Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

diese zu entsprechender Zeit wieder herauszuholen und dann hier vorzulegen.

Ich meine, es ist umgekehrt Aufgabe der Regierungsfraktionen,

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sich auch daran zu erinnern!)

ihren Entwurf vorzulegen. Kollege McAllister und Kollege Lehmann haben eindeutig dargestellt, wie wir diese Sache sehen und wie wir unseren Gesetzentwurf an dieser Stelle interpretieren. Darüber können wir gerne diskutieren.

Trotzdem ist für uns eines ganz entscheidend: In den letzten 18 Monaten haben Sie Ihre absolute Traumrolle entdeckt, gerade Sie, Herr Kollege Gabriel. Sie waren nicht mehr in der Verantwortung, Sie konnten sagen, was Sie wollten, Sie konnten herumerzählen, Sie konnten womöglich Versprechungen machen,

(Bernd Althusmann [CDU]: Das hat er vorher auch gemacht!)

und niemand konnte sie in der Sache wirklich überprüfen. Jetzt stehen Sie das erste Mal seit 18 Monaten wieder in der Verantwortung. Jetzt haben Sie es mit in der Hand, endlich Dinge zu bewegen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Genau! Wir wollen Ihnen zum Durchbruch ver- helfen!)

Sie tun jetzt so, als wären Sie schon immer unserer Meinung gewesen, und versuchen krampfhaft, irgendwelche Gründe zu finden, warum Sie diesem Gesetz nun doch nicht zustimmen wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn Ihnen diese Verfassungsänderung nicht weit genug geht - man kann ja sagen „lieber den Spatz in der Hand...“; ich meine, es ist an dieser Stelle sogar die Taube auf dem Dach -, dann können Sie für die nächste Wahl 2008 ja ein anderes Angebot machen. Bis dahin haben Sie viel Zeit, die Menschen zu überzeugen. Aber jetzt schieben Sie Ihre Argumente vor, um Parteipolitik zu betreiben und - letztlich zum Schaden der Kommunen, meine sehr verehrten Damen und Herren - unsere Verfassungsänderung zu blockieren. Das ist das einzig Schäbige an dem heutigen Tage und an der SPD-Fraktion.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Es gibt manchmal eben Situationen, in denen es nicht ausreicht, einfach nur Recht zu haben, sondern manchmal, Herr Kollege, muss man auch das Richtige tun. CDU, FDP und sogar die Grünen haben Ihnen die Tür aufgemacht. Sie müssen nur noch hindurchgehen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Frage ist, was hinter der Tür ist!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wer, wie vorgeschlagen, mit der federführenden Beratung den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und mit der Mitberatung die Ausschüsse für Inneres und Sport sowie für Haushalt und Finanzen beauftragen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 19: Einzige (abschließende) Beratung: Verfassungsgerichtliches Verfahren Verfassungsbeschwerde Normenkontrollantrag des Herrn Sigmar Gabriel, MdL und 62 weiterer Mitglieder des Niedersächsischen Landtages gegen § 6 Abs. 3 Satz 2 bis 4 des Niedersächsischen Mediengesetzes (NMedienG) vom 01.11.2001 (Nds. GVBl. S. 680), zuletzt geändert durch Artikel 1 Nr. 1 b des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Mediengesetzes vom 11.12.2003 (Nds. GVBl. S. 423) - Schreiben des Präsidenten des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 24.05.2004 - StGH 4/04 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 15/1180

Der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen empfiehlt, von einer Äußerung gegenüber dem Staatsgerichtshof abzusehen.

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt wird. Eine Berichterstattung ist nicht vorge

sehen. - Ich sehe keinen Widerspruch und lasse daher abstimmen.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 20: Einzige (abschließende) Beratung: Verfassungsgerichtliches Verfahren Verfassungsbeschwerde des Herrn R. S., Oldenburg, gegen § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) in der Fassung der Änderung durch den Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Dezember 2003 (Nds. GVBl S. 414) und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Schreiben des Bundesverfassungsgerichts - Erster Senat vom 11.06.2004 - 1 BvR 668/04 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 15/1248

Der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen empfiehlt, von einer Äußerung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht abzusehen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt wird. - Ich sehe keinen Widerspruch.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen.

Nun kommen wir zu

Tagesordnungspunkt 21: Zweite Beratung: Gerechte Steuerbelastung: Erbschaftssteuer verfassungskonform reformieren Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/933 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 15/1247

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen lautet auf Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Herr Wenzel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Möllring - Herr Wulff ist leider nicht da -, wir reden in diesem Herbst bei den Haushaltsberatungen über Kürzungen bei Blinden, über Kürzungen bei Obdachlosen, über Kürzungen bei kleinen Kulturinitiativen, bei Migranten und bei Beschäftigten im einfachen Dienst, die oft kaum mehr verdienen, als der normale Sozialhilfesatz ausmacht. Auf der anderen Seite haben wir einen eindeutigen Beschluss des Bundesfinanzhofs zur Besteuerung von Erbschaften. Alle Steuerbescheide, die vom Finanzamt erteilt wurden, sind in diesem Punkt vorläufig. Und schließlich haben wir die Situation, dass nur 7 % der Bevölkerung im Erbfall mehr als 150 000 Euro vererben. In der Regel handelt es sich zur Hälfte um Grundvermögen.

Angesichts dessen frage ich Sie, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP: Fordern wir Unmögliches, oder fordern wir nicht eigentlich nur Selbstverständliches, wenn wir die Immobilien nach dem Verkehrswert besteuern wollen? Der Bundesfinanzhof hat ja gesagt: So wie das Grundvermögen heute bewertet wird, liegt darin eine Ungleichbehandlung. So kann nicht weitergemacht werden. In diesem Punkt muss das so genannte Bewertungsgesetz, das Grundlage für das Erbschaftsteuerrecht ist, verändert werden.

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Wulff sprach von Zukunftsangst. Er sprach davon, dass viele Menschen aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation oder aufgrund der Debatten um die wirtschaftliche Zukunft und um die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes Zukunftsängste entwickelt haben, was sich natürlich auf aktuelle politische Debatten auswirkt. Der eine

oder andere hat Angst vor finanzieller Überlastung und kann angesichts verschiedener Reformen, die in der Diskussion sind, aber auch angesichts von Dingen, die man nicht immer so umfassend beurteilen kann, wie es in solch einer Situation vielleicht notwendig ist, nicht immer ganz übersehen, was auf ihn zukommt.

Aber die Bevölkerungsgruppe, über die wir nun reden, also diejenigen, die eine große Erbschaft in einem Wert oberhalb von 150 000 Euro machen - in der Regel hat die betreffende Erbschaft einen Wert weit oberhalb dieser Summe, weil 150 000 Euro immer noch im Freibetrag enthalten ist -, die braucht nun wirklich keine Angst zu haben, wenn es zu einer Verkehrswertbesteuerung bei den Immobilien kommt.

Meine Damen und Herren, Sie sollten noch einmal sehr ernsthaft überlegen, ob wir uns nicht innerhalb des nächsten halben Jahres im Landtag dafür einsetzen müssen, dass es zu einer Korrektur kommt, so wie sie vom Bundesfinanzhof eingefordert wurde. Wir sollten uns nicht durch weitere Gerichtsbeschlüsse treiben lassen, sondern sollten jetzt aus einer politischen Verantwortung heraus handeln.

Ich glaube, das ist letztlich eine Frage der Gerechtigkeit, und an dieser Frage der Gerechtigkeit wird sich auch immer die Zukunft unseres Gemeinwesens messen lassen. Das ist die zentrale Kategorie, an der niemand von uns vorbeikommt, das ist die zentrale Kategorie für Glaubwürdigkeit.

Deshalb habe ich die Bitte an diese Landesregierung, an die Mehrheit hier im Parlament: Handeln Sie jetzt! - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt hat die Kollegin Weyberg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Wenzel, das war ja jetzt sehr staatstragend. Aber schon die Überschrift stellt uns vor ein unlösbares Problem: Gerechte Steuerbelastung: Erbschaftssteuer verfassungskonform reformieren. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird erst für 2005 erwartet, und wenn es vorliegt, ist erst der Bund am Zug,

denn es handelt sich hier um eine Bundesgesetzgebung. Sie müssen ja wenig Vertrauen in Ihre eigenen Leute haben, wenn Sie den Vorstoß hier in Hannover machen und nicht in Berlin. Das ist einfach der falsche Antrag zum falschen Zeitpunkt. Das haben wir auch schon in der ersten Beratung gesagt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eigentlich könnte ich jetzt aufhören, denn wir haben ja auch noch Dinge zu entscheiden, die wir wirklich beeinflussen können. Aber es muss doch noch einiges klargestellt werden.

Bei diesem Antrag drängen sich gewisse Parallelen zur Vermögensteuer auf, die in Ihrer Partei mit großer Vielstimmigkeit begleitet wird. Angeblich könnte man mit dieser so genannten Millionärssteuer ungeahnte Einnahmen erwirtschaften und natürlich nur große Vermögen treffen. Fakt wäre aber, wie das Deutsche Institut für Wirtschaft in einer von Ihrer Partei in Auftrag gegebenen Studie festgestellt hat, dass die Erhebung der Steuer mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden wäre und zudem nur einen minimalen Beitrag zum Gesamtsteueraufkommen brächte. Einige in Ihrer Partei haben das erkannt und haben gesagt, deshalb solle das nicht mehr kommen. Andere sagen aber, die Vermögensteuer solle trotzdem kommen. Ich befürchte, dass wir bei der Erbschaftssteuer genau den gleichen Weg gehen und dass Sie einfach populistisch behaupten, damit könne man ganz gut Geld einnehmen, was aber gar nicht der Fall ist.

Erstaunt bin ich aber auch über die Einlassungen der SPD in der ersten Beratung bzw. der Ausschussberatung. Wieso möchten denn auch Sie jetzt unbedingt eine Regelung finden? Bundesfinanzminister Eichel sieht das übrigens ganz anders, und der gehört bekanntlich Ihrer Partei an.

(Karsten Behr [CDU]: noch!)

- Ja, ich denke, das bleibt auch so.

Er hat am 26. Juni 2004 in der FAZ gesagt, dass er überhaupt nicht beabsichtigt, im Moment in dieser Frage tätig zu werden.

Und damit es gleich klar ist - man weiß jetzt ja schon, welche Unterstellungen gleich kommen werden -: Wir von der CDU sind nicht der Auffassung, dass die Erbschaftsteuer abgeschafft werden soll.