Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

- Sparen Sie sich Ihre Zwischenfrage einen Augenblick lang auf. Ich weiß nie, ob meine Redezeit ausreicht. Deswegen muss ich Ihnen erst einmal erzählen, was Ihr Fraktionsvorsitzender, der eine Zeit lang Ministerpräsident dieses Landes Niedersachsen war,

(Zurufe von der CDU: Wer ist das? - Das ist lange her!)

Sigmar Gabriel, zu sagen weiß, wenn es um Museen geht. Ein Textbaustein, der in seinen Reden immer wiederkehrt, lautet - wir haben ihn ähnlich hier im Hause am 29. Oktober 1998 in der Aussprache über die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski

(Zurufe von der SPD)

und ähnlich am 10. Dezember 2003, fünf Jahre später, gehört; dieser Mann ändert sein Denken nicht; da haben wir über den Haushalt 2004 gesprochen -:

„Wer durch Steuergelder hoch subventionierte Theater und Museen besucht und wer alle Möglichkeiten dieses Landes mitnimmt, aber nicht bereit ist, im Rahmen der Gesetze Steuern zu zahlen, der begeht auch Sozialmissbrauch, meine Damen und Herren,“

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Richtig!)

„und den darf man mit Fug und Recht asozial nennen.“

Diese Gedankenverbindung kehrt immer wieder und zeigt mir, dass Sozialdemokraten Museenbesucher für asozial halten.

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU - Starker Widerspruch bei der SPD - Wolfgang Wulf [SPD]: Was? Was ist denn das für ein Quatsch? - Dieter Möhrmann [SPD]: Das kann nicht wahr sein! Können Sie das noch einmal wiederholen? Das haben wir nicht verstanden, Herr Kollege! Bitte ganz deutlich zum Mitschreiben!)

Ich erwarte, dass Sie jetzt zunächst einmal für die SPD-Fraktion klarstellen, dass der Besuch von Museen kein Sozialmissbrauch ist, dass Sie Ihren Ministerpräsidenten a. D. und jetzigen Fraktionsvorsitzenden dazu anhalten, sich über die Aufgabe und Arbeit der niedersächsischen Museen auch einmal in einem anderen Kontext zu äußern.

(Zurufe von der SPD)

- Das ist die Neiddebatte, verehrte Kollegen, die da geführt wird! Das ist die Neiddebatte!

(Lachen bei der SPD)

Das ist der Versuch, die Ehrenamtlichen, die Leistungsträger in diesem Lande zu vergraulen. Das ist es!

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Ehren- amtlich?)

Für die FDP erkläre ich: Der Staat hat die Verantwortung für Kultur und Bildung, insbesondere da, wo der Markt versagt. Museen in staatlicher und privater Trägerschaft sind Orte des Bewahrens und der Bildung. Wie viele Einrichtungen der Kultur erwirtschaften Museen einen Teil ihres Budgets am Markt. Sie sind aber auf zusätzliche Einnahmen angewiesen, die in der Regel auch den größeren Teil ihrer Kosten decken müssen.

Es ist eine gute bürgerschaftliche Tradition, Sammlungen in Museen einzubringen, wofür es in Niedersachsen herausragende Beispiele gibt - von der Tradition des Landesmuseums in Hannover bis hin z. B. zur Stiftung Henri und Eske Nannen in der Kunsthalle Emden. Der Staat würde sich verheben, wenn er in dieser Aufgabe auf die Initiative der vielen Ehrenamtlichen, die überall in Niedersachsen Vorzügliches leisten, verzichten wollte. Der Staat sollte äußerst behutsam sein, diese reiche Kreativität zu kanalisieren. Dieser Gedanke ist in Ihrem Antrag aber leider sehr stark ausgeprägt, und ich wage die Voraussage, dass Sie für eine staatliche Planung, die die nichtstaatlichen Museen gängelt, in diesem Hause keine Mehrheit finden werden.

Ich darf darauf hinweisen, dass im Haushalt 2004 Investitionsmittel enthalten sind, vor denen Sie sich viele Jahre gedrückt haben. Beispielhaft erwähnen möchte ich die Brandmeldetechnik und die Schließtechnik der Sicherungsanlage in der Burg Dankwarderode mit 82 000 Euro und die Telekommunikationsanlage im Landesmuseum Hannover mit 120 000 Euro. Bei uns sind die Museen allemal besser aufgehoben, als sie es bei Ihnen je waren. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Abgeordnete Heinen-Kljajić das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde die Beschreibung von Minister

Stratmann im Stader Tageblatt ja gar nicht so falsch. Natürlich gibt es langweilige Museen - übrigens nicht nur in Niedersachsen. Das mag in Einzelfällen auch daran liegen, dass aus den vorhandenen Sammlungen zu wenig gemacht wird. Aber das ist doch der Ausnahmefall. Die meisten Museen stellen trotz mangelnder Ausstellungsfläche und ständig sinkender Personal- und Sachmittelkapazitäten immer wieder tolle Ausstellungen auf die Beine. Das beweisen schon die Besucherzahlen, die vor allem dank spannender Sonderausstellungen weiter ansteigen.

Dort, wo wir Ausstellungen langweilig finden, liegt dies häufig daran, dass die Präsentation von Exponaten nicht an zeitgemäße Wahrnehmungsgewohnheiten angepasst ist. Das ist aber - entgegen den Äußerungen von Minister Stratmann - in der Regel sehr wohl eine Folge der seit Jahren stetig sinkenden Etats. Die Einführung moderner Präsentationsformen ist eine Frage des Geldes und mit noch so viel gutem Willen und Engagement nur selten wettzumachen.

Herr Minister Stratmann, Sie lehnen sich nach unserer Einschätzung weit aus dem Fenster, wenn Sie trotz massiver Kürzungen im Jahr 2004 dennoch qualitative Verbesserungen in der Museumslandschaft in Niedersachsen anstoßen wollen. Wie sollen denn die angekündigten Strukturveränderungen aussehen, die die Museen wieder auf ein festes finanzielles Fundament stellen wollen? Die Museen sind doch längst an den Rand der Handlungsunfähigkeit geraten. Auf den ersten Blick abwegige Vorschläge wie der Verzicht auf Eintrittsgebühren oder die Debatte um den Verkauf von Museumsbeständen sind doch letztendlich nur Ausdruck dieser Ohnmacht.

Die Kürzungsrunden der letzten Jahre haben die Museen längst zu Maßnahmen greifen lassen, die sie selbst eigentlich nicht mehr verantworten können. Da werden Ausstellungsbereiche wegen Personalmangels kurzfristig geschlossen - so geschehen im Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig, das über eine weltweit bekannte Gemäldesammlung verfügt. Die renommierte HerzogAugust-Bibliothek in Wolfenbüttel, ein Kleinod in Niedersachsen, reagiert mit zum Teil geschlossenen Lesesälen, was eine sinkende Attraktivität für Forscher und Besucher aus aller Welt zur Folge hat. Das aktuellste Beispiel - es wurde heute schon angesprochen - ist, dass dem Ausstellungsforum des hiesigen Landesmuseums das Aus droht. Die Reihe der Beispiele wäre beliebig fortsetzbar.

Fest steht: Die staatlichen Museen können eine fachlich qualifizierte Museumsarbeit heute nur noch in stark eingeschränktem Rahmen durchführen. Bei den nichtstaatlichen Museen sieht die Situation keinesfalls besser aus. Der Hinweis, man solle stärker Drittmittel einwerben, ist da ebenso wenig hilfreich wie Ratschläge zur internen Umstrukturierung oder zur stärkeren Kooperation zwischen den Museen.

Wir erwarten daher, dass Sie, Herr Minister Stratmann, ein Konzept vorlegen, mit dem Sie deutlichen machen, wie einem weiteren Qualitätsverlust in den niedersächsischen Museen entgegengewirkt werden kann. Wenn Staatssekretär Lange auf der Jahrestagung des Museumsverbandes Niedersachsen/Bremen ankündigt, finanzielle Unterstützung durch das Land solle ein Qualitätssiegel werden, dann frage ich mich: Welches sollen die Kriterien sein, an denen Qualität gemessen wird? Was bedeutet es, wenn der Schwerpunkt künftiger Förderung bei nichtstaatlichen Museen nach Ihrer Aussage strukturell wirkende Maßnahmen mit langfristiger Wirkung sein sollen?

Aus grüner Sicht wären mittelfristige Finanzierungszusagen, die an Ziel- und Leistungsvereinbarungen gekoppelt sind, ein wichtiger Eckpfeiler eines solchen Konzeptes. Regionale Verbünde von Museen müssten gestärkt werden. Außerdem brauchen wir einen Topf mit Sondermitteln für Konzeptförderung und Schwerpunktprogramme. Selbstverständlich sollte in enger Abstimmung mit den staatlichen Museen und dem Museumsverband ein Museumsentwicklungsplan erstellt werden. Der Handlungsbedarf ist groß. Denn nur dann, wenn wir uns über ein Zukunftskonzept verständigen, das für die Museen vor allem Planbarkeit sicherstellt, werden wir eine Rückentwicklung der Museumslandschaft verhindern können.

Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, finde ich es mehr als bedauerlich, dass Sie sich jetzt wieder einmal vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung über die zukünftige Entwicklung eines Politikbereiches drücken. Dieses Thema hätte aus meiner Sicht eine substanziellere Auseinandersetzung verdient. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Stratmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Heinen-Kljajić, ich bin Ihnen - das meine ich wirklich ernst; das ist keine Floskel - für Ihren Wortbeitrag wirklich sehr, sehr dankbar. Manchmal, liebe Frau Kollegin Bührmann, muss man bestimmte Dinge etwas überpointiert zum Ausdruck bringen, um überhaupt Diskussionen darüber anzuregen. Deshalb sage ich an dieser Stelle noch einmal: Das, was ich mit meinen Ausführungen gemeint habe, ist, dass es für mich als dem zuständigen Kulturminister in zunehmenden Maße unerträglich ist - offensichtlich sind Sie schon lange nicht mehr in einem niedersächsischen Museum gewesen; denn sonst hätten Sie solche Formulierungen, wie Sie sie verwendet haben, nicht verwendet -, dass wir in Niedersachsen zwar wunderbare Kunstschätze haben - im Nordwesten, im Süden, im Osten, überall; Frau Heinen-Kljajić, Sie wissen, dass das insbesondere auch für Braunschweig gilt -, aber dass wir nicht in der Lage sind, diese Kunstschätze den Menschen so zu präsentieren, wie sie es verdient haben. Mich ärgert zunehmend, dass sich der Eindruck verfestigt, dass die Hochkultur auch im Bereich der bildenden Kunst ausschließlich nur noch in Berlin oder in den süddeutschen Bundesländern stattfinde, und dass das, was wir in Niedersachsen auch aufgrund unserer fantastischen Geschichte zu bieten haben, nicht so präsentiert wird, wie wir uns dies eigentlich wünschen.

(Beifall bei der CDU)

Dafür, liebe Frau Bührmann, kann man diese Landesregierung, die in diesem Bereich erst seit einem Jahr Verantwortung trägt, wahrlich nicht verantwortlich machen. Das ist nun wirklich sehr, sehr weit hergeholt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christina Bührmann [SPD]: Sie müs- sen doch aber Antworten geben!)

Liebe Frau Bührmann, in diesem Zusammenhang hätte ich von Ihnen einen anderen Antrag erwartet. Sie können ja meine Formulierungen durchaus zu einem Thema im Landtag machen. Das ist Ihnen unbenommen. Das hätte ich an Ihrer Stelle ver

mutlich auch getan. Der Antrag, den Sie hier eingebracht haben, ist aber in höchstem Maße unglaublich, weil Sie noch nicht einmal die Schamfrist einhalten, die man von Ihnen hätte erwarten dürfen, nämlich anzuerkennen, dass wir selbst dann, wenn wir unmittelbar nach unserer Regierungsübernahme die erforderlichen Mittel gehabt und in die Hand genommen hätten, angesichts der Kürze der Zeit nicht die Voraussetzungen hätten schaffen können, die Sie von uns erwarten. Schon dadurch wird das, was Sie hier veranstalten, zu einer reinen Showveranstaltung und damit auch zutiefst unseriös.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Seit ich mein Ministeramt innehabe, habe ich verschiedene Museen für drei oder vier Stunden besucht. In dieser Zeit kamen mir manchmal nur zwei oder drei Besucher entgegen, obwohl es in diesen Museen wunderbare Dinge zu sehen gibt. Meine Damen und Herren, angesichts dessen muss doch die Frage erlaubt sein: Womit hängt das denn zusammen? - Ich denke jetzt zum Beispiel an das Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig, liebe Frau Heinen, das im Hinblick auf seine Kunstgegenstände wirklich eines der Highlights in Niedersachsen darstellt. Ich würde sogar darüber hinaus gehen und sagen: Es ist eines der Highlights in Europa und in der Welt; denn dort hängen Bilder, meine Damen und Herren, angesichts deren sich in den Vereinigten Staaten 100 m lange Schlange bilden würden. Hier in Deutschland, hier in Niedersachsen gibt es aber kaum Menschen, die sich wirklich dafür interessieren. Womit hängt das denn zusammen? - Diese Frage muss doch beantwortet werden. Ursache dafür ist unter anderem - das werden Ihnen insbesondere die Museumsdirektoren bestätigen -, dass Sie die Museen in diesem Land zum Teil haben verkommen lassen,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Isolde Saalmann [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

dass sich die Kunstgegenstände in Räumlichkeiten befinden, in denen noch nicht einmal die klimatischen Verhältnisse sichergestellt werden können, die erforderlich sind, damit die Kunstgegenstände keinen Schaden nehmen. Das ist doch die Realität!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Merk?

Nein. Liebe Kollegin Merk, zu Ihnen und zu Hannover komme ich gleich noch mit einigen Bemerkungen.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben beim Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig einen dringenden Sanierungs- und Erweiterungsbedarf.

(Isolde Saalmann [SPD]: Wir haben das Geld zur Verfügung gestellt! Die Pläne sind alle da!)

Sie haben diesen Bedarf nicht durchfinanziert. Beim Staatlichen Naturhistorischen Museum in Braunschweig haben Sie Ähnliches gemacht. Sie haben die Mittel noch nicht einmal in die Mipla aufgenommen. Im Übrigen könnte ich Ihnen jetzt noch einige Zahlen nennen, aus denen deutlich wird, dass Sie weitaus mehr gekürzt haben als das, was wir im letzten Jahr weggekürzt haben. Aber ich erspare mir das. So viel zum Thema Ehrlichkeit.

Liebe Frau Bührmann, Sie haben die Anschaffungsetats in den letzten Jahren dramatisch zurückgefahren. Seien Sie doch so ehrlich und geben das zu, damit wir auf dieser Grundlage miteinander darüber sprechen können, wie wir den Museen eine Zukunft sichern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)