Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ganz offensichtlich hat aber auch die Aussicht auf das Abitur nach zwölf Jahren die Prognosezahlen, wenn es um die Schullaufbahnempfehlungen geht, nicht negativ beeinflusst.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Im Klartext heißt das: Das Angebot wird akzeptiert. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob eine ruhigere Vorgehensweise erfolgreicher sein könnte. Aber die Dinge sind jetzt im Fluss. Alles ist in Vorbereitung, und wir werden abzuwarten haben, wie erfolgreich unser Weg sein wird. Ich bin ausgesprochen zuversichtlich. Ich meine, im Zuge der Verkürzung der Schulzeit muss man aber auch etwas möglich machen, wenn es darum geht, den Schülern noch mehr Chancen bei der Verkürzung zu eröffnen. Ich denke daran, dass das Abitur im Jahresablauf vielleicht so fristgerecht abgelegt werden kann, dass man bereits zum Sommersemester an die Universitäten gehen kann.

(Astrid Vockert [CDU]: Absolut sinn- voll!)

Rheinland Pfalz macht das zurzeit schon.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Unter dem Strich sage ich Ihnen: Mit diesem Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, bremsen Sie die Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen aus. Sie verzögern sinnvolle Maßnahmen. Wenn wir, die wir alles auf den Weg gebracht haben, Ihrem Antrag zustimmen würden, dann wären wir ja mit dem Klammerbeutel gepudert. Genau das wollen wir nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister Busemann für die Landesregierung!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Antrag, die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auszusetzen, ist gegen die Interessen unserer Kinder und deren Eltern gerichtet. Er ist rückwärts gewandt und unzeitgemäß, er ist durch die tatsächliche Entwicklung auch längst überholt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wie der Kollege Poppe deutlich machte, ist er auch fachlich völlig daneben. Man kommt ja auf viele Ideen und hört viele Ideen aus dem Lande, aber auf die Idee, Frau Korter, die Verkürzung der Schulzeit auszusetzen, ist nun wirklich keiner gekommen. Aber sei’s drum.

(Ina Korter [GRÜNE]: Sie sind ja der Schulfachmann überhaupt!)

Mit dem eindeutigen Wählerauftrag ausgestattet, meine Damen und Herren, hat der Landtag in seiner Juni-Sitzung 2003 das neue Niedersächsische Schulgesetz verabschiedet. Die beiden wesentlichen Änderungen des Gesetzes,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

die auf breite öffentliche Zustimmung stoßen, sind der rasche Ausstieg aus der Orientierungsstufe und der Einstieg in eine zwölfjährige Schulzeit bis zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife. Die Landesregierung hat diese Entscheidungen konsequent und zeitnah umgesetzt. Dass Sie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit unserem Tempo nicht mithalten können, merken wir alle nasenlang, aber wir nehmen es halt hin.

Denn draußen im Lande sieht es anders aus. Kein Schulträger in Niedersachsen wird von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Orientierungsstufe über den 1. August 2004 hinaus fortzuführen, obwohl das Niedersächsische Schulgesetz diese Möglichkeit zulässt.

(Lothar Koch [CDU]: Aha!)

Wir waren der Meinung, bei unüberwindlichen Problemen müsse man an schwierig gelagerten Standorten vielleicht diese einjährige Gnadenfrist oder Wartezeit geben. Kein Schulträger macht

davon Gebrauch, alle wollen das Gesetz umsetzen, und alle können es auch. Das ist doch ein gutes Signal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Joachim Albrecht [CDU]: Selbst Han- nover schafft das!)

Es geht ja auch um Wahrnehmungen. Bei meinen vielen Gesprächen vor Ort stelle ich im Gegenteil fest, dass der zügige und fast geräuschlose Ausstieg aus der Orientierungsstufe nahezu abgeschlossen ist. Mit der neuen Verordnung zur Schulentwicklungsplanung hat die Landesregierung den Schulträgern einen großen Gestaltungsspielraum gegeben, um diesen Ausstieg zu bewältigen. Zur Unterstützung der Schulträger und der jeweiligen Planungen habe ich im Kultusministerium ein Team von Fachleuten zusammengestellt, die die Schulträger beraten und begleiten, sofern sie das wünschen und für notwendig erachten. Diese Mitarbeiter berichten mir: Die Umstellung auf der Ebene der Schulträger ist bis auf wenige Einzelfälle vollständig abgeschlossen, und das neue Schuljahr 2004/2005 kann ordnungsgemäß beginnen. Da, wo noch Klärungsbedarf besteht, geht es um reine Schulträgerfragen, die vor Ort manchmal auch politisch bedingt sind und nichts mit der Verordnung und der gesetzlichen Grundlage zu tun haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, in der Begründung des vorliegenden Antrags weist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Herausforderungen hin, die unsere Schulen im Zusammenhang mit der Schulstrukturreform zu bewältigen haben. Diese Herausforderungen stelle ich nicht in Abrede. Eine solch umfassende Reform kann nicht ohne ein besonderes Engagement der Beteiligten vor Ort umgesetzt werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sie bringt für eine Übergangszeit unvermeidbar Erschwernisse mit sich. Aber - da bin ich auch Herrn Albrecht für die Beschreibung der guten Verfassung unserer Lehrerschaft dankbar im Gegensatz zu Ihnen trauen wir den Schulen in Zusammenarbeit mit den Schulträgern und den Eltern zu, diese Herausforderungen zu meistern, und zwar nicht zu Lasten, sondern zum Wohl der uns anvertrauten Kinder.

Aus diesem Vertrauen heraus haben wir die längst überfälligen schulpolitischen Reformen auf den Weg gebracht, zu denen die alte Landesregierung weder die Kraft noch den Mut hatte. In einem Schreiben an die Lehrkräfte des Landes habe ich mich vor einiger Zeit bei diesen für ihren Einsatz, mit dem sie die anstehenden Veränderungen und Erneuerungen in so kurzer Zeit bewältigen, bedankt.

Auch für das verantwortungsbewusste Mitwirken der Erziehungsberechtigten an unserer Schulreform gibt es Belege.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn der Präsident die Glocke betätigt, dann ist es hier zu laut. Hören Sie dem Minister bitte zu, oder gehen Sie aus dem Saal!

So hat die erste Trendbefragung zu den Schullaufbahnentscheidungen der Eltern folgendes Ergebnis gebracht: rund 20 % Bildungsbeteiligung für die Hauptschule, ca. 40 % für die Realschule und rund 35 % für das Gymnasium. Die Ergebnisse liegen in den erwarteten Bahnen. Herr Poppe, die großen Schwankungen in der Bildungsbeteiligung - Hauptschulen irgendwo im Lande mal 10 %, mal 50 %, Gymnasien mal unter 20 % und in Göttingen, glaube ich, über 60 % - gibt es seit eh und je.

(Lothar Koch [CDU]: So ist es! - Claus Peter Poppe [SPD]: Das sind aber genau die Probleme, auf die die Stu- die hinweist!)

Diese Schwankungen muss man durchaus in die Berechnungen mit einbeziehen, und wir werden sie einbeziehen. Ich will Ihnen aber sagen: Es beruhigt ein Kultusministerium, dass die Bildungsbeteiligungen in dem von uns erwarteten Korridor liegen; wir werden ja im Juni letzte Klarheit haben. Daran wird die Schulstrukturreform im Sommer nicht scheitern.

(Zustimmung bei der CDU)

Jedenfalls bleiben wir als Land Niedersachsen mit den Übergangsquoten auch im Korridor vergleichbarer Bundesländer. Ich finde das eine erfreuliche und - ich sage es noch einmal - durchaus beruhi

gende Entwicklung mit einem Pro für die gymnasialen Angebote. Die ländlichen Räume werden unter anderem die Gewinner dieser Schulreform sein.

Lassen Sie mich nun zu der Forderung des Antrags kommen, die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auszusetzen, obwohl eine solche neben der Wirklichkeit liegende Forderung eigentlich keiner Erwähnung mehr bedarf. Außerdem hat es mit Logik nichts zu tun, wegen angeblicher Umstellungsprobleme bei der Abschaffung der O-Stufe die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit aussetzen zu wollen. Die Probleme, die Sie bei der Abschaffung der Orientierungsstufe sehen, gibt es nicht. Ich glaube, ich habe das hier klar gemacht. Also ist eigentlich der Grund für Ihren Antrag entfallen.

Ich muss Ihnen sagen: Wenn Sie aus einem anderen schulpolitischen Weltbild heraus gegen das Abitur nach Klasse 12 sind, dann kommen Sie nicht mit Aussetzungsmodellen, sondern stellen Sie einfach einen Antrag zur Änderung des Schulgesetzes mit der Forderung: Wir wollen das Abitur nach Klasse 13 beibehalten.

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

Das wäre der konsequente Weg, meinetwegen auch auf Seiten der Sozialdemokraten. Sie stellen zum falschen Thema auch noch parlamentstechnisch - so möchte ich es einmal sagen - den falschen Antrag.

(Zustimmung bei der CDU - Reinhold Coenen [CDU]: Das ist ganz einfach!)

Nicht nur die Politik, auch die Erziehungsberechtigten wollen und wünschen die Verkürzung der Dauer der Schulzeit bis zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife auf zwölf Schuljahre. Vor dem Hintergrund der Entwicklung in den meisten Ländern kann und will Niedersachsen die Umstellung nicht verzögern.

Die Verkürzung der Schulzeit bis zum Erwerb der Hochschulreife durch den Wegfall des 13. Schuljahrganges darf nicht mit einem Qualitätsverlust verbunden sein. Deshalb ist es erforderlich, in den Schuljahrgängen 5 bis 12 mit einer erhöhten Schülerpflichtstundenzahl zu arbeiten. Die Erfahrungen in anderen Ländern mit diesem erhöhten Stundenansatz sind positiv und bedürfen keiner gesonderten Auswertung mehr.

Auf einen Rückgang der Schülerzahl in den allgemeinbildenden Schulen warten zu wollen, um erst dann mit einer Verkürzung der Schulzeit zu beginnen, bedeutet verschenkte Zeit für die Jugendlichen. Wir wollen ihnen die Chance geben, sich im nationalen wie internationalen Vergleich früher als bisher im Studium oder im Beruf bewähren zu können.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Auffassung, die individuelle Entwicklung der Heranwachsenden gelänge besonders gut, wenn diese möglichst lange die Schule besuchen, ist irrig. Im Gegenteil, durch die Verkürzung der Schulzeit gewinnen künftige Generationen früher als bisher außerschulische Lebens- und Lebensarbeitszeit.

Unabhängig von der generellen Verkürzung der Dauer der Schulzeit bis zum Erwerb der Hochschulreife auf zwölf Schuljahre wird die von Ihnen geforderte individuelle Schulzeitverkürzung, etwa durch Überspringen, weiterhin möglich sein und ist längst Realität an unseren Schulen.

Abschließend also noch einmal, verehrte Frau Korter: Der Antrag ist wirklich daneben und ist - ich habe es bei anderer Gelegenheit schon einmal gesagt - wieder ein Musterbeispiel dafür, dass ich mit der damals etwas forschen Bemerkung offenbar richtig gelegen habe: Was Schulpolitik anbelangt, müssen Sie sich nicht ständig hinter den Zug werfen. Das hilft alles nichts. Das ist nun mal so.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir sind da weiter, und ich habe den guten Eindruck, dass die Schulstrukturreform im August dieses Jahres ein Erfolg werden wird. - Danke schön.