Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

Diejenigen mit den großen Vermögen haben einen Steuerberater, der sich mit dem Außenwirtschaftsgesetz gut auskennt. Das Ende vom Lied wird sein, dass sie abwandern, hier keine Erbschaftsteuer zahlen und außerdem in Zukunft nichts investieren. Das Bundesfinanzministerium hat zu diesem Themenkomplex eine Studie durch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung erstellen lassen. Auch die beteiligten Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, bei der momentan schon hohen Belastung von großen Vermögen die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer nicht zu erhöhen.

(Heinrich Aller [SPD]: Da haben Sie wohl die Rückseite gelesen!)

- Ich glaube, ich habe das schon richtig gelesen. Also Finger weg von der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer!

(Beifall bei der CDU)

Natürlich wissen wir, dass der Bundesfinanzhof am 13. August 2002 seine Entscheidung veröffentlicht hat, dass das Verfahren zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer gesetzlich neu geregelt werden muss. „Neu geregelt“ bedeutet übrigens nicht unbedingt, dass eine Erhöhung erfolgen muss.

Es besteht für uns kein Grund, uns sozusagen an den Gesetzentwurf von Schleswig-Holstein anzuhängen, weil er sich zum einen nicht mit unseren Zielen deckt. Zum anderen sollten wir erst einmal das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes abwarten, das, wie Sie schon gesagt haben, 2005 erwartet wird. Vielleicht können wir dann ja auch Sie, lieber Herr Wenzel, überzeugen, in der Ausschussberatung mit uns an einem vernünftigen Weg zu arbeiten. Das wäre nur logisch. Wir müssen doch das Steuersystem insgesamt im Auge behalten und können nicht nach Gutdünken einen Steuerbestandteil herausnehmen.

In der Aktuellen Stunde haben wir gestern erfahren, dass seit der Übernahme der Bundesregierung durch Rot-Grün die Zahl der Firmenpleiten von 27 000 auf 40 000 jährlich gestiegen ist. 40 000 ist ungefähr die Größenordnung Ihrer Mitgliederzahl; vielleicht sind es auch ein paar mehr.

Ich habe den Eindruck, dass Sie mit Ihrem Antrag erreichen wollen, dass ungefähr auf jedes Mitglied der Grünen eine Firmenpleite kommt. Dabei werden wir als CDU nicht mitmachen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Aller das Wort. Bitte!

(Zuruf von der CDU: Herr Aller, jetzt haben Sie es schwer!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vorteil des Antrages der Grünen ist, dass er in die Ausschüsse verlagert wird und wir dort vielleicht ein bisschen sachbezogener diskutieren können als hier.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sage in Richtung Finanzminister: Es war schon enttäuschend, dass er sich seit der Kleinen Anfrage der SPD-Fraktion vom Februar sozusagen nicht weiterentwickelt hat, bei der auf konkret gestellte Fragen nicht eine vernünftige Antwort zustande gekommen ist. Es war allenfalls die Botschaft zu vernehmen: Wir sagen nichts, wir wissen nichts und wir können nichts. Dafür brauche ich kein ganzes Ministerium. Die Auseinandersetzung, die wir hier führen, ist gesellschaftspolitisch deshalb wichtig - das hat man eben bei den Einlassungen der CDU und FDP gemerkt -, weil es auch um die Frage der Steuergerechtigkeit geht. Wenn man Gutachten richtig liest, kann man feststellen, dass gerade in den angloamerikanischen Systemen, die Sie so abfeiern, die Besteuerung von Grundeigentum und die Besteuerung von Erbschaften in einer ganz anderen Größenordnung erfolgt als hier. Das müsste in Ihren Augen ja blanker Sozialismus und Dirigismus sein. Diese Argumentation ist für deutsche Verhältnisse unerträglich.

Ein zweiter Punkt. Alle statistischen Grundlagen, die wir haben, weisen nach, dass Deutschland erstens, gemessen an den direkten und indirekten Steuern, kein Hochsteuerland ist - es ist eine Mär, die diesbezüglich erzählt wird - und dass es zweitens völlig richtig ist, dass wir bei der Erbschaftsteuer am Ende der Skala unter vergleichbaren Ländern liegen. Wer das nicht zur Kenntnis neh

men will, dem muss man ideologische Hintergedanken unterstellen. Das tue ich hiermit.

(Beifall bei der SPD)

Drittens geht es um einen Sachverhalt, den der Finanzminister zur Kenntnis nehmen muss. Wir haben als Landespolitiker einmal billigend in Kauf genommen, dass durch eine Ersatzregelung, die angedeutet war, die Ausfälle bei der Vermögensteuer durch die Mehreinnahmen bei der Erbschaftsteuer und die Mehreinnahmen bei der Grunderwerbsteuer nicht nur kompensiert, sondern leicht überkompensiert werden sollten. Das Ergebnis ist in der Mipla dieser Landesregierung nachzulesen: Das Aufkommen aus der Vermögensteuer wird am Ende dieser Legislaturperiode bei null liegen. Die Zuwächse bei der Grunderwerbsteuer und der Erbschaftsteuer werden, über alles gerechnet, nicht einmal die Hälfte dessen zurückbringen, was wir bei der Vermögensteuer verloren haben. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie in Ihrer steuerpolitischen Debatte als Doktrin in Bezug auf die künftige Zuständigkeit der eher selbstständig handelnden Bundesländer immer wieder vor sich hertragen. Wenn die Länder mehr Verantwortung übernehmen sollen, dann sollten sie doch bitte schön in der Phase, in der sie ständig verfassungswidrige Haushalte produzieren, Herr Möllring, den Beitrag nicht so extrem überinterpretieren, dass sie sogar noch auf die Erbschaftsteuer verzichten können, weil sonst der Beifall von denen, die profitieren, noch größer ist, aber der negative Beifall von der Opposition in diesem Hause draußen möglicherweise nicht gehört wird.

(Zuruf von der CDU: Den negativen Beifall möchte ich einmal hören!)

Der Witz bei der Sache ist: Wenn Sie billigend in Kauf nehmen - so muss ich Sie interpretieren -, Kollegin Weyberg, dass es am besten wäre, die Erbschaftsteuer abzuschaffen, dann können Sie sich auch hier hinstellen und sagen: Wir brauchen auf das Urteil des Bundesfinanzhofes keine Rücksicht zu nehmen. Sie könnten dann auch sagen: Das Bundesverfassungsgerichtsurteil interessiert uns nicht. - Dann ist die Debatte vorbei. Sie können das dann mit Mehrheit beschließen.

Wenn Sie das nicht wollen, müssen Sie entscheiden, ob Sie bei der Erbschaftsteuer weniger heraushaben wollen, ob Sie ungefähr das Gleiche heraushaben wollen oder ob Sie mehr herausha

ben wollen. Egal, wie Sie sich entscheiden: Sie werden sich nicht vor einer konkreten Auseinandersetzung erstens um die Höhe der Einnahmen, die erzielt werden sollen, und zweitens - das ist der entscheidende Punkt - um die Freibeträge sowohl im betrieblichen Bereich als auch im Eigenheimbereich drücken können. Drittens müssen Sie sich schließlich noch mit den Tarifen auseinander setzen.

Ich werfe dieser Landesregierung sowie der FDP und der CDU vor, dass sie sich nicht über ein eigenes niedersächsisches Konzept einigen können. Sie gucken zu, wie man sich in Bayern und Rheinland-Pfalz in der Frage der Grundbesteuerung und wie man sich in Schleswig-Holstein in der Frage der Erbschaftsteuer, der Schenkungsteuer und der Grundbesteuerung auseinander setzt. Sie werden auf der Zuschauerbank möglicherweise erleben, dass Sie Lösungen hinterherlaufen, die Sie gar nicht haben wollen. Dafür werden Sie als Regierungsfraktionen und als Regierung in diesem Lande nicht bezahlt.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Bürgerinnen und Bürger und auch der Landtag haben einen Anspruch darauf, dass sich diese Landesregierung in zentralen Fragen erklärt. Ich habe vorhin bereits gesagt, dass eine dieser Fragen eine gesellschaftspolitische Frage ist. Über die Nichtdurchsetzbarkeit der Vermögensteuer haben sich einige wahnsinnig gefreut. In der Frage der Erbschaftsteuer geht es nun auch um eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung über die gerechte Verteilung von Lasten und Belastungen in diesem Staat.

Wenn Sie die Auseinandersetzung in SchleswigHolstein verfolgen und auch das Gutachten richtig lesen - Sie haben offensichtlich nur die Zusammenfassung des Gutachtens und dabei dann auch noch den falschen Punkt gelesen -, werden Sie feststellen, dass Deutschland im Bereich der Besteuerung von Erbschaften in mittlerer Größenordnung hervorragend abschneidet und nur in der Spitze im internationalen Vergleich eine etwas höhere Belastung stattfindet. Genau diese Art der Diskussion, die Sie führen, macht es in dieser Gesellschaft so extrem schwierig, als Haushaltspolitikerin, die Sie sind, als Steuerpolitikerin, die Sie ebenfalls sind, und letztlich als Interessenvertreterin gegenüber den unterschiedlichen sozialen Gruppen in diesem Lande glaubwürdig zu sein.

Fasst man all dies zusammen, ist Folgendes völlig klar. Erstens. Im Landeshaushalt können wir nicht auf die Einnahmen verzichten, die wir bei der Grunderwerbsteuer ausgewiesen haben, und wir können schon gar nicht auf das verzichten, was auf der Seite der Erbschaftsteuer angesetzt ist. Wenn der Finanzminister meint, er könne darauf verzichten, dann möge er das vor diesem Hause sagen. Er müsste seinen künftigen Haushalt dann um mindestens 80 Millionen geringer veranschlagen, wenn er nur die CDU-Beschlüsse, die augenblicklich zu Papier gebracht werden, umsetzen will. Wenn es in die Richtung gehen sollte, auf Steuern zu verzichten, weil wir diejenigen, die eigentlich Erbschaftsteuer zahlen sollten, durch unsere Finanzbehörden sowieso nicht erwischen, dann wäre das die Kapitulation vor denen, die flexibel, mobil und auch wirtschaftsschädlich den Standort Deutschland benutzen, um hier Geld zu verdienen, die Steuern nach außen zu tragen oder zu hinterziehen. Ich erinnere an das Beispiel Müller. Seitdem schmeckt mir nur noch Joghurt von anderen Firmen. Ich sage das ganz deutlich. Den MüllerJoghurt kann ich nicht mehr verdauen.

(Beifall bei der SPD)

Wer diesen Staat nutzt, um Subventionen abzustauben, und dann, wenn er sie in der Tasche hat, sein Vermögen nach draußen trägt, damit er keine Erbschaftsteuer zahlt, handelt im Übermaß gesellschaftsschädigend.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein schlechtes Beispiel für diese Gesellschaft, weil dadurch die Steuermoral in diesem Lande untergraben wird. Ich möchte Sie ganz herzlich auffordern, Frau Weyberg, weil ich wirklich - -

(Bernd Althusmann [CDU]: Ich möchte Ihnen eine Frage stellen!)

- Ja, bitte! Fragen Sie, wenn Sie können. - Frau Präsidentin, der junge Mann möchte mich etwas fragen.

Herzlichen Dank. - Herr Althusmann, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Aller, Sie waren als Finanzminister für die Steuerschätzung und für den Haus

halt verantwortlich. Am 14. November 2002 haben Sie eine Presseerklärung herausgegeben und für Niedersachsen aufgrund der Änderung der Erbschaftsteuer und der Vermögensteuer ein Mehraufkommen von rund 1,5 Milliarden Euro bis 2006 erwartet. Halten Sie an dieser Sache noch fest, und glauben Sie auch heute noch an Ihre eigenen Aussagen?

Herr Aller!

Die tatsächlichen Zahlen haben uns wirklich überholt. Das gilt auch für den jetzigen Finanzminister.

(Zurufe von der CDU)

Herr Althusmann, wenn ich es richtig sehe, haben Sie vor weniger als drei oder vier Monaten erklärt, Sie hätten eine saubere mittelfristige Finanzplanung vorgelegt, die in sich schlüssig und in die Zukunft gerichtet sei und die Neuverschuldung in absehbarer Zeit sogar auf null herunterfahren werde - in ungefähr 30 Jahren. Wenn ich das richtig interpretiere, ist ein Baustein dieser mittelfristigen Finanzplanung die regelmäßige Einnahme aus der Erbschaftsteuer und der Grunderwerbsteuer.

Herr Aller, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Zunächst einmal muss ich diese Frage ja beantworten. - Darf ich weiterreden? - Wenn die Erbschaftsteuer und die Grunderwerbsteuer feste Bestandteile Ihrer mittelfristigen Finanzplanung sind, dann wird eine der Aufgaben darin bestehen, erstens bei der Neufassung des Bewertungsgesetzes und zweitens bei der Neugestaltung der Erbschaftsteuer darauf zu achten, dass nicht weniger, sondern genauso viel in die Kassen kommt, wie es von Ihnen jetzt prognostiziert worden ist.

Gibt es noch weitere Fragen?

(Glocke der Präsidentin)

Sie haben noch 14 Sekunden.

Dann kann ich auch keine weiteren Zusatzfragen mehr annehmen.

Zum Schluss - klingeln Sie mich hier ab - will ich wenigstens noch Folgendes sagen, Frau Weyberg und Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition: Wenn schon die Landesregierung und der Finanzminister nicht bereit sind, in diesem Hause eine sachbezogene Diskussion zu führen, dann bitte ich Sie, sich dann, wenn dieser Antrag im Ausschuss beraten wird, dafür einzusetzen, dass die Pros und Kontras im Rahmen einer Anhörung sauber auf den Tisch gelegt werden. Sie werden feststellen, dass unsere Argumente und die der Grünen zu diesem Haushalt und zu der Steuergerechtigkeit in diesem Lande unter dem Strich die besseren Positionen darstellen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Wenzel. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Möllring, in Ihrem Steuerkonzept steht eine Senkung der Erbschaftsteuer um 800 Millionen Euro - ein Minus von 80 Millionen für Niedersachsen. Das ist zweimal die Bürgschaft für das INI, die Sie offensichtlich zur Verfügung haben, um diese Steuersenkung vorzunehmen. Sie sagten hier am Rednerpult, das müsse noch ausformuliert werden. Mit anderen Worten: Sie selbst haben offensichtlich Zweifel daran, ob das finanzierbar, umsetzbar und machbar ist. Sie ducken sich weg. Sie wissen ganz genau, dass dieses Papier an vorderster Stelle auch von Ihrem Ministerpräsidenten als stellvertretendem Parteivorsitzenden mitformuliert worden ist, der in dieses Papier offensichtlich nur heiße Luft hineingeschrieben hat.

Das Gesamtsteuerkonzept von CDU und CSU kommt zu Steuermindereinnahmen in Höhe von 100 Milliarden Euro. Sie brauchen in diesem Zusammenhang nicht unsere Zahlen oder die der SPD, sondern nur Ihre eigenen Kronzeugen zu bemühen, die das sicherlich besser ausgerechnet haben, als wir es jemals ausrechnen könnten; denn die kennen diese Papiere im Detail. Diese