Zum Thema „Kultur des Vertrauens mit den Kommunen“: Wenn ich sehe, dass von 740 Aufgaben, die Ihre Mitarbeiter aufgabenkritisch betrachtet haben, 73 - also weniger als 10 % - auf die Land
kreise und großen selbständigen Städte übertragen werden sollen, dann stelle ich fest: Das passt nicht zu Ihrer Ansage. Die Kommunen wollten 70 %, Sie geben Ihnen 10 %. Der Region Hannover nehmen Sie Aufgaben weg, die diese bereits vorab von der Bezirksregierung Hannover übertragen bekommen hat, wasserrechtliche Aufgaben beispielsweise. Wenn ich sehe, dass sich der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund kürzlich in einem Schreiben an Sie, an den Innenminister, darüber kritisch geäußert hat, dass die zahlreichen Vorschläge zum Aufgabenabbau und zur Entbürokratisierung „so gut wie keine Berücksichtigung gefunden haben“, stelle ich fest: Mit Ihrer Aussage und Ansage zur Kultur des Vertrauens mit den Kommunen ist es nicht weit her.
„Wir wollen keine zusammengelegten und bürgerfernen Großkreise. Ob in Ostfriesland, im Harz oder der Heide wir wollen die Verwurzelung und die Identität erhalten, meine Damen und Herren, weil wir mit Recht stolz darauf sind.“
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Was richtig ist, kann man gern wiederholen!)
Alles muss geändert werden, nur eines nicht. Ist das Ihre Maxime? Wirkliche Zweistufigkeit heißt, möglichst viele Aufgaben ortsnah oder vor Ort zu erledigen, also kommunal. Das erreichen Sie nur mit einer Kreis- und Funktionalreform. Die Regionen der Zukunft in Niedersachsen sind beispielsweise Ostfriesland, der Harz oder die Heide. Eine Kreis- und Funktionalreform mit dem Ziel, z. B. zehn bis zwölf Regionen oder Regionalkreise auf freiwilliger Basis zu schaffen, ist für unsere Begriffe eine unverzichtbare Voraussetzung für eine weitergehende Kommunalisierung, also für einen wirklich mutigen Verwaltungsreformprozess. Sie haben den Aspekt der Freiwilligkeit soeben angesprochen, als Sie der SPD vorwarfen, hier würden Regionen mit Druck von oben geschaffen. Ich weiß nicht, ob das die richtige Wahrnehmung ist. Zur grünen Position sage ich ausdrücklich: Wir wollen Regionen im Lande schaffen, verfasste Regionen. Aber wir wollen sie auf freiwilliger Basis schaffen.
Deswegen ist der Unterschied nicht sehr gravierend. Wir gehen über den Prozess der Kooperation von Kommunen, den Sie unterstützen und begrüßen, einen Schritt hinaus.
Zum Thema „Kultur des Vertrauens mit den Beschäftigten“: Herr Minister, wie der Stil Ihres Hauses sein würde, konnte man bereits am ersten Tag beobachten. Etwa eine Stunde nach Erhalt Ihrer eigenen Ernennungsurkunde überreichten Sie der Regierungspräsidentin und den drei Regierungspräsidenten deren Entlassungsurkunden. Das mag damals von manchen Beschäftigten in den normalen Laufbahngruppen noch nicht als Stilbruch empfunden worden sein. In der Folgezeit haben diese Beschäftigten dann aber am eigenen Leib erfahren, woher der Wind weht. Nicht erwünschte Vorschläge wurden in den Projektgruppen platt gemacht, manche Behördenleiter erst gar nicht in die Diskussion mit einbezogen.
Den fatalen Mangel an Sensibilität im Umgang mit dem von der Reform betroffenen Personal hat der Staatssekretär Meyerding mit seinem goldenen Satz gekrönt, ein Oberförster könne doch auch als Justizwachtmeister arbeiten.
Zusammengefasst muss man sagen: Sie haben inzwischen nicht nur die Beschäftigten der Bezirksregierungen, sondern auch etliche der Landesverwaltung gegen sich aufgebracht.
Ihre Zumutungen: zum einen die Aufhebung der Zumutbarkeitsobergrenze von 2,5 Stunden pro Tag zwischen Wohnort und Dienstort, zum anderen die Reduzierung der Dauer für die Zahlung des Trennungsgeldbezuges, zum Dritten die Planungen, Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand nicht als Ultima Ratio zu handhaben, und schließlich die Überlegungen innerhalb der Landesregierung, gegebenenfalls im Haushalt 2005 das Weihnachtsgeld noch einmal zu kürzen. So viel zum Thema „sozialverträgliche Reform“ und „Kultur des Vertrauens mit den Beschäftigten“.
Nun komme ich zu einem der aktuell sicherlich interessantesten Punkte: Sanierung des Landeshaushaltes durch Personalkostenreduzierung und Kostenfolgeabschätzung. In Ihrer Pressekonferenz vom 15. Juni haben Sie vorgerechnet, die Reform
werde in den nächsten fünf Jahren 894 Millionen Euro einsparen. Schon für das Jahr 2005 haben Sie 36,5 Millionen Euro benannt. Wie wir inzwischen gehört haben, haben Sie in der Pressekonferenz „vergessen“, zu erwähnen, dass die Alternativberechnung aus der Kabinettsvorlage zu Einsparungen von nur 0,5 Millionen Euro für das nächste Haushaltsjahr kommt. Herr Minister, wer soll Ihnen das glauben?
Bislang haben Sie auf uns oft einen frischen Eindruck gemacht, ja manchmal einen zu forschen. Unseres Erachtens haben Sie sich der Irreführung schuldig gemacht.
„Der Innenminister hat den höchst überflüssigen ehrgeizigen Fehler gemacht, stolz den ‚Kriegsgewinn‘ schon im ersten Jahr... in einer Höhe zu beziffern, die mehr Erfolg vortäuschte, als er sich tatsächlich ergibt.“
Sie versuchen nach unserer Auffassung, die Abschaffung der Bezirksregierungen schön zu rechnen. Das tun Sie nach wie vor. Das für unsere Begriffe krasseste Beispiel: Sie haben 700 Stellen aus dem Haushalt des MWK - Hochschuloptimierungskonzept - in das Gesamtpaket der Stellen einbezogen, die Sie als verwaltungsreformbedingte Einsparung nennen. Sie täuschen uns über die Zahl der entbehrlichen Stellen. Nicht 5 458 Stellen, sondern 4 758 Stellen werden im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung wegfallen. Rein rechnerisch ergibt sich dadurch im Haushalt keine Einsparung von 0,5 Millionen Euro, sondern eine Belastung von 2,85 Millionen Euro. Damit reduziert sich auch in den Folgejahren der Einspareffekt entsprechend. Sie wissen, dass die von Ihnen in der Pressekonferenz vorgestellten Zahlen in der Einseitigkeit der Vorstellung nicht korrekt waren. Nur wenn das Land einen Pensionsfonds eingerichtet hätte, der auch real bedient würde, wäre der Zuschlag von 30 % für Versorgungskosten beim Personal zu berücksichtigen.
Nimmt man außerdem die Kosten der Polizeiumorganisation in Höhe von ca. 12,5 Millionen Euro im Jahre 2005 hinzu, ergibt sich für das kommende
Ihre Berechnungen sind aber auch an anderen Stellen zweifelhaft. Wir bestreiten, dass die anfallenden Trennungsgelder mit 200 000 Euro korrekt erfasst sind. Die Umzugskosten sind für unsere Begriffe viel zu niedrig veranschlagt.
Was wird passieren? Wie geht es mit Ihrer Reform weiter? Die Braunschweiger Zeitung schrieb im Januar in einem Kommentar: Wer ein Haus abreißt, sollte wissen, wie der Neubau aussieht. Niedersachsens Landesregierung macht es anders. Sie zerschlägt die Bezirksregierungen und bastelt hektisch daran, die herumfliegenden Einzelteile neu zusammenzusetzen.
Ich will Ihnen die Situation der zukünftigen Verwaltungsorganisation am Beispiel der Genehmigungen im Zusammenhang mit dem zukünftigen Tiefwasserhafen Wilhelmshaven belegen. Nach derzeitiger Verwaltungsorganisation würde das Planfeststellungsverfahren für den Tiefwasserhafen Wilhelmshaven durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest abgewickelt. Beteiligt wären die Dezernate Wasserwirtschaft, Naturschutz, Raumordnung, Wirtschaft, Häfen und Schifffahrt, Landwirtschaft und Agrarstruktur der Bezirksregierung. In Zukunft, wenn diese Genehmigungen anstehen, werden beteiligt sein die Stadt Wilhelmshaven, der Landkreis als untere Naturschutzbehörde, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz, das Landwirtschaftsministerium, das Wirtschaftsministerium, die Förderbank Niedersachsen, die Landwirtschaftskammer und das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Was derzeit innerhalb einer Behörde erledigt wird, würde nach Ihren Plänen in Zukunft von sieben verschiedenen Behörden und Ämtern bearbeitet werden müssen.
Ein weiteres Ergebnis Ihrer Reform ist, dass in Zukunft eine Fülle von Aufgaben im Ministerium für Inneres und Sport selbst wahrgenommen wird. Darauf werden wir morgen wahrscheinlich bei der Einbringung der Artikelgesetze noch zu sprechen kommen. Ich will an dieser Stelle nur darauf hinweisen und daran erinnern, dass das ein grober Verstoß gegen die in der Verwaltungswissenschaft etablierte Erkenntnis ist, dass Ministerien für Politiksteuerung und Politikplanung und gerade nicht für den Vollzug von Gesetzen zuständig sind.
Eine letzte Bemerkung zu den Regierungsbüros. Zitat aus der Lüneburger Landeszeitung vom 3. Juni: Sinn und Zweck dieser entscheidungsfreien Regierungsbüros kann selbst Schünemann nicht überzeugend darstellen.
Vor acht Wochen überreichten wir Ihnen die zu Ihrem Konzept passenden Türschilder „Grüßauguste von“. Sie erinnern sich sicherlich, Herr Schünemann. Nun wissen Sie immer noch nicht weiter. Stattdessen soll jetzt ein Brainstorming stattfinden, um Aufgaben zu suchen und die Existenz dieser Einrichtungen nachträglich zu rechtfertigen. Der einzige Unterschied zu der hart kritisierten früheren SPD-Landesregierung: Die Teilnehmer arbeiten ehrenamtlich.
Wenn wir verhindern wollen, dass aufgrund konzeptioneller Defizite und handwerklicher Fehler Ihr Projekt scheitert und zum Ende dieser Wahlperiode Revisionen angesagt sind, dann muss Ihr Reformprozess in seriöse Bahnen gelenkt werden. Die Parole muss also lauten: durchdenken statt durchpeitschen.
Geben Sie den Zeitplan auf! Es ist ganz leicht: Sie müssen nur in Artikel 23 Abs. 1 das Datum ändern. - In der Zwischenzeit haben Sie - Sie können dabei auf unsere Unterstützung rechnen - Gelegenheit, die noch bestehenden Defizite auszuräumen und damit dieses zugegebenermaßen große, ambitionierte Projekt einer Reform vor dem Scheitern zu bewahren. - Ich bedanke mich.
Bevor ich Herrn Dr. Rösler das Wort erteile, möchte ich Folgendes bekannt geben: Nach Eintritt in die Mittagspause wird der Ältestenrat in Raum 236 zusammentreten. Anschließend wird, wie vorgesehen, um 14.30 Uhr die Aushändigung der Urkunden an das neu gewählte Mitglied bzw. das neu gewählte stellvertretende Mitglied des Staatsgerichtshofs im Repräsentationssaal stattfinden. Danach tagt um 14.45 Uhr das Präsidium. Wiederbeginn der Landtagssitzung soll um 15.30 Uhr sein. Um 15.30 Uhr wird dann zunächst die Vereidigung des neu gewählten Mitgliedes bzw. das neu gewählten stellvertretenden Mitgliedes des Staatsgerichtshofs erfolgen.
Frau Präsidentin! Mehr sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann verstehen, dass angesichts der Größe dieser Verwaltungsmodernisierung der Opposition der Überblick verloren gegangen ist und sie sich deshalb in kleinteilige Kritik verlieren muss.
Wir sind deshalb sehr froh, dass Innenminister Schünemann noch einmal klar und deutlich die Zahlen vorgetragen hat. Er hat die Besserstellung des Haushaltes durch Kostenersparnis und Kostenvermeidung auf der einen Seite und die haushaltsmäßigen Auswirkungen auf der anderen Seite klar voneinander getrennt und für jeden transparent dargelegt.
Meine Damen und Herren, es gibt überhaupt keinen Grund, hier irgendwelche Zahlen zu verheimlichen. Einen solchen Grund gab es weder gestern, noch gibt es ihn heute. Selbst die kleinere Zahl, nämlich die 500 000 Euro im Jahre 2005, die sich bis zum Jahre 2015 immerhin auf ansehnliche 193 Millionen Euro steigern soll, ist angesichts der Größe dieser Verwaltungsmodernisierung und der Komplexität dieser Verwaltungsreform allen Respekt wert.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Wenn das dann auch noch stimmen würde!)
kutieren. Natürlich gehört es zu einer Gesetzesfolgenabschätzung, dass man alle Kosten umfassend betrachtet. Das gilt für den negativen Fall, das muss aber auch für einen positiven Vergleichsfall gelten - gerade im Sinne von Transparenz, Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit im Interesse der kommenden Generationen.