Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

Nächster Redner ist Herr Lenz von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die derzeitig gültige Nachtflugregelung des Flughafens Hannover-Langenhagen läuft, wie wir alle wissen, zum 31. Dezember dieses Jahres aus. Die Leitung des Flughafens hat am 29. Januar eine Verlängerung um weitere fünf Jahre beantragt. Dem Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr wurde in seiner Sitzung einen Tag später mitgeteilt, dass vom Verkehrsministerium als Zeitpunkt für eine Entscheidung das dritte Quartal vorgesehen ist.

Bei der Entscheidungsfindung sollten vor allem die betroffenen Städte und Gemeinden im zweiten Quartal beteiligt und angehört werden. Bisher haben zwei Anhörungen stattgefunden, zum einen in Garbsen und zum anderen am Montag dieser Woche in Langenhagen. Die schriftlichen Stellungnahmen sind im Rahmen der Frist bis zum 30. Juni an das Ministerium zu senden.

In diesem Zusammenhang frage ich Sie, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, warum Sie eine solche Eile haben, dieses Thema in diesem hohen Hause so schnell zum Abschluss zu bringen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Abbügeln!)

Wir haben im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr den Vorschlag gemacht, die Anregungen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und den Antrag erst im dritten Quartal abschließend zu behandeln. Sie haben diesen Vorschlag von uns abgelehnt. Vielleicht liegt es ja daran, dass Sie sich längst entschieden haben, alles so zu lassen, wie es ist. Im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr scheint das jedenfalls bereits der Fall zu sein. Zwar wurde nach einem Gutachten zur Vorbereitung der neuen Nachtflugregelung noch schnell verfügt, dass bestimmte Flugzeuge zukünftig grundsätzlich von 22 bis 6 Uhr nur noch auf der Nordbahn starten und landen dürfen. Weiter gehende Regulierungen zum Schutz der betroffenen Anwohner sind aber offensichtlich nicht geplant. Ich zitiere aus einem Schreiben des Ministeriums an die betroffenen Städte und Gemeinden vom 30. März dieses Jahres:

„Als Ergebnis ist festzuhalten, dass objektiv bei einer Verlängerung der bestehenden Nachtflugregelung einschließlich der nachträglich verfügten Bahnverlagerung von einer unzumutbaren, gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigung nicht auszugehen ist.“

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, Sie müssen jetzt mal langsam, aber sicher die Hose runterlassen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Hans- Christian Biallas [CDU]: Was? Das ist nach der Geschäftsordnung verbo- ten!)

- Ja, Sie müssen die Hose runterlassen.

Herr Lenz, aber nicht hier im Plenum.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Herr Eppers beginnt damit jetzt schon!)

Hören Sie sich das in Ruhe an, auch wenn das unangenehm ist.

Meine Damen und Herren, im Wahlkampf haben Sie vor Ort in den Wahlkreisen den Bürgerinnen und Bürgern versprochen, dass Sie sich für einen besseren Schutz in der Nacht vor Fluglärm einsetzen. Selbst Herr Ripke, Ihr Generalsekretär, der letzte Woche auch in Langenhagen gewesen ist, hat das erklärt. Ich zitiere aus der Nordhannoverschen Zeitung von letzter Woche:

„Wir werden natürlich die Wünsche und Bedenken der Bevölkerung beachten und für aktiven und passiven Lärmschutz sorgen.“

(Axel Plaue [SPD]: Donnerwetter!)

In der Gemeinde Isernhagen, wo Professor Brockstedt, Ihr Abgeordneter, Fraktionsvorsitzender der Mehrheitsfraktion ist,

(Zuruf von der CDU: Gott sei Dank!)

gibt es sogar einen Ratsbeschluss, der den Bürgermeister beauftragt, ein komplettes Nachtflugverbot auszuhandeln.

(Axel Plaue [SPD]: Donnerwetter!)

Ich kann nur sagen: versprochen, gebrochen. Das ist die Devise, mit der auch wir schon mit Ihnen in der Regierungsverantwortung Erfahrungen gemacht haben.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Hört, hört!)

Da halte ich es dann doch schon lieber mit der FDP. Der zweite Bürgermeister der Stadt Langenhagen, Herr Speich, ist zugleich auch Vorsitzender des Bürgerforums „PRO Hannover-Airport“. Da hat man vorher gesagt, was man wollte. Das ist auch heute eine saubere Linie. Herzlichen Glückwunsch!

Herr Lenz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Biallas?

Aber natürlich, Herr Bialles.

Herr Kollege, wie beurteilen Sie denn im Zusammenhang mit dem, was Sie gerade vorgetragen haben, die Tatsache, dass sehr häufig Maschinen der Bundesluftwaffe u. a. mit Bundeskanzler Schröder und Bundesumweltminister Trittin des Nachts in Langenhagen landen?

(Sigmar Gabriel [SPD]: Du beurteilst das ganz nüchtern!)

Der Kollege Gabriel hat mir das gerade mehr oder weniger aus dem Mund genommen.

Herr Biallas, wir wissen natürlich, dass solche hoheitlichen Flüge von diesen Nachtflugbeschränkungen ausgenommen sind. Das gilt im Übrigen auch für militärische Flüge. Wir haben dort ja auch Transporte, insbesondere der Royal Air Force in den Irak, zu verzeichnen. So viel zu Ihrer Aufklärung an dieser Stelle. Ich gehe davon aus, dass Sie dann zukünftig besser Bescheid wissen.

Zurück zur Sache, meine Damen und Herren. Was wir einfordern, ist ein wenig mehr politischer Mut von Ihnen, und zwar politischer Mut in der Richtung, dass es darum geht, mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern den Dialog zu suchen. Wir haben das 1994 unter Peter Fischer gemacht. Der Deal hieß damals: Nachtflüge gegen passiven Schallschutz. In diesem Zusammenhang sind 15 Millionen Euro bereitgestellt und investiert worden. Ich meine, diese Bilanz kann sich nach wie vor sehen lassen.

(Zuruf von der CDU: Danach war ja auch nichts mehr los auf dem Flug- hafen!)

Die SPD-Fraktion sieht gestern wie heute die erhebliche Bedeutung des Flughafens für die Region und für das Land Niedersachsen sowie die hohe Anzahl an direkt und indirekt vom Flughafen abhängigen Arbeitsplätzen. Das haben wir in zahlreichen Gesprächen mit der Geschäftsleitung und mit

dem Betriebsrat, Herr Eppers, gemeinsam erarbeitet - umso mehr in einer Zeit, in der sich der Luftverkehr in einer Krise befindet. Aber ich betone noch einmal: Wir sehen auch die Belastung der Einwohnerinnen und Einwohner der betroffenen Kommunen, insbesondere durch die allein im letzten Jahr um rund 1 000 gestiegene Zahl der nächtlichen Flugbewegungen. Deshalb unterstützt die SPD-Fraktion auch weiterhin die Forderung nach einem Nachbarschaftsdialog mit dem Ziel eines fairen Interessenausgleichs. Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Flughafenleitung in Langenhagen dies bisher ablehnt, während Fraport in Frankfurt im Zusammenhang mit einer geplanten weiteren Startbahn offensiv den Dialog führt und sogar mit weiteren Beschränkungen bei Nachtflügen wirbt.

Einen Teil der in dem vorliegenden Antrag enthaltenen Vorschläge, wie z. B. höhere Lärmentgelte bzw. eine Kontingentierung der Flugbewegungen in der Kernnachtzeit, halten wir für diskussionsfähig. Ich sage ausdrücklich nicht: in der Form für annehmbar.

Solche Vorschläge sollten wir nicht mitten in der Anhörung sozusagen ad acta legen. Wir sollten sie mit diskutieren. Deshalb unsere Aufforderung an Sie: Geben Sie der jetzt im zweiten Quartal stattfindenden Anhörung eine faire Chance, und lehnen Sie die Empfehlung des Ausschusses, den Antrag abzulehnen, ab. Wir sind der Auffassung, es ist noch nicht zu spät für einen Dialog. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Als Nächstem erteile ich dem Abgeordneten Professor Brockstedt für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Hosen herunterlassen werde ich hier natürlich nicht, Herr Lenz.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Herr Kollege, man würde übrigens auch nichts se- hen! - Hermann Eppers [CDU]: Aber überlegen Sie einmal: dahinter!)

- Herr Lenz würde es ja gern bei uns allen sehen. Das mag man sich gar nicht vorstellen.

Die grundlegenden Argumente sind eigentlich alle schon in der ersten Beratung vorgebracht worden. Herr Hagenah hat im letzten Jahr bei einer Bürgerinitiativensitzung den überraschten Zuhörerinnen erklärt, es könnten in Langenhagen 320 Flugbewegungen pro Nacht stattfinden.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das könnte aber nach der jetzigen Ge- nehmigung!)

- Die könnten nach der jetzigen Genehmigung vielleicht stattfinden. Aber wenn Sie sich das Flugfeld anschauen, werden Sie feststellen, dass Sie dort nie und nimmer 160 Flugzeuge hinstellen und abfertigen können. Man sollte den Leuten nicht Angst machen.

Wir haben heute im Jahresschnitt etwa 30 Flugbewegungen je Nacht. Ich habe bei der ersten Beratung erwähnt, dass ich selbst zu den Betroffenen gehöre, die 7 km vom Flughafen entfernt in der Einflugschneise wohnen. 7 km entfernt - das ist dort, wo man es gar nicht mehr hört, höchstens einmal bei Ostwind startende Flugzeuge. Dort ist es nicht so schlimm. Ich gebe Ihnen Recht: Direkt am Flughafen ist die Situation etwas anders.

Ich habe aber auch gesagt, ich bin mir, als ich dorthin gezogen bin, bewusst gewesen, dass es diesen Flughafen seit 1936 gibt und er seit 1952 als ziviler Flughafen genutzt wird. Langenhagen hat eine lange Tradition mit diesem Flughafen. Langenhagen lebt zu einem erheblichen Teil von den mit dem Flughafen verbundenen Steuereinnahmen und auch von den mit diesem Flughafen in Verbindung stehenden Firmen.

Der Antrag, den Sie stellen, fordert einen regelmäßigen Dialog zwischen Flughafen und Anwohnern. Der neue Geschäftsführer des Flughafens hat diesen Dialog zugesagt. Das wird wohl von allen anerkannt. Wir alle, zumindest die Beteiligten in den Wahlkreisen, die Vertreter der Räte, waren eingeladen, mit der Leitung des Flughafens zu diskutieren, mit den Betriebsräten zu diskutieren. Ein Dialog findet also durchaus statt.

Die umliegenden Gemeinden sind aufgefordert, zur bevorstehenden Verlängerung der Nachtfluggenehmigung Stellung zu nehmen. Erste Bürgerversammlungen dazu haben stattgefunden, gerade erst am Montag in Langenhagen; Herr Lenz hat daraus zitiert.

Die Räte der betroffenen Gemeinden und Städte werden reagieren, und möglicherweise werden dort auch Kontingentierungen gefordert.

In Isernhagen haben wir in der Tat einen Ratsbeschluss. Dieser Ratsbeschluss verlangt, dass bestmögliche Regelungen gefordert werden. Ein generelles Nachtflugverbot wird darin nicht gefordert.

Die in dem Antrag geforderte neue Fluglärmmessanlage ist seit Ende letzten Jahres montiert und liefert Daten. Über deren Einstellung in das Internet wird inzwischen auch beraten.

Es gibt eine differenzierte Gebührenordnung, die Flugzeugtypen und Start- und Landezeiten jeweils getrennt berücksichtigt. Dabei kann man vielleicht noch nachbessern. Aber insgesamt gibt es das auch heute schon.