Protokoll der Sitzung vom 28.10.2004

und

Tagesordnungspunkt 21: Zweite Beratung: Sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden muss gesetzlich geregelt werden - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1259 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport Drs. 15/1331

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport in der Drucksache 1318 lautet auf Annahme in veränderter Fassung.

Für die Berichterstattung zu Punkt 20 hat der Abgeordnete Schrader von der CDU-Fraktion das Wort.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Lesen Sie jetzt aber nicht wieder alles vor!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bemühe mich, es so kurz wie möglich zu halten, aber ich denke, die Dinge, die ich vortragen werde, sind für die weitere Beratung sehr wichtig.

Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 1318 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Inneres und Sport einstimmig, den Antrag in einer geänderten Fassung anzunehmen. Der mitberatende Ausschuss für Haushalt und Finanzen hat sich diesem Votum mit gleichem Stimmverhalten angeschlossen.

Der Ausschuss hat über den Antrag dreimal beraten.

In der 47. Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport am 8. September dieses Jahres legten die Ausschussmitglieder der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP einen Änderungsvorschlag zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Zur Begründung führte ein Vertreter der Koalitionsfraktionen aus, dass Recherchen ergeben hätten, dass die in dem Antrag enthaltene Zahl von 1 200 Dienstposten, für die die Möglichkeit zur Freisetzung bzw. Stellenumwandlung geprüft werden solle, nicht zutreffe. Tatsächlich könnten wohl nur etwas mehr als 200 von der Verwaltungsreform betroffene Landesbedienstete in den Bereichen Verwaltung und Technik der niedersächsischen Landespolizei eingesetzt werden. Dies müsse jedoch in jedem Einzelfall geprüft werden. Außerdem sei es aus Gründen der Zumutbarkeit und im Hinblick auf die vorhandenen Einsatzmöglichkeiten zweifelhaft, dass alle auf Verwaltungsdienstposten eingesetzten Polizeivollzugsbeamten tatsächlich wieder im Streifenbzw. Wechselschichtdienst eingesetzt werden könnten. Auch dem Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die besondere Altersgrenze für Beamte des höheren Polizeivollzugsdienstes, die ausschließlich Führungsaufgaben wahrnehmen, abzuschaffen, könne die CDU-Fraktion zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zustimmen. Deshalb sei in dem Änderungsvorschlag insoweit nur ein Prüfauftrag enthalten. Soweit die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordere, die Polizei einer grundlegenden Aufgabenkritik zu unterziehen, hätten die Koalitionsfraktionen diesen Punkt nicht aufgegriffen, da sie der Auffassung seien, es bleibe eine Daueraufgabe, darüber nachzudenken, ob alle Aufgaben, die die Polizei derzeit wahrnehme, auch in Zukunft in dieser Weise erfüllt werden müssten.

Der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen entgegnete, dass es wohl kaum einen idealeren Zeitpunkt für die Aufgabenkritik gebe als jenen Zeitpunkt, zu dem ohnehin die geplanten Umstrukturierungen anstünden. Da sei es auch jetzt noch möglich, den Katalog der Zuständigkeiten

aufgabenkritisch zu durchforsten. Er halte die Zahl von 200 Stellen, die im Rahmen der Verwaltungsreform in die Polizeiverwaltung verlagert werden könnten, für deutlich zu tief gegriffen. Das gelte auch dann, wenn man berücksichtige, dass es Polizeivollzugsbedienstete gebe, die z. B. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Streifendienst eingesetzt werden könnten. Im Übrigen wies er darauf hin, dass auf eine Einstellung von 1 000 neuen Polizeianwärtern verzichtet werden könne, wenn es gelinge, 1 000 Stellen auf die vom Landesrechnungshof bezeichnete Weise neu zu besetzen.

Ein Vertreter der SPD-Fraktion bat darum, dem Ausschuss eine detaillierte Bewertung der in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufgegriffenen Aussagen des Landesrechnungshofs vorzulegen. Sicherlich sei es auch sinnvoll, zunächst einmal zu prüfen, ob die für die Polizeivollzugsbeamten bislang geltende allgemeine Altersgrenze von 60 Lebensjahren künftig auch für die Beamtinnen und Beamten im höheren Polizeivollzugsdienst Anwendung finden solle. Da in der Vergangenheit immer wieder Analogien zwischen dem Polizeivollzugsdienst und dem feuerwehrtechnischen Dienst hergestellt worden seien, bat er, seitens der Koalitionsfraktionen ausdrücklich auszuschließen, dass bezüglich der Altersgrenze eine Automatik für die Bediensteten des höheren feuerwehrtechnischen Dienstes entstehe.

Der Vertreter der Fraktion der FDP antwortete, die Koalitionsfraktionen hätten in ihrem Änderungsvorschlag ausdrücklich auf den Polizeivollzugsdienst abgestellt. Eine Automatik zwischen Polizeivollzugsdienst und feuerwehrtechnischem Dienst bestehe nicht. Außerdem sei es nach seiner Auffassung falsch, einen Zusammenhang zwischen den Landesbediensteten, die von der Verwaltungsreform betroffen seien und die in die Bereiche Verwaltung und Technik der niedersächsischen Landespolizei umgesetzt werden könnten, und der Einstellung von zusätzlichen Polizeianwärtern herzustellen. Im Übrigen enthalte der Haushaltsplanentwurf 2005 keine 1 000 zusätzlichen Stellen für Polizeianwärter.

Abschließend betonte ein Vertreter der CDUFraktion, dass die Polizeidichte in Niedersachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern zu wünschen übrig lasse. Außerdem werde die Landespolizei 2006/2007 angesichts des hohen Durchschnittsalters der Polizeivollzugsbeamten in außerordentlich schwieriges Fahrwasser geraten. Wenn

der erforderliche Personalbestand auch für die Zukunft gehalten werden solle, werde dies auch Auswirkungen auf die Einstellungspraxis haben müssen.

Nachdem in der Mitberatung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen der Änderungsvorschlag der Koalitionsfraktionen noch um eine Nummer 3 erweitert worden war, konnte die Beschlussempfehlung im Ergebnis von allen Fraktionen mitgetragen werden.

Damit schließe ich meinen Bericht

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Gott sei Dank!)

und bitte Sie namens des Ausschusses für Inneres und Sport, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 1318 zu folgen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer geänderten Fassung anzunehmen.

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Herr Dr. Lennartz. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Bericht ist schon einiges über die Debatte im Innenausschuss gesagt worden. Deswegen beschränke ich mich bezüglich des Antrags „Polizeivollzugsbeamte in den Vollzug - Verwaltungsbeamte in die Verwaltung“ auf zwei Punkte, nämlich auf die Stichworte „Aufgabenkritik“ und „Umsetzung“.

Ich schicke voraus, dass wir dem geänderten Antrag in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zustimmen werden.

Unser Ausgangspunkt war eine Zahl, die der Landesrechnungshof in einem seiner Memoranden ermittelt hat. Demnach seien 1 295 Dienstposten innerhalb der Landespolizei für eine anderweitige Ausstattung geeignet. Das heißt, dass dort Verwaltungspersonal eingesetzt werden kann, weil jetzt Polizeivollzugsbeamte Verwaltungsaufgaben innerhalb der Polizei wahrnehmen.

Nun kann man durchaus sagen - dieses Argument habe ich mehrfach gehört -, dass der Landesrech

nungshof mit dieser Zahl nicht ganz richtig liege. Klar ist aber auf jeden Fall, dass unter den Beschäftigten der Polizei, die jetzt Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, sicherlich auch solche sind, die aus persönlichen oder auch gesundheitlichen Belastungsgründen nicht in der Lage sind, wieder in den Vollzug zurückzugehen. Deswegen habe ich kein Problem damit, sich von der Größenordnung zu verabschieden. Gleichzeitig sage ich aber: Diese 200, die die Landesregierung bzw. die Fraktionen der CDU und der FDP jetzt favorisieren und vorschlagen, können für meine Begriffe nur der Start sein. Darüber hinaus gibt es mehr Möglichkeiten. Deswegen ist das ein erster Schritt.

In der Beschlussempfehlung des Innenausschusses ist ein Punkt unseres Ursprungsantrags nicht aufgeführt, den ich für wichtig halte. Ich zitiere aus dem Ursprungsantrag:

„In Folge dessen“

- d. h. in Folge der entsprechenden Umsetzung

„soll die Landesregierung auf die geplante Neueinstellung von 1 000 Anwärtern verzichten. So werden langfristig zusätzliche Kosten in Höhe bis zu 2,8 Milliarden Euro für Bezüge und Pensionen vermieden.“

Diese Passage ist bedauerlicherweise nicht aufgenommen worden.

Im Redemanuskript von Finanzminister Möllring von gestern steht auf Seite 8: „Wir haben politische Schwerpunkte abgesichert.“ Dann heißt es unter anderem:

„200 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte werden von Verwaltungsaufgaben für originäre Polizeiaufgaben freigesetzt. Das stärkt die innere Sicherheit.“

Ich sehe zwischen dem Verhalten der Fraktionen, diese Größenordnung von 1 000 Polizeianwärtern nicht aus unserem Antrag in die Beschlussempfehlung zu übernehmen, und der Aussage des Finanzministers einen Dissens. Ich glaube, der Finanzminister ist auf dem richtigen Weg. Er muss ja auch von seiner Rolle als Finanzminister her dafür sorgen, dass die Personalkosten reduziert und nicht gesteigert werden. Deswegen interpretiere ich mal, dass der Finanzminister sagt: Es wird diese 1 000 Anwärter nicht geben, es wird statt des

sen erst einmal für 2005 diese 200 Bediensteten geben, die aus den freigesetzten Stellen der Bezirksregierungen in die Polizei überführt werden.

Nur ganz kurz, weil mir die Zeit nicht mehr ermöglicht, zu dem zweiten Antrag, also Polizeizuständigkeiten gesetzlich zu regeln, zu reden. Wir sind der Auffassung, dass es gerade im Polizeibereich einer gesetzlichen Regelung der Zuständigkeiten der Polizeibehörden bedarf, was auch im bisherigen Polizeirecht so vorgesehen war. Nachdem das Polizeirecht und die Polizeiorganisation im letzten Tagungsabschnitt im letzten Monat realisiert worden sind, hat man darauf verzichtet. Das mag für die Landesregierung und für den Innenminister praktikabel und günstig sein, weil der Innenminister dann im Wege einer Verordnung die Zuständigkeiten definieren kann. Wir glauben, dass hier der Vorbehalt des Gesetzes greift und dass zugleich auch die Kompetenz des Landtages als Gesetzgeber in Zweifel gezogen wird, wenn die Zuständigkeiten der Polizei, die ja auf legaler Grundlage in einem beträchtlichen Maß mit beträchtlicher Eingriffstiefe in Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingreift, nicht durch Gesetz, sondern nur durch Verordnung geregelt werden. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Ahlers das Wort. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn bei der Berichterstattung eben offensichtlich nicht alle zugehört haben, darf ich versichern, dass die innere Sicherheit bei der CDU-Fraktion nach wie vor eine hohe Priorität hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben bei der Berichterstattung gehört, dass es zu diesem Thema beim letzten Mal im Landtag keine Aussprache gegeben hat und dass sich der Innenausschuss dreimal damit auseinander gesetzt hat. Das Ergebnis des Innenausschusses kann sich sehen lassen, meine Damen und Herren; denn diesem Antrag wurde einvernehmlich zugestimmt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zugestimmt wurde, dass im Jahre 2005 zunächst 200 von der Verwaltungsreform betroffene Landesbedienstete in den Bereichen Verwaltung und Technik bei der niedersächsischen Landespolizei eingesetzt werden sollen. Ferner wird die Landesregierung gebeten, zu prüfen, ob die bisherige Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte des höheren Dienstes angehoben werden soll. Außerdem wird die Landesregierung gebeten, zu prüfen, ob ein Aufgabenabbau durch Kooperation mit Dritten möglich ist.

Gestatten Sie mir trotz dieser Einstimmigkeit bei diesem Thema einige Anmerkungen, meine Damen Herren. Wie bereits von Herrn Prof. Dr. Lennartz gehört, hat der Landesrechnungshof vor einigen Monaten vorgeschlagen, die mögliche Freisetzung bzw. Stellenumwandlung von 1 295 Dienstposten in den Bereichen Binnenverwaltung und Technik vorzunehmen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte damals, diesem Vorschlag uneingeschränkt zu folgen. Ziel der Überprüfung sollte es sein, die Dienstposteninhaber im originären Vollzugsdienst einzusetzen und auf die geplante Neueinstellung von 1 000 Polizeibeamten zu verzichten.

Meine Damen und Herren, auch wenn Prof. Dr. Lennartz im Innenausschuss bemerkte, dass Vorschläge des von allen Fraktionen als Autorität anerkannten Landesrechnungshofs in der Regel aufgenommen werden, so möchte ich für die CDUFraktion doch anmerken: Die damals vom Landesrechnungshof angenommene Zahl von 1 295 Dienstposten war deutlich überhöht. Es können allenfalls nur wenige hundert Dienstposten des Polizeivollzugsdienstes von Verwaltungspersonal wahrgenommen werden. Sowohl der Landesrechnungshof als auch Bündnis 90/Die Grünen haben mittlerweile diese Zahl korrigiert.

Meine Damen und Herren, die Belastungen des Polizeialltags sind unbestritten. Gerade in Zeiten einer Polizeireform kann man nicht völlig auf die Erfahrungen und erworbenen Qualifikationen der bisherigen Dienstposteninhaber verzichten. Zudem muss auch weiterhin die Möglichkeit bestehen bleiben, nur noch bedingt polizeidiensttaugliche Polizeivollzugsbeamte zu einer ihrer Qualifikation entsprechenden Tätigkeit einzusetzen und damit das Wissen und die Erfahrung der lebenserfahrenen Polizeibeamten zu nutzen. Aus diesen Gründen haben sich alle Fraktionen im Innenausschuss einstimmig darauf verständigt, im Jahre 2005 zunächst nur 200 von der Verwaltungsreform betrof

fene Landesbedienstete bei der Landespolizei einzusetzen.

Meine Damen und Herren, eine klare Absage erteilen wir aber nach wie vor dem Ansinnen, auf die geplanten weiteren Neueinstellungen zu verzichten. Ich rufe in Erinnerung: Im Jahre 2003 wurden ca. 135 Polizeibeamte aus anderen Ländern, überwiegend aus Berlin, von der Landespolizei Niedersachsen übernommen. Darüber hinaus haben wir zusätzlich im letzten Jahr 250 und in diesem Jahr 250 neue Polizeianwärter eingestellt. Meine Damen und Herren, damit haben wir, die Regierungsfraktionen, bewiesen, dass wir es mit der Verbesserung der inneren Sicherheit in Niedersachsen ernst meinen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen und werden die Polizeidichte in Niedersachsen nach und nach erhöhen, und wir werden damit der Bevölkerung ein besseres Sicherheitsgefühl vermitteln.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nach der Beschlussempfehlung soll, wie erwähnt, die allgemeine Altersgrenze für Polizeibeamte des höheren Dienstes überprüft werden. Dazu möchte ich anmerken, dass im Beamtenrechtsrahmengesetz die Altersgrenze auf das vollendete 65. Lebensjahr festgelegt wurde. Im Rahmen der Fürsorgepflicht wurde bereits 1954, also vor 50 Jahren, festgelegt, dass Polizeivollzugsbeamte mit Vollendung des 60. Lebensjahres den erhöhten Anforderungen des Wechselschichtdienstes nicht mehr gewachsen sind. Aber, meine Damen und Herren, insbesondere aufgrund der eingetretenen Änderungen in den Organisationsstrukturen und Aufgabenbereichen sowie im Hinblick auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch den technischen Wandel haben verschiedene andere Bundesländer inzwischen mit unterschiedlichen Varianten die Altersgrenze angehoben. Uns erscheint deshalb eine Überprüfung der Anhebung der Altersgrenze für Polizeibeamte des höheren Polizeivollzugsdienstes durch die Landesregierung angebracht.