Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Und damit es gleich klar ist - man weiß jetzt ja schon, welche Unterstellungen gleich kommen werden -: Wir von der CDU sind nicht der Auffassung, dass die Erbschaftsteuer abgeschafft werden soll.

(Heinrich Aller [SPD]: Ach du lieber Gott!)

Wir erkennen sie als Beitrag zum Steueraufkommen und zur Steuergerechtigkeit an.

(Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜ- NE]:: Sie haben sie faktisch abge- schafft unter Helmut Kohl! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Wer war das?)

- Wir haben sie nicht faktisch abgeschafft. - Dazu sollte sich nur derjenige äußern, der davon auch Ahnung hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen aber nicht wie die Grünen die Bemessungsgrundlage verbreitern und damit die Erbschaftsteuer erhöhen.

Lassen Sie uns einfach einmal realistisch bleiben. Es wird ja so getan, als ob wir mit der Erbschaftssteuer unseren Landeshaushalt reformieren könnten. Dem ist aber nicht so. Herr Aller hat zwar eine tolle Mipla aufgelegt, bei der wohl mehr der Wunsch Vater des Gedankens war - dabei hat er sich bei den Einnahmen gleich mal um 22 bis 25 Millionen Euro verhauen -, aber allein dadurch, dass man es in die Mipla schreibt, erhöhen sich die Einnahmen noch nicht. Zum Glück haben die Menschen das erkannt und deshalb auch gesagt, dass es besser jemand anders machen soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

So, Herr Wenzel, und jetzt gehen wir auch einmal ein bisschen in die Einzelheiten Ihres Antrags. Sie kommen ja so ein bisschen wie der Wolf im Schafspelz daher.

Im zweiten Spiegelstrich Ihres Antrags heißt es, die Erbschaftsteuerregelung für Betriebsvermögen müsse eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebes gewährleisten. - Das sehe ich genauso. In diesem Punkt werden Sie mit der CDU keinen Dissens finden.

Gleichzeitig fordern Sie jedoch unter dem ersten Spiegelstrich, dass die Vermögensarten Grundvermögen und Immobilien an das Niveau der Marktwerte herangeführt werden und so die Grundlage für die Bemessung der Erbschaftsteuer verbreitert werden muss. - Wissen Sie denn gar nicht, dass Sie dadurch den zweiten Spiegelstrich

aushebeln? Das sind doch die Grundlagen für betriebliche Investitionen.

(Zuruf von den Grünen: Das war als Eckpunkt gedacht!)

Ich will es Ihnen einmal anhand eines Beispiels klarmachen. Wenn sich ein Erblasser z. B. entschieden hat, die Unternehmensgewinne in das Unternehmen zu investieren, entwickelt er sein Unternehmen weiter, was wirtschaftlich richtig ist, was oft auch Arbeitsplätze sichert oder sogar schafft. Der Erbe hat das Nachsehen. Er erbt ein Unternehmen mit erheblich besserer Bewertung. Damit steigt seine Erbschaftsteuer, und er ist erst einmal nicht in der Lage, in seinen Betrieb zu investieren. Schlimmer noch: Eventuell muss er sogar Teile des Betriebs veräußern.

Auch mit Freibeträgen bekommen Sie das nicht in den Griff. Ich empfehle Ihnen einen Blick in das Konzept 21 der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in dem wir vorschlagen, dass die Erbschaftsteuer nach zehnjähriger Fortführung des Betriebs ganz wegfallen soll. Das bringt was!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Übrigen können wir auch einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung entnehmen, dass wir bezüglich der Erbfälle nicht auf der Insel der Glückseeligen wohnen, sondern dass wir in diesem Bereich höchstens im Mittelfeld sind und bei der Unternehmensübertragung sogar recht schlecht abschneiden. Wenn wir jetzt noch die EUBeitrittsländer dazunehmen, brauchen wir, glaube ich, gar nicht mehr darüber zu reden. Lieber Herr Kollege Wenzel, wieso habe ich eigentlich immer den Eindruck, dass Sie mit diesem Thema eine Neiddiskussion verknüpfen wollen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist eine Frechheit! - Unruhe)

Wieso höre ich von Ihnen und von allen auf der linken Seite dieses Hauses nie, dass das Vermögen, über das wir sprechen, schon längst versteuert ist?

(Beifall bei der CDU)

Wieso wird nicht wenigstens erwähnt, dass schon heute die Erbschaftsteuersätze einen Maximalwert von 50 % erreichen? Wieso versuchen Sie immer den Eindruck zu erwecken, wir sprechen über Leute, die wie die Made im Speck leben, ohne den Finger zu krümmen, und nicht über Menschen, die

etwas aufgebaut haben, weil sie hart gearbeitet haben?

(Beifall bei der CDU)

Passen Sie bloß auf, Herr Kollege Wenzel, dass diese Grundeinstellung nicht zum Bumerang wird, wo doch mittlerweile die Grünen die Partei der Besserverdienenden sind?

(Beifall bei der CDU)

Auch die SPD scheint sich lieber mit alten Klassenkampfparolen als mit den Tatsachen auseinander setzen zu wollen. Oder wie sollen wir Ihren Parteitagsbeschluss vom 19. November 2003 verstehen? - Ich zitiere: Es sei ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, vor allem die besonders Reichen stärker zur Kasse zu bitten. - Um die genaue Definition, wer das denn wohl sei, drückt man sich allerdings.

Vielleicht findet man die Definition ja in der neuen Kommission der SPD zum Thema europäisches Sozialstaatsmodell, die vom geschätzten Kollegen Gabriel geleitet werden soll. Übrigens: Die Grundlage, auf der die SPD-Kommissionen nach den vielen Wahlschlappen arbeiten, hat Herr Müntefering gegenüber der HAZ am 22. Juni präsentiert - ich zitiere -: Die SPD werde allerlei Pläne präsentieren - höhere Erbschaftsteuer! -, die im Bundesrat zwar keine Chance haben, aber der Profilierung der SPD dienen. - Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass Herr Gabriel für diesen Auftrag die richtige Besetzung ist. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Peters.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Der Landeshaushalt befindet sich in einer schwierigen Situation. Die Einnahmen reichen hinten und vorne nicht, um die wünschenswerten Ausgaben zu bezahlen. Da ist es natürlich nahe liegend zu fragen, wer denn noch Geld hat, das er uns geben könnte. 500 Millionen Euro Mehreinnahmen im Bund, Herr Wenzel, klingt verführerisch! Aber diese Rechnung ist schon bei anderen Abgaben und Belastungen der Bürger nicht aufgegangen. Wie war das noch einmal mit der Ta

baksteuer? - Eine Erhöhung sollte Mehreinnahmen bringen. Und was kam dann wirklich?

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Ja?)

Diese Form der Politik - „ich erhöhe die Steuern und Abgaben und erwarte, dass der Bürger das geduldig erträgt und zahlt“ - geht nicht unbedingt auf.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jeder Bürger weiß das. Langsam sollte sich das auch in der Politik herumsprechen. Bürger handeln als Einzelsubjekte nach ihrem Gefühl und nach ihrer Einzelsituation wirtschaftlich, nicht staatstragend. Wirtschaftlich handeln heißt für den Bürger, dass er die Determinanten seines Handelns prüft und schaut, was er notgedrungen akzeptieren muss und was er vielleicht umgehen kann. Wie sonst, glauben Sie, erklären sich die riesigen Vermögen der deutschen Bundesbürger im Ausland? Sind das Vertrauensbeweise in die deutsche Steuerpolitik?

Nach meiner festen Auffassung brauchen wir unbedingt keine Diskussion über Steuererhöhungen, in welcher Form auch immer!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir den wirtschaftlich Handelnden Sicherheit in unserem Lande geben, damit sie hier arbeiten, damit sie hier produzieren, hier Geld verdienen und es auch hier ausgeben und, bitte schön, auch in unserem Lande anlegen.

Regulär planbare, erträgliche Steuern zahlen, nicht zu versuchen, die Kenntnis über die Steuern dem Staat zu entziehen, weil ihnen nicht klar ist, ob ihr Geld ihnen sonst noch morgen gehört.

Wir alle wissen, dass die Sozialversicherungssysteme auf der Kante stehen. Logische Folge ist, dass sich die Bürger Gedanken machen, Vermögen anzusammeln, um nicht so hart von der Zukunft getroffen zu werden. Verbal höre ich von unserer Bundesregierung, dass das gewünscht sei: Für das Alter habe man vorzusorgen. Tatsächlich betreibt die Bundesregierung aber eine höchst effektive Verunsicherungskampagne, indem sie immer wieder Steuererhöhungen diskutiert. Und dazu gehört auch die Debatte um die Erbschaftsteuer, Steuer auf das, was nicht mehr ausgegeben werden konnte. Woher bitte soll hier das Vertrauen kommen?

Wir müssen mit diesen Verunsicherungsdebatten aufhören, wenn wir wollen, dass sich die Menschen in unserem Land wirtschaftlich entwickeln sollen.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich bedarf das Erbschaftsteuerrecht einiger Korrekturen. Inwieweit ich Ihnen zustimmen könnte, Herr Wenzel, habe ich bereits am 29. April hier ausgeführt. Aber das Land braucht nicht mehr Geld aus den Taschen der Bürger; das Land braucht Politiker, die die Ausgabenstrukturen aufarbeiten und reformieren. Nicht mehr Staat, sondern weniger Staat muss für die Zukunft unser Ziel sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Hieran arbeiten wir in Niedersachsen. Deshalb brauchen wir nicht der Verführung zu unterliegen, mal wieder ein wenig tiefer in die Taschen der Bürger zu greifen.

Wir werden uns der Reform der Erbschaftsbesteuerung stellen, um sie gerechter zu gestalten. Hierzu werden wir aber den Spruch des Bundesverfassungsgerichts abwarten, um zu sehen, wie weit der Handlungsbedarf reicht, damit nicht schon wieder über ein und dasselbe Problem mehrfach diskutiert werden muss. Die notwendige Reform bzw., wie ich hoffe, die Korrektur muss dann für sehr, sehr lange Zeit die letzte in diesem Bereich sein, damit die Bürger wieder ein Gefühl von Verlässlichkeit in der Politik bekommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ein Regierungswechsel in Berlin könnte da vielleicht hilfreich sein. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Aller, Sie haben das Wort.