Durch den gesamten Antrag schimmern die Ankündigungen finanzieller Einschränkungen. Der Finanzminister hat ja schon verkündet, dass die Ministerien ihre Einsparvorgaben erfüllt hätten. Wir haben bis heute aber leider noch nicht erfahren, woher z. B. die Einsparungen in Höhe von 18,5 Millionen im Haushalt des Sozialministeriums eigentlich genommen werden sollen. Und: Gehört zu dem vertrauensvollen Umgang mit den Verbänden, den Sie ja fordern, dass die Träger von der Landesregierung für alle Stellen, die zu mehr als 25 % mit Landesmitteln finanziert werden, bereits einen De-facto-Einstellungsstopp verhängt bekommen haben? Die Träger sind deshalb schon ziemlich unruhig. Das ist ihnen in einem Schreiben einfach so mitgeteilt worden. Wir hatten bislang keine Unterrichtung im Ausschuss. Auch eine Regierungserklärung hat es dazu noch nicht gegeben. Nun aber ist uns dieser Antrag vorgelegt worden. Ich meine, dass dies den Anforderungen der Sozialpolitik in diesen Zeiten nicht gerecht wird.
Man hätte doch erwarten können, dass Sie hier einmal darstellen, in welchen Bereichen Sie konkret gestalten, verändern oder bewahren wollen. Wenn Politik der Partnerschaft, wie es in Ihrem Antrag heißt, bedeutet, die sozialpolitischen Prioritäten gemeinsam zu verabreden, dann müssten die Antragsteller ihre Prioritäten meiner Meinung nach zuvor darlegen. Dieser Antrag bleibt aber im Unverbindlichen stecken. Wenn Sie mit Kommunen und Verbänden einen gemeinsamen Weg vereinbaren wollen, dann sagen Sie uns vorher bitte, wohin dieser Weg aus Ihrer Sicht gehen soll. Man
fragt sich doch: Was soll dieser Antrag? Wollen Sie die Regierung vielleicht zu einer Regierungserklärung veranlassen? - Diesbezüglich hätten Sie allerdings unsere Zustimmung. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen in der Tat am Anfang einer neuen Legislaturperiode. Frau Helmhold, gestatten Sie mir deshalb, einige Ausführungen zu den sozialpolitischen Zielen der neuen Landesregierung zu machen.
Das neu zugeschnittene Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit erfüllt innerhalb der Landesregierung eine besondere Aufgabe. Es ist das Haus, das die Bürgerinnen und Bürger in vielfacher Hinsicht auf ihrem Lebensweg besonders eng begleitet. Es trägt Verantwortung nicht nur dafür, dass sich Frauen und Männer, Ältere und Jüngere mit ihren sozialen Belangen in unserem Land zu Hause fühlen, sondern insbesondere auch dafür, dass auch die Schwächeren an der Gesellschaft teilhaben können.
Ich will die Möglichkeiten nicht überschätzen, aber ich sehe unsere Aufgabe darin, in Zeiten zunehmender Globalisierung und Ökonomisierung unseres Umfeldes dem Land Niedersachsen ein menschliches Gesicht zu geben.
Wir alle kennen die Ausgangslage. Frau Helmhold, Sie haben es ganz richtig angesprochen: Die Haushaltslage ist katastrophal, und gerade die Sozialpolitik leidet ganz besonders unter den finanziellen Verhältnissen, die wir übernommen haben. Denn in Zeiten knapper finanzieller Mittel muss gestrichen werden, und im Sozialhaushalt schmerzt jeder gestrichene Euro bitter.
soziale Pflicht, unsere ganze Kraft dann aber auch darauf zu verwenden, das knappe Geld so effizient und effektiv wie nur irgend möglich einzusetzen.
Wir sind deshalb gezwungen, unter schwierigsten Bedingungen Prioritäten zu setzen, und wir müssen ganz klar definieren, was wir wollen. Allen in der Sozialpolitik Handelnden ist inzwischen klar, dass es ein Draufsatteln ungedeckter Aufgaben nicht mehr geben kann. Also muss sich jeder Mitteleinsatz auch der Frage stellen: Ist das im Vergleich zu anderen Dingen, die wir deshalb nicht tätigen können, richtig?
Insgesamt sehe ich meine Aufgabe als Ministerin darin, Lobbyistin und Verfechterin für die Interessen der Menschen mit Behinderung, der Familien, der Senioren, der Frauen, der Kinder und Jugendlichen sowie der Kranken zu sein. Gerade die sozial Benachteiligten unter diesen Menschen dürfen in unserer Gesellschaft nicht zu kurz kommen.
Integration statt Ausgrenzung muss unser gemeinsames stetes Bemühen sein. Aber ich werde keine Lobbyistin der Besitzstände und der Bürokratien sein.
Die vielfältigen Projekte im Ministerium, von denen viele von meinen Vorgängerinnen und Vorgängern angestoßen worden sind, eignen sich dafür, bewährte, aber auch neue Wege des Handelns und neue Wege des Miteinanders zu beschreiten. Mein Ziel ist keine Sozialpolitik, die von oben herab entscheidet. Wir alle wissen: Die wesentlichen Fragen in den Bereichen der Sozialpolitik werden vor Ort entschieden. Deshalb sind die Kommunen zusammen mit den Wohlfahrtsverbänden und den anderen Trägerorganisationen unsere wichtigsten Partner in der Sozialpolitik.
Ich lade unsere Partner, die Kommunen und Verbände, ein, mit uns gemeinsam nicht nur darüber zu sprechen, welche Prioritäten wir unter den gegebenen Verhältnissen setzen wollen, sondern ich biete ihnen auch an, darüber klare Vereinbarungen zu treffen. Denn eines ist mir wichtig: Dieses Land braucht wieder Vertrauen und Verlässlichkeit.
Deshalb wollen wir unseren Partnern auch Planungssicherheit zurückgeben. Ob bei der Überarbeitung und Entbürokratisierung des Landespflegegesetzes, ob bei der Planung der Krankenhauslandschaft, ob bei der Durchführung von Jugendhilfemaßnahmen, ob bei der Umsetzung der Gleichberechtigungspolitik, ob bei der Stadtentwicklung - in allen Feldern werden wir auf partnerschaftliche Zusammenarbeit angewiesen sein und bieten diese auch von uns aus an.
Unter Zusammenarbeit verstehe ich konkrete Verabredungen über schlanke Strukturen, zielgenaue Steuerung und Evaluation, konkrete Verabredung über Schwerpunkte, nicht unverbindliche Dialoge, die nur Zeit, Geld und Personal kosten.
Das, meine Damen und Herren, wird es in der bisherigen Form nicht mehr geben. Wenn unter dem Strich die Erkenntnis „Schön, dass wir mal darüber geredet haben“ herauskommt, dann muss man sich fragen, ob den Beteiligten die Zeitinvestition zugemutet werden darf. Prävention und Hilfe müssen die Betroffenen schnell und direkt erreichen, und Umwege sind Irrwege.
Wir wollen mit unseren Partnern auch darüber sprechen, wie wir freiwilliges Engagement in Niedersachsen verstärken und öffentlich besser anerkennen können. Eine Gesellschaft lebt davon, dass sich die Menschen nicht nur für ihr eigenes Wohl engagieren, sondern sich im besten Sinn bürgerschaftlichen Gemeinsinns auch für andere einsetzen.
Deshalb fördern wir Selbsthilfegruppen und soziale Initiativen sowie unterstützen den Aufbau von Netzwerken in einer Bürgergesellschaft, deshalb wollen wir Lücken im Versicherungsschutz für Ehrenamtliche schließen, und deshalb wollen wir auch, dass diejenigen, die sich z. B. für Familien in besonderer Weise einsetzen, Anerkennung durch einen Niedersächsischen Familienpreis finden.
Ich sehe es als eine der entscheidenden Herausforderungen in nächster Zukunft an, daran zu arbeiten, die Kluft zwischen den Generationen, die sich immer stärker auftut, zu überwinden. Wir erleben
inzwischen in immer schärferer Form Folgen einer zunehmenden Abschottung der einzelnen Gruppen: „Was schert mich die alte huschige Frau nebenan? Dafür gibt es doch Heime. - Was interessieren mich die Kinder der Nachbarin? Sie hätte sie sich ja nicht anschaffen müssen, und außerdem stören sie meine Mittagsruhe. - Dieses behinderte Kind geht mich nichts an. Die Mutter hat es ja - bei den technischen Möglichkeiten - vorher gewusst.“ Solche und ähnliche Haltungen haben viel Nährboden, insbesondere angesichts zunehmender Konkurrenz staatlicher Mittel. Krönender Abschluss ist meist der Hinweis darauf, dass man in die Kasse gezahlt und damit einen Anspruch erworben habe.
Ich möchte mithelfen, und ich bitte Sie um Ihre Mithilfe dabei, Bewusstsein zu verändern. Das soziale Niedersachsen fängt in den Köpfen an. Warum nenne ich das Ministerium gern ein „Haus der Generationen“? - Weil es mir wichtig ist, nicht das Trennende zwischen Jüngeren und Älteren, Frauen und Männern, Menschen mit und ohne Handikaps zu betonen, sondern das Verbindende zu sehen. Dort, wo Verbindungslinien fehlen, möchte ich dazu beitragen, sie herzustellen.
Mit dem Projekt Mehrgenerationenhäuser wollen wir die Kontakte zwischen den Generationen verstärken. In diesen offenen Tageseinrichtungen können völlig neue Projekte und Ideen entstehen und umgesetzt werden, wie Sie das bereits im EXPO-Projekt Mütterzentrum Salzgitter sehen können.
Selbsthilfe stärken, das bedeutet auch, in der Gesundheitspolitik wesentlich mehr auf Prävention zu setzen. Das spart langfristig nicht nur enorme Kosten im Gesundheitswesen, sondern eröffnet auch neue Chancen im Wachstumsmarkt Gesundheit. Vor kurzem sagte mir eine Pflegedienstleiterin: Es macht keinen Spaß mehr, nur noch die zu hohen Lohnnebenkosten zu sein. - Ich verstehe sie. Deshalb müssen wir auch hier neu denken.
Die solidarisch finanzierten Gelder müssen zielgerichtet eingesetzt werden. Aber daneben gilt es, klug, und zwar wirklich klug für unser Land, die wachsenden Potenziale des Gesundheitsmarktes zum Ausbau unserer Strukturen zu nutzen. Wir haben in Niedersachsen dafür beste Voraussetzungen, z. B. mit unseren Heilbädern und Kurorten, aber auch mit zahlreichen innovativen Firmen und
Forschungseinrichtungen sowie mit unseren Kliniken. Diese Chance zu nutzen, das Gesundheitsland Niedersachsen auszubauen, ist mir ein wichtiges Anliegen.
Voraussetzung dafür ist natürlich eine gute Krankenversorgung. Deshalb werden wir die Krankenhäuser in ihrem schwierigen Umstellungsprozess, den sie zurzeit durchmachen, nicht alleine lassen.
Mein Ziel ist es, für die ganze Legislaturperiode Klarheit in die Struktur und die Ziele der Investitionsförderung zu bringen.
Die Krankenhäuser sind nicht nur wegen der Einführung neuer Abrechnungssysteme in einer schwierigen Situation, sondern auch weil sich die Denkprozesse und damit die Abläufe neu ordnen müssen: weg von den starren Einzelleistungen, gekoppelt mit dem Begriff des belegten Bettes, hin zu den Prozessen und Wirkungen um den Krankheitsfall vom Tag der Aufnahme bis zum Tag der Entlassung. Dies dient dem Patienten. Deshalb wollen wir durch gezielte Investitionen den Krankenhäusern bei dieser Neuorientierung zur Seite stehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das soziale Niedersachsen, das meine Vorgänger wie Kurt Partzsch und Hermann Schnipkoweit