Es ist im Übrigen auch nicht so, Herr Harden, dass sich derjenige an der Gerechtigkeit vergeht, der einzelne Maßnahmen des Sozialstaates hinterfragt.
Im Gegenteil: Wenn wir nichts ändern, dann werden die Verhältnisse immer ungerechter. Das ist dann in der Tat unsozial. Stabilität und Verlässlichkeit können wir nur dann gewährleisten,
wenn wir Mut zu Veränderungen aufbringen. Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD-Fraktion, sind davon weiter entfernt denn je. Sie ersetzen Mut durch Polemik und Handeln durch Blockieren. Gerade damit gefährden Sie die soziale Gerechtigkeit in Niedersachsen mehr als jeder andere.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, dass die Frau Sozialministerin an der Debatte teilnimmt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Regierungsantritt beschwört diese Landesregierung nahezu gebetsmühlenartig eine verlässliche und partnerschaftliche Sozialpolitik. Nun heißt es aber: An ihren Taten sollt ihr sie messen.
An diese Messlatte hält sich die Landesregierung einem Hochspringer vergleichbar, der die Weltrekordmarke anpeilt und dann auf dem Bauch unter der Stange hindurch kriecht. Denn tatsächlich betreibt diese Landeregierung eine Sozialpolitik der warmen Worte, dies aber kalten Herzens und vor allem mit zugeknöpftem Geldbeutel.
Blinde, Behinderte, Drogenund Suchtkranke, Aidskranke, Nichtsesshafte, alte Menschen und die Menschen, die sich ihrer annehmen, sie alle sind von teilweise existenzbedrohenden Sparmaßnahmen dieser Landesregierung betroffen.
Tatsächlich zwingt diese Landesregierung die Wohlfahrtsverbände dazu, einvernehmlich Brandbriefe zu schreiben, mit denen auf die Gefährdung von Strukturen im Bereich der sozialen Arbeit hingewiesen wird. Tatsächlich kündigten Sie im letzten Jahr kurzfristig und ohne Vorwarnung den Lotto/Toto-Vertrag und kürzten Sie die Mittel aus der Konzessionsabgabe. Das machen Sie dieses Jahr schon wieder. Damit bringen Sie die Wohlfahrtsverbände und die Träger der sozialen Arbeit
an den Rand einer Existenzkrise. Auf der anderen Seite bauen Sie ein neues Lotteriespiel - KENO als Gelddruckmaschine für den Landeshaushalt auf. Wer soll diese widersprüchliche Haushaltspolitik eigentlich noch begreifen?
Durch Ihren Umgang mit den Wohlfahrtsverbänden zerstören Sie eine wichtige, vertrauensvolle Beziehung. Das haben Ihnen diese in der jüngsten Vergangenheit auch in mehreren Briefen sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben. So geht man mit Partnern nicht um, jedenfalls nicht, wenn man behauptet, partnerschaftlich arbeiten zu wollen.
Mit diesem Vorgehen schädigen Sie die Struktur sozialer Arbeit enorm; denn an jedem Euro aus den Lotto/Toto-Mitteln hängen erhebliche Summen an Kofinanzierungen, die durch Ihre Politik der sozialen Arbeit dann noch zusätzlich entzogen werden. Ich nenne das leichtfertig. Leichtfertig schädigen Sie auch das bürgerschaftliche Engagement, das hier in hohem Maße erbracht wird. Dafür stehen allein in Niedersachsen 300 000 Ehrenamtliche im Zusammenhang der Verbände. Dieses Engagement braucht aber hauptamtliche Strukturen, um überhaupt existieren zu können. Mit Ihrer Politik schädigen Sie die Zivilgesellschaft. Regelmäßige warme Worte und Preise für das Ehrenamt sind nur Ihre weiße Salbe, um von Ihrer tatsächlichen Politik des sozialen Kahlschlags abzulenken.
Bezeichnenderweise, meine Damen und Herren, ist der Sozialpolitik in Ihrer fünfseitigen Erklärung vom 26. Februar 2004 nach einem Jahr CDU/FDPRegierung nicht eine einzige Zeile gewidmet. Wirtschaft, Verkehr, Bildung, innere Sicherheit, Europapolitik - alles ist wortreich erläutert. Das soziale Niedersachsen kommt nicht vor. Tatsächlich sind Sie ja auch gerade dabei, es abzuschaffen. Das wollten Sie im Februar nicht auch noch aufschreiben. Dafür habe ich sogar ein gewisses Verständnis.
Die bisherige Arbeit der Landesregierung ist auch von erheblichen Rückschlägen für die Frauen in Niedersachsen gekennzeichnet, meine Damen und Herren. Zunächst fiel man über die Frauenbeauftragten her. Die Zahl der hauptamtlichen wird um 60 % dezimiert und die Arbeit der verbliebenen
erheblich erschwert. Dann überraschte die Sozialministerin die Öffentlichkeit mit der Ankündigung, den Gewaltschutzbereich neu zu strukturieren, zu kommunalisieren und die Haushaltmittel in den nächsten Jahren zweimal um 10 % zu kürzen. Dies stieß verständlicherweise auf erheblichen Widerstand der Betroffenen und auch der Kommunen, die nämlich nicht der schwarze Peter von Frau von der Leyen werden wollten. Unter diesem Druck verkündete die Ministerin dann zwar, Streichungen werde es im Gewaltschutzbereich nicht geben. Tatsächlich aber kürzen Sie bei den Mädchenhäusern, stellen die Landesförderung für die Frauengesundheitszentren und die therapeutische Frauenberatung ein und halten die BISS-Stellen nur unter erheblich verschlechterten Bedingungen aufrecht.
Tatsächlich streichen Sie komplett und äußerst kurzfristig die Mittel für alle Frauenprojekte. Sie alle sind damit in ihrer Existenz bedroht. Stattdessen nehmen Sie die gesamten Mittel und tun sie in einen Topf „Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, für die noch nicht einmal Richtlinien erlassen sind.
In seinem Internetauftritt verkündet das Sozialministerium, sich den Prinzipien von Gender Mainstreaming verpflichtet zu fühlen. Tatsächlich nehmen Sie aber alle Mittel aus den Frauenprojekten und subsumieren sie unter „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Das aber ist unter GenderGesichtspunkten kein reines Frauenthema. Denn gerade in diesem Punkt sind das Problem doch nicht die Frauen, sondern die Männer. Wäre das Gender-Konzept angewendet worden, dann dürften die Mittel nicht aus dem Frauenministerium kommen, sondern z. B. im Wirtschaftsministerium ressortieren. Das Konzept würde außerdem vor allem darauf abstellen müssen, auch Männer zur Teilhabe an der Familienarbeit zu bringen. Denn da liegen die Defizite in diesem Bereich, meine Damen und Herren.
Wer anders arbeitet, der zeigt, dass er Gender Mainstreaming noch nicht wirklich verstanden hat. Wie notwendig eine spezifische Gleichstellungspolitik aber weiterhin ist, zeigt der gerade veröffentlichte Bericht über die Umsetzung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes. Noch immer sind Frauen auf allen Ebenen erheblich unterrepräsentiert. Die Frauenförderung wird aber ab
gebaut. Auch hier also, meine Damen und Herren: Warme Worte auf der Homepage als weiße Salbe und die Axt in der Hand, um die spezifische Frauenförderung zu zerschlagen.
Es kann einem angst und bange werden, wenn man sieht, mit welcher Konsequenz und Beharrlichkeit diese Landesregierung gesellschaftliche Anforderungen im sozialen Bereich nicht zur Kenntnis nimmt oder mit den falschen Antworten darauf reagiert. Mittelfristig schaffen Sie nicht durch immer mehr Repression und Polizei Sicherheit in diesem Land, sondern vor allem durch eine Sozialpolitik, die den Menschen Chancen auf Teilhabe und Perspektiven für ihre weiteres Leben lässt, die Diskriminierungen - aus welchem Grunde auch immer - abbaut und mit den Akteuren der Zivilgesellschaft vertrauensvoll arbeitet. Dann haben wir eine Chance - anders nicht. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur finanziellen Situation des Landes haben wir gestern und auch heute Morgen schon sehr viel gehört, und wir wissen, wie dramatisch die Situation ist. Für den Sozialhaushalt betone ich aber ausdrücklich: Wir müssen lösungsorientiert an der Verringerung der Verschuldung in Niedersachsen arbeiten und können bei Kürzungen leider auch den Sozialhaushalt nicht außen vor lassen. Wir stehen vor drastischen Einschnitten. Trotz der dramatischen Situation haben es sich CDU und FDP nicht leicht gemacht und versucht, die Belastungen für die Betroffenen so gering wie möglich zu halten. Dies wird sicherlich unterschiedlich bewertet, aber wir schaffen mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf eine solide Grundlage für die soziale Zukunft in Niedersachsen.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass es gerade im Sozialetat kaum finanzielle Spielräume gibt. 98 % der Mittel sind gesetzlich gebunden; nur 2 % des Sozialhaushalts stehen für freiwillige Leistungen zur Verfügung. Gerade deshalb erfor
dert die Verteilung dieser wenigen Mittel ein besonderes Fingerspitzengefühl, um den vielen Forderungen und Anträgen gerecht zu werden und den wirklich Bedürftigen auch weiterhin die Unterstützung zu gewährleisten, die sie brauchen. Für uns war es deshalb besonders wichtig, ganz gezielt Prioritäten zu setzen durch Maßnahmen, die den Menschen in Niedersachsen zugute kommen. Hilfe, wo Hilfe Not tut, ist die Maxime der Sozialpolitiker der Fraktionen von CDU und FDP. Eine Förderung nach dem Gießkannenprinzip, wie sie in der Vergangenheit unter der Vorgängerregierung durchgeführt wurde, wird es mit uns nicht mehr geben. Wir setzen die wenigen Mittel gezielt ein. Unsere sozialpolitischen Schwerpunkte werden die Mehrheit der Menschen erreichen. Wir zeigen Gestaltungswillen in der Sozialpolitik auch in Zeiten fast leerer Kassen.
Einer unserer Schwerpunkte gleich zu Beginn der Regierungszeit war die Änderung des Landespflegegesetzes. Unsere Priorität liegt darin, die ambulante Versorgung zu stärken und auch den Menschen in den Familien die Hilfe zukommen zu lassen.
Darüber hinaus setzen wir uns auch für die Integration von benachteiligten Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt ein. Gerade diese Jugendlichen haben es in der Vergangenheit besonders schwer gehabt, weil sie viele verschiedene Institutionen aufsuchen mussten. Die Jugendlichen in den ländlichen Bereichen hatten besondere Probleme, weil es ihnen aufgrund der fehlenden Mobilität vielfach nicht möglich war, das Sozialamt, das Arbeitsamt, RAN oder RABaZ oder das Jugendamt aufzusuchen.
Deshalb haben wir die Pro-Aktiv-Centren ins Leben gerufen, in denen die benachteiligten Jugendlichen endlich Beratung unter einem Dach finden, was wir als große Verbesserung innerhalb der letzten zwei Jahre angesehen haben.
Hier bekommen Jugendliche jetzt die erforderliche speziell auf sie abgestimmte Beratung. An dieser Stelle möchte ich dem Ministerium und auch den engagierten Kommunen ein Dankeschön ausspre
chen; denn immerhin ist es innerhalb kurzer Zeit gelungen, 44 Pro-Aktiv-Centren in Niedersachsen einzurichten. Das bedeutet eine fast flächendeckende Versorgung und ist eine tolle Leistung innerhalb dieser kurzen Frist.
Natürlich sind auch in einem großen Umfang Mittel dafür bereitgestellt worden, immerhin 15 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt und darüber hinaus auch ESF-Mittel. Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass am 1. Januar Hartz IV in Kraft treten wird und eigentlich die Bundesagentur diese Beratung übernehmen müsste, möchte ich dies besonders hervorheben. CDU und FDP legen ein besonderes Augenmerk auf diese Jugendlichen, die aufgrund verschiedener Benachteiligungen Schwierigkeiten bei der Integration in das Berufsleben haben. Wir setzen diese Mittel sinnvoll ein.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch das Problem der Nichtsesshaften erwähnen. Zunächst war vorgesehen, diese Mittel zu streichen, weil die Unterstützung und Wiedereingliederung der Nichtsesshaften nach In-Kraft-Treten von Hartz IV ab 1. Januar 2005 Aufgabe der Arbeitsgemeinschaften oder der optierenden Kommunen ist. Aber auch hier hat sich unsere Fraktion überzeugen lassen, dass eine Übergangsregelung gefunden werden muss, damit diese Betroffenen auch weiterhin versorgt sind.