Protokoll der Sitzung vom 02.04.2003

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Unruhe bei der SPD)

George Bush und Gerhard Schröder - jeder ganz auf seine eigene Weise, was Achtung oder Missachtung der Autorität der UN anbelangt - in dieser Frage durchaus ähnlich.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nur eine starke Weltgemeinschaft wäre in der Lage gewesen, einen Diktator zu beeindrucken, Kontrollen bis zum Ende zu führen und damit Konflikte friedlich zu beenden. Dass wir diese Weltgemeinschaft nicht haben, ist natürlich traurig. Aber es gelingt ja

noch nicht einmal auf europäischer Ebene, eine Gemeinschaft herbeizuführen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Was mich ängstlich stimmt, will ich Ihnen auch einmal deutlich sagen. Ich bin sehr wohl für eine Achse Paris - Berlin. Aber die Ergänzung Paris Berlin - Moskau - Peking kann für mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, kein Ersatz für eine europäisch-atlantische Partnerschaft sein; und das macht mir tatsächlich Angst.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Man muss es an der Stelle deutlich sagen: Es gibt nun einmal eine Weltgemeinschaft, und dann muss man das Gremium, das vorhanden ist, tatsächlich stützen und stärken. Sonst haben all die Diskussionen an dieser Stelle überhaupt keinen Wert.

(Zurufe von der SPD)

Krieg ist schlimm. Darüber sind wir uns alle hier im Hause einig. Aber Krieg wird nicht durch Friedensdemonstrationen verhindert, sondern nur dadurch, dass man mit allen anderen Staaten gemeinsam daran arbeitet, Institutionen zu schaffen oder bestehende Institutionen zu stärken, die tatsächlich in der Lage wären, Konflikte friedlich zu lösen. Aus Sicht meiner Fraktion können das nur eine Europäische Union sein, eine UN und ein Weltsicherheitsrat, der geschlossen ist und auch entschlossen seine Entscheidungen vorträgt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Sie alle haben hier Gelegenheit, sich zu Wort zu melden, und dann erteile ich Ihnen das Wort. Das tue ich nun, weil sich Herr McAllister von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet hat. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Sie können sich jederzeit zu Wort melden.

Herr McAllister, ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Harms, die wahren Motive Ihres Ent

schließungsantrages von heute Morgen haben Sie gerade hinreichend deutlich gemacht. Schade.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jeden Tag machen uns die Nachrichten und Bilder des Krieges deutlich: Krieg ist furchtbar, Krieg bringt Zerstörung, fordert Opfer, kostet Menschenleben. Viele Menschen, auch in unserem Land, sind erschüttert. Die ganz überwiegende Mehrheit derjenigen Menschen, die sich in Demonstrationen und Friedensgebeten engagieren, drückt echtes Mitgefühl und wirkliche Friedenssehnsucht aus.

Gerade deshalb fordert die politische Bewertung der Frage „Krieg oder Frieden?“ eine ganz besonders sorgfältige Abwägung. Das heißt, es geht hier nicht so schlicht einfach um Gut oder Böse, um Schwarz oder Weiß, um Ja oder Nein, sondern es verlangt eine differenzierte Bewertung. Wir sind uns doch hier im Hause darin einig, dass das Regime von Saddam Hussein eine Bedrohung für den Weltfrieden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist eine furchtbare Diktatur, die seit Jahren die Menschenrechte verletzt. Gerade Sie von den Grünen setzen sich doch immer so gern für die Menschenrechte ein.

(Zurufe von der CDU: Aber nur ein- seitig!)

Das Regime hat Kriege gegen friedliche Nachbarstaaten geführt und besitzt Massenvernichtungswaffen, die es auch nachweislich gegen die kurdische Minderheit im nördlichen Irak eingesetzt hat. Aus welchen Gründen auch immer ist es der Weltgemeinschaft leider nicht gelungen, das verbrecherische Saddam-Hussein-Regime mit einer militärischen Drohkulisse zur Aufgabe zu zwingen. Und jetzt ist der Krieg traurige Realität.

Niemand in diesem Hause - weder Sie noch wir hat den Krieg gewollt. Frau Harms, wir als Demokraten sollten aber jetzt nicht in eine Position gegenseitiger Vorwürfe zurückfallen.

(Zuruf von Rebecca Harms [GRÜ- NE])

Es tut mir Leid, aber Bernd Althusmann hat heute Morgen zu Recht davor gewarnt, dass Sie versu

chen würden, im Rahmen der Diskussion über den Entschließungsantrag eine vermeintliche Spaltung in diesem Hause zwischen Demokraten herbeizuführen. Sie haben es versucht. Es wird Ihnen trotzdem nicht gelingen. Es darf keine Einteilung in so genannte Friedenswillige auf der einen Seite und so genannte Kriegswillige auf der anderen Seite geben. Ich habe großen Respekt vor all denjenigen, die behaupten, dieser Krieg entbehre einer hinreichend völkerrechtlichen Grundlage, weshalb er prinzipiell abzulehnen ist. Ich bitte jedoch darum zuzugestehen, dass es in dieser Frage nach sorgfältiger Abwägung auch eine unterschiedliche Position geben darf.

Jetzt, wo der Krieg traurige Realität ist, können wir als Deutsche doch nicht wirklich neutral bleiben. Auf der einen Seite steht das verbrecherische Regime Saddam Husseins, und auf der anderen Seite stehen unsere alliierten Freunde, die Vereinigten Staaten und Großbritannien. Wollen Sie allen Ernstes in dieser Frage jetzt neutral bleiben?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Wir stehen zugegebenermaßen, wenn auch in kritischer Solidarität, an der Seite der Vereinigten Staaten und Großbritanniens. Meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen: Das tut im Übrigen Ihre Bundesregierung auch; denn sie gewährt Überflugrechte, deutsche Bundeswehrsoldaten bewachen amerikanische Kasernen, und ABC-Einheiten sind in Kuwait stationiert. Ich warne angesichts dieser schwierigen Debatte vor einem Nebeneinander von pazifistischer Prosa auf der einen Seite und realer Regierungsmilitärpolitik auf der anderen Seite.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Schluss eine ganz persönliche Anmerkung. Ich bin Deutscher, und ich bin Brite. Mein Vater war beim britischen Militär. Er ist 1944 in der Normandie gelandet - nicht freiwillig, sondern weil er in den Krieg ziehen musste. Wie viele Millionen anderer britischer und amerikanischer Soldaten hat auch er sich sehr dafür eingesetzt, dass Deutschland von einem Tyrannenregime befreit wird. Hätte es diese Soldaten damals nicht gegeben, würden wir heute im Jahr 2003 nicht hier sitzen und über solche Fragen diskutieren dürfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage das ganz offen und ehrlich: Zum Teil kann ich nicht verhehlen, dass ich das Gefühl habe, dass in Deutschland bestimmte Menschen oder bestimmte Teile der Medien so etwas wie eine klammheimliche Freude, ja Häme verspüren, wenn amerikanische und britische Soldaten Verluste zu beklagen haben.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Rebecca Harms [GRÜNE]: Verlassen Sie diesen Saal! Das ist ja unglaublich! - Weitere Zu- rufe)

- Ich sagte ganz bewusst: zum Teil. Frau Harms, das war doch nicht auf Sie bezogen. Ich habe doch nur gesagt, dass man diesen Eindruck zum Teil haben kann.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Dann nennen Sie doch die, auf die Sie sich beziehen! Sie sudeln, Herr McAl- lister!)

Meine Damen und Herren, wenn es so einfach wäre, jetzt ein Nein zum Krieg zu postulieren. Wir fordern eine zügige, eine rasche Beendigung dieses Krieges. Eine Demütigung oder gar eine Niederlage der Alliierten darf es jetzt nicht geben. Das wäre ein Sieg für den Tyrannen, und das wäre verbunden mit schrecklichen Folgen für die freie westliche Zivilisation, ihre Aufklärung und ihr Bekenntnis zu universellen Menschenrechten und zur Demokratie. Unsere gemeinsame Hoffnung ist der Friede. Ich bin mir sicher, dass diese Hoffnung von allen hier geteilt wird. Meine Bitte lautet deshalb: Ich warne vor einer moralischen Überhöhung der eigenen Position. Diskreditieren wir diese Hoffnung nicht durch eine Art der Auseinandersetzung, die ihr zuwiderliefe. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile nunmehr das Wort dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Gabriel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr McAllister, wir wollen gar nicht neutral sein. Ganz im Gegenteil: Wer sich gegen Krieg und gegen die

Verletzung des Völkerrechts wehrt, ist nicht neutral, sondern steht auf der Seite der Friedfertigen und der Mehrheit der Vereinten Nationen. Das ist keine neutrale Position.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir wollen auch nicht spalten in Kriegsbefürworter, Kriegstreiber und Kriegsgegner, sondern wir wollen wissen - darauf hat die Bevölkerung ein Anrecht -, wie die politischen Auffassungen dazu sind. Sie können doch nicht ernsthaft sagen, dass es nicht erlaubt ist, darüber zu diskutieren. Einen knackigen Antrag, Herr Rösler, wollten die Grünen heute einbringen.

(Zuruf von Dr. Philipp Rösler [FDP])

- Natürlich, das war ein landespolitischer Antrag. Es ging in ihm z. B. um die Aufnahme von Flüchtlingen. Sie haben ihn gar nicht gelesen. Wo ist denn der junge Wilde der ersten Sitzung geblieben? - Es war ein junger Verwirrter, den wir gerade erlebt haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Draußen demonstrieren hunderttausende von Menschen, viele junge Leute. Wir aber sind nicht in der Lage, hier anlässlich eines Antrags über dieses Thema zu reden. Sie haben das verhindert. Nun wollen wir in der Aktuellen Stunde ein bisschen darüber reden.

(Eppers [CDU]: Wir reden doch da- rüber!)

- Ja, wir wollten aber auch entscheiden. Sie wollen doch immer entscheiden, Herr Eppers. Es war doch irgendwie die Rede von Entscheidung. Lassen Sie uns aber doch für eine Sekunde einmal festhalten, worüber wir uns einig sind. Vielleicht macht das ja einen Sinn. Lassen Sie uns doch trotz dieses Streites einmal einig sein. Erstens. Ich jedenfalls glaube, dass diesen Krieg alle bedauern, mit Sicherheit auch die Fraktionen der CDU und der FDP, ganz sicher. Zweitens. Alle sehen in Saddam Hussein einen grausamen Diktator, der gemeinsam mit seinem Regime entmachtet werden muss. Ich bin ganz sicher: Das glauben Sie auch uns. Alle - auch diejenigen, die den Krieg kritisieren - sehen in den Vereinigten Staaten von Amerika natürlich noch immer eine befreundete Nation, mit der uns viel

mehr verbindet, als uns trennt. Von Antiamerikanismus kann nicht die Rede sein.