Wenn ich mir dann anschaue, wie die innerbetriebliche Argumentationshilfe für die CDU ausgesehen hat, dann wird das auch deutlich. Es wird über fünf Seiten aufgezählt, bei anerkannter Blindheit werden etliche weitere Vergünstigungen gewährt: Blinde sind von der Kfz-Steuer befreit, Blinde können kostenlos alle öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, Blinden werden Parkerleichterungen gewährt, Blinde sind befreit von den Rundfunkgebühren, Blinde erhalten einen Telefonsozialanschluss bei der Telekom, Blinden steht Zusatzurlaub zu. Das kann man so weitermachen; Sie kennen Ihr eigenes Papier.
Erstens ist es in etlichen Punkten falsch. Zweitens sind es Nachteilsausgleiche, die für fast alle Behinderten gelten. Und drittens - das sage ich Ihnen einmal ganz deutlich -: Wer so argumentiert und versucht, bei diesen Menschen eine Neiddebatte aufzumachen, der sollte sich wirklich schämen, meine Damen und Herren!
Das ist alles entlarvend, was Sie da geschrieben haben. Ich nenne das Beispiel, dass jemand eine blindengerechte Küche bekommen kann und Ihnen das Niedersächsische Landessozialamt beweist, dass es so etwas überhaupt nicht gibt, oder die Aussage: Die Presse argumentiert gerne mit Büchern in Blindenschrift, die pro Exemplar bis zu 500 Euro kosten. - Anmerkung von Ihnen: Auch ein Sehender kann sich nicht jedes Buch kaufen, das ihm gefällt.
Ich finde, zynischer geht es nicht mehr. Ich habe es nicht geschrieben. Das sind Ihre Argumentationen. Sie kennen die auch. Da wird auch klar, auf welcher Argumentationsschiene Sie sich bewegen. Dann kommt die große Frage: „Ist die Streichung des Landesblindengeldes mit dem „C“ im Namen unserer Partei noch vereinbar? Antwort - ganz klar -: Ja! - Warum?“ Und u. a. kommt als Hinweis: Warum soll eine Friseurin, Verkäuferin oder eine Sekretärin mit geringem Einkommen einen gut verdienenden Blinden versorgen?
Ich will Ihnen einmal etwas sagen. Es fehlt bloß noch der Hinweis - ich sage das hier einmal ganz offen -, dass es Menschen gibt wie Herrn Finke oder Herrn Lange, die wahnsinnig viel Geld verdienen. Das sind immer die Beispiele, die hinter den Kulissen gehandelt werden. Dabei wird übersehen, dass jemand wie beispielsweise Herr Finke mit 1 % Sehkraft in seiner Jugend wahnsinnig viel Geld für Mobilitätstraining einsetzen musste, um diese Mobilität überhaupt zu erreichen. Hätte er das mit seinem Blindengeld nicht getan, säße er heute wahrscheinlich im Heim. Er hat auch noch heute im Verhältnis zu einem gleich gut verdienenden Kollegen deutlich höhere Aufwendungen, um diese Mobilität zu erhalten. Dafür nimmt auch er sein Blindengeld. Wollen wir diese Menschen dafür bestrafen, dass sie blind sind und dadurch eine schlechtere Einkommenssituation haben, meine Damen und Herren? - Ich meine, wir müssen hier außerordentlich aufpassen.
- Eine letzte Bemerkung, Frau Präsidentin. Es wird hier deutlich, dass Sie am Beispiel der Blinden ein Exempel statuieren wollen. Ich könnte das auch noch aus Ihrem Papier vorlesen. Man kann über Haushalt reden, hoch und runter – auch wir haben
das machen müssen -, aber es gibt Bereiche, die nicht im eigenen Ressort zu klären sind; das gestehe ich der Ministerin sogar zu. Die müssen ressortübergreifend entschieden werden, wenn man es will. Es gibt Dinge, die sich einfach nicht gehören; die sind moralisch unanständig und verwerflich, und dazu gehört es, den Blinden das Blindengeld wegzunehmen, meine Damen und Herren.
Nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich der CDU-Fraktion drei Minuten, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zwei Minuten und der FDP-Fraktion ebenfalls zwei Minuten zusätzliche Redezeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar, dass ich zu dem Papier, das sowohl Frau Helmhold als auch Herr Schwarz angesprochen haben, kurz Stellung nehmen kann. Ich verweise darauf, dass gestern der Landesblindenverband eine Email über fünf Seiten geschrieben hat, in dem er zu diesem Papier Stellung bezogen hat. Man kann beim Lesen feststellen, dass der Landesblindenverband auf vier von fünf Seiten die Sachverhalte, die wir zur Information zusammengetragen haben, bestätigt.
Ich kann nur auf die Homepage des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes verweisen. Wenn Sie das abgleichen, dann werden Sie feststellen, dass wir nichts anderes gemacht haben, als einige der auch dort auftauchenden Fakten noch einmal aufzulisten und zur Kenntnis zu geben.
Frau Helmhold, eines möchte ich auch deutlich machen. Am 7. September haben wir mit dem Landesblindenverband über dieses Papier gesprochen. Am Ende konnte der Landesblindenverband den Inhalt nachvollziehen. Das will ich ausdrücklich zur Kenntnis geben.
Ich möchte noch auf eine andere Sache eingehen, die Sie auch angesprochen haben, Herr Schwarz. Dazu möchte ich etwas zitieren:
„Steuerzahler, das sind auch durchaus die kleinen Leute: die Verkäuferin, die ihre Steuern zahlt, der Facharbeiter, der seine Steuern zahlt. Die können das doch nur tun, wenn auch Bedürftigkeit bei denen, die die Leistungen haben wollen, da ist. Und diese Bedürftigkeit muss der Staat prüfen. Er kann doch nicht einfach Geld geben, ohne Bedürftigkeit zu prüfen.“
- Nicht mehr und nicht weniger wollen wir künftig eingesetzt sehen. Das hat, damit auch Klarheit besteht, von wem das Zitat stammt, niemand anderes gesagt als der Bundeskanzler dieser Bundesregierung.
- Er hat das jetzt erst gesagt und nicht vor längerer Zeit. Herr Gabriel, hören Sie mir noch ganz kurz zu.
Wir sind mit dem Blindenverband im Gespräch, Frau Helmhold. Wir haben mehrere Gespräche geführt. Wir möchten das gerne konstruktiv fortsetzen.
Menschen mit Behinderungen verdienen die Unterstützung des Staates. Sie müssen diese Unterstützung auch erhalten. Das gilt auch für sehbehinderte und blinde Menschen. Es muss jedoch erlaubt sein, über das Wie nachzudenken. Nichts anderes findet zurzeit statt. Denn wir wollen ein soziales Niedersachsen - nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Wahrnehmungen der Ministerin und des Landesblindenverbandes über die Zusage, nach der 20 %-Einsparung nicht weiter an dem Blindengeld zu rütteln, so weit auseinander klaffen, dann vermute ich zumindest, dass es Kommunikationsschwierigkeiten oder kryptische Aussagen Ihrerseits gegeben hat. Denn so deutlich, wie die das uns gegenüber formuliert haben, kann es sich nicht um ein einfaches Missverständnis handeln.
Ich fand bei Ihrer Argumentation eben ein bisschen seltsam, dass Sie erst einmal das Blindengeld kürzen und dann auf die Unterschiede zu anderen Bundesländern verweisen und damit die Sinnhaftigkeit des Nachteilausgleichs insgesamt in Frage stellen. Mir erschließt sich nicht ganz, wie blinde Menschen nachvollziehen sollen, dass jetzt die im letzten Jahr erfolgte Kürzung in dieser Argumentation auch noch gegen sie verwendet wird.
Wenn Sie die Regelungen des BSHG bzw. des SGB XII aufzählen, dann verschweigen Sie dabei, dass alle diese Regelungen den Rückgriff auf das Vermögen von Angehörigen erfordern. Herr Schwarz hat Ihnen gesagt, was sehr viele Menschen machen werden. Wir haben doch gerade erst sozialpolitisch in der Grundsicherung zumindest erreicht, dass sich alte Menschen endlich trauen, diese Grundsicherung in Anspruch zu nehmen, weil sie eben wissen, dass sie ihren Kindern dadurch nicht mehr auf der Tasche liegen. Diese fürchterliche Situation haben wir doch lange Jahre gehabt. Und wenn Sie auf Einzelfallregelungen verweisen, um Härten zu vermeiden, dann ist dies doch genau das, was wir sozialpolitisch nicht wollen, nämlich, dass sich blinde Menschen in diese Bittstellersituation begeben. Das ist das Gegenteil einer emanzipatorischen Behindertenpolitik. Das ist im Grunde der Rückfall in das sozialpolitische Vorgestern, meine Damen und Herren.
Ich sage es noch einmal: Es nützt überhaupt nichts, wenn Sie jetzt mit den Betroffenen sprechen, aber unter der Maßgabe, dass am Einsparziel nicht gerüttelt wird. Das führt nur dazu, dass Sie eine Gruppe gegen die andere ausspielen nach dem Motto „Wenn nicht hier, dann nehme ich
es mir bei anderen benachteiligten Menschen“. Das Einzige, was genützt hätte, wäre, wenn die Sozialministerin gesagt hätte: Ich kann nicht 34 Millionen Euro bringen. - Sie haben ja gesagt, Frau Jahns: 2 % freiwillige Leistungen. Da kann man angesichts der Erfordernisse und der politischen Zielsetzungen, die sich diese Koalition mal gegeben hat, nicht 34 Millionen Euro herausschneiden. Dann hätten Sie zumindest deutlich sagen müssen, dass es das soziale Niedersachsen nach dieser Einsparauflage nicht mehr geben wird. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil hier verschiedene Begriffe gefallen sind, die meines Erachtens für die Diskussion nicht besonders hilfreich sind. Es ist natürlich das Vorrecht der Opposition, Dinge, die die Regierungsfraktionen diskutieren oder beschließen, mit entsprechenden, vielleicht sogar demagogischen Begriffen zu belegen, die sich gut für die Zeitung eignen. Ich halte das aber in diesem Fall nicht für gut. Herr Schwarz sagte „Sozialpolitik à la USA“. Das ist zwar nicht besonders heftig, aber jeder weiß, dass damit eine Politik der sozialen Kälte gemeint ist. „Neiddebatte“ ist gesagt worden. Frau Helmhold sagte „Bittstellersituation“ und „Rückfall in das sozialpolitische Vorgestern“. Diese Dinge sind natürlich gut geeignet, in der Zeitung gedruckt zu werden, aber sie helfen für die Diskussion überhaupt nicht weiter.
- Nein, das ist doch so. - Auch für die „nicht nachvollziehbare Argumentationskette“ gilt das Gleiche. Ich kann verstehen, dass Sie als Opposition versuchen, auch die Blinden auf Ihre Seite zu bekommen. Das finde ich aber gerade nicht richtig.
Wir versuchen, den Sparkurs beizubehalten, den wir für dringend notwendig halten, damit wir in Zukunft gerade für sozialpolitische Dinge noch handlungsfähig sind. Das gilt insbesondere auch für das Blindengeld. Wir haben dem Blindenverband schon gesagt: Wenn es wieder besser geht, dann können wir auch wieder mehr bezahlen. Diesen Versuch durch das Nutzen der Medien zu untergraben, halte ich für nicht gerade zielführend. Sie wissen genau, dass es keinen Spaß macht zu kürzen. Das ist enorm schwierig. Wir sind auch noch in der Diskussion. Das haben wir schon gesagt. Lassen Sie uns doch bitte die Zeit, in Ruhe alles abzuwägen und dann Entscheidungen zu überlegen.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Es wird empfohlen, mit der federführenden Beratung dieses Antrages den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und mit der Mitberatung den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu beauftragen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen worden.
Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Mehr Investitionen für Bildung und Forschung statt Eigenheimzulage - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1261
- Wenn es ein wenig ruhiger geworden ist, werde ich die Beratung eröffnen. - Danke schön. Wir kommen jetzt zur Einbringung. Herr Kollege Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau von der Leyen, bevor Sie gehen: Ich habe noch ein Zitat von Ihnen. Vielleicht wollen Sie das noch mithören. Es passt indirekt auch zu der