Protokoll der Sitzung vom 23.06.2004

Die gesamte Diskussion darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass neben der langfristigen Einsparung im Haushalt, was ein wichtiges Ziel ist, die Hauptaufgabe von Verwaltungsreform in anderen Bereichen liegt. Die Hauptaufgabe von Verwaltungsreform ist aus unserer Sicht nämlich ein Paradigmenwechsel bei der Wahrnehmung und Ausführung staatlicher Aufgaben. Wir haben uns hier vier Ziele gesetzt.

Wir wollen erstens weniger Staat und mehr Eigenverantwortung für den Einzelnen.

Wir wollen zweitens weniger Zentralismus und dafür mehr Bürgernähe vor Ort.

Wir wollen drittens weg von der Misstrauenskultur gegenüber unseren Kommunen und stattdessen eine Stärkung unserer Gemeinden, Städte und Kreise.

Das vierte und wichtigste Ziel, das wir verfolgen: Wir wollen unsere Verwaltung schneller machen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bereits zu Beginn der Verwaltungsmodernisierung hat die FDP-Fraktion öffentlich deutlich gemacht, dass für uns zu einer Verwaltungsreform im Interesse von mehr Eigenverantwortung für den Einzelnen eine umfassende Aufgabenkritik gehört, die alle staatlichen Aufgaben auf den Prüfstand stellt. Jetzt, ein Jahr nach Beginn dieser Verwaltungsmodernisierung, kann sich die Bilanz schon sehen lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Von den 740 Aufgaben der Bezirksregierungen fällt knapp die Hälfte weg. Allein 171 Aufgaben entfallen ganz, z. B. die Fehlbelegungsabgabe. Schon dieses Beispiel macht deutlich, dass Entbürokratisierung nicht nur zu Erleichterungen aufseiten der Betroffenen führt, sondern auch, dass man mittels Bürokratieabbau Erleichterungen und Einsparungen im Landeshaushalt erreichen kann.

45 Aufgaben werden privatisiert, und zwar nicht nur die als plakatives Beispiel immer angeführte

Genehmigung von fliegenden Bauten durch TÜV oder Versicherungen, sondern genauso die Fördermittelvergabe durch die N-Bank oder auch Aufgaben im Bereich des Vermessungswesens.

71, 72 oder 73 Aufgaben - da müssen wir uns wohl noch über die Zahlen einig werden, wenn ich die Redebeiträge vorhin richtig verstanden habe werden kommunalisiert, z. B. die Heimaufsicht oder die Genehmigung von Flächennutzungsplänen. Aber was noch viel wichtiger ist, meine sehr verehrten Damen und Herren: Den Aufgaben folgen - gleichsam im Vorgriff zu dem von uns geplanten Konnexitätsprinzip - die zu ihrer Erfüllung notwendigen Mittel. Das unterstreicht in eindrucksvoller Weise die Seriosität, mit der diese Landesregierung diese Verwaltungsreform betreibt. Zu SPD-Regierungszeiten wäre so etwas niemals möglich gewesen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Verwaltungsmodernisierung - die umfassendste, die konsequenteste Aufgabenkritik, die die niedersächsische Landesverwaltung je erlebt hat - in den letzten 14 Monaten erfolgreich durchgeführt worden ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Damit wäre das erste Ziel erreicht: mehr Eigenverantwortung für den Einzelnen, weil wir stark abgebaut haben. Erstmalig in der Geschichte des Landes Niedersachsen ist das ausufernde Aufbauen von staatlicher Aufgabenwahrnehmung gestoppt worden. Wir können langsam dazu übergehen, die staatliche Aufgabenerfüllung wieder auf ihre Kernbereiche zu reduzieren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das führt natürlich zu gewissen Konzentrationsprozessen. Aber wir sagen Ihnen: Konzentration ist eben keine Zentralisierung, sondern ganz im Gegenteil: Der Flächenbezug wird durch eine zunehmende Dezentralisierung vorhandener Behördenstrukturen weiter umgesetzt und gestärkt. Denn selbst wenn wir bestimmte Leitungs- und Führungsfunktionen reduzieren: Die ortsnahen Instanzen, die Ansprechpartner für die Bürger vor Ort, bleiben erhalten; denn es ist und bleibt das erklärte Ziel dieser Verwaltungsmodernisierung, Bürgernähe in unserem Land umzusetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Auch wenn der Subsidiaritätsgedanke auf europäischer Ebene nicht immer so ganz umgesetzt wurde, ist es wohl auch mit ein Verdienst dieser Verwaltungsreform, dass ein Großteil der Aufgaben, die bisher das Land wahrgenommen hat, kommunalisiert wird.

Nun kennen wir den Ruf - das ist auch unbestritten -, dass die Kommunen unterschiedlich leistungsfähig sind. Trotzdem, Herr Kollege Lennartz, ist der Ruf nach einer Gebietsreform völlig fehl am Platze.

(David McAllister [CDU]: Richtig!)

Politiker, die meinen, am grünen Tisch - das ist ja eine witzige Namensgebung - über die Köpfe der Menschen hinweg planen zu können, sind das Letzte, was unsere Kommunen brauchen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Kommunen können selber sehr gut entscheiden, in welcher Form sie künftig die Aufgaben erfüllen wollen. Wir haben ihnen nicht nur die dafür notwendigen Gelder zur Verfügung gestellt, sondern womöglich auch die ordnungspolitischen Instrumente, indem wir z. B. das Gesetz zur interkommunalen Zusammenarbeit novelliert haben, um selber flexible Lösungsmöglichkeiten vor Ort zu ermöglichen.

Wir haben gesagt, wir nehmen unsere Kommunen ernst. Wir wollen so etwas wie eine neue Vertrauenskultur bei der Zusammenarbeit zwischen dem Land auf der einen Seite und den Kommunen auf der anderen Seite. Wir sagen sehr klar: Wir haben Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unserer niedersächsischen Städte, Kreise und Gemeinden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sehen wir uns die Bereiche an: Aufgabenwegfall, Kommunalisierung, womöglich auch Optimierung. Spätestens jetzt dürfte jedem klar geworden sein, dass wir selbst in einem Flächenland wie Niedersachsen keine Bezirksregierung mehr benötigen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist nicht das erklärte Ziel, die Bezirksregierungen abzuschaffen. Die Bezirksregierungen abzuschaffen ist für uns kein Selbstzweck. Wir be

kämpfen keine Institutionen, und schon gar nicht die Menschen, die dort arbeiten. Es ist nicht Aufgabe von Verwaltungsreformen und nicht deren Ziel, Bezirksregierungen abzuschaffen. Sehr wohl ist aber die Abschaffung der notwendige Weg zu dem Ziel, Verwaltung insgesamt schneller zu machen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Denn wir verschlanken unseren Apparat ja nicht nur um eine Behörde, sondern wir schaffen eine gesamte Verwaltungsebene, eine Hierarchieebene ab, um so letztlich schneller zu Entscheidungen kommen zu können und damit den Menschen vor Ort letztlich helfen zu können. Wir beseitigen das Durcheinander in Form von Doppelstrukturen, aber auch in Form von unterschiedlichen Zuständigkeiten bei den Kommunen, bei den Dezernaten der Bezirksregierungen oder auch bei den althergebrachten Gewerbeaufsichtsämtern, indem wir neue Institutionen schaffen, die die alten verbessern. Beispiel Gewerbeaufsichtsämter. Jetzt hat die Wirtschaft die Ansprechpartner, die sie immer gefordert hat: Genehmigungsverfahren aus einer Hand. Damit sind die Gewerbeaufsichtsämter gleichsam ein Symbol, ein Merkmal für diese Verwaltungsreform geworden.

Aber nicht nur die haben erkannt, dass Geschwindigkeit von Verwaltung ein Standortvorteil ist. Geschwindigkeit von Verwaltung muss auch ein Merkmal der niedersächsischen Landesverwaltung insgesamt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Letztlich ist das auch das Entscheidende bei einer Verwaltungsreform. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich kein Mensch, der sich nur so am Rande für Politik interessiert - und das werden wohl die meisten in unserer Gesellschaft sein -, dafür interessiert, wie viel Behördenebenen wir abgeschafft haben, wie viel Stellen erübrigt werden und wann die dann womöglich haushaltswirksam werden können.

Die Menschen werden den Erfolg von Verwaltungsreformen vielmehr vor allem daran messen, ob sie für einen bestimmten Vorgang überhaupt noch eine Genehmigung brauchen, wo sie diese Genehmigung womöglich künftig erhalten werden und wie lange es dauert, bis sie die Genehmigung tatsächlich bekommen können. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden die Kriterien

sein, an denen die Menschen uns und wir uns selber auch im Bereich der Verwaltungsreform künftig werden messen lassen.

Ich garantiere Ihnen, diese Verwaltungsreform wird landesweit, aber auch bundesweit das positive Vorzeigeobjekt dieser Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen aus CDU und FDP. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nächster Redner ist Herr Gabriel von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Schünemann, weil Sie uns noch einmal die Rechnung aufgemacht haben, will ich es noch einmal ganz präzise sagen: Unser Vorwurf richtet sich nicht gegen die Art Ihrer Vollkostenrechnung, sondern unser Vorwurf richtet sich dagegen, dass Sie diese Rechnung mit ihren Alternativen in der Öffentlichkeit von Anfang an nicht transparent gemacht haben. Sie haben das verschwiegen. Das ist unser Vorwurf, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben den Eindruck erwecken wollen - und das haben Sie auch gesagt -, dass Sie im Jahr 2005 36 Millionen Euro reale Einsparungen haben.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Sie haben heute wieder nicht erklären können, wie diese 36 Millionen Euro im Jahr 2005 entstehen. Das heißt, auch heute haben Sie dafür keinen Beweis angetreten.

Weiter haben Sie nicht gegenüber der Öffentlichkeit erklärt, dass die eigentlich voraussehbaren Einsparungen nur 500 000 Euro betragen. Nur, Herr Rösler, auch die sind ja unrealistisch, weil die Kosten der Polizeireform, z. B. der notwendige Neubau von Polizeigebäuden, überhaupt nicht eingerechnet wurden.

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

Also, auch die 500 000 Euro stimmen nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Unser Vorwurf wird auch dadurch belegt, dass Ihre Fraktionen von CDU und FDP auf unseren Antrag im Haushaltsausschuss im Vorfeld gerade nicht bereit waren, Ihre Zahlen durch den Landesrechnungshof belegen zu lassen. Da zeigt sich doch, dass Sie vorher Angst hatten, dass jemand diese gut vorbereitete Pressekonferenz, mit der Sie die Öffentlichkeit getäuscht haben, mit Zahlen des Landesrechnungshofs überprüfen lässt. Darum und um nichts anderes geht es, Herr Kollege Schünemann.