Protokoll der Sitzung vom 30.04.2004

keitsund Kennzeichnungsverordnung ist am 18. April 2004 ohne Wenn und Aber in Kraft getreten. Sie gilt seit diesem Termin auch in Deutschland, und ihre Einhaltung wird auch von uns kontrolliert. Nur ahnden können wir Verstöße gegen diese EU-Verordnung zurzeit nicht, d. h. wir können kein Bußgeld- oder Strafverfahren in Gang setzen. Verfolgen wird unser Haus einen Verstoß gegen Kennzeichnungsund Verwaltungsvorschriften bis zum In-Kraft-Treten der Bußgeld- und Strafvorschriften des Durchführungsgesetzes aber schon.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von einem rechtsfreien Raum kann überhaupt nicht die Rede sein. Meiner Meinung wollen Sie damit nur Angst in die Bevölkerung tragen. Das aber werden wir zu verhindern wissen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nun zu dem Gentechnikgesetzentwurf. Der Gesetzentwurf, der uns von der Bundesregierung vorgelegt wurde, war mehr als überarbeitungsbedürftig. Die mehr als 100 Änderungsanträge zeigen dies mit aller Deutlichkeit. Er war unausgewogen und nicht dazu geeignet, das Nebeneinander der Anbauformen mit und ohne Gentechnik zu regeln. Er schien eher darauf ausgerichtet zu sein, den Anbau transgener Kulturen mit bürokratischen Mitteln zu verhindern. Es gilt doch nicht, eine Technologie von vornherein zu verhindern, sondern zunächst die Vorund Nachteile und die angeblich bestehenden Risiken zu prüfen, um diese dann wiederum ausschließen zu können. Das gilt auch für die Gentechnik. Die Änderungen, die wir in den Gesetzentwurf eingebracht haben bzw. die wir mittragen, erfüllen diese Ziele.

Zentraler Punkt sind die Regelungen der guten fachlichen Praxis. Liebe Frau Kollegin Stief-Kreihe, Sie sitzen so einträchtig neben meinem Vorgänger, dem Kollegen Bartels. Sie hätten ihn einmal fragen sollen! Es ist zwar richtig, dass die Richtlinien zur guten fachlichen Praxis schon 1991 formuliert wurden. Sie wurden aber immer weiter entwickelt, auch unter seiner Mitwirkung. Deshalb tun Sie nicht gut daran, solche ollen Kamellen zur Begründung Ihres Antrag vorzubringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es kann und darf nicht sein, dass ein Anbauer allein deshalb haften muss,

weil er eine Pflanze anbaut, unabhängig von dem, was er sonst tut, wie Sie das mit Ihrer verschuldensunabhängigen und gesamtschuldnerischen Haftung vorschreiben wollen.

Wir haben vorgeschlagen, für den Fall, dass Schäden eintreten, ohne dass ein schuldhafter Verursacher dingfest gemacht werden kann, einen Fonds einzurichten, aus dem dann entsprechende Ausgleichszahlungen geleistet werden können. In diesen Fonds sollen sowohl die wirtschaftlich Beteiligten als auch der Bund einzahlen; denn sie alle haben ein Interesse daran, dass ein befriedeter Anbau stattfindet. Aber offenbar haben die Grünen noch gar nicht gemerkt, dass die EU ausdrücklich alle Anbauformen nebeneinander ermöglichen und nicht eine verhindern will. Das bringen Sie total durcheinander.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns also mit den laufenden Dingen beschäftigen und dabei dafür Sorge tragen, dass bei der Zulassung des Anbaus transgener Sorten die Kriterien erfüllt werden, die die Sicherheit gewährleisten.

Ein Wort noch zum Anbaukataster; das hat Herr Kollege Friedrich-Otto Ripke eigentlich schon angebracht. Es kann allein aus Gründen des Datenschutzes nicht angehen, diese Dinge jedermann zur Verfügung zu stellen. Wer sie haben will, muss ein begründetes Interesse nachweisen. Da liegen wir meiner Meinung nach richtig.

Meine Damen und Herren, bei all dem, was hier in den Entschließungsantrag hineingebracht wurde, finde ich, dass wir insgesamt ehrlicher miteinander umgehen sollten. Bitte erklären Sie auch öffentlich, was Sie eigentlich mit dem Antrag wollen. Sie wollen nicht ein Nebeneinander ermöglichen, sondern Sie wollen schlichtweg die Gentechnik verhindern. Ich meine, das sollten Sie ehrlich sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sollten ruhig einmal so ehrlich sein und sagen „Wir wollen das nicht!“, anstatt diese Verschleierungsanträge zu stellen.

Meine Damen und Herren, wir sollten eine fachlich fundierte Diskussion führen. Ich glaube, dass wir damit viel mehr erreichen, als wenn wir Ängste der Verbraucher schüren. Wir dürfen uns nicht von den Regeln verabschieden, die bisher die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft geprägt haben. Dazu

zählt auch, dass wir die neuen Technologien nicht ohne Prüfung und ohne reellen Grund einfach links liegen lassen dürfen.

Meine Damen und Herren, in der Diskussion um die Haftung eröffnen wir ein gänzlich neues Feld. Wenn wir das in die Diskussion einbringen, dann schaltet man auf der Seite der Grünen sofort ab und will nicht diskutieren. Ich will das einmal klarstellen: Was passiert, wenn ein Ökobetrieb, der einen Roggenanbau mit einem Ertragspotenzial von 20 Dezitonnen ohne Gentechnik hat, neben einem konventionellen Betrieb mit einem Ertragspotenzial von 80 Dezitonnen steht und dort eingestäubt wird?

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

In der Vergangenheit sind wir damit ausgekommen, dass man sich unter Nachbarn vertragen hat. Sie versuchen jetzt, dies mit Vorschriften zu regeln, die weit vom Normalen entfernt sind. Ich kann diesem Antrag überhaupt nichts abgewinnen. Ich nehme an, dass er letztendlich abgelehnt werden wird. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung gebeten.

(Oh! von der CDU)

Ich erteile Ihnen - -

(Zuruf: Zwei Minuten! - Gegenruf: Nein, drei!)

- Meine Damen und Herren, dafür gibt es das Präsidium; das teilt das ein. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bekommt zwei Minuten zusätzliche Redezeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie sind doch hart im Nehmen. Zwei Minuten werden Sie noch aushalten.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die von uns gewünschten Regelungsbedingungen schlicht und einfach - und nicht mehr - sicherstellen sollen, dass es weiterhin möglich ist, gentechnikfreie Landwirtschaft und Ökolandwirtschaft zu betreiben. Das ist mit Ihren Vorstellungen nicht möglich. Wenn das Bedingungen erfordert, die es schwierig machen, mit Gentechnik umzugehen, oder nur ermöglichen, dass wir Gentechnik in Kanada und in den USA haben und wir hier von dem lukrativen Markt der gentechnikfreien Produkte profitieren, dann soll mir das durchaus Recht sein. Das will ich hier ganz klar sagen.

(Zuruf von der CDU: Sankt-Florians- Prinzip!)

- Das hat mit dem Sankt-Florians-Prinzip nichts zu tun.

Zu dem, was Sie als wirtschaftsfeindlich abqualifizieren, frage ich Sie: Was ist wirtschaftsfeindlich daran, wenn ich vor einer Technik warne, der englische Studien im letzten Jahr bescheinigt haben, dass sie in den USA 12 Milliarden Verlust gebracht haben? Was ist wirtschaftsfeindlich daran, wenn ich vor einer Technik warne, die allein bei der Fusion von Bayer und Aventis CropScience 4 000 Arbeitsplätze gekostet hat? Sie sollten sich wirklich einmal fragen, auf welcher Seite Sie stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, damit bin ich im Grunde genommen noch einmal beim Thema gentechnikfreie Zonen. Ihre Vorstellungen würden dieses Instrument, das die einzige Möglichkeit bietet, überhaupt so etwas wie Koexistenz zu ermöglichen - wie gesagt, aus meiner Sicht am liebsten mit dem Atlantik dazwischen -, im Grunde genommen völlig unmöglich machen. Wir unterstützen jedoch diese Bestrebungen, die letzten Endes eine Notwehr der Bauern und der Konsumenten sind, um sich gegen Ihre Vorstellungen in diesem Bereich zu wehren. Sie würden das im Grunde genommen völlig unmöglich machen. Das könnten wir dann ganz vergessen.

(Glocke des Präsidenten)

Ein letzter Punkt zur Gefährdungshaftung.

Aber jetzt wirklich Ihr letzter Punkt, Herr Klein!

Sie haben das als unmöglich dargestellt. Es ist schlicht und ergreifend ein normales Instrument unserer Rechtsordnung: Wenn Sie sich ins Auto setzen und losfahren, dann haften Sie bereits verschuldensunabhängig. Das ist also überhaupt nichts Abwegiges oder Unbekanntes. Also beschäftigen Sie sich einmal intensiv damit und lassen Sie uns die Problematik im Ausschuss vertiefen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratungen.

Somit kommen wir zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sein, mitberatend der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Umweltausschuss, der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 35: Gemeindefinanzreform konsequent fortsetzen - Einnahmen für Kommunen nachhaltig und dauerhaft verstetigen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/961

Meine Damen und Herren, die Fraktionen sind übereingekommen, diesen Antrag ohne Beratung an die Ausschüsse zu überweisen. Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum Tagesordnungspunkt 36: Oppositionsmöglichkeit - -

(Heiterkeit im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, ich habe das verinnerlicht, wo ich bin. Wir kommen also zu

Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung: Optionsmöglichkeit der Kommunen zur Trägerschaft des Arbeitslosengeldes II auf faire und realistische Grundlage stellen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/962

Der Antrag wird von dem Abgeordneten Dr. Matthiesen eingebracht. Sie haben das Wort.