Protokoll der Sitzung vom 27.10.2004

Die Naturschützer werden verprellt und das Engagement vieler Ehrenamtlicher in Umweltverbänden wird bestraft, indem besonders die Verbändeförderung drastisch beschnitten wird.

Die Krönung war der Versuch, sich direkten Zugriff auf die Gelder der Umweltlotterie zu erkämpfen. Da kann ich nur sagen: Bingo, dieser Versuch ist vorerst gescheitert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es kann und darf nicht sein, dass Bingospieler ihr Geld im guten Glauben für Umwelt- und Entwicklungsprojekte ausgeben und dann versucht wird, mit ihren Spieleinsätzen Löcher im Landeshaushalt zu stopfen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Nennen Sie doch mal ein paar Zahlen!)

Gleichzeitig wird die Umweltpolitik von Minister Sander mit Bürokratie überzogen. Ich erinnere an den unsäglichen Betretenserlass oder die Auflage, ausgehandelte Flächenankäufe für Naturschutzgebiete der zusätzlichen Instanz Landvolk vorzulegen.

(Zuruf von der CDU: Eine gute Ent- scheidung!)

Seit April müssen Verordnungen über Naturschutzgebiete dem Umweltministerium vorgelegt und dort begutachtet werden.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch richtig!)

Ich greife nur ein Beispiel aus mehreren heraus: das geplante Naturschutzgebiet Brammer im Landkreis Oldenburg. Es ist ein kleines Naturschutzgebiet. Die Verordnung, bis ins Detail abgestimmt und mit keinem einzigen Landwirt strittig, liegt seit Monaten in irgendeiner Schublade im Umweltministerium und verstaubt. Das ist das Gegenteil von Bürokratieabbau und schlanker Verwaltung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein nächstes FDP-Basic - Privatisierung fehlt natürlich bei Herrn Sander nicht. Kürzlich hat er Kommunalpolitiker, Vertreter von Kommunalverbänden etc. in Angst und Schrecken versetzt, als er sich zur Zukunft der Abfallwirtschaft geäußert hat. Die Privaten, sagt er, können es besser, effektiver und preisgünstiger. Also: die Privatisierung als Königsweg. Es kann nicht sein, dass die öffentliche Hand das Interesse der Entsorgungswirtschaft, flächendeckend in kommunale Entsorgungsgeschäfte einzusteigen, zuvorkommend bedient. Was das auf lange Sicht für kommunale Kunden und Gebührenzahler bedeuten kann, wird uns auf dem Energiesektor plastisch vor Augen geführt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit bin ich beim Thema Energie, beim ideologiefreien Energiemix. In jeder Debatte taucht dieser Slogan auf. Manchmal verrät Herr Sander sich aber auch. So sagte er z. B. im AK Unterweser, es sei Unsinn, diese verlässliche Energiequelle auszutrocknen. Ich zitiere:

„Wir können diese Ressource aus ideologischen Gründen nicht einfach preisgeben.“

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage Ihnen: Wenn Herr Sander Umweltpolitik für die Menschen machen will, dann soll er auch auf sie hören. Die Mehrheit der Menschen in diesem Land will wegen der unbeherrschbaren Risiken den Ausstieg aus der Atomenergie.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Sie müssen jetzt auf mich hören; denn Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich musste aber eine Minute warten. Lassen Sie mich noch einen Satz sagen.

Versuchen Sie, die Landung einzuleiten.

Die Mehrheit der Menschen in diesem Land will keine zwei Endlager in Niedersachsen, wie Gorleben und Schacht Konrad. Sie wollen eine vorurteilslose Endlagersuche in diesem Land und keine Aufhebung des Moratoriums.

Insgesamt muss ich Ihnen sagen - das ist mein letzter Satz, Herr Präsident -: Umweltpolitik mit den Menschen ist keine Erfindung von Herrn Sander und auch nicht der FDP. Es ist eine Veranstaltung zum Ausgleich verschiedener Interessen. Das heißt, Konflikte müssen ausgetragen werden. Sie, Herr Sander, haben sich sicherlich für ein Naturtalent gehalten, als Sie angefangen haben. Wir haben Sie als Naturereignis betrachtet. Heute, Herr Sander, sage ich: Sie sind eine Naturkatastrophe für Niedersachsen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Dr. Rösler. Bitte schön!

Keiner weiß so viel wie Frau Steiner. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sigmar Gabriel hat, glaube ich, einmal gesagt: Ein Politiker muss nicht von einem bisschen viel, sondern von vielem ein bisschen verstehen. - Da hat er ausnahmsweise einmal Recht gehabt; denn Minister können und müssen nicht alles wissen.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Sie müssen nur das Wissen des Ministeriums nut- zen!)

Der Auftrag eines Ministers ist, politisch zu führen. Politisch zu führen heißt auch, Entscheidungen zu treffen. Das gilt für alle Minister. Man muss sich Argumente anhören, sie abwägen und am Ende mittels des gesunden Menschenverstandes, Frau Steiner, Entscheidungen treffen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜNE])

- Sie brauchen gar nicht so zu schreien. - Für den Umweltminister trifft genau das zu. Man muss sich natürlich umweltpolitische Argumente anhören. Man muss aber irgendwann entscheiden und dann entschlossen handeln. Genau das trifft auf unser Naturschutztalent Hans-Heinrich Sander zu.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das ärgert Sie; das ist mir klar.

(Zuruf von Hans-Jürgen Klein [GRÜ- NE])

- Herr Klein, zu Ihnen komme ich gleich noch. Jeder muss hier etwas haben.

Bei den FFH-Gebietsnachmeldungen hat HansHeinrich Sander gezeigt, was er unter Diskussion versteht. Er hat den Menschen nicht einfach nur Listen vorgelegt, die man hinterher nicht einfach verändern kann, frei nach dem Motto „Friss Vogel oder stirb“, sondern er hat eine Liste vorgelegt, die gemeinsam mit den betroffenen Menschen vor Ort diskutiert werden konnte. Danach wurde einvernehmlich mit den Menschen eine Entscheidung getroffen. Das Einverständnis ist im ganzen Land groß. Das ist ganz anders als bei Ihrer Gebietsneumeldung, Herr Jüttner. Da haben Sie sich sogar selbst darüber gewundert, warum es keinen Widerstand gibt. Die Antwort ist ganz einfach: Minister Sander vertritt die liberale Auffassung: Die Diskussion ist die Mutter aller Dinge.

(Beifall bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wer nichts meldet, hat auch keine Konflikte!)

- Nicht weinen! Es ist ärgerlich, dass wir den Umweltminister stellen und nicht Sie; das ist schon klar.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist schade für das Land!)

Aber wir reden und diskutieren nicht nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern dieser Minister handelt auch. Fünf Jahre lang haben Sie darüber diskutiert, wie man zwei Nationalparke im Harz zusammenlegen kann. Die neue Landesregierung hat sehr schnell politisch gehandelt. Wir haben jetzt einen gemeinsamen Nationalpark Harz.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie waren ge- gen den Nationalpark!)

Der Entschließungsantrag, der in dieser Woche zu diesem Thema eingebracht wird, wird von allen vier Fraktionen mitgetragen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie waren ge- gen den Nationalpark, genau wie die Fraktion da drüben!)

- Von allen vier Fraktionen, Herr Kollege; Sie haben unterschrieben und ich habe unterschrieben. Es ist zu erkennen, dass wir vier gemeinsam unterschrieben haben.

Dieser Entschließungsantrag zeigt, dass wir das befürworten. Das unterstreicht, dass diese Entscheidung des Umweltministers völlig richtig war und dass es notwendig war. Dieser Umweltminister redet nicht nur, sondern er handelt auch.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn der Umweltminister in Niedersachsen handelt, dann handelt er nicht gegen die Menschen, aber auch nicht gegen die Umwelt, auch wenn Sie als Opposition immer versuchen, uns das hier weiszumachen. Bestes Beispiel dafür ist - ganz aktuell - die Entscheidung von gestern. Wie war es denn bei der Entscheidung des Umweltministers bezüglich der Stader Kavernen? - Gerade noch in der letzten Plenarsitzungswoche, Frau Steiner, haben Sie uns vorgeworfen, wir würden sowieso nur stets im Interesse der Wirtschaft handeln. Spätestens seit gestern sind Sie Lügen gestraft worden. Wir haben eindeutig gezeigt, dass wir sehr klar abwägen können. Das Umweltministerium hat deutlich für Mensch und Natur entschieden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Man hat gemerkt, in welche Sackgasse Ihr Umweltminister Sie hineingeritten hat, Herr Rösler!)

Ich glaube, mit dieser Umweltpolitik sind wir eindeutig auf dem richtigen Weg. Das ist unsere Form von Politik mit den Menschen. Wir wollen die Menschen nicht zur Umweltpolitik zwingen; denn wir wissen, dass Zwang, Vorschriften und Gebote keinen Erfolg haben und dass man nachhaltiges Verhalten in allen Gesellschaftsteilen nur durch Aufklärung langsam wird transportieren können.

Wir sind in der Tat nicht die Ersten, die diese Idee gehabt haben; das will ich offen zugeben. Es war

ja, glaube ich, Willy Brandt, der einmal angefangen hat, mit „Blauer Himmel über der Ruhr“ den Umweltschutz zu thematisieren. Aber es war der damals für Umweltschutz zuständige Innenminister Hans-Dietrich Genscher, der dieses Thema auf die Agenda gesetzt hat und vernünftig in die Tagespolitik eingebracht hat.

(Beifall bei der FDP)