Protokoll der Sitzung vom 30.04.2004

Anlage 12

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 16 des Abg. Bernd Althusmann (CDU)

Monopol der Berufsgenossenschaften bei der betrieblichen Unfallversicherung für den Wettbewerb öffnen

Die betriebliche Unfallversicherung ist das Monopol der 35 Berufsgenossenschaften in Deutschland, die als Körperschaften öffentlichen Rechts dazu berechtigt sind, Zwangsbeiträge einzuziehen. Nach Auskunft des Mittelstandsinstituts Niedersachsen e. V. in Hannover sind im vergangenen Jahr die Zwangsbeiträge der Berufsgenossenschaften abermals um 2,5 % und damit um mehr als 200 Millionen Euro auf fast 9 Milliarden Euro angestiegen. In Einzelfällen sei die Höhe in den Beitragsbescheiden der Zwangsmitglieder um mehr als die Hälfte angestiegen. Dies sei angesichts eines in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgesunkenen Risikos für Arbeitsunfälle in den Betrieben nicht nachzuvollziehen.

Nach Aussage des Bundeswirtschaftsministers sind überwiegend „betriebsinterne Gründe der Berufsgenossenschaften“ für den Beitragsanstieg verantwortlich. Allein die Verwaltungskosten der Berufsgenossenschaften sind im vergangenen Jahr auf 1,1 Milliarden Euro, was rund 11,5 % der Umlagen entspricht, angestiegen, und sie sind wenig transparent. Ihre Funktionäre und Kontrolleure sind vergleichsweise hoch bezahlt, unter den genossenschaftseigenen Schulungsstätten befinden sich mehrere Schlösser. Dass Einsparungen von den Berufsgenossenschaften selbst nicht beabsichtigt sind, zeigt ein Ergänzungstarifvertrag mit der Gewerkschaft ver.di, der verhindert, dass beim Zusammenschluss der Bauberufsgenossenschaften Stellen abgebaut werden können.

Obgleich also die Kosten der eigentlichen Unfallversicherung ständig sinken, erhöhen sich vor allem die Verwaltungskosten der Berufsgenossenschaften, welche als Monopolanbieter keinem Sparanreiz unterliegen.

Private Anbieter könnten nach Auffassung des Leiters des Mittelstandsinstituts Niedersachsen dieselbe Leistung zum halben Preis anbieten. Umfragen des Bundes ergaben, dass 70 bis 90 % aller Betriebe die Forderung nach einer Privatisierung der betrieblichen Unfallversicherung stellen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die Überlegung, die betriebliche Unfallversicherung zu privatisieren?

2. Welche Kostenersparnisse würden sich damit für Betriebe und Arbeitnehmer in Niedersachsen ergeben?

3. Beabsichtigt die Landesregierung, sich auf Bundesebene für die Privatisierung der betrieblichen Unfallversicherung einzusetzen?

Die gesetzliche Unfallversicherung ist als ein Zweig der gesetzlichen Sozialversicherung im öffentlichen Recht - hier: Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VII - verankert. Träger der betrieblichen Unfallversicherung sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften, die den einzelnen Branchen zugeordnet sind. Der Rechtsaufsicht des Landes untersteht keine der gewerblichen Berufsgenossenschaften.

Vorrangige Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Prävention, d. h. die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, und damit der Schutz der Arbeitnehmerschaft vor arbeitsbedingten Risiken in den Betrieben. Nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten haben die Unfallversicherungsträger die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wieder herzustellen - Rehabilitation - und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen - Verletztengeld und Renten.

Die Aufbringung der Mittel für die gesetzliche Unfallversicherung erfolgt im Wege der Umlage des Finanzbedarfs des einzelnen Trägers auf seine Mitgliedsunternehmen. Dieser Finanzbedarf - im Jahre 2002 insgesamt rund 9 Milliarden Euro setzt sich zusammen aus den Aufwendungen für Prävention und Leistungen an die versicherten Personen sowie den Verwaltungsaufwendungen.

In den von den Berufsgenossenschaften als Verwaltungskosten auszuweisenden Beträgen - im Jahre 2002 rund 1 Milliarde Euro - sind auch die Kosten für die Unfalluntersuchungen, die Rechtsverfolgung und die Vergütungen für die Auszahlung der Renten an die Versicherten enthalten; diese Kosten betrugen im Jahre 2002 zusammen rund 83,5 Millionen Euro.

Hinsichtlich der besoldungsrechtlichen Einstufung der Dienstposten der Geschäftsführer und stellver

tretenden Geschäftsführer haben auch die gewerblichen Berufsgenossenschaften die besoldungsrechtlichen Vorschriften des Bundes zu beachten. Hiernach ist für die jeweiligen Dienstposten ein auf die einzelnen Berufsgenossenschaften bezogener Zuordnungsrahmen einzuhalten - Artikel 8 § 1 des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern, 2. BesVNG.

Inwieweit „betriebsinterne Gründe“ zu einem Anstieg der Verwaltungsaufwendungen der Berufsgenossenschaften beigetragen bzw. diesen ausgelöst haben, vermag die Landesregierung nicht zu beurteilen, da ihr - wie bereits dargestellt - der Einblick in die entsprechenden Geschäftsunterlagen der einzelnen Berufsgenossenschaften verwehrt ist.

Sofern eine Berufsgenossenschaft gegen das in § 69 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) für alle Sozialversicherungsträger normierte Gebot verstoßen sollte, ihre Aufgaben unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu erfüllen, hätte dies ein entsprechendes Einschreiten der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde zur Folge - Bundesversicherungsamt oder Aufsichtsbehörde des Landes, in dem die BG ihren Sitz hat.

Untersuchungen zur Frage, ob private Anbieter die von den Berufsgenossenschaften nach dem SGB VII zu erbringenden Leistungen zu einem günstigeren Preis erbringen könnten, liegen der Landesregierung nicht vor. Umfragen des Bundes zur Frage einer möglichen Privatisierung der gesetzlichen Unfallversicherung sind der Landesregierung ebenfalls nicht bekannt.

Dies vorangestellt, beantworte ich die Fragen zusammengefasst namens der Landesregierung wie folgt:

Die Landesregierung steht einer Reform der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich positiv gegenüber. Die Landesregierung hat eine interministerielle Arbeitsgruppe unter der Federführung des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit damit beauftragt, zunächst Ansätze für eine Reform der gesetzlichen Unfallversicherung zu erarbeiten, die den Interessen sowohl der Unternehmer- als auch der Arbeitnehmerseite Rechnung tragen. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe sind in Kürze zu erwarten. Daran anschließend wird die Landesregierung entscheiden, welche

Reformansätze weiterverfolgt und gegebenenfalls als Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht werden.

Anlage 13

Antwort

des Umweltministeriums auf die Frage 17 des Abg. David McAllister (CDU)

Finanzierung von Deichbaumaßnahmen im Landkreis Cuxhaven

Die Deiche an der deutschen Nordseeküste müssen regelmäßig überprüft werden, und es müssen aufgetretene Schäden beseitigt werden, um die Bevölkerung vor Sturmflutgefahren zu bewahren. So sind in diesem Jahr etwa im Bereich des Deich- und Uferbauverbandes Otterndorf Baumaßnahmen erforderlich, um bestehende Schäden zwischen Cuxhaven und Altenbruch zu beseitigen.

Die Deichverbände haben allerdings häufig Schwierigkeiten, diese Arbeiten rechtzeitig zu beginnen. Da die Maßnahmen wegen potenzieller Sturmflutgefahren regelmäßig bis zum Herbst fertig gestellt sein müssen, bemühen sich die Verbände um einen frühen Maßnahmenbeginn. Häufig erfolgt die Bewilligung der notwendigen Finanzmittel allerdings erst im Juli oder August. Die danach notwendige Ausschreibung und anschließende Durchführung der Deichbaumaßnahmen müssen deshalb häufig in großer Eile vorgenommen werden, um die Arbeiten noch bis zum Herbst abschließen zu können.

Um diese Problematik zu entschärfen, brauchen die Deichverbände eine frühere Bereitstellung der finanziellen Mittel, damit bereits im Frühsommer gebaut werden kann.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum erfolgt die Zuweisung von Finanzmitteln für den Deichbau häufig erst im Spätsommer?

2. Was unternimmt die Landesregierung, um im laufenden Jahr die Mittel frühzeitig bereitstellen zu können?

3. Welche Möglichkeiten hat das Land, um Versäumnisse des Bundes bei der Bereitstellung von Mitteln für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Verbesserung des Küstenschutzes zu kompensieren?

Die Kosten der Maßnahmen des Küstenschutzes, die den Deichverbänden obliegen, werden im Rahmen von § 8 Abs. 1 des Niedersächsischen Deichgesetzes vom Land getragen und auf der Grundlage eines mittelfristigen Bau- und Finanzierungsprogramms durchgeführt. Die Finanzierung

erfolgt in der Hauptsache aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) und in einigen Fällen anteilig aus EU-Mitteln. Da der Mittelbedarf regelmäßig größer ist als die vorhandenen finanziellen Möglichkeiten, müssen die Maßnahmen nach ihrer Dringlichkeit beurteilt und Prioritäten für die Finanzierung gebildet werden. Die Sicherheit der Menschen hinter den Deichen hat in diesem Zusammenhang Vorrang vor anderen Interessen. Für Baumaßnahmen, deren Ausführung sich über mehrere Jahre erstreckt, werden Verpflichtungsermächtigungen zulasten der Folgejahre eingegangen, damit für die Maßnahmenträger eine Planungssicherheit besteht.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung ist bestrebt, den Maßnahmenträgern die Finanzmittel frühzeitig zu bewilligen, damit die Deichbaumaßnahmen wirtschaftlich in einem angemessenen Zeitrahmen durchgeführt werden können. In Einzelfällen, wie in der in der Anfrage aufgeführten Maßnahme im Landkreis Cuxhaven, können Verzögerungen bei den Bewilligungen wegen noch zu klärender Sachverhalte auftreten. So waren im vorigen Jahr bei dem vorliegenden Fall die Ursachen der Sackungen in der betreffenden Deichstrecke noch festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche effektive Ausführung der Ausbesserungsarbeiten gewählt werden sollte.

Zu 2: Der größte Teil des Fördervolumens des aktuellen Jahres ist bereits durch die Verpflichtungsermächtigungen (VE) aus den Vorjahren festgelegt und den Maßnahmeträgern bindend zugesagt. So wurden für die Haushaltsjahre 2005 (17,2 Millionen Euro VE), 2006 (15,4 Millionen Euro) und 2007 (5,1 Millionen Euro VE) schon VE in Höhe von 37,7 Millionen Euro eingegangen. Nach Verabschiedung des Haushaltsplanes erhalten die zuständigen Dienststellen zum Jahresbeginn die Haushaltsmittel zu den VE. Diese Mittel können die Maßnahmeträger nach Abruf erhalten. Für die Einplanung der noch nicht gebundenen Mittel und die Planung der Folgejahre findet im Februar auf der Grundlage von Vorschlagslisten eine Besprechung mit den beteiligten Dienststellen statt. Darauf aufbauend wird das Bauund Finanzierungsprogramm Küstenschutz fortgeschrieben. Nach einer erwirkten Mittelfreigabe beim MF und einem vorsorglichen Abwarten wegen Umplanungen aufgrund noch aufgetretener Sturmflutschäden wird

das Programm dann verbindlich zu den Zuweisungszeitpunkten durch Erlass eingeführt. Da aufgrund der Haushaltsbeschränkungen noch nicht alle freien Mittel verfügbar sind - Entscheidung nach der Steuerschätzung im Mai - und zum Jahresende der ML oft Mittel bereitstellt, die in anderen GA-Bereichen nicht verwendbar waren, gibt es im Jahresverlauf noch weitere mögliche Zuweisungen.

In diesem Jahr sind die Haushaltsmittel für die verbandlichen Küstenschutzmaßnahmen nach Abklärung der Mittelfreigabe und der Mittelaufteilung den Bezirksregierungen als Bewilligungsstellen in der 16. Woche zugewiesen worden. Dazu waren noch die Folgen eventueller Wintersturmfluten zu berücksichtigen. Bei Vorliegen der erforderlichen Entwurfsunterlagen und nach deren Prüfung werden nunmehr die Bezirksregierungen den Maßnahmeträgern die Mittel bewilligen. Damit ist das mögliche Zeitpotenzial ausgeschöpft.

Zu 3: Falls Mittel bereits vor dem Erstattungsbescheid des Bundes für seinen Finanzierungsanteil an der GAK abgefordert werden, liegt ein Finanzierungsrisiko für das Land nicht vor, da die Bundesmittel im vorgesehenen Ansatz zur Verfügung stehen und sie lediglich aufgrund des zwischen den Bundesländern noch durchzuführenden Umlaufverfahrens zur Beschlussfassung noch nicht zugewiesen werden können.

Anlage 14

Antwort

des Finanzministeriums auf die Frage 18 der Abg. Volker Brockmann, Dieter Möhrmann, Heinrich Aller, Klaus-Peter Dehde, Renate Geuter, Uwe-Peter Lestin, Sigrid Leuschner und Hans-Werner Pickel (SPD)

Welche Auswirkungen hätten die Steuerpläne der Union auf den Niedersächsischen Landeshaushalt?

Nachdem die Landesregierung in der letzten Plenarsitzung auch zu angeblichen Plänen des Bundesumweltministers Stellung genommen hat, beziehen wir uns auf das am 7. März 2004 von den Unionsparteien gemeinsam vorgelegte steuerpolitische Programm, das zu einem einfacheren, gerechteren und leistungsfreundlicheren Steuerrecht führen soll. Die Union geht dabei von Einnahmeverlusten durch die Senkung des Einkommensteuertarifes und der Übertragbarkeit des Kindergrundfreibetrages in Höhe von 22,2 Milliarden Euro aus. Die Nettobelastung der öffentlichen Haushalte soll durch die

Einschränkung von steuerlichen Abzugsmöglichkeiten auf 10,65 Milliarden Euro verringert werden. Für diese fast 11 Milliarden Euro hat die Union jedoch keine Gegenfinanzierung vorgestellt.

Nachdem die Union im Dezember 2003 bei den Beratungen im Vermittlungsausschuss darauf bestand, dass die Steuerentlastung durch das Vorziehen der Steuerreform nur zu maximal 25 % kreditfinanziert wird, ist sie nun offenbar der Ansicht, dass die Deckungsquote von knapp 48 % ausreichend ist.

Die Finanzministerkonferenz hat einen Bericht der Abteilungsleiter (Steuern) der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zu den verschiedenen Steuerreformkonzeptionen am 4. März 2004 einstimmig beschlossen. In diesem Bericht heißt u. a.: