Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorab kann ich feststellen, dass die SPDFraktion dem vorliegenden Antrag aufgeschlossen gegenübersteht. Herr Dr. Noack, das ist keine spontane Reaktion.
Für alle an der Diskussion Beteiligten muss aber eines gelten: Unser Grundgesetz hat sich bewährt. Ohne Zweifel sind wir in mehr als 55 Jahren mit der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie gut gefahren. Nichts ist aber so gut, als dass man nicht prüfen sollte, ob Ausbau und Verbesserung möglich sind.
Schauen wir gut 55 Jahre zurück: Der Verfassungsgesetzgeber übte bezogen auf die plebiszitären Rechte der Bevölkerung hohe Zurückhaltung
aus. Diese Zurückhaltung war durch die leidvollen Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Terrorregime begründet. Der Parlamentarische Rat hatte Bedenken, einem Volk, das den Nationalsozialismus ermöglicht hatte, sofort direkte Beteiligungsrechte zu geben. Zu dominierend war die Unmenschlichkeit des autoritären Herrschaftssystems in den Köpfen verankert, und zu groß war die Angst, dass aus purer Stimmung heraus so genannte Stammtischparolen zu fatalen Änderungen führen könnten.
Heute leben wir in der Bundesrepublik Deutschland in einer stabilen und gefestigten demokratischen Ordnung. Aber füllen wir diese Ordnung auch mit Leben aus? Reicht es aus, dass Bürgerinnen und Bürger alle vier Jahre bei der Bundestagswahl ihr Votum abgeben?
Herr Dr. Noack, so oft entscheiden wir Bürgerinnen und Bürger nicht über die Veränderung des Bundesgebietes. Das ist eine sehr seltene Entscheidung.
Sollten die Bürgerinnen und Bürger nicht im Rahmen von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden die Möglichkeit erhalten, über Sachthemen entscheiden zu können?
Eines muss uns bewusst sein: Rechte beinhalten immer auch Pflichten. Im Fall einer direkten Entscheidungsmöglichkeit über Sachthemen ist dies die Verpflichtung jeder einzelnen Bürgerin und jedes einzelnen Bürgers, Verantwortung zu übernehmen.
Ich bin davon überzeugt, dass allein schon die Möglichkeit, direkten Einfluss nehmen zu können, die parlamentarische Arbeit beleben wird und Entscheidungsprozesse, die u. a. hier im hohen Hause getroffen würden, von mehr Bürgernähe gekennzeichnet wären.
Aber ein wichtiger zweiter wesentlicher Punkt muss beachtet werden: Wir müssen bereit sein, die Aufgaben und Grenzen des staatlichen Handelns festzulegen. Leider sehen viele in unserem Staat immer noch ein Versorgungsunternehmen und beurteilen ihn aus rein ökonomischen Gründen.
Dies führt zu der irrigen Annahme, dass der Kunde „Bürger“ bei privaten Unternehmen für sein Geld mehr Leistung erhalten würde, und folglich zu der falschen Forderung, dass sich der Staat vom Markt zurückziehen solle, damit die freie Entfaltung für die freien Bürger nun endlich möglich sein solle. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, meine Damen und Herren. Ich fordere auch ein Höchstmaß an Effizienz jeglichen staatlichen Handelns. Aber muss ein Staat nicht mehr sein als ein Versorgungsunternehmen?
Unser heutiger moderner Staat legt die Rahmenbedingungen im Interesse des Allgemeinwohls fest, schützt die Werte und sorgt für einen Ausgleich zwischen Arm und Reich. Diese Diskussion über die Aufgaben und Grenzen des Staates erscheint mir gerade heute als äußerst notwendig.
Die Möglichkeit, die die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem vorliegenden Antrag schaffen will, ist vielerorts in Ländern, in Kommunen bereits fast umgesetzt. Es ist an der Zeit, diesen bürgerfreundlichen Standard auch auf Bundesebene einzuführen.
Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen, dass bei aller Möglichkeit und eventuell auch Notwendigkeit, Teile unseres Grundgesetzes zu reformieren, niemand an den Grundsätzen unserer bundesrepublikanischen Verfassung rütteln darf. Das Grundgesetz ist das kostbarste Gut, das wir haben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ging es ähnlich wie dem Kollegen Noack, der beim Durchlesen des Antrages durchaus ins Grübeln gekommen ist, warum das alles in diesem Antrag steht, was überhaupt gemeint ist und welche Zielrichtung dieser Antrag verfolgt. Er scheint nicht ganz ausgegoren zu sein.
Bei mir setzte das Nachdenken allerdings schon ein bisschen eher ein, weil ich schon bei der Überschrift gedacht habe: Jetzt sprechen wir hier im Landtag auch schon über Grundgesetzänderungen. Warum müssen wir das hier machen? Warum an diesem Ort über Dinge reden, die eigentlich gar nicht hierher gehören? - Ich möchte Ihnen auch sagen, warum sie nach meiner Auffassung und nach Auffassung meiner Fraktion nicht hierher gehören.
Gerade ist gesagt worden, wir reden hier über eine Grundgesetzänderung, insbesondere auch - das sprechen Sie in Ihrem Antrag ausdrücklich an über ein Referendum über die Verfassung der EU, worüber auf Bundesebene zu entscheiden ist und wobei sich alle Bundesbürger beteiligen sollen. Bereits im Jahr 2002 lag im Bundestag ein Antrag vor, der dann nicht beschlossen worden ist. Wir haben jetzt im Jahre 2004 einen Antrag der FDPBundestagsfraktion, Drucksache 15/2998, mit der Überschrift „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 23) zur Einführung eines Volksentscheids über eine europäische Verfassung“. So viel zu dem Thema „Jetzt muss die FDP mal zeigen, was sie macht“, Frau Langhans. Wir haben etwas gemacht. Von Ihnen habe ich noch nichts gesehen bzw. gehört. Was ich allerdings von Ihnen gehört habe, ist die Tatsache, dass Sie gerne dieses Referendum und diesen Vorschlag mit einer allgemeinen Regelung im Grundgesetz verknüpfen möchten und sagen „Nein, wenn, dann möchten wir nicht nur den kleinen Finger, sondern die ganze Hand“, also eine verkappte Verhinderungstaktik.
Die Frage ist jetzt: Wie werden sich die Grünen, die SPD und auch die CDU/CSU im Bundestag verhalten? - Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Sie schreiben ja ferner in Ihrem Antrag: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, offensiv für dieses Ziel einzutreten und die Zustimmung im Bundesrat so zu gestalten, dass eine Grundgesetzänderung zügig erfolgen kann.“ Hierzu stellte sich mir die nächste Frage: Worauf sollen wir jetzt im Bundesrat Einfluss nehmen? Ist dort
gerade irgendetwas anhängig, wo wir eingreifen müssen? - Wir Parteien sind tätig geworden; die FDP-Bundestagsfraktion hat das ja so gemacht. Dann sollten wir in diesen Parteien, sofern wir uns dieser Meinung anschließen wollen, dafür werben und das befördern. Ich sehe aber überhaupt keinen Sinn darin - da sind Sie in Ihren Ausführungen Erklärungen schuldig geblieben -, weshalb wir uns hier auf dieser Ebene damit befassen und etwas befördern sollen, wo doch noch gar nichts passiert ist. Dieser Antrag hat aus meiner Sicht einen rein populistischen Ansatz. Ihm fehlt insofern die Substanz, weil Sie sich selbst auf Bundesebene, wo das hingehört, gar nicht in die richtige Richtung bewegen.
Vor diesem Hintergrund muss ich sagen: Wir können im Ausschuss gerne noch einmal über die vielen Aspekte sprechen, die heute schon angesprochen worden sind und die ich gar nicht wiederholen möchte, z. B. die Ausweitung der repräsentativen Demokratie, mehr plebiszitäre Elemente. Das sind alles Gedanken, die man anstellen kann. Diese Diskussion gehört einfach nicht hierher. Weil sie nicht hierher gehört, sehen wir keine Möglichkeit, Ihrem Antrag zu folgen. - Vielen Dank.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Antrag soll federführend dem Ausschuss für Rechtsund Verfassungsfragen und mitberatend dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien überwiesen werden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig.
Tagesordnungspunkt 37: Erste Beratung: Weitere Vertiefung der Unterelbe hat gravierende Auswirkungen auf Region Cuxhaven und Stade - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1257
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir trauen dieser Landesregierung nicht - und das aus gutem Grund.
Wir haben diesen Entschließungsantrag eingebracht, weil er gut, richtig und, Herr McAllister, leider auch notwendig ist. Dieser Antrag - ich möchte mich wirklich nicht mit fremden Federn schmücken - entspricht in wesentlichen Teilen exakt dem CDU-Antrag aus der letzten Legislaturperiode.
Ich kann mich noch gut an die Beratungen erinnern. Wir haben ein paar geringfügige Modifikationen vorgenommen, um den Antrag an die aktuelle Entwicklung anzupassen. Ich denke, dies ist auch ganz in Ihrem Sinne.
Meine Damen und Herren, Sie mögen vielleicht Probleme damit haben, zu verstehen, warum wir die von Ihnen formulierten Auflagen in diesem Antrag aufgreifen und zusätzlich - das ist nämlich das Besondere - eine Feststellung der tatsächlichen Erfüllung durch den Landtag einfordern. Die Begründung dafür ist ganz einfach - ich habe sie schon eingangs genannt -: Wir trauen Ihnen nicht. Jeder von Ihnen aus den Regierungsfraktionen hier im Landtag soll am Schluss die Hand heben und die tatsächliche Erfüllung der von Ihnen selbst formulierten Auflagen bestätigen.
Ich sage Ihnen auch: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. In Sachen Elbvertiefung trauen wir Ihnen keine zwei Meter weit, auch wenn Sie noch so viele wohlklingende Kabinettsbeschlüsse herbeiführen.
Meine Damen und Herren, ich denke, mit diesem Antrag und Ihrer dann ja offensichtlich auch breiten Zustimmung, weil wir uns ja einig sind - oder? -, erfüllen wir gleichzeitig die Forderung nach Transparenz der Entscheidungsfindung und messen Sie
an Ihrer eigenen Messlatte, die - seien wir ehrlich nicht zu überspringen sein wird, zumindest nicht, wenn man die von Ihnen formulierten Auflagen und Bedingungen so ernst nimmt, wie wir es tatsächlich tun. Unsere Position zu einer weiteren Fahrrinnenanpassung hat sich im Gegensatz zu Ihrer nicht verändert. Wir meinen weiterhin, dass eine erneute Elbvertiefung ökonomisch, ökologisch und unter sozialen Gesichtspunkten nicht mehr vertretbar ist. Wenn die Landesregierung aber bereits weitgehende Zusagen an Hamburg gemacht hat - dieser Eindruck wird durch entsprechende Zeitungsmeldungen bestätigt, so z. B. durch die dpa-Meldung von diesem Mittwoch, in der es heißt, Niedersachsen, Bremen und Hamburg drängten auf die Vertiefung von Elbe und Weser, damit Containerschiffe der nächsten Generation Hamburg und Bremerhaven unabhängig von Ebbe und Flut erreichen könnten - und wenn wir im Lichte dieser Erkenntnisse die Kabinettsentscheidung der Landesregierung von letzter Woche zur Elbvertiefung betrachten, haben wir sehr große Probleme, an die Einhaltung der von Ihnen formulierten Auflagen tatsächlich zu glauben. Es geht dann nämlich sehr wohl um eine weitere Elbvertiefung um jeden Preis. Das werden wir nicht mitmachen.
An dieser Stelle möchte ich natürlich nicht versäumen, auf frühere Aussagen des jetzigen CDUFraktionsvorsitzenden McAllister zu verweisen.