Protokoll der Sitzung vom 29.10.2004

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Andretta, es ist schon sehr interessant, dass Sie uns gerade diesen Antrag heute zur Beratung vorlegen. Aber glauben Sie tatsächlich, dass Sie damit auch nur einen einzigen Blumentopf gewinnen können

(Thomas Oppermann [SPD]: Damit geben wir uns nicht zufrieden! Wir wollen noch mehr!)

oder dass Sie Ihrer Bundesministerin Bulmahn damit einen Gefallen tun? - Nein, mitnichten. Sie dokumentieren wieder einmal, dass wir hier Ihre personellen und inhaltlichen Fehlentscheidungen auf Bundesebene ausbügeln sollen.

(Beifall bei der CDU)

Nun zu Ihrem Antrag. Sie wollen, dass wir die Habilitation neben der Juniorprofessur als gleichwertigen Zugang zur Professur ablehnen, obwohl Sie genau wissen, dass gerade die CDU immer diese Gleichwertigkeit gefordert hat. Sie wollen, dass wir für eine bundeseinheitliche Regelung zur Juniorprofessur eintreten, obwohl das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 27. Juli 2004 deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass dies nicht durch ein Rahmengesetz in der Form möglich ist. Sie wollen, dass wir die mit der Einführung der Juniorprofessur angestrebten Ziele, wie Sie sagen, nachdrücklich und vorbehaltlos unterstützen - ich verweise jetzt wieder auf das, was ich vorher sagte -, obwohl wir die Habilitation als gleichwertig beurteilen.

Sie wollen von uns heute hier eine Zustimmung zu einem Gesetz der Bundesregierung, das am 27. Oktober - gerade vorgestern - auf den Weg gebracht worden ist, das Sie bei der Antragstellung noch gar nicht kannten und von dem wir doch überhaupt noch nicht wissen, wann und in welcher Form es nach den Beratungen im Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird.

(Zuruf von der SPD: Haben Sie den Antrag gelesen?)

Auf welchem Stern leben Sie eigentlich? Ist es Ihnen nicht peinlich, uns diesen Antrag vorzulegen? Glauben Sie allen Ernstes, dass die CDU diesem Papier auch nur in einem Punkt zustimmen kann?

(Thomas Oppermann [SPD]: In allen!)

Haben Sie denn nie zugehört, wenn wir unsere Vorstellungen zur Juniorprofessur, zum HRG und den Zuständigkeiten des Bundes für unsere Hochschulen erläutert haben? Wenn Sie mit diesem Antrag tatsächlich ernste Ziele verfolgt hätten und Sie das wirklich im Interesse der betroffenen Menschen getan hätten, Frau Dr. Andretta, dann hätte Ihr Antrag anders lauten müssen. Dann hätten Sie nämlich auch das Problem der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezüglich ihrer befristeten Anstellungen nicht unter den Tisch fallen lassen.

Wir von der CDU haben andere Positionen. Ich nenne jetzt hier nur einige.

Eine verbindliche bundeseinheitliche Regelung der rechtlichen Verhältnisse ist nach unserer Meinung nicht mehr erforderlich.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Dies betrifft sowohl die Definition der Berufungsvoraussetzungen für Professorinnen und Professoren als auch z. B. die Anerkennung von Hochschulabschlüssen oder Voraussetzungen zum Hochschulzugang. Die hier notwendigen Vereinbarungen können auch ohne Einmischung des Bundes direkt zwischen den Ländern getroffen werden.

(Zuruf von der SPD: Wie denn?)

Eine x-te HRG-Novelle brauchen und wollen wir auch nicht. Auch dies haben wir Ihnen bereits mehrfach deutlich gemacht. Frau Bulmahn sollte sich endlich mal darum kümmern, ihr eigenes Ressort in den Griff zu bekommen und sich nicht in fremde Angelegenheiten mischen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen, dass wieder verlässliche, langfristige Zeitverträge für die wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an unseren Hochschulen ermöglicht werden. Dabei sollen auch neue Wege beschritten werden können.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Kommen Sie zum Thema zurück!)

Warum sollten Verträge nicht auch über längere Zeitabschnitte abgeschlossen werden können, wenn die Finanzierung über Drittmittel gesichert ist? - Natürlich, Frau Dr. Andretta, wollen auch wir Rechtssicherheit für die insgesamt 121 Juniorprofessorinnen und -professoren in Niedersachsen. Wir begrüßen auch an dieser Stelle die Absicht der Bundesregierung, mit einem Reparaturgesetz den von ihr angerichteten Schaden zu begrenzen.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist richtig, Rechtssicherheit für die Hochschulen und die Betroffenen zu schaffen. Aber dies sollte auf keinen Fall einer Entscheidung bei der Verteilung der zukünftigen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern vorgreifen. Dies ist im Rahmen der Föderalismusdebatte zu regeln.

Sie fordern in Ihrem Antrag die Landesregierung auf, im Bundesrat genau das zu fordern, was Sie aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsge

richts vom Juli dieses Jahres nicht auf Dauer manifestieren konnten, nämlich Zentralismus in Reinkultur. Einmischung in fremde Kompetenzen und populistische Forderungen kennt man ja inzwischen von Ihnen, allerdings nicht gerade zum Vorteil der Hochschulen.

Ich möchte nur ganz kurz an das Modell „Brain up Deutschland sucht die Superuni“ erinnern. Die nächste Niederlage von Frau Bulmahn ist auch schon vorprogrammiert. Die anstehende Entscheidung über das HRG mit dem darin verankerten Verbot zur Einführung von Studiengebühren fällt in den nächsten Wochen. Hier ist das Ergebnis auch schon klar. Die Bundesministerin hat sich wiederholt in Angelegenheiten eingemischt, die sie nichts angehen, für die sie keinerlei Kompetenzen hat. Da fragt man sich manchmal, wo die Kompetenzen bei ihr überhaupt liegen.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass im kommenden Jahr eine Novelle zum NHG ansteht. Dort werden die rechtlichen Voraussetzungen für eine innovative, zukunftsorientierte, erfolgreiche und auch rechtlich gesicherte Hochschullandschaft in Niedersachsen geschaffen werden. Die CDU wird sich intensiv und ergebnisorientiert einbringen. Wir werden ein Hochschulgesetz verabschieden, das sich an den Bedürfnissen der Hochschulen, der Studierenden, der Mitarbeiter der Hochschulen, der Wirtschaft und natürlich der Interessen des Landes Niedersachsen orientiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Dr. Andretta, Ihren Antrag

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Sind Sie jetzt dafür?)

- ich bin gleich fertig; dann haben Sie das Ergebnis - auf sofortige Abstimmung lehnt die CDUFraktion ab. Die von Ihnen angemahnte Eilbedürftigkeit ist in dieser Form nicht gegeben, auch wenn ich verstehe, dass Sie Ihren Antrag gerne schnell sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden lassen würden. Wir werden in den Beratungen im Ausschuss einen Änderungsantrag einbringen, der einerseits dem tatsächlichen Handlungsumfang entspricht und der andererseits den zeitlichen Bedürfnissen gerecht wird. Die Rechtssicherheit sowohl für die Juniorprofessoren als auch für die wissenschaftlichen Mitarbeiter und für die Hochschulen ist natürlich maßgeblich. Unsere Landes

regierung besitzt die Kompetenz, dies dann auch im Bundesrat im Interesse des Landes Niedersachsen zu vertreten. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Dr. Heinen-Kljajić das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Nebeneinander von Habilitation und Juniorprofessur so, wie die Landesregierung und die CDU und FDP sie vorhaben, halten wir ähnlich wie die SPD für hochschulpolitisch kontraproduktiv.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es bürdet dem akademischen Nachwuchs entweder eine riskante Entscheidung oder eine doppelte Qualifizierung auf. Wir wollen, dass sich das Erfolgsmodell „Juniorprofessur“ flächendeckend durchsetzt, und zwar nicht nur in den Natur-, Biowissenschaften und Medizin, wie Staatssekretär Lange jüngst vorgeschlagen hat, sondern wir wollen es für alle Bereiche. Wir, meine Damen und Herren, wollen dem wissenschaftlichen Nachwuchs aller Fächer vor Erreichen des 45. Lebensjahres eine Chance geben.

Meine Damen und Herren, die Globalisierung und die damit einhergehende Tatsache, dass sich Hochschulen wie Absolventen längst im internationalen Wettbewerb behaupten müssen, machen, wie jedenfalls ich finde, die föderale Steuerung von Hochschulpolitik ohnehin sehr fragwürdig. Wenn aber schon daran festgehalten wird - und das wollen ja auch Sie -, dann muss ein Mindestmaß an Regelungen bundeseinheitlich getroffen werden, wenn man das Niveau des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Deutschland nicht auf dem Altar der Kleinstaaterei opfern will.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Genau das aber haben die unionsregierten Bundesländer unter Führung Baden-Württembergs durch eine Bundesratsinitiative versucht. Unterschiedliche Regelungen von Land zu Land würden in der Handhabung der Juniorprofessur den Hochschulwechsel des Nachwuchses enorm erschwe

ren. In der Begründung des Bundesratsantrages heißt es dazu:

„Die Länder garantieren, dass dabei der Mobilität von Wissenschaftlern im ganzen Bundesgebiet Rechnung getragen wird.“

Wie denn? Etwa durch einen hochkomplizierten Staatsvertrag, der auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners unterzeichnet wird und der in punkto Effizienz, Effektivität und Reformbeschleunigung genau die Schwächen hat, die Sie an anderer Stelle bei der KMK kritisieren? - Das wollen Sie doch wohl den ohnehin schon gebeutelten Hochschulen nicht wirklich antun!

Meine Damen und Herren, wir unterstützen das Ansinnen des SPD-Antrages, möglichst schnell eine Novelle des Hochschulrahmengesetzes zur Absicherung bestehender und kommender Juniorprofessuren zu verabschieden. Aber in einem Punkt greift aus unserer Sicht der SPD-Antrag zu kurz. Ich spreche von der Befristungsregel. Hier wäre aus grüner Sicht noch einmal zu diskutieren, ob die alte Befristungsregelung bei einer neuerlichen Novelle tatsächlich unverändert wieder in das Gesetz aufgenommen werden soll. Meine Damen und Herren, die Befristungsregel beschränkt die Möglichkeit, wissenschaftliche Angestellte und Hilfskräfte befristet einzustellen, auf zwölf Jahre. In der Praxis zeichnet sich ab, dass die wenigsten Wissenschaftler mit einer Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis rechnen können, was dem Ende ihrer Karriere im Wissenschaftsbetrieb gleichkommt. Was also ursprünglich als Schutz vor Dauerbefristungen gedacht war, geht in der Realität auf Kosten derer, die so gar nicht geschützt werden wollen. Natürlich muss es unser Ziel bleiben, mehr Dauerarbeitsplätze an den Hochschulen zu schaffen. Aber die zunehmende Abhängigkeit von Drittmitteln macht Flexibilität in der Personalbewirtschaftung unumgänglich. In diesem Zusammenhang ist auch die Einführung eines längst überfälligen Wissenschaftstarifvertrages zu diskutieren. Diese Frage der Befristung ist mit der Initiative der Bundesregierung aus unserer Sicht sicherlich nicht abschließend geklärt. Aber, meine Damen und Herren, nichtsdestotrotz ist es unsere Fürsorgepflicht, den vielen tausend Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern die Unsicherheit über ihre rechtliche Situation und ihre weiteren Perspektiven zu nehmen.

Im Interesse des wissenschaftlichen Nachwuchses der Hochschulen und des Wissenschaftsstandortes muss schnell und pragmatisch für klare Verhältnisse, rechtliche Verlässlichkeit und eine wissenschaftsadäquate Regelung gesorgt werden. Das erreichen wir nur mit einer bundeseinheitlichen Regelung. Wir schließen uns jedenfalls dem Vorschlag der SPD-Fraktion nach Direktabstimmung an und werden auch dem Antrag zustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Professor Zielke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Einführung der Juniorprofessur werden hohe Ziele angestrebt, wie auch im Antrag formuliert. Damit soll dem wissenschaftlichen Nachwuchs schon frühzeitig die Möglichkeit zu selbständiger Lehre und Forschung gegeben, das Alter für seine Berufung auf eine Professur deutlich gesenkt und Mobilität verbessert werden. Es gibt niemand, der diese Ziele nicht unterstützen wird, und zwar, wenn gewünscht, auch gern „vorbehaltlos und mit Nachdruck“, wie Sie markig formuliert haben. Aber im Übrigen strotzt der Antrag vor unbewiesenen Behauptungen, Halbwahrheiten und krassen Fehleinschätzungen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch bei den GRÜNEN)

Weshalb soll die Habilitation nicht mehr „zeitgemäß" sein? Das ist nichts als eine inhaltsarme Totschlagsvokabel. Oder maßt sich die SPD die Definitionshoheit an, was in welchen akademischen Feldern - Beispiel Geisteswissenschaften - zeitgemäß sei?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Völlig unverständlich ist nach wie vor, mit welch erbittertem Rigorismus Bundesbildungsministerin Bulmahn die Habilitation bekämpft hat. Das Ziel der Bundesregierung bei ihrem verfassungswidrigen Hochschulrahmengesetz