Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Bereich. Lösen Sie sich ein wenig von den Konsultationskindergärten, und fordern Sie Ihre Fraktion auf - eigentlich fordere ich alle dazu auf -, in die Kitas zu gehen und sich anschauen, wie die Zusammenarbeit mit der Grundschule funktioniert. Ich habe im letzten Herbst etwa 20 Kitas besucht.

(Bernd Althusmann [CDU]: Mehr nicht?)

- Sie arbeiten da, ich besuche sie nur. - Sie werden sehen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Kitas und den dazugehörigen Grundschulen nicht dadurch verbessert worden ist, dass Sie entsprechende Vorgaben in Gesetzesform gekleidet haben. Leider hat sich insoweit noch nicht viel getan. Es wird nach wie vor beklagt, dass zu wenig Zeit zur Verfügung steht. Es ist richtig, dass Sie Stellen zur Verfügung gestellt haben. Nur können die Stellen, die Sie zur Verfügung gestellt haben, aufgrund von Krankenständen, von Absentismus und von schlichtem Verzicht auf Bereitstellung leider nicht in dem Umfang für die Zwecke genutzt werden, für die sie gedacht waren. Es wird beklagt, dass nicht auf Augenhöhe zusammengearbeitet werde. Ich zeichne hier ein Bild, das leider immer noch sehr realistisch ist. Aber wenn wir eine Klammer ziehen: Sie wollten ja Lob haben. Jetzt haben Sie es gekriegt.

(Beifall bei der CDU)

Die Entwicklung geht weiter, und wir werden Sie dabei positiv begleiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war fast ein bisschen zu viel Lob!)

Frau Kollegin Vockert, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es sind zwei Punkte, die ich noch ganz kurz ansprechen möchte. Frau Janssen-Kucz, ich fühle mich wirklich nicht dadurch in die Ecke gedrängt, dass

Sie hier versuchen, sich als Anwältin der Kinder hervorzutun. Diese Landesregierung ist der eigentliche Anwalt der Kinder. Das beweist die Kindergartenpolitik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der zweite Punkt. Die SPD-Fraktion hat hier überhaupt nichts zum Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen gesagt. Sie ist überhaupt nicht auf unseren Änderungsvorschlag eingegangen. Daraus habe ich für mich die Erkenntnis gezogen: Die SPD hat begriffen - da muss ich mal ein Lob aussprechen -, dass sie nicht um die Standards fürchten muss. Ich vermute, dass Sie, meine Damen und Herren von der SPD, das sehr genau wissen, weil Sie einmal die Erfahrung gemacht haben. Wir werden mit Sicherheit diesen Fehler nicht machen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Voigtländer, Sie sprechen beim kommunalen Finanzausgleich insgesamt von den Finanzen. Ich will Ihnen zum Abschluss eines deutlich machen - auch das gehört leider zum Thema Kindergartenpolitik -: Jeden Tag zahlen wir 7 Millionen Euro Zinsen. 7 Millionen Euro! Das haben nicht wir, das hat nicht die jetzige Landesregierung verursacht. Von 7 Millionen Euro täglich könnten wir jeden Tag, wenn sie dann noch gebraucht würden, mindestens zwei Kindertagesstätten bauen. Wir könnten im Bereich der Tagespflege etwas machen. Wir könnten etwas in der Tagesbetreuung machen, die qualitativ ausgebildeten Erzieherinnen höhergruppieren, und und und.

Diese Chancen, meine Damen und Herren von der SPD, haben Sie uns genommen. Mir ist das heute wieder deutlich geworden. Sie versuchten von dem Thema abzulenken. Stimmen Sie alle unserem Antrag zu. In dem Moment geht es für die Kindergartenpolitik konstruktiv nach vorne.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.

Die Gegenprobe! - Das Erste war die Mehrheit. Der Empfehlung des Ausschusses ist gefolgt worden.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 9: Zweite Beratung: Eigenverantwortliche Entscheidung der Eltern erhalten - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/1341 Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 15/1473

Die Beschlussempfehlung des Kultusausschusses in der Drucksache 1473 lautet auf Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Als Erster hat Herr Meinhold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hinter dem Satz „Der Kultusausschuss empfiehlt dem Landtag, den Antrag abzulehnen“, nämlich den freien Elternwillen bei der Entscheidung über die Schullaufbahn ihrer Kinder nicht anzutasten, steckt die Mutlosigkeit der CDU.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Sie hätte allemal die Möglichkeit gehabt, die Aussage des Kultusministers, der sich hier in der Beratung deutlich dafür ausgesprochen hat, § 6 nicht anzutasten - er hat es auch nicht vor -, noch einmal vonseiten der Fraktion als Teil des Landtages und damit auch als Teil des Gesetzgebers deutlich zu unterstreichen. Es war ein Einknicken vor der FDP, die aus meiner Sicht eine unverantwortliche Debatte zu diesem Thema zu einem Zeitpunkt vom Zaune gebrochen hat, der gegen die Eltern geht und nur der eigenen Profilierung dienen sollte.

Warum hat sich der Kultusminister in aller Klarheit zu § 6 bekannt? Das hat er in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen zum Thema „Schulpolitik gegen den Willen der Eltern“ deutlich gemacht, die im letzten Jahr diskutiert worden ist. Der Kultusminister hat eine Aussage gemacht, die hier im Parlament teilweise untergegangen ist, die aber bemerkenswert war und richtig ist. Er hat gefragt: Machen die Lehrer, wenn sie die Entscheidung treffen können, alles richtig? Seine Antwort: Es ist

bekannt, dass dabei manchmal auch Standortbelange mit eine Rolle spielen!

Herr Minister, es ist genau eine richtige Einschätzung. Sie ist in dem Gutachten bestätigt worden, dass sie dann zum Thema der Orientierungsstufe zitiert haben, dass auch Lehrerentscheidungen, so gut sie sein mögen, auch von Faktoren beeinflusst werden, die nicht nur etwas mit dem Kind zu tun haben. Das ist übrigens keine Kritik an Lehrern. Das ist normal. Das ist menschlich. Denn wir haben dort keine Automaten.

Weil wir das wissen, muss man und soll man in aller Klarheit sagen, die Eltern haben dann, wie es in § 6 steht, die eigentliche, letztendliche Entscheidung. Dies nimmt die FDP nicht zur Kenntnis. Für die FDP liegt etwas Anderes vor. Wenn § 6, so wie er dort steht, von den Eltern nicht im Sinne der Übernahme der Empfehlung der Schule erfüllt wird, dann liegt ein Missstand vor. Herr Schwarz, es ist unglaublich, dass Sie, wenn § 6 nicht so erfüllt wird, wie Sie das wollen, es als einen Missstand bezeichnen. Warum haben wir das denn so in das Gesetz hineingeschrieben? Die Begründung habe ich eben kurz vorgetragen. Die hat der Minister geliefert.

So kann man mit der Frage nicht umgehen, dass man sagt, wenn die Empfehlung der Schule mit der Entscheidung des Elternhauses nicht übereinstimmt, dann liegt ein Missstand vor. Nein, dann liegt etwas vor, worüber man ernsthaft nachdenken muss. Deshalb, Herr Schwarz, gibt es in dieser Frage keine Denkverbote.

(Ursula Körtner [CDU]: Eben! Das sa- gen wir doch!)

Sie schlagen folgende Lösung vor, ganz einfach. Die Differenz zwischen der Empfehlung der Schule und dem Wunsch der Eltern des Kindes muss dieses Kind durch Diktate oder andere Übungen beweisen, ob es tatsächlich entsprechend dem Elternwunsch gegen die Empfehlung weitergeht.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das geht nicht aus der Schule heraus!)

- Das ist eine Möglichkeit der Lösung. Es gibt aber eine ganz andere. Die Frage ist: Haben wir die Kinder in den Jahren eins bis vier in der Grundschule genügend gefördert? Ist man möglicherweise auf Probleme, die sich auch aus der familiären Lage ergeben können, angemessen eingegangen, d. h. also, nicht ein Diktat oder eine andere

Übungs- oder Prüfmaßnahme in der Geschichte müsste von Ihnen diskutiert werden, sondern umgekehrt: Wenn Sie vom Wohl des Kindes ausgehen, dann heißt „Wohl des Kindes“, was wir dafür tun können.

(Beifall von Ina Korter [GRÜNE])

Eine solche Maßnahme, wie Sie sie vorschreiben, hat damit nichts zu tun. Das heißt in aller Klarheit, Sie denken in die falsche Richtung.

(Zustimmung von Wolfgang Jüttner [SPD] und von Ina Korter [GRÜNE])

Sie haben aber auch deutlich gemacht, warum Sie in die falsche Richtung denken. Sie sprechen davon, dass es die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer ist, sich um die Schwächsten zu kümmern. Wenn man das dann aber macht, dann bremst das. Sie empfinden das Sich-Kümmern um Kinder in einer heterogenen Lerngruppe als Bremsen. Was ist das eigentlich für eine pädagogische Anschauung?

(Beifall bei der SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Nach der vierten Klasse! Wer wird gebremst?)

- Ja, nach der vierten Klasse. Davon rede ich jetzt. Nach der vierten Klasse! Wir wissen aus allen Untersuchungen, dass man in heterogenen Lerngruppen besser lernen kann. Das heißt aber, dass trotzdem in heterogene Lerngruppen zusätzliche Fördermaßnahmen gehören. Das ist die Crux, das Kreuz Ihrer Entscheidungen. Wer der Meinung ist, dass man Kinder nach Klasse 4 in verschiedene Schulen aussortieren muss, muss wissen, dass da immer etwas schief geht. Wenn man etwas versuchen und einigermaßen klar kommen will, damit Ihre Maßnahme nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird, dann muss eine andere Entscheidung kommen.

Deshalb zum Schluss, lieber Karl-Heinz Klare: Auch Sie haben sich nicht in der Rede so eindeutig ausgesprochen, den Elternwillen nicht anzutasten. Es gibt in der Rede einen Freudschen Versprecher. Er lautete: „Wir werden möglicherweise die Anregung des Herrn Schwarz vertraulich erörtern.“

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Nein, nein!)

In einem späteren Nachsatz hat er gesagt: Nein, ich meinte nicht vertraulich, sondern vertrauensvoll. Genau da ist deutlich geworden, dass die beiden Landtagsfraktionen, welche die Regierung tra

gen, nicht so entschieden sind, den Elternwillen bei der Schullaufbahnempfehlung nicht anzutasten. Sie lassen es am Ende offen. Wir als SPDFraktion sagen in aller Klarheit: Liebe Eltern, ihr könnt euch darauf verlassen, dass das Elternrecht und damit die zentrale Frage der Verantwortung, wer die Schullaufbahn für das Kind verantwortlich zu bestimmen hat, bei euch, den Eltern, liegt. Daran gibt es nichts zu rütteln.

Sie haben sich vor dieser Entscheidung gedrückt. Deshalb ist dieser lapidare Satz: „Der Kultusausschuss empfiehlt, diesen Antrag abzulehnen“, ein Ausdruck der Mutlosigkeit und, sehr geehrter Herr Klare, ich sage sogar, der Feigheit der CDU, wenn es darum geht, der FDP zu zeigen, wo die CDU nach allen Dokumenten in der Frage des Elternwillens ihre klare Linie hat.

(Beifall bei der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Aber wenig Applaus!)

Für die CDU-Fraktion Herr Kollege Klare, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gesetzeslage war vor dem Antrag und ist jetzt in der Beratung sehr eindeutig: Der Elternwille ist frei. Insofern, lieber Herr Meinhold, trotz aller Bemühungen, noch einmal Begründungen anzuführen, bleibt es ein rein taktischer Antrag, der gestellt worden ist. Ein rein taktischer Antrag! Sie können das machen, so oft Sie wollen. Aber ich weiß nicht, ob man sich in einer Frage, bei der es um so sensible Themen wie Erziehungsrecht von Eltern geht, auf Taktik einstellen sollte. Ich halte viel davon, bei diesem Thema konstruktiv etwas zu unternehmen. Aber dieser Antrag ist, wie gesagt, parteipolitisch motiviert, und das hat mich schon etwas betroffen gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Walter Meinhold [SPD]: Lang anhal- tender Beifall!)