Protokoll der Sitzung vom 15.09.2004

stelle; ich muss ehrlicherweise sagen, es sind nur 500 000 Euro.

(Bernd Althusmann [CDU]: Falsch! Das stand alles darin!)

Meine Damen und Herren, auf die 500 000 Euro kommen Sie aber nur deshalb, weil Sie völlig das ausblenden, was Herr Lennartz hier schon gesagt hat, und die Frage der Polizeireform. Wenn die nicht zur Reform der Bezirksregierung gehört, dann weiß ich nicht, welche noch dazugehören soll; denn die Polizei ist bisher ausdrücklich Bestandteil der Bezirksregierung gewesen.

Meine Damen und Herren, das seit gestern vorliegende Gutachten des Landesrechnungshofs zur Polizeireform stellt Ihnen nicht unbedingt ein Zeugnis dafür aus, dass in diesem Bereich Geld gespart wird, sondern sagt Ihnen ganz klipp und klar, dass Ihr Nachweis, dass Sie in drei Jahren mit der Polizeireform Geld sparen können, nur damit zusammenhängt, dass Sie die Notrufe umstellen. Die Notrufe haben aber überhaupt nichts mit der Reform der Bezirksregierung zu tun. Von daher ist es in der Tat Ignoranz, meine Damen und Herren, wie diese Landesregierung mit dem Thema des Umbaus der Bezirksregierung umgeht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, warum ist das Gutachten bestellt worden? - Es ist doch deshalb bestellt worden, weil es vonseiten des Rechnungshofs, wie man hörte, eine Aussage gab, dass sich die ersten Einsparungen frühestens in 14,5 Jahren im Landeshaushalt bemerkbar machen würden. In 14,5 Jahren! Wir sind jetzt im Jahr 2004. Jeder kann sich ausrechnen, welche Legislaturperiode das ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Dann bin ich ja gar nicht mehr hier!)

Meine Damen und Herren, deswegen haben Sie Professor Homburg beauftragt. Dann ist das Gutachten vorgelegt worden. Jetzt sagen Sie aber: Dieses Gutachten wollen wir nicht vorlegen. - Herr Althusmann, Sie haben am 20. Februar 2004 im Landtag erklärt:

„Die neue CDU-FDP-Landesregierung, gestützt durch beide Koalitionsfraktionen, hat ein erhebliches Interesse daran, dass Transparenz und Offenheit bei der Vergabe von exter

nen Beratungsdienstleistungen zukünftig in Niedersachsen ohne Wenn und Aber gewährleistet werden.“

Wo ist das Gutachten? Wo unterstützen Sie uns?

Zum gleichen Thema: Diese Landesregierung hat nichts zu verbergen und legt darum alles auf den Tisch. Beratung und Gutachten von Außenstehenden erfolgen nur von Fall zu Fall. - So Herr Möllring am 6. Februar 2004 in einer Pressemitteilung. Am 19. Februar 2004 wurde vor dem Landtag dann gesagt:

„Wir vertrauen auch auf die Kraft unserer eigenen Argumente. Diese durch externe Experten mit der Aura der höheren Weisheit bestätigen zu lassen, ist deshalb überflüssig und wäre angesichts der Situation unseres Landeshaushaltes auch nicht zu rechtfertigen.“

Meine Damen und Herren, Reden und Handeln passen nicht zusammen. Sie haben etwas zu verbergen. Sonst hätten Sie das Gutachten vorgelegt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Von der Landesregierung hat sich Herr Minister Schünemann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss gestehen, Sie haben mich wirklich völlig kalt erwischt, denn bei den Begriffen in der Überschrift „Gefälligkeitsgutachten“ und „Ignoranz“ habe ich mich gefragt, von welchem Gutachten die Grünen denn tatsächlich reden können. Meine Damen und Herren, im Moment liegt mir nur ein Gutachten vor. Das ist das Gutachten von Herrn Professor Dr. Hesse. Ich glaube, in diesem Fall kann man nun wirklich nicht von einem Gefälligkeitsgutachten sprechen. Deshalb war ich schon ziemlich geschockt, dass Sie sich in dem angesprochenen Sinne geäußert haben.

Von dem Kollegen Bode und dem Kollegen Biallas ist schon dargestellt worden, was dort nun tatsächlich bestätigt worden ist, nämlich das, was wir Ih

nen schon seit mindestens einem halben Jahr darstellen. Ich kann Ihnen aufgrund der Zeit leider Gottes jetzt nur einige Überschriften nennen - ich glaube, danach brauchen wir in die Tiefe dieser Argumente gar nicht mehr einzusteigen -: Schlüsselrolle Niedersachsens in der gegenwärtigen Reformlandschaft, Stringenz der Reformbemühungen, Reform bringt erhebliche Struktureffekte, Vorreiter, Niedersachsens Reformpolitik setzt neue Maßstäbe, Niedersachsen vollzieht Systemwechsel, Festhalten anderer Länder an alten Strukturen begründungsnotwendig, Regierungsbüros im Grundsatz richtig konzipiert, Ausstattung der Regierungsbüros ist ausreichend, Anbindung der Regierungsbüros an oberste Landesbehörden, formale Aufwertung.

Ich kann mich noch sehr gut an die Rede des Herrn Kollegen Bartling erinnern, der gesagt hat, die Europakompetenz würde damit in der Region an die Wand gefahren. Ich zitiere jetzt noch einmal: Im Fazit ist die europapolitische Rolle der niedersächsischen Region durch die Auflösung der Bezirksregierungen und die Bildung von Regierungsbüros nicht nur nicht gefährdet, sondern insofern auch aussichtsreich gewahrt, als mit dem Organisations- und Personalwechsel Chancen für einen Neuanfang verbunden sind. Niedersachsens Verwaltungsreform hat Modellcharakter. Einheiten der Verwaltungsreform sind sinnvoll und funktionsfähig.

Meine Damen und Herren, was wollen Sie denn noch mehr an Sachverstand von jemandem, der in Deutschland auch wirklich einen Namen hat? Wir sind bei der Verwaltungsreform auf einem richtigen Weg. Dies wird Modellcharakter für Deutschland haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister - -

Nein, ich habe nicht genügend Zeit. - Sie spielen dann auf die wissenschaftliche Begleitung von Herrn Professor Homburg an. Dazu darf ich erst einmal sagen, Herr Dr. Lennartz, dass ich Ihre Beiträge hier bisher wirklich geschätzt habe. Dieser Teil war aber nun wirklich etwas unter der Gürtellinie. Das sollten Sie meiner Ansicht nach in

der Zukunft so nicht mehr machen. Es muss gesagt werden, dass Herr Professor Homburg nun wirklich einer der anerkanntesten Finanzwissenschaftler ist. Das hatten Sie gesagt. Er ist vor allen Dingen für den Bundeskanzler, für den Bundestag und für den Bundesrat tätig, und auch die alte Landesregierung hat sich des Sachverstands von Herrn Professor Homburg bedient. Ich erinnere nur an ein Gutachten in der Größenordnung von 250 000 Euro, das Herr Oppermann in Auftrag gegeben hat. Wir sollten über das Niveau, auf dem sich Ihre Rede hier bewegt hat, jetzt nicht weiter reden. Herr Professor Homburg ist wirklich ein anerkannter Wissenschaftler, und das sollten wir hier überhaupt nicht infrage stellen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Zu den Hintergründen: Wir haben ein Non-Paper des Rechnungshofes zugestellt bekommen, das von einem einzigen Senatsmitglied verfasst worden ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist das normale Verfahren!)

- Genau, das will ich ja gerade darlegen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das wird immer so gemacht! Das müssen Sie nicht als Non-Paper diffamieren!)

- Ja, genau so wird es gemacht. Dann sage ich eben: Das ist eine Stellungnahme des Landesrechnungshofes, die von einem einzelnen Senatsmitglied verfasst wurde und die bisher nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden ist bzw. freigegeben worden ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja, genau! So ist es korrekt!)

In diesem Papier ist bei der Personalkostenberechnung ein Paradigmenwechsel aufgezeigt worden, der weder von der alten Landesregierung noch vom Landesrechnungshof bisher, noch von allen anderen Landesrechnungshöfen in diesem Lande vorgestellt worden ist. Angesichts dessen war es natürlich sinnvoll, dass man wissenschaftlichen Rat einholt, um zu sehen, ob man in der finanzwissenschaftlichen Diskussion vielleicht nicht auf der Höhe ist. Deshalb haben wir um eine Stellungnahme gebeten. Sie liegt uns vor. Sie hat unsere Annahme bestätigt, dass es so, wie wir und Sie gerechnet haben, wie der Landesrechnungshof

in der Vergangenheit gerechnet hat bzw. in der Zukunft rechnen wird, völlig in Ordnung ist. Dies zum Sachverhalt in Bezug auf die wissenschaftliche Begleitung.

(Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, die Präsidentin des Landesrechnungshofes hat dann eine Pressemitteilung herausgegeben und, um nun wirklich auch den Respekt vor dem Landesrechnungshof zu gewährleisten, darum gebeten, dass man in der Öffentlichkeit nicht über die Stellungnahme eines einzelnen Senatsmitgliedes diskutiert, denn es handelt sich erst dann um eine Stellungnahme des Landesrechnungshofes, wenn der gesamte Senat zugestimmt hat. Wir haben Respekt vor dem Landesrechnungshof. Bevor das Papier vom Landesrechnungshof tatsächlich vorliegt, ist es doch nicht sinnvoll, dass wir es jetzt auf den Tisch legen. Wir sollten dies vielmehr erst später tun, wenn es tatsächlich auch vom Landesrechnungshof veröffentlicht worden ist. Das gebietet der Respekt vor dem Landesrechnungshof. Dem sollten Sie meiner Ansicht nach in dieser Frage auch Rechnung tragen. Das ist, wie ich meine, ein ganz wichtiger Gesichtspunkt.

(Beifall bei der CDU)

Nun zu den Fakten: Herr Lennartz sagte, die 700 Stellen, um die es hier beim Wissenschaftsminister geht, dürften nicht einberechnet werden. Grundlage für die Verwaltungsreform Ihrer Landesregierung und unserer Landesregierung sind Zielvereinbarungen zum Stellenabbau. Die Zielvereinbarung 2 beinhaltet 6 743 Stellen, u. a. die erwähnten 700 Stellen. Das ist Grundlage für unsere Verwaltungsreform, Grundlage für unsere Berechnung gewesen. Wenn Sie jetzt einzelne Teile daraus einfach herausbrechen wollen, weil es in Ihre Finanzierung vielleicht besser hineinpasst, dann ist das Ihre Sache. Das ist aber nicht seriös. Sie müssen dies in den Gesamtzusammenhang stellen. Deshalb ist es so, wie wir es vorgelegt haben, völlig richtig. Es ist überhaupt keine Täuschung und auch keine Trickserei, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Wir brauchen uns in der Aktuellen Stunde darüber gar nicht so lange zu unterhalten. Es dauert ja nicht mehr sehr lange, bis der Haushalt 2005 auch

Ihnen zugeleitet wird. Wir können dann doch gucken, ob das, was dort geschätzt worden ist, eine Schätzung ist oder ob es etwas ist, was im Haushalt 2005 tatsächlich Realität wird. Meine Damen und Herren, warten wir einfach 2005 ab. Dann werden Sie sehen, dass wir durch unsere Verwaltungsreform nicht nur eine schlankere Verwaltung erreichen und vor allen Dingen etwas für die Wirtschaft tun, sondern auch einen ganz gewichtigen Beitrag zur Sanierung unseres Haushalts hier im Lande leisten. Meine Damen und Herren, das können Sie uns nicht vermiesen. Wir sind stolz darauf, dass wir dieses auf die Reihe bekommen.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor.

Wir kommen im Rahmen von Tagesordnungspunkt 3, der Aktuellen Stunde, nun zu

d) Justiz als dritte Säule sichern - Für eine Justizreform ohne Tabus! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/1291

Herr Lehmann hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fülle dessen, was ich mir aufgeschrieben habe und was man zu diesem Thema sagen könnte, macht deutlich, mit welchem Reformumfang wir es zu tun haben, wenn wir uns dem Thema Justizreform zuwenden. Es scheint auf den ersten Blick ein ziemlich trockenes Thema zu sein; man wird sagen, dieses Thema sei etwas für die juristischen Fachleute. Das könnte auf den ersten Blick auch zutreffen. Allerdings liegt uns als FDP-Fraktion daran - deshalb haben wir dieses Thema hier auch in die Aktuelle Stunde gebracht -, dieses Thema noch einmal in die Öffentlichkeit zu bringen, um die Notwendigkeit, die Wichtigkeit und die Dringlichkeit einer solchen Reform ganz klar herauszustellen und ins Bewusstsein zu rufen.

Jeder von Ihnen, die Sie hier unten, aber auch dort oben sitzen, wird wissen: Die Gerichtsverfahren dauern unheimlich lange, bis die letzte Überprüfungsmöglichkeit durch ist. Viele müssen lange

warten, bis sie beim Gericht einen Termin bekommen, sei es für eine Registereintragung oder für was auch immer. Häufig muss sehr lange gewartet werden, bis das abgearbeitet ist, was auch zu Ärger und Unmut führt. Diese Überbelastung, diese zeitliche Verzögerung ist zum einen darauf zurückzuführen, dass es richtigerweise viele Rechtsschutzmöglichkeiten gibt und die Instanzenwege ausgeschöpft werden. Zum anderen hat dies aber auch zur Folge, dass diejenigen, die normalen Rechtsschutz suchen und einfach nur klagen wollen, um eine Forderung einzuziehen, unheimlich lange warten müssen, bis die Vollstreckung vollzogen ist. Zwischendurch sind sie möglicherweise schon Pleite gegangen, bevor sie überhaupt ihr Geld bekommen haben. Dies alles - kurz geschildert - macht deutlich, in welchem Dilemma sich derzeit die Justiz nicht nur in Niedersachsen, sondern auch bundesweit befindet. Weil dem so ist, muss hier dringend etwas getan werden;

(Beifall bei der CDU)

denn wenn wir alles so weiter laufen lassen und nichts an der gegenwärtigen Situation ändern, muss man letztendlich feststellen: Verzögerte Justiz ist verweigerte Justiz. Eine verweigerte Justiz aber ist genau das, was wir uns als Rechtsstaat nicht leisten können und auch nicht leisten wollen.