wollen.
Stattdessen war zu hören - ich zitiere -: „Wir müssen neu definieren, was noch zum Kernbereich staatlicher Aufgaben gehören soll.“ Oder: „Wir werden zur Haushaltskonsolidierung auch Landesvermögen aktivieren müssen.“ Letzteres hat der Finanzminister heute morgen in seiner Rede noch einmal ausdrücklich bestätigt. Eine Aussage, was das nun für die Zukunft der Landeskrankenhäuser und ihrer Beschäftigten bedeutet, fehlt bis heute - und das, obwohl sich viele CDU-Politikerinnen und -politiker gar nicht oft genug die Klinke in die Hand geben konnten, als es darum ging, dem Personal in den Landeskrankenhäusern ihre Solidarität zu versichern und ihm mitzuteilen, dass eine Privatisierung mit der CDU nicht infrage komme.
(Angelika Jahns [CDU]: Im Gegen- satz zur SPD! - Zuruf von der CDU: Ihre Leute hat man da nicht gesehen!)
- Sie können hier gleich erklären, dass wir völlig einer Meinung sind. Dann ist das Thema sofort vom Tisch, Frau Kollegin.
Die SPD-Landtagsfraktion hat jedenfalls keine Probleme, ihren eingeschlagenen Kurs auch unter veränderten politischen Rahmenbedingungen konsequent fortzusetzen. Wir haben immer klar geäußert und den Beschäftigten mitgeteilt, dass wir zwar das Prüfgutachten gutheißen,