Protokoll der Sitzung vom 30.04.2004

(CDU) Vizepräsident Ulrich B i e l (SPD) Vizepräsidentin Ulrike K u h l o (FDP) Vizepräsidentin Silva S e e l e r (SPD) Vizepräsidentin Astrid V o c k e r t (CDU) Schriftführer Lothar K o c h (CDU) Schriftführerin Georgia L a n g h a n s (GRÜNE) Schriftführer Wolfgang O n t i j d (CDU) Schriftführerin Christina P h i l i p p s (CDU) Schriftführer Friedrich P ö r t n e r (CDU) Schriftführerin Isolde S a a l m a n n (SPD) Schriftführerin Bernadette S c h u s t e r - B a r k a u (SPD) Schriftführerin Brigitte S o m f l e t h (SPD) Schriftführerin Irmgard V o g e l s a n g (CDU) Schriftführerin Anneliese Z a c h o w (CDU)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Staatssekretärin Dr. Gabriele W u r z e l , Christian W u l f f (CDU) Staatskanzlei

Staatssekretär Wolfgang M e y e r d i n g , Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport

Finanzminister Hartmut M ö l l r i n g (CDU)

Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Dr. Ursula von der L e y e n (CDU)

Staatssekretär Gerd H o o f e , Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Kultusminister Bernd B u s e m a n n (CDU)

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Staatssekretär Joachim W e r r e n , Walter H i r c h e (FDP) Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Heinrich E h l e n (CDU)

Staatssekretär Gert L i n d e m a n n Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Justizministerin Elisabeth H e i s t e r - N e u m a n n

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n (CDU)

Umweltminister Hans-Heinrich S a n d e r (FDP)

Beginn: 9.01 Uhr.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 33. Sitzung im 12. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode. Ich stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Geburtstag haben die Abgeordneten Frau Dr. Trauernicht-Jordan, Frau Bockmann und Herr Fleer. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im ganzen Hause)

Zur Tagesordnung. Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, Tagesordnungspunkt 28. Es folgt die Fortsetzung von Tagesordnungspunkt 2: Eingaben. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung mit Ausnahme von Tagesordnungspunkt 31, der bereits gestern behandelt wurde. Die Tagesordnungspunkte 30, 35 und 37 werden lediglich zum Zwecke der Ausschussüberweisung aufgerufen. Außerdem haben sich die Fraktionen darauf verständigt, zu dem unstrittigen Tagesordnungspunkt 38 auf ihre Redebeiträge zu verzichten und die Mittagspause ausfallen zu lassen, sodass wir die heutige Sitzung gegen 14.30 Uhr beenden können.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin Frau Somfleth.

Guten Morgen! Entschuldigt haben sich von der Landesregierung der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Herr Hirche, ab 10.30 Uhr und der Minister für Inneres und Sport, Herr Schünemann, von der SPD-Fraktion Frau Dr. Trauernicht-Jordan und von der FDP-Fraktion Herr Dürr ab 10 Uhr und Herr Riese.

Ich rufe nunmehr auf

Tagesordnungspunkt 28: Mündliche Anfragen - Drs. 15/950

Ich stelle fest: Es ist 9.03 Uhr.

Wir kommen zu

Frage 1: Windkraft vernichtet Arbeitsplätze?

Hierzu erteile ich Frau Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Celleschen Zeitung vom 26. Februar 2004 wird Umweltminister Sander bei einem Besuch des Windparks bei Bonstorf mit skeptischen Äußerungen zur Windenergie zitiert. In der Zeitung heißt es: „Das Argument, damit würden Arbeitsplätze geschaffen, wies er zurück. Das Gegenteil sei richtig: Windenergie vernichte Arbeitsplätze.“

Ich frage die Landesregierung:

1. Worauf stützt der Umweltminister seine Aussage, dass Windenergie Arbeitsplätze vernichte?

2. Wie viele Arbeitsplätze sind in den vergangenen Jahren nach Erkenntnis der Landesregierung in Niedersachsen durch den Ausbau der Windenergienutzung vernichtet worden?

Für die Landesregierung antwortet der Umweltminister, Herr Sander. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die mir in der Celleschen Zeitung vom 25. Februar zugeschriebene und von der Abgeordneten Harms wiederholte Äußerung ist verkürzt. Sie verfälscht die Darstellung einer Thematik, die anlässlich meines Besuches in Bonstorf im Landkreis Celle diskutiert wurde.

Gegenstand der Erörterung der Beschäftigungswirkung der Windenergie waren sowohl der Budgeteffekt der Windenergie als auch - das betone ich hier noch einmal - die Schaffung von Arbeitsplätzen besonders in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, die Diskussion wurde bundesweit neu angestoßen durch das kürzlich veröffentlichte Gutachten des Energieinstituts der Universität Bremen unter Leitung von Professor Dr. Wolfgang Pfaffenberger. Die Studie zu den Ar

beitsplatz- und Beschäftigungswirkungen der erneuerbaren Energien wurde im Auftrag der HansBöckler-Stiftung erstellt. Man kann davon ausgehen, dass diese gewerkschaftsnahe Stiftung an einer sachlichen Studie interessiert war und ist, um Fakten zu erhalten, auf deren Basis die Debatte künftig weitergeführt werden kann; denn bisher wurden in der politischen Diskussion über die erneuerbaren Energien sehr unterschiedliche Beschäftigungszahlen genannt.

Das Energieinstitut hat die Beschäftigten zunächst mittels Primärerhebungen und durch Auswertung von Sekundärstatistiken erfasst. Für die Windenergiebranche kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Branche die Zahl der Beschäftigten mit 45 000 stark überschätzt. Die Umfrageergebnisse lassen - ich zitiere - „… Zweifel an der Richtigkeit der Branchenangaben und der politischen Einschätzung der durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz geschaffenen Arbeitsplätze aufkommen“.

Im zweiten Teil des Gutachtens wird der Versuch gemacht, anhand von Modellrechnungen die direkten und indirekten Beschäftigungswirkungen für die einzelnen erneuerbaren Energien zu erfassen. Direkte Beschäftigungseffekte entstehen bei der Herstellung, der Installation, der Planung und der Finanzierung der Anlagen und ihrem laufenden Betrieb. Indirekte Beschäftigungseffekte gibt es in der Investitionsgüterindustrie aufgrund verstärkter Nachfrage nach deren Produkten.

Gegenzurechnen sind die negativen Arbeitsplatzeffekte. Sie entstehen dadurch, dass die erneuerbaren Energien andere Energieträger ersetzen, sodass dort Arbeitsplätze entfallen.

Zu den ebenfalls negativen Beschäftigungsauswirkungen führen die volkswirtschaftlichen Mehrkosten der erneuerbaren Energien, weil sie Kaufkraft binden, die in anderen Sektoren ausfällt. Für das Beispiel einer 1 200 kW-Windenergieanlage kommen die Forscher zu folgenden Erkenntnissen:

Die im Jahr der Investition entstehenden einmaligen Beschäftigungseffekte werden auf knapp 17 Personenjahre geschätzt, d. h. 17 Personen sind rechnerisch ein Jahr beschäftigt, um diese Anlage zu erstellen. Der über den gesamten Betrachtungszeitraum von 20 Jahren entstehende Beschäftigungseffekt aus dem Betrieb der Anlage ist mit 13,4 Personenjahren nicht viel kleiner als der Beschäftigungseffekt der Anfangsinvestition.

Auf der anderen Seite verteuert sich durch den Betrieb des Windrades der Strompreis für die Stromverbraucher. Die Gutachter schätzen diesen „energiewirtschaftlichen Verlust“ vorsichtig auf 130 000 Euro pro Jahr. Dies ist die Kaufkraft, die den Stromverbrauchern durch den erhöhten Strompreis für den Kauf anderer Güter und Dienstleistungen entzogen wird.

Dieser „Budgeteffekt“ führt bei der BeispielWindenergieanlage zu einem Arbeitsplatzverlust von knapp zwei Vollarbeitsplätzen pro Jahr oder insgesamt zum Abbau von 38,2 Arbeitsplätzen über die 20 Jahre.

(Lachen bei der SPD - Heidrun Merk [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Im Ergebnis beträgt der gesamte negative Beschäftigungseffekt der Windkraftanlage knapp acht Arbeitsplätze. Das heißt, die Errichtung und der Betrieb der Anlage vernichtet über einen Zeitraum von 20 Jahren knapp acht Vollarbeitsplätze.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Rebecca Harms [GRÜ- NE]: Das glauben Sie doch wohl selbst nicht! - Stefan Wenzel [GRÜ- NE]: Sie sind mir ein Rechenkünstler!)

Die Gutachter kommen allerdings zu dem Ergebnis - -

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Prä- sidentin)

Herr Minister, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche! - Meine Damen und Herren, es ist eine Frage an die Landesregierung gerichtet worden. Ich gehe davon aus, dass alle die Antworten des Ministers hören wollen, und deswegen bitte ich um Ruhe. - Herr Minister, bitte!

Die Gutachter kommen allerdings auch zu dem Ergebnis, dass für den Fall einer kontinuierlichen Absenkung der EEG-Vergütung ein positiver Beschäftigungseffekt erreichbar war und ist. Meine Experten haben mir gesagt, dass der Ansatz der Studie plausibel ist. Weil mit ihr nun erstmals eine wissenschaftliche Untersuchung über die Beschäftigungswirkungen aller erneuerbarer Energien vor