Protokoll der Sitzung vom 17.09.2004

Wir haben zwar nicht die Möglichkeit, Herr Minister, sofort an die Akten zu kommen. Aber wir werden sie uns anschauen. Wir haben ein gutes Gedächtnis und auch noch ein paar Akten.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

- Die Abgeordneten der SPD-Fraktion des Niedersächsischen Landtages, die sich damals mit dem Thema befasst haben, bewahren ihre Unterlagen darüber genauso auf wie der Finanzminister.

(Beifall bei der SPD)

Zu dem zeitlichen Ablauf zur Klarstellung - nur zur Klarstellung, nicht zur Debatte Folgendes: 1997/98 hat es die ersten Unregelmäßigkeiten im Ertragsaufkommen in Hittfeld gegeben, der Verdacht auf einen manipulierten Kessel. Daraufhin ist am 5. Dezember 1997 von der Spielbankenaufsicht, Bezirksregierung Hannover, angeordnet worden, zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen. Das war alles zu einem Zeitpunkt, zu dem weder Herr Bartling noch Herr Lichtenberg im Amt waren.

Im Februar 1998 - auch außerhalb der Amtszeit von Heiner Bartling und Werner Lichtenberg - ist der Roulettkessel ausgebaut und im Auftrag der Spielbankengesellschaft vom TÜV überprüft worden. Das ist offensichtlich das übliche Verfahren. Der TÜV konnte keine Manipulationen feststellen. Dann ist der Kessel wieder eingebaut worden. In der Tat haben wir uns alle im Landtag damals gefragt - da hat es eine Debatte gegeben -, wieso eigentlich irgendein Spieler kommen und den Einbau eines Kessels fordern kann. Das ist uns allen, glaube ich, damals sehr seltsam vorgekommen, auch wenn da keine Manipulationen festgestellt werden konnten.

Am 28. Oktober 1998 wird Heiner Bartling Innenminister, Werner Lichtenberg Staatssekretär, und Christoph Unger übernimmt die Spielbankenaufsicht.

Im November 1998, vier Wochen später, gibt es Hinweise auf neuerliche Probleme in Hittfeld: Verdacht auf Manipulationen an einer Roulettemaschine, Hinweise auf so genannte Permanenzen, also auf mit größerer Wahrscheinlichkeit wiederkehrende Zahlen. Das ist vier Wochen, nachdem Herr Bartling im Amt gewesen ist. Acht Wochen danach, nämlich im Dezember 1998, gibt es eine Weisung des Innenministers Bartling, dass die sichtbar gewordenen Probleme umgehend und ohne Rücksichtnahme zu bereinigen seien. Im Januar 1999 lässt das MI den Kessel jetzt erstmals durch die Polizei, nämlich durch das Landeskriminalamt, ausbauen. Die Spielbanken-Geschäftsführung wird nicht informiert. Anschließend wird

beim LKA festgestellt, dass der Kessel manipuliert worden ist. Daraufhin setzt sich das gesamte Verfahren in Gang.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Der von Herrn Finanzminister Möllring mit dem Verdacht der Duldung der Strafvereitelung im Amt im Zusammenhang mit Betrugsvorgängen in der Spielbank Hittfeld belegte Kollege Bartling hat in seiner Zeit als Innenminister unverzüglich alle Informationen aufgegriffen und hat mehr getan, als vorher getan wurde, indem er nicht nur den TÜV, sondern auch das LKA informiert hat, und es geht hier nicht um die Frage, ob jemand irgendwann politisch genug Aufsicht geführt hat oder nicht - einen solchen Vorwurf muss sich jeder Politiker gefallen lassen -, sondern es geht um den Vorwurf von Herrn Möllring, ausgesprochen im Niedersächsischen Landtag, der über das hinaus geht, was man sich bieten lassen kann, Herr Lehmann. Der Vorwurf lautet, hier gäbe es Strafvereitelung im Amt und Beihilfe zum Betrug. Sie werden wohl gestatten, dass uns dieser Vorwurf relativ stark ärgert. Der Kollege Möllring, der da vorne sitzt und der in diesem Landtag immer noch keine Rolle als Minister gefunden hat, muss dafür zur Verantwortung gezogen werden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Herr Gabriel, ich werde mir das Protokoll gleich noch einmal anschauen. - Jetzt hat erst Herr Möllring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wenzel hat gesagt, dass wir damals hätten reagieren können.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nein, jetzt!)

Das sind Kleine Anfragen, das sind Anträge auf Akteneinsicht - -

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Seit Sie Minister sind, seit Sie die Akten ken- nen!)

- Die Akten kenne ich doch, seit ich Oppositionspolitiker bin. Ich brauchte keine Anzeige mehr zu erstatten, weil wir zu dem Zeitpunkt, als der Skan

dal aufgedeckt worden war, in den Akten Folgendes gefunden hatten. Da hat ein KK vom OK Buchholz - „KK“ heißt Kriminalkommissar, „OK“ heißt Organisierte Kriminalität, „Buchholz“ ist der Ort Buchholz in der Nordheide

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

in einem Ermittlungsbericht Folgendes ausgeführt:

„Ein kleinerer Teil einschließlich der Spielbankleitung ist jedoch mit größerem Erfolg bemüht, sich systematisch und erfolgreich an Spielbankgeldern zu bereichern.“

Das hatte doch bereits vorgelegen. Was hätte es denn genützt, wenn ich noch dazu geschrieben hätte, dass das, was die Polizei ermittelt hatte, noch einmal hätte angezeigt werden müssen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Ah, dann hat die Staatsanwaltschaft nicht ermittelt!)

- Die Staatsanwaltschaft hat doch ermittelt, Herr Gabriel. Das haben Sie doch vorhin selber gesagt.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Aber offen- sichtlich nicht gegen Herrn Bartling!)

Dann hat ein weiterer Kriminalhauptkommissar Folgendes in die Akten geschrieben - alle Akten haben damals vorgelegen; nur Sie haben damals an der Akteneinsicht nicht teilgenommen -:

„Die Bezeichnung ‚Selbstbedienungsladen‘ und ‚krimineller Sumpf‘ für die Spielbank Hittfeld, in der finanzielle Schäden in Millionenhöhe zu verzeichnen sind, ist die wohl treffendste Aussage.“

Dieses alles hat vorgelegen. Dann ist das passiert, worüber wir vorhin schon gesprochen haben, nämlich mangelnde Spielbankaufsicht. Ich will Ihnen Folgendes sagen, Herr Gabriel: In den Ausschussberatungen haben wir darauf hingewiesen, dass Herr Schapper - das werde ich Ihnen gleich aus dem Protokoll vorlesen, das seit einer Minute vorliegt - als Staatssekretär und Aufsichtsratsvorsitzender der Spielbankengesellschaft zu dem Zeitpunkt, als die Bezirksregierung und seine eigenen Beamten gefordert hatten, schärfere Kontrollen und bessere Überwachung durchzuführen, gesagt hat: Ich bin jetzt im Moment nicht Staatssekretär, sondern nur Aufsichtsratsvorsitzender. Ich bitte die

Beamten des Innenministeriums und der Bezirksregierung zu einem Gespräch, das ist kein dienstliches Gespräch in der Funktion als Staatssekretär, sondern lediglich ein Gespräch in der Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender. Er hat gesagt: Passt einmal auf, mit euren überzogenen Kontrollen macht ihr mir den Spielertrag kaputt. Könnt ihr da nicht ein bisschen zurückhaltender sein? - Die Beamten haben daraufhin gesagt: Das ist ja toll. Wir haben also nicht mit dem Staatssekretär, unserem Dienstvorgesetzten und der obersten Spielbankenaufsicht geredet, sondern wir haben einmal mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden, der die Gesellschaft vertritt, gesprochen und führen die Kontrollen jetzt wieder durch. - Das aber ist nicht getan worden. Man hat vielmehr das gemacht, was ich gestern angeprangert habe und was ich immer wieder anprangern werde: Man hat mit den Personalräten Verträge geschlossen, dass die Kontrollen nicht scharf durchgeführt werden.

Das Ministerium schreibt - das müssen Sie sich einmal vorstellen -, dass es ihm nicht gelungen sei, in einer GmbH Tischmannschaften, die betrügen, 72 Tage auseinander zu halten, sondern es diese Tischmannschaften 72 Tage am gleichen Tisch eingesetzt hat. Bei der GmbH kann der Eigentümer eine Weisung erteilen. Dazu brauche ich keinen Aufsichtsrat und keinen Geschäftsführer. Das hat die damalige Landesregierung nicht getan, sondern sie hat entsprechende Berichte geschrieben. Ich kann Ihnen theoretisch auch etwas anderes vorlesen. Nur: Auf diesen Vorgang hat die Vorgängerregierung „vertraulich“ gestempelt. Also werde ich das nicht tun. Aber wir können uns gerne darüber unterhalten.

(Unruhe)

- Wir können uns über alles unterhalten. Ich kann es nicht ändern.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das können Sie alles dem Staatsanwalt erklären!)

- Herr Gabriel, vor dem Staatsanwalt habe ich nun die geringste Angst.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das haben schon viele gesagt!)

- Herr Gabriel, als Herr Jüttner mich angezeigt hat, hat die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, überhaupt zu ermitteln.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich habe Sie angezeigt?)

- Ja, Sie haben mich angezeigt!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wann war das denn? - Beifall und Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Wann sind Sie denn das letzte Mal ange- zeigt worden?)

- Das letzte Mal bin ich von Herrn Jüttner angezeigt worden. Da lag jedenfalls eine Vollmacht dabei. Ein Rechtsanwalt hatte geschrieben: Im Auftrag des Bezirksvorsitzenden Jüttner zeige ich Herrn Landtagsabgeordneten Möllring wegen dieses oder jenes Sachverhaltes an. - Die Staatsanwaltschaft hat mir das zur Stellungnahme geschickt. Ich habe daraufhin den Vorgang mit zwei Löchern versehen und ihn abgeheftet.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Sechs Wochen später habe ich an die Staatsanwaltschaft geschrieben, was sie jetzt zu tun gedenke, woraufhin mir die Staatsanwaltschaft in einem Zweizeiler geantwortet hat, dass sie die Aufnahme von Ermittlungen abgelehnt habe. Ich nehme an, dass das auch in diesem Fall so kommen wird.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Worum ging es denn da überhaupt? Ich kann mich gar nicht erinnern!)

- Sie haben doch gegen mich Anzeige erstattet!

(Sigmar Gabriel [SPD]: Erzählen Sie doch noch etwas aus Ihrem Leben mit dem Staatsanwalt! - Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Bartling und Herr Gabriel, ich habe gestern Nachmittag Folgendes gesagt:

„Diese Hinweise hat es gegeben. Dies hat der damalige Staatssekretär, der Aufsichtsratsvorsitzender der Spielbanken GmbH war, geduldet. Ich gebe gern zu, dass der damalige Innenminister nicht Bartling hieß.“

Daraufhin hat Frau Merk gerufen, dass es unerhört sei, dass der damals nicht Bartling geheißen hätte.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe dann fortgeführt:

„Herr Bartling, ich bin froh, dass ich es so formuliert habe, wie ich es formuliert habe; denn der Staatssekretär, den ich da gemeint habe, ist 1998 in die Bundesregierung eingetreten. Da wir wissen, dass Sie erst danach Innenminister geworden sind, kann ich Sie gar nicht gemeint haben. Diese Vorfälle waren vor Ihrer Zeit.“