Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

Ein Zweites. Dieser Antrag kommt zu einer völlig falschen Zeit. Es wäre auch völlig falsch, sich einer Initiative von Schleswig-Holstein anzuschließen. Zur Erbschaftsteuer und zur Vermögensteuer gibt es schließlich Verfassungsgerichtsurteile. Die Vermögensteuer ist danach bereits unwirksam, und bei der Erbschaftsteuer - das wissen Sie - ist das Bewertungsverfahren geändert worden. Der Bundesfinanzhof hat auch das neue Bewertungsverfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, um es erneut für verfassungswidrig erklären zu lassen.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Beim Verfassungsgericht gilt das umso mehr. Es ist aber auch keine Eile geboten, da die Einlassungsfristen bis Mitte Dezember 2004 laufen. Das heißt, in diesem Jahr werden wir kein Verfassungsgerichtsurteil mehr bekommen.

Wir können über ein verfassungskonformes Erbschaftsteuergesetz aber erst nachdenken, wenn wir wissen, was das Verfassungsgericht in seine Begründung schreibt. Falls es das jetzige für verfassungswidrig erklärt! Wenn nicht, brauchen wir

ohnehin kein neues Erbschaftsteuergesetz. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Peters das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass es notwendig ist, die Ungleichbehandlung in der Bewertung von Grundvermögen und Immobilien zu Geldvermögen zu beseitigen, ist zwischen den Grünen und der FDP unstreitig. Die unterschiedliche Bewertung von Grundvermögen, Immobilien und - das fehlt in dem Antrag - auch Betriebsvermögen zu sonstigem Vermögen fordert geradezu zu Gestaltungen heraus, die Erbschaftsteuer zu minimieren.

(Dr. Harald Noack [CDU]: So ist es!)

Streitig ist wie immer nur: Was ist gerecht, und was ist volkswirtschaftlich richtig?

Es wird hier im Hause niemanden verwundern, dass die FDP den Ansatz, der in der Begründung des Antrags der Grünen enthalten ist - nämlich im Ergebnis die Steuern zu erhöhen -, nicht mittragen kann. Deutschland kommt zwar nicht mit den vorhandenen Einnahmen aus - was aus rot-grüner Sicht sicherlich die Annahme begründen würde, dass die Einnahmen erhöht werden müssen -, aus Sicht der FDP ist der Lösungsansatz aber: Wir brauchen niedrigere Steuern und langfristige Planungssicherheit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dadurch wird Vertrauen zurückgewonnen, und das bringt mehr wirtschaftliches Engagement. Daraus folgt wiederum mehr Ertrag, und die Folge daraus wäre ein höheres Steueraufkommen. - Das wäre meines Erachtens volkswirtschaftlich gesund.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist natürlich verführerisch, die Chance zu ergreifen, die uns der Antrag der Grünen bietet, und auf diesem Weg die Einnahmen für Niedersachsen zu erhöhen. Aber wir sollten unseren Landeshaushalt nicht dadurch zu sanieren versuchen, dass wir den Leistungsträgern der Gesellschaft höhere Belastungen auferlegen, sondern dadurch, dass

wir haushalten und mit den vorhandenen Mitteln auskommen.

Eine weitere Belastung der Leistungsträger - ich nenne sie ganz bewusst so; denn höhere Vermögen sind regelmäßig durch einen hohen persönlichen Einsatz der Betroffenen erwirtschaftet worden

(Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan [SPD]: Das ist doch falsch! Wie kann man so etwas sagen?)

- das kann ich sagen, weil ich das so erlebe - lehnen wir ab; denn bevor es zu einem Vermögenstatbestand kommen kann, kam bereits die Ertragsbesteuerung zum Tragen.

Die Vorstellung von Herrn Wenzel, am Anfang sollten wir alle gleich sein, hieße in der letzten Konsequenz: Erbschaftsteuer 100 %, Betriebe platt machen, keine Arbeitsplätze mehr übertragen. Nur dann wären wir am Anfang alle gleich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wirklich notwendig ist meines Erachtens jedoch eine Reform der anzusetzenden Einheitswerte. Diese muss aber im Saldo der Volkswirtschaft aufkommensneutral erreicht werden.

Die aus der Reform der Bewertung resultierenden Mehreinnahmen unmittelbar durch Senkung der unteren Steuersätze zurückzugeben, wie es in dem Antrag der Grünen vorgeschlagen wird, wird die Akzeptanz für die notwendige Reform deutlich erhöhen. Diesen Weg können wir unterstützen.

Gleichzeitig aber größere Vermögen weiter belasten zu wollen und sich hiervon höhere Einnahmen zu versprechen, halte ich für blauäugig. Die Inhaber größerer Vermögen können sich gute Berater leisten, und die werden dafür bezahlt, die Steuerlast zu senken, im Zweifelsfall durch Verlagerung des Vermögens ins Ausland. Das ist jedoch nicht im Sinne unserer Politik; das schadet langfristig unserem Land.

Wir müssen uns vielmehr Gedanken machen, wie wir bei einer Erbschaftsteuerbelastung von fast 30 % die Mittelstandsbetriebe in der derzeitigen Erbengeneration erhalten können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir dürfen nicht ständig wirtschaftliche Kreativität binden, um diesem gierigen Staat auszuweichen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Weyberg das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Wenzel, manchmal haben Sie ja ganz gute Ideen. Manchmal sind Sie auch richtig pfiffig, und manchmal sind Sie sogar an der Sache orientiert. Aber bei diesem Antrag ist das alles leider nicht der Fall.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist zwar richtig, dass Land und Bund zu hohe Ausgaben haben und die Haushalte daher nicht im Gleichgewicht sind. Es ist allerdings falsch, daraus zu schließen, dass wir durch neue Steuern bzw. durch die Umgestaltung von Steuern unsere Einnahmen erhöhen müssten. Dieses Geld fällt ja schließlich nicht vom Himmel, sondern muss von irgendwem erbracht werden.

Wenn Sie die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer erhöhen wollen, ist auch schon klar, wer das Geld erbringen soll: die üblichen Verdächtigen, nämlich die Handwerker, die auch in Krisenzeiten für Ausbildungsplätze sorgen, die Unternehmen, die wichtiger Motor für das Wirtschaftswachstum sind, das wir ja so dringend brauchen,

(Ralf Briese [GRÜNE]: Lesen Sie mal den Antrag!)

und auch die landwirtschaftlichen Betriebe, die - wir haben es gerade gehört - ihre Betriebsausrichtung kaum noch über den Zeitraum einer Fruchtfolge planen können.

Sie erwecken den Anschein, dass eine am Verkehrswert orientierte Erbschaftsteuer für Grundvermögen und Immobilien die wirtschaftenden Betriebe gar nicht belastet. Fakt ist aber, dass genau diese Werte häufig die Sicherheit für unternehmerische Investitionen darstellen. Konfrontieren Sie doch einmal die wenigen Ihrer Mitglieder, die Unternehmer sind, mit Ihren Ideen. Ein Ökobauer z. B. wäre entsetzt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Letztendlich gehen Sie mit Ihrem Vorschlag den Menschen an die Substanz, die ihr Leben lang gearbeitet haben,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

die Vermögenswerte aufgebaut haben. - Mal ganz nebenbei: Dieses Vermögen ist selbstverständlich schon in vielfältiger Weise besteuert worden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Bernd Althusmann [CDU]: Richtig! Genau das ist es nämlich!)

Die CDU hat hier eine grundsätzlich andere Philosophie: Der Staat darf die Menschen, die ihn tragen, nicht mit immer mehr Abgaben und immer höheren Steuern belasten und gleichzeitig darüber jammern, dass in Deutschland ein so schlechtes Investitionsklima herrscht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Andere Länder gehen mit Steuern anders um. Sie haben hier zwar nur die Erbschaftsteuer angesprochen, aber das muss man ja wohl im Zusammenhang sehen. Ich will hier auch gar nicht auf die EUBeitrittsländer eingehen, sondern z. B. auf Österreich verweisen.

(Heinrich Aller [SPD]: Die bekommen doch jetzt einen sozialdemokratischen Bundespräsidenten!)

Dort erreicht man durch innovative Politik und insgesamt niedrige Steuersätze einen etwas besseren Aufschwung als bei uns.

Haben Sie denn nach dem Desaster mit der Ökosteuer immer noch nicht registriert, dass Ihr Ansatz volkswirtschaftlich völlig unsinnig ist? Wenn Sie immer mehr besteuern, nehmen Sie den Anreiz zur Investition, zur Schaffung von Werten und letztendlich zur Stärkung unserer Volkswirtschaft. Bei jeder Steuererhöhung müssen wir uns doch die Frage stellen: Welche Auswirkungen hat dies auf den Standort Deutschland? Wie wird das in den Nachbarländern geregelt?

Sie behaupten, dass 500 Milliarden Euro an ungefähr 2 % der Haushalte vererbt werden. Nun glauben Sie, wenn wir eben einmal die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer erhöhen, kommen dicke Gewinne in den Landeshaushalt.

Meine Damen und Herren, wer das glaubt, der glaubt auch an den Osterhasen.

(Beifall bei der CDU)

Diejenigen mit den großen Vermögen haben einen Steuerberater, der sich mit dem Außenwirtschaftsgesetz gut auskennt. Das Ende vom Lied wird sein, dass sie abwandern, hier keine Erbschaftsteuer zahlen und außerdem in Zukunft nichts investieren. Das Bundesfinanzministerium hat zu diesem Themenkomplex eine Studie durch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung erstellen lassen. Auch die beteiligten Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, bei der momentan schon hohen Belastung von großen Vermögen die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer nicht zu erhöhen.