Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Ich komme zum Ende. - Lassen Sie uns die notwendigen Reformen in Deutschland umsetzen, um durch eine Besserung der wirtschaftlichen Lage, durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze die Grundlage für eine Verbesserung der sozialpolitischen Lage in unserem Land zu erreichen und um die notwendigen Veränderungsprozesse der Lebensbedingungen für die Betroffenen erträglich gestalten zu können. Der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder hat Recht, wenn er in einer

Landtagsdebatte 1992 an dieser Stelle sagte: So lange es bei uns so ist, dass Arbeit und Einkommen fehlen, ungerecht verteilt sind, so lange werden Menschen, die damit nicht fertig werden, nach Sündenböcken suchen.

Meine Damen und Herren, helfen Sie mit, Arbeit in Deutschland zu schaffen und Einkommen für alle, die arbeiten wollen, zu ermöglichen. Dies ist die beste Art und Weise, die hohlen Parolen der extremistischen Gruppen und Parteien wirkungslos zu machen und ihre unehrlichen Scheinargumente zu entlarven.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt ist es für mich etwas leichter, den Geräuschpegel auszumachen. Ihr eigener Kollege hat eben geredet, und der Geräuschpegel war ziemlich hoch. Ich möchte das nur in Erinnerung bringen. Vielleicht sollte man doch zuhören oder nach draußen gehen.

Der Abgeordnete Bode hat sich für die FDPFraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich gedacht, dass wir nach den Ausführungen von Innenminister Schünemann auf eine ausschweifende Debatte verzichten könnten, da er die Anfrage meiner Meinung nach sehr gut beantwortet und den Nagel auf den Kopf getroffen hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Auch der Start des Kollegen Briese war sehr vielversprechend. Wir sollten uns an die Schlussworte des Ministers und an den Start des Kollegen Briese am meisten erinnern, die nämlich beide gesagt haben, dass es für uns klar sein müsse, dass wir uns beim Kampf gegen den Extremismus nicht auseinander dividieren lassen dürften, sondern diesen Kampf gemeinsam ausfechten müssten. Ich bin der Meinung, dass es für uns alle klar ist, dass es in unserer Gesellschaft für den Extremismus keinen Platz geben kann und keinen Platz geben darf,

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um linken, rechten oder islamistischen Extremismus handelt.

Herr Briese, als Sie dann allerdings weiterredeten, war ich schon etwas erstaunt. Wir sollen mehr tun. Die Landesregierung soll mehr tun. Das sind Ihre Forderungen. Aber in Ihrem ganzen Beitrag haben Sie nicht einen einzigen Punkt genannt, was Sie denn genau wünschen, was getan werden soll. Sie können selbstverständlich fordern, fordern, fordern bzw. fragen, fragen, fragen und mit Forderungen scheinbar verknüpfen, aber Sie haben nicht eine Idee, nicht eine Initiative, die von Ihnen neu eingefordert worden ist. Dann finde ich es nicht in Ordnung, dass Sie den Weg, den wir und die Vorgängerregierung auch gegangen sind, so diskreditieren.

Wenn Sie wollen, dass sich der Innenminister vermehrt öffentlich äußert, so wie Sie das gesagt haben - es ist für den Innenminister wahrscheinlich das erste Mal, dass die Grünen von ihm mehr in der Öffentlichkeit hören wollen -, dann sollte das kein Problem sein. Allerdings ist dieser Vorwurf in dem Zusammenhang, dass hier die Darstellungen und präventiven Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus zu kurz gekommen seien, völlig falsch.

Sie sprachen von einer CD-Verteilaktion. Ich nehme an, dass Sie die CDs meinten, die zum Schuljahresbeginn hergestellt und verteilt werden sollten. Zumindest ich habe die Zeitungen und Veröffentlichungen gelesen. Innenminister Schünemann hat sich genau zum richtigen Zeitpunkt an die Öffentlichkeit gewandt und Maßnahmen eingeleitet, damit diese CDs nicht an die Schulen kommen. Das ist zu begrüßen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist ganz klar, dass wir gegen Extremismus mit präventiven Maßnahmen und auch mit Repressionen vorgehen müssen. Daher ist auf der einen Seite auch die Verstärkung von Verfassungsschutz und Polizei, wie sie vorgenommen wird, der richtige Weg. Auf der anderen Seite ist es genauso richtig und wichtig, dass die Programme im Kultusbereich und auch die guten Maßnahmen der Landeszentrale für politische Bildung fortgeführt werden. Da finde ich es schon recht komisch, dass Sie sagen, so etwas gehe nur, wenn man eine Behörde habe, eine Behörde behalte, und dass so etwas nur gehe, wenn wir anderen und insbesondere,

wie Sie es gesagt haben, der gesellschaftlichen Mitte, die ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement zeigten, Geld gäben. Es ist nicht alles nur mit Geld zu bekommen.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: An dieser Stelle haben wir die erforderliche Einstellung in der Gesellschaft zu aktivieren. Wir müssen das Bewusstsein in der Gesellschaft dafür stärken. Das ist nicht allein mit dem Einsatz von Geld zu bewerkstelligen, das hat auch etwas mit ehrenamtlichem und bürgerschaftlichem Engagement zu tun, das wir weiter fördern müssen. Dazu benötigen wir aber nicht die Institution der Landeszentrale für politische Bildung, sondern wir benötigen die Projekte und die Maßnahmen.

Das ist meiner Meinung nach ein wichtiger Schluss. Wir alle sollten uns auf das zurückbesinnen, was am Ende der Antwort der Landesregierung stand: Kämpfen wir diesen Kampf gemeinsam.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat Herr Minister Schünemann um das Wort gebeten. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Briese, Sie haben mir vorgeworfen, dass ich bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus lässig reagiere. Das ist nicht nur eine Unverschämtheit, sondern das muss ich auch mit aller Entschiedenheit zurückweisen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es trägt in keiner Weise dazu bei, dass wir in diesem Bereich wirklich nach vorne kommen, sondern da sollten Sie sich daran erinnern, was Sie eingangs gesagt haben. Dann kriegen wir es nämlich in den Griff.

Ich möchte ihnen Punkt für Punkt widerlegen, was Sie mir vorgeworfen haben.

Erstens. Sie haben gesagt, ich hätte zu spät auf die CD-Verteilaktion, die bundesweit organisiert werden sollte, reagiert. Ich war der erste Landesinnenminister, der darauf reagiert hat. Sofort nachdem es durch einen Gerichtsbeschluss mög

lich geworden ist, die CDs zu beschlagnahmen - wenn sie denn verteilt würden -, habe ich einen Erlass an alle Polizeistationen bzw. Behörden herausgegeben, dass sofort eingegriffen werden kann. Wir haben sofort über das Kultusministerium alle Schulen informiert und sensibilisiert. Ich bin der Meinung, dass kein anderer Kultusminister so schnell reagiert hat. Gott sei Dank ist bisher noch nichts verteilt worden. Ich hoffe, dass diese Reaktion mit dazu beigetragen hat, dass wir in diesem Bereich abgeschreckt haben.

Meine Damen und Herren, mir an dieser Stelle vorzuwerfen, ich würde lässig oder zu spät reagieren, halte ich für eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens: Verteilung einer Schülerzeitung im Raum Verden. Bevor Sie überhaupt reagiert haben, hat das Landesamt für Verfassungsschutz bereits Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen vor Ort in den Schulen organisiert und durchgeführt. Ich habe dies sogar in einem Pressefrühstück dargestellt. Meine Damen und Herren, da haben wir in einer Art und Weise vorgetragen und dies in die Schulen hineingebracht, dass darüber auch in großen Medien berichtet worden ist; denn das, was in dieser Musik bzw. in diesen Zeitungen zum Ausdruck gebracht wird, ist etwas, wogegen wir vorgehen müssen. Deshalb haben wir das sofort vorgetragen.

Der dritte Punkt, den Sie angesprochen haben, ist Rieger in Dörverden. Hier handelt es sich um eine Liegenschaft, die im Besitz des Bundes gewesen ist, dann an eine private Gesellschaft übertragen wurde und schließlich in einer Versteigerungsaktion an Rieger gefallen ist. Ich habe sofort reagiert und habe versucht, ausfindig zu machen, ob das Ganze noch rückgängig gemacht werden kann. Das war aber rechtlich nicht mehr möglich, weil das Ganze schon abgeschlossen war. Ich habe aber sofort veranlasst, dass die Polizei vor Ort sensibilisiert wird und das Treiben dort beobachtet, damit wir sofort reagieren können, wenn etwas passiert. Ich bin über all diese Dinge sofort informiert. Gott sei Dank tut sich da noch nichts, außer dass dort tatsächlich Fahrzeuge abgestellt worden sind.

Es gibt auch noch andere Liegenschaften, die im Besitz von Rieger sind, z. B. in Hameln. Auch dies beobachten wir und sind vor Ort, damit wir sofort eingreifen können, wenn etwas passiert. Im Mo

ment werden die Liegenschaften in Niedersachsen aber eben nur so verwertet, dass wir nicht einschreiten können. Also auch hier haben wir sofort reagiert.

Sie haben gesagt, wir hätten überhaupt nichts Neues gemacht. Auch da haben Sie nicht zugehört. Die Clearingstelle, die wir im Jahr 2004 eingerichtet haben, ist etwas Neues und wird von den Kommunen schon jetzt sehr gut angenommen.

Meine Damen und Herren, Sie haben die Landeszentrale für politische Bildung angesprochen. Ich habe deutlich gemacht, dass die erfolgreichen Programme gegen Rechtsextremismus vom Kultusministerium genauso erfolgreich weitergeführt werden sollen. Es ist völlig egal, von welcher Institution, von welcher Verwaltung sie durchgeführt werden, sondern es geht darum, dass diese Programme überhaupt weitergeführt werden können.

Meine Damen und Herren, auch bei einem weiteren Punkt haben Sie nicht zugehört. Ich habe gesagt, dass wir eine neue Aktion an den Schulen durchgeführt haben, und zwar mit der CD-ROM, die meiner Ansicht nach von der Landesmedienanstalt hervorragend vorbereitet worden ist.

Sie haben behauptet, das Ausstiegsprogramm beim Justizministerium würde eingestellt. Falschmeldung - dies ist überhaupt nicht geplant. Auch dies muss ich zurückweisen.

Sie sind immer diejenigen gewesen, die dafür gesorgt haben und vor allen Dingen auch gefordert haben, dass der Verfassungsschutz weiter geschwächt und vor allem auch personell weiter reduziert wird.

Meine Damen und Herren, wir haben eine neue Herausforderung. Das ist - keine Frage - der islamistische Extremismus. Aber wir müssen die personellen Ressourcen haben, damit wir in allen anderen Bereichen noch genauso tätig werden können wie vorher. Deshalb werden wir noch in diesem Jahr 20 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landesamt für Verfassungsschutz haben, um die Arbeit dort sogar noch zu intensivieren.

Der Landesregierung vor diesem Hintergrund in irgendeiner Weise vorzuwerfen, sie sei auf einem Auge blind, ist eine Unverschämtheit.

(Reinhold Coenen [CDU]: Ungeheuer- lich!)

Meine Damen und Herren, ich kann es nur wiederholen: Lassen Sie uns zur Sachlichkeit zurückkommen. Es wäre schön, wenn wir gemeinsam nicht nur darüber reden, sondern auch gemeinsam handeln würden, damit Extremismus in diesem Lande überhaupt keine Chance hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Sehr gut, Herr Minister!)

Herr Minister, ich habe Sie nicht zu rügen, aber vielleicht sollte man für das Wort „Unverschämtheit“ ein anderes Wort wählen.

(David McAllister [CDU]: Das war aber doch unverschämt! - Karsten Behr [CDU]: Kollege Briese möchte sich jetzt entschuldigen!)

Herr Kollege Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich jetzt zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm eine Redezeit von bis zu zwei Minuten.

Herr Präsident, vielen Dank. – Zunächst einmal: Ich habe mit keiner Silbe gesagt, dass diese Landesregierung auf einem Auge blind ist. Diesen Verdacht wollte ich auch gar nicht erwecken. Die einzige Kritik, die ich angebracht habe, war die in unseren Augen doch relativ zögerliche Haltung gegenüber den rechtsextremistischen Vorgängen, die es in Niedersachsen gibt.

Ich möchte aber die Chronologie der Ereignisse doch noch einmal darstellen, damit hier kein falsches Bild entsteht.

Erstens. In der ersten Pressekonferenz, die Sie, Herr Schünemann, nach dem Regierungswechsel in Niedersachsen gemacht haben, haben Sie dezidiert gesagt: Den Rechtextremismus können wir erst einmal ein bisschen beiseite schieben. - Die Pressemitteilung kann ich Ihnen noch zeigen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Wo haben Sie das denn her? Belegen Sie das doch mal! – Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Das kann er nicht!)

Wir wollen wieder einmal einen stärkeren Fokus auf den Linksextremismus setzen. - Das war die erste Pressemitteilung.