Protokoll der Sitzung vom 15.09.2004

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lennartz, dass eine Fraktion eine Aktuelle Stunde zu einem bestimmten Thema anmeldet und zu dem Thema selbst nichts sagt, hat es in diesem Hause eigentlich selten gegeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben angekündigt, Sie wollten über die Verwaltungsreform reden. Sie haben etwas von Ignoranz und von Gefälligkeitsgutachten gesagt. Aber alles das, was Sie hier vorgetragen haben, waren Spekulationen, die in überhaupt keiner Weise begründet sind. Deswegen werde jedenfalls ich mich nicht auf dieses Niveau einlassen.

Ich werde etwas zu der Verwaltungsreform sagen, Herr Kollege Lennartz, und ich werde sogar etwas Positives zu Ihnen sagen, weil nämlich die Rolle der Grünen - jedenfalls bisher - bei der Diskussion der Verwaltungsreform im Gegensatz zu der SPD eher konstruktiv war, wofür wir eher dankbar sind, als dass wir sagen müssten, Sie hätten da versagt. Sie haben bisher außerordentlich gut und konstruktiv mitgearbeitet.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Verwaltungsreform in dieser Größenordnung, mit dieser Wirkung und mit dieser Geschwindigkeit ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus. Ich möchte sehr deutlich sagen: Herr Kollege Lennartz, ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass Sie den Begriff „Ignoranz“ verwenden. Sie waren genauso wie ich immer bei den Innenausschusssitzungen. Der Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung hat uns immer wieder in bestimmten Abständen über den Stand der Beratungen der Verwaltungsmodernisierer informiert. Wir konnten Nachfragen stellen, wir konnten Vorschläge machen, wir konnten Anträge stellen, wir konnten das alles debattieren. Ich kann Ihnen sagen: Ich habe dort eine große Transparenz der Entscheidungsfindung wahrgenommen, aber eben nicht Ignoranz. Deswegen habe ich überhaupt kein Verständnis für das von Ihnen vorgeschlagene Thema in dieser Aktuellen Stunde.

Nun möchte ich etwas Positives zu Ihnen sagen. Im Gegensatz zur SPD, die gesagt hat, es müsse alles so bleiben, wie es war, man könne eigentlich nichts verändern, sind die Grünen weiter. Übri

gens, Frau Kollegin Leuschner, in Sachsen steht die SPD nicht so wie in Niedersachsen da, sondern noch blamabler. Dort sind es nach den neuesten Umfragen nur noch 9 %. Aber - das muss man anerkennen; ich weiß nicht, ob Sie genauso interessiert die Wahlprogramme der Parteien studieren wie ich - die SPD fordert wacker für Sachsen die Abschaffung der Bezirksregierungen. Die sind dort erheblich weiter als Sie. Vielleicht lesen Sie einmal, was Ihre Genossinnen und Genossen dazu sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Insofern sind die Grünen weiter. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mit uns darin einig sind, dass die Bezirksregierungen abgeschafft werden müssen. Wir wollen die Zweistufigkeit der Landesverwaltungen einführen. Sie sind auch dafür. Herr Kollege Lennartz, auch die Regierungsvertretungen haben Sie ausdrücklich begrüßt. Insofern kann ich nur sagen: Sie sind mit uns diesen Weg gegangen. Deswegen verstehe ich nicht, dass Sie sich jetzt, obwohl Sie auf so einem erfolgreichen Weg mit uns gehen, nun gerade noch im letzten Moment, kurz vor Toresschluss, von diesem vernünftigen Kurs abbringen lassen und sich in den Sumpf - ich sage einmal - der Verdächtigungen begeben, die Sie gar nicht begründen können. Sie begeben sich jetzt eigentlich auf das Niveau Ihrer Bundesfreunde. Dabei waren Sie hier in Niedersachsen schon erheblich weiter.

Meine Damen und Herren, bei der Verwaltungsreform geht es auch um die Frage, wie viel wir einsparen, es geht um die Frage der Methodik, und es geht um die Frage Kostenfolgeabschätzung. Herr Kollege Lennartz, darüber kann man sich sicherlich trefflich streiten, aber bei der Verwaltungsreform geht es noch um Weiteres. Es geht natürlich darum, Verwaltungsabläufe zu straffen, Doppelt- und Dreifachzuständigkeiten abzubauen, Genehmigungsverfahren abzukürzen und zu beschleunigen, die Verwaltung insgesamt effizienter und schlanker zu machen und sie transparenter für die Bürgerinnen und Bürger zu gestalten, um damit eine bürgerfreundliche Verwaltung zu schaffen. Um all das geht es. Deshalb bitte ich Sie darum, die Diskussion nicht allein auf die Frage der Finanzierung zu reduzieren. Das ist uns sehr wichtig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun komme ich zum Schluss. Der Kollege Bartling - für seine Eloquenz bekannt - hat uns gesagt: Warten Sie einmal ab, was, wenn das Gutachten von Professor Hesse kommt, darin steht. Dann werden Sie sich wundern. - Er wusste natürlich auch, wer es bestellt hat, nämlich die Strukturkonferenz Ostfriesland

(David McAllister [CDU]: Oldenburg!)

- Entschuldigung -, die Strukturkonferenz Oldenburg - nicht gerade eine Vereinigung der CDU. Herr Kollege Bartling, nun möchte ich nur drei Zitate daraus vortragen, damit deutlich wird: Der Schuss ist ziemlich nach hinten losgegangen. Sie hatten ja gehofft, dass Herr Professor Hesse genau das Gegenteil sagt.

Herr Kollege Biallas, drei Zitate sind ein bisschen zu lang. Sie haben Ihre Redezeit überschritten. Sie müssen zum Schluss kommen.

Dann möchte ich wenigstens ein Zitat vorlesen: Das Land Niedersachsen verfolgt derzeit einen Reformansatz, in dem sich funktionale Strukturreformen verbinden und der mit dem Übergang von einem dreistufigen zu einem zweistufigen Verwaltungssystem einen in der deutschen Verwaltungsgeschichte beispiellosen Systemwechsel vorsieht. Mittel- und langfristig - letzter Satz - dominieren in der Reformbilanz die Einsparungen aufgrund wegfallender Personal- und Sachmittel. - Mehr ist eigentlich nicht zu sagen. Herzlichen Glückwunsch, dass Sie dieses Gutachten unterstützt haben, auch wenn Sie vorher nicht gewusst hatten, was am Ende drinsteht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion der FDP erteile ich nunmehr Herrn Bode das Wort. Herr Bode, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Lennartz, ich hatte ja gehofft, dass Sie endlich dazu kommen, bei der Frage der Verwaltungsreform konstruktiv mit uns zusammenzuarbeiten, nachdem wir ja einige hoffnungsvolle

Ansätze bei Ihnen gefunden haben. Nachdem Sie aber heute zum x-ten Male wieder das Thema Verwaltungsmodernisierung hier im Plenum auf die Tagesordnung gebracht haben, frage ich mich schon, wo der ernsthafte Ansatz bei Ihnen ist. Wir haben im Ausschuss, in den Expertenanhörungen nahezu verzweifelt versucht, mit Ihnen über die Frage der Kostenfolgeschätzung, Gutachten, Bewertung etc. ins Gespräch zu kommen. Nicht eine einzige Frage zu diesem Thema ist bei diesem Ansatz gekommen. Als ich dann noch einmal nachgefragt habe, ob wir daraus schließen können, dass alles in Ordnung ist, dass Sie zufrieden sind, dass Sie unsere Zahlen jetzt auch glauben, haben Sie geantwortet - das möchte ich einmal zitieren -:

„... sind Sie mit Ihrer Annahme, das Thema sei durch und darüber dürfe und müsse nicht mehr geredet werden, im Irrtum. Sollte der Landesrechnungshof ein Papier zur Verfügung stellen, in dem die Berechnungen der Landesregierung zu den Kostenfolgen der Verwaltungsreform in Niedersachsen infrage gestellt werden, ist die Diskussion wieder da. Wenn es ein solches Papier gibt, wird es wahrscheinlich nicht lange dauern, bis es auf dem Tisch des Hauses liegt...“

Das war am 25. August dieses Jahres. - Es gibt kein solches Papier. Die Diskussion ist in dieser Form völlig ins Leere gegangen. Das ist eine Phantomdiskussion. Und Sie kommen heute hier in diesem Hause wieder damit an. Führen Sie die Diskussion doch mit uns im Fachausschuss, wo wir über die Fragen reden können!

Auch die Frage des Gutachtens zu einigen strittigen Fragen, wie man eventuell Ansätze in Kostenfolgeabschätzungen allgemein betrachtet, ist im Ausschuss auch vom Staatssekretär Meyerding erörtert worden. Ich glaube schon, Sie hätten uns nicht geglaubt, wenn wir gesagt hätten, wie wir entsprechende Abzinsungen etc. vornehmen würden. Dann ist es manchmal ganz gut, Expertenrat einzuholen. Meine Hoffnung war, dass Sie dann beruhigt sind. Ich habe mich aber scheinbar getäuscht. Sie haben dieses Thema heute schon wieder nichtssagend auf die Tagesordnung gebracht.

Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, die positiven Aspekte dieser sehr beeindruckenden

Verwaltungsreform heute noch einmal darzustellen, damit sie nicht zu kurz kommen.

Wir haben durch die Abschaffung der Mittelinstanz eine Verwaltungsvereinfachung in Niedersachsen ab dem Jahr 2005 vor uns, die ihresgleichen sucht. Eine umfassende Aufgabenkritik mit Aufgabenwegfall und -abbau ist durchgeführt worden. Die Gewerbeaufsicht wird - das ist ausdrücklich gelobt worden die zentrale Genehmigungsstelle der niedersächsischen Wirtschaft werden. Dort wird es Service aus einer Hand für die Unternehmen geben. Wir werden sehr viel besser und sehr viel schneller zu Genehmigungs- und Industrieansiedlungen kommen, sodass wir in Niedersachsen auch wirtschaftlich einen Schritt nach vorne gehen. Das ist ein positiver Punkt der Verwaltungsreform, den man gar nicht oft genug sagen kann.

Das Schöne ist ja, dass insbesondere Herr Professor Hesse, der ja eben schon viel zitiert worden ist - der am Anfang nicht unbedingt als jemand dargestellt werden konnte, der von der Landesregierung beauftragt worden ist, sondern der dem eher kritisch gegenübersteht -, in der Anhörung eine bemerkenswerte Aussage getroffen hat, die ich hier gerne zitieren möchte. Er hat als Experte zu unserer Verwaltungsreform gesagt:

„... meine positive Einschätzung des Gesamtansatzes sei hiermit bestätigt. In der Tat ist das auch deutschlandweit inzwischen die Wahrnehmung. Das wird Ihnen gefallen, der Opposition weniger.“

- Damit hat er Recht. - Er sagte dann weiter:

„Sie begehen einen Systemwechsel. Es gehört politischer Mut dazu, das umzusetzen. Was Sie bislang geleistet haben, verdient Anerkennung im Ländervergleich, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben. Ich halte in der Tat, was die Zukunftsfähigkeit von Landesadministrationen generell angeht, den Weg zur Zweistufigkeit für richtig.“

Das ist von oberster Stelle ein Lob für den Weg, den wir beschritten haben. Das ist schön so.

Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Ich bin stolz und auch dankbar dafür, Herr Staatssekretär Meyerding und Herr Minister Schünemann, dass ich bei diesem Meilenstein der Verwaltungsreform mitar

beiten durfte. Niedersachsen wird es im nächsten Jahr deutlich besser gehen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Nun zu dem letzten Punkt, nämlich der Frage der Ignoranz. Ich muss ganz ehrlich sagen: „Regierungsbüros im Grundsatz richtig konzipiert“ - das war ein Schlagwort von Professor Hesse -, „mittelfristig die notwendige Organisationsform“. Auf die Frage, ob wir seiner Meinung nach mit dem Ansatz der Mitarbeit der Regierungsbüros bei den Genehmigungsverfahren richtig liegen, sagte er:

„Das wäre ein wertvoller Hinweis darauf, dass man bereit ist, die Regierungsbüros flexibler und steuerungsstärker auszustaffieren. Das wäre ein gutes Signal.“

Auf die Frage, ob die Kompetenzen dort unbedingt erforderlich sind, sagte Herr Professor Jung vom Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung:

„Ich meine, die Regierungsbüros brauchen diese nicht.“

Ich kann Ignoranz erkennen, nämlich bei den Grünen, die nicht wahrhaben wollen, dass wir den richtigen Weg gehen. Das ist ein bedeutungsvoller Weg für Niedersachsen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich nunmehr Herrn Kollegen Möhrmann das Wort. Bitte schön!

(Ursula Körtner [CDU]: Wo ist denn Herr Bartling? - Bernd Althusmann [CDU]: Wir wollen aber Herrn Bartling hören!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Biallas, ich soll Ihnen vom Kollegen Bartling einen herzlichen Gruß ausrichten mit dem Hinweis, dass er sich über das Gutachten des Herrn Professor Hesse im Vorhinein überhaupt nicht geäußert hat.

Das gilt auch für Herrn Bode. Wenn Sie Herrn Hesse zitieren, dann sollten Sie auch zitieren, dass er gesagt hat: Wer diese Reform beginnt, der darf nicht da aufhören, wo Sie aufhören wollen, sondern der muss sich über die Folgen für die kommunale Ebene, also die Kreise, Gedanken machen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das dürfen Sie nicht ausblenden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum reden wir unter dieser Überschrift über die Frage der Verwaltungsreform? - Das hängt damit zusammen, dass es im Einzelnen sehr viel Kritik gibt, beispielsweise im Zusammenhang mit den Fragen: Kommt wirklich überall eine Zweistufigkeit heraus? Ist es nicht manchmal sogar eine Einstufigkeit, weil es nach oben hochgezoomt wird? Was wird den Kommunen tatsächlich an neuer Verantwortung gegeben?

Meine Damen und Herren, das ist kontrovers diskutiert worden. Schon nach der ersten Kabinettssitzung hat der Landesrechnungshof im März gesagt: Deshalb sind bei der Erarbeitung der Verwaltungsmodernisierungsschritte, anders als in der Kabinettsvorlage dargestellt, die bewährten Organisationsprinzipien und Ordnungskriterien nicht auf den Prüfstand gestellt worden. Es ist auch kein Vergleich zwischen einem zweistufigen und einem dreistufigen Verwaltungsaufbau angestellt worden. - Das war die Kritik. Von dieser Kritik sind Sie nie wieder losgekommen, Herr Schünemann.

Dann haben Sie versucht, mithilfe der Einsparungszahlen, die Ihnen Ihr Super-Staatssekretär Meyerding - von dem ich im Übrigen viel halte - mit seiner immerhin 28,4 Vollzeitstellen umfassenden Stabsstelle Staatsmodernisierung vorgelegt hat, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass es zwar die eine oder andere Schwachstelle in der Verwaltungsreform geben mag, dass aber unter dem Strich erhebliche Einsparungen zu verzeichnen sind. Von diesen Zahlen haben Sie sich politisch diejenige ausgesucht, Herr Schünemann, die Ihnen am besten passt. Sie haben nämlich gesagt: Schon im Jahr 2005 sparen wir 36,5 Millionen Euro. - Nachdem das in die Kritik gekommen ist, haben Sie zurückgerudert und gesagt: Nein, das ist die Zahl, wenn ich eine Vollkostenrechnung an

stelle; ich muss ehrlicherweise sagen, es sind nur 500 000 Euro.