Protokoll der Sitzung vom 15.09.2004

Ich freue mich, dass wir ab dem nächsten Jahr eine Polizeiorganisation haben werden, die Niedersachsen nach vorne bringt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt erteile ich Herrn Minister Schünemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch diese Polizeistrukturreform wird Niedersachsen insgesamt sicherer.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Aber nur gefühlt!)

Ich will Ihnen das auch genau erklären.

Aber zunächst einmal möchte ich Ihnen - gerade Herrn Kollegen Bartling - sagen, dass Sie diese Strukturreform doch gar nicht so angreifen sollten; denn es ist doch eigentlich nur eine Optimierung dessen, was 1994 auf den Weg gebracht worden ist. Wir haben die Erfahrungen der letzten zehn Jahre in unsere Überlegungen einfließen lassen und können jetzt sagen, dass wir für die Polizei eine vernünftige Verwaltungsstruktur schaffen.

Herr Bartling, Sie haben zum Schluss gesagt, es wäre gut gewesen, wenn wir eine kleine Expertengruppe gebildet und auf diese gehört hätten. - Genau das aber haben wir doch getan! Wir haben Polizeibeamte aus Niedersachsen zusammengezogen, die ihre Erfahrungen eingebracht haben. Wir haben kein Gutachten von Kienbaum oder

anderen eingeholt, sondern eingeflossen ist das Wissen der Polizei aus ganz Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, es gibt niemanden - weder bei den Polizeigewerkschaften noch bei den Fachleuten -, der sagt, dass es ein Fehler ist, die Polizei aus den Bezirksregierungen herauszubrechen. Die Einrichtung der Polizeidirektionen wurde bereits 1994 gefordert. Aber Sie hatten nicht den Mut, das umzusetzen. Wir haben den Mut, meine Damen und Herren, und das ist, meine ich, auch genau das richtige Signal für die Polizeibeamten in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es geht darum: Wie wollen wir die Professionalisierung der Kriminalitätsbekämpfung erreichen? - 1994 hat man bewusst gesagt, wir wollen sehr viel dezentral organisieren. Dieser Ansatz war völlig richtig, und wir werden ihn auch beibehalten. Aber es gibt einige wenige Bereiche, in denen sich dieser Ansatz nicht bewährt hat: bei der intensiven Spurensuche oder der Tatortaufnahme. Dabei handelt es sich nicht um Massenkriminalität, sondern um Schwerstkriminalität, um Mord. Es geht z. B. darum, DNA-Spuren zu finden. Sie wissen, welche Möglichen wir über die DNA-Analyse haben. - Bei dieser Gelegenheit: Im Wahlkampf haben Sie mich noch dafür gegeißelt; heute setzen sich zum Teil sogar die Sozialdemokraten im Bundestag dafür ein. - Hier brauchen wir Routine, hier brauchen wir Experten, und genau das werden wir mit dieser Polizeistrukturreform auch bekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In einigen Bereichen müssen wir natürlich auch Schwerpunkte bilden. Deshalb haben wir auf Polizeiinspektionsebene Fahndungsgruppen eingerichtet. Darüber hinaus haben wir Verfügungsgruppen eingerichtet, damit man auch einmal aus dem Alltagsgeschäft herauskommt. - Das ist meiner Ansicht nach genau der richtige Weg, und das wird ja auch nicht ernsthaft bestritten.

Die Präventionsarbeit vor Ort hat sich bewährt. Hier haben Sie - das will ich auch gerne sagen - in Ihrer Amtszeit durchaus einiges bewegt. Das soll auch so bleiben. Wir wollen das aber noch optimieren, indem wir auf der Inspektionsebene professionelle Unterstützung für die Kommissariate organisieren. Das jetzt so darzustellen, als wollten wir die Beteiligung der Bürger an der Präventionsarbeit wieder aufgeben, ist völlig falsch. Dies Präventionsarbeit muss in den Kommissariaten durchge

führt werden, zusammen mit den Bürgerinnen und Bürger. Dann werden wir erfolgreich sein. Wir unterstützen das durch Präventionsgruppen bei den Polizeiinspektionen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Fläche zu stärken, liegt uns besonders am Herzen. Deshalb haben wir ein neues Polizeipersonalverteilungskonzept entwickelt. Wir wollen - die Kollegen Ahlers und Bode haben es bereits gesagt - 210 Polizeibeamte aus den Stäben nehmen und in das operative Geschäft geben. Diese stehen dann zur Verfügung, damit wir in der Fläche mehr Präsenz schaffen. Dazu kommt noch das 1 000er-Programm, das wir in dieser Legislaturperiode umsetzen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt etwas zu den Kosten sagen, weil das ja immer besonders von Interesse ist, und zwar zu Recht.

Die Kritik des Landesrechnungshofs nehme ich sehr ernst. Aber Ihre Kritik, meine Damen und Herren von der Opposition, kann ich nun wirklich nicht ernst nehmen; denn auch schon 1993 hat die Landeshaushaltsordnung bestimmt, dass für Maßnahmen von finanzieller Bedeutung angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen sind, dass bei allen Kabinettsvorlagen die finanziellen Auswirkungen im Einzelnen darzustellen sind und dass Auswirkungen auf die mittelfristige Finanzplanung unter Verwendung eines vorgegebenen Vordrucks besonders darzustellen sind.

Jetzt darf ich Ihnen vorlesen, was Sie damals als Kostenfolgeabschätzung für die - wie Sie sie damals genannt haben - größte Polizeistrukturreform vorgetragen haben - ich zitiere aus Ihrer Vorlage -:

„Die finanziellen Auswirkungen der Umsetzung der Neuorganisation sollen sich in engen Grenzen halten. Dabei kommen in erster Linie Kosten für dienststelleninterne Umzüge in begrenztem Umfange sowie z. B. Kosten für Stempel, Vordrucke und Dienststellenschilder in Betracht.“

Meine Damen und Herren, das zu diesem Absatz kein ausführliches Gutachten vom Landesrechnungshof gekommen ist, kann ich nachvollziehen. Aber es ist natürlich nicht seriös, wenn Sie das bei uns jetzt in dieser Weise kritisieren.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf das kommen, was der Landesrechnungshof gesagt hat. Übrigens: Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, wenn der Landesrechnungshof das, was er dem Landtag zur Verfügung gestellt hat, mit dem Ministerium abgestimmt hätte. Dann hätte man einiges im Vorfeld klären können. Aber wir können das natürlich auch im Plenum machen.

Angesprochen wurde: Unter „IuK, einschließlich Datenverarbeitung, Führungs- und Einsatzmittel, Kriminaltechnik“ sollen wir Einsparungen in Höhe von 2,8 Millionen Euro angesetzt haben, und zwar im Bereich Notrufabfragestellen; diese Einsparungen seien aber nicht reformbedingt.

Dazu kann ich Ihnen sagen: Das ist schlicht nicht richtig. Es ist wahr, dass seit 1999 in der mittelfristigen Finanzplanung dafür Mittel eingestellt werden. Das Ganze sollte bis zum Jahr 2007 vollendet werden. Aber nun ist es so, dass wir, bedingt durch die Polizeistrukturreform, nicht mehr, wie bisher, 95 Notrufabfragestellen brauchen, sondern nur noch 28. Dadurch, dass wir hier konzentrieren und reduzieren, erreichen wir genau diese Einsparsumme von 2,8 Millionen Euro. Das hätten wir dem Landesrechnungshof gerne intern mitgeteilt; jetzt sagen wir es über das Parlament.

Angesprochen worden ist auch der Bereich „Verlagerung von Aufgaben, allgemeine Gefahrenabwehr, Versammlungsrecht und Brandkatastrophen.“ Das will ich Ihnen auch gerne einmal darstellen. Es richtig - und das ist auch gut so -, dass wir den Katastrophenschutz jetzt bei den Polizeidirektionen zusammenführen. Im Krisenfall werden wir nur noch einen Krisenstab geben. Das hat Synergieeffekte, da werden wir insgesamt besser. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir gerade im Katastrophenschutz vor einer besonderen Bedrohungslage stehen, viel mehr als noch in der Vergangenheit. Darauf reagieren wir: Wir werden in der Zukunft nicht mehr nur vier, sondern sechs Katastrophendienststellen haben.

Es ist richtig, dass wir dort zunächst zusätzliches Personal über kw-Stellen zur Verfügung stellen werden. Wir werden sehen, wie viel Personal in der Zukunft tatsächlich benötigt wird, und werden, wenn wir zusätzliches Personal brauchen, dieses aus den 210 gewonnenen Polizeistellen zur Verfügung stellen. Eine finanzielle Mehrbelastung wird es in diesem Bereich nicht geben.

Ganz interessant ist auch das, was der Landesrechnungshof zu den Umzugs-, Logistikund sonstigen Kosten und gerade auch zu der Zentralisierung sagt. Herr Bartling, Sie haben noch einmal dargestellt, dass es gar keinen Sinn macht, Polizeiinspektionen zusammenzulegen und ihre Anzahl von 50 auf 33 zu reduzieren. Hier muss der Landesrechnungshof irgendwann auch einmal eine stringente Haltung einnehmen. Bei Ihrer Umorganisation, Herr Bartling, hat der Landesrechnungshof nichts zu den Kosten, aber etwas zu den Strukturen gesagt:

„Die vorstehend genannten Nachteile Ihrer Planung gehen letztlich darauf zurück, dass das von Ihnen vorgestellte Konzept zur Aufbauorganisation der Polizei von dem Prinzip ausgeht, in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt eine Inspektion oder Polizeidirektion zu unterhalten. Wir haben dieses Prinzip bereits in unserem Jahresbericht 1985 für nicht sachgerecht gehalten und zugleich darauf hingewiesen, dass bei Beachtung des Grundsatzes der Einräumigkeit die übrigen Einheiten der Zwischenebene auch für mehrere Landkreise zuständig sein können. Auch das Kienbaum-Gutachten kommt zu dem gleichen Ergebnis.“

Meine Damen und Herren, nachdem der Landesrechnungshof schon 1985 gefordert hat, Polizeiinspektionen zusammenzulegen und wir das jetzt machen, finde ich es nicht ganz schlüssig, wenn er das heute kritisiert und sagt, dass das Kosten verursacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zudem darf ich darauf hinweisen, dass wir, wie ich eingangs gesagt habe, nur in Teilbereichen etwas konzentrieren. Im Moment haben wir 18 Polizeiinspektionen mit Zusatzaufgaben. In Zukunft werden wir 28 Stellen haben, sodass wir zum Teil sogar noch eine breitere Präsenz in der Fläche haben werden. Also, auch dies führt leider nicht zum Erfolg.

Herr Minister, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie die verabredete Redezeit schon um mehr als das Doppelte überzogen haben.

Es tut mir sehr Leid, aber ich habe keine andere Möglichkeit. Wenn ich hier mit Fakten vom Landesrechnungshof konfrontiert werde, dann muss ich einfach die Zeit haben, in der Öffentlichkeit meine Position darzustellen. Deshalb brauche ich ein bisschen mehr Zeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Christian Biallas [CDU]: Genau! Die Wahrheit muss ans Licht!)

Weiter: Wir hätten nichts zu den Kosten für die Einrichtung von 27 Polizeiinspektionen gesagt. Bei den Polizeiinspektionen handelt es sich um vorhandene Dienststellen an vorhandenen Standorten. Das erforderliche Personal wird - wie bei der Polizeireform 1994 auch - über Melde- und Ausschreibungsverfahren rekrutiert.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, all diese Punkte, die jetzt kurz vor der Abstimmung wieder aufgeführt worden sind, können in Gänze entkräftet werden. Insofern, meine Damen und Herren, spricht überhaupt nichts dagegen, dieser Polizeistrukturreform zuzustimmen, die - ich kann es nur wiederholen dazu führt, dass Niedersachsen sicherer wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Christian Biallas [CDU]: Genau!)

Nun noch zu einigen kleinen Stichpunkten, die von Ihnen auch noch aufgeführt worden sind.

Was ändert sich eigentlich für den Bürger? - Meine Damen und Herren, für den Bürger ändert sich gar nichts. Die Bürger haben genau die gleichen Ansprechpartner wie vorher, aber bei professionellerer Kriminalitätsbekämpfung.

Zum Lauschangriff. Dass sie das hier noch einmal anführen, Herr Bartling, finde ich interessant. Ich darf an das erinnern, was Frau Zypries erst vor wenigen Wochen vorgelegt hat. Ich könnte ihr hundertprozentig zustimmen. Aber Sie haben nicht den Mut, das, was Ihre Justizministerin sagt, in die Tat umzusetzen. Das würde bei der Kriminalitätsbekämpfung sicherlich einiges bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ganz zum Schluss haben Sie etwas gesagt, was wirklich unredlich ist. Sie sagten, angesichts der Wiedereinführung des mittleren Dienstes - wenn

wir das denn überhaupt vorhätten - wäre es nahezu zynisch, Polizeipräsidenten mit B 3 einzuführen. Was das miteinander zu tun hat, kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe Ihnen immer gesagt, aus welchen Gründen wir darüber nachdenken: Wir wollen Realschülern mehr Möglichkeiten geben. Das brauche ich hier aber nicht weiter auszuführen.

Meine Damen und Herren, wir schaffen die Bezirksregierungen ab. Die Regierungspräsidenten sind weg, die Vizepräsidenten auch. Wir schaffen in diesem Bereich also tatsächlich Einsparungen und geben der Polizei eine eigene Struktur. Wenn wir die Polizeipräsidenten dann mit B 3 besolden, dann ist das im Vergleich zu anderen Ländern noch sehr zurückhaltend. Wenn Sie damit Stimmung machen wollen, meine Damen und Herren: Damit werden Sie die Polizeibeamten nicht überzeugen können. Die sind von dieser Reform überzeugt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben in Ihrer Amtszeit nicht den Mut gehabt, etwas zu verändern. Wir haben den Mut, weil wir dafür sorgen müssen, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sicher sind. Wir sind der Garant dafür. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die SPD-Fraktion hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile Herrn Bartling das Wort für drei Minuten.