Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

14 Tage vor Aschermittwoch könnte man zwar meinen, dass dieses Thema karnevalistisch aufgearbeitet werden müsste. Da ich mich aber zum Büttenredner überhaupt nicht eigne,

(Ursula Körtner [CDU]: Doch! - Bernd Althusmann [CDU]: Sie sind auf dem Weg dahin!)

will ich Ihnen nur sagen, wie es bei mir angekommen ist.

Zunächst gab es „Hilfspolizei, die Erste“. Es trat auf ein FDP-Abgeordneter, der im Landtag durch den Hinweis aufgefallen ist: „Und wir geben den Niedersachsen die Freiheit zurück“ - mit Hilfspolizei!

(Beifall bei der SPD)

Dann kam „Hilfspolizei, die Zweite“. Es trat auf der Niedersächsische Innenminister, der dem FDPAbgeordneten nicht schnell genug hinterhereilen konnte und deshalb Eckpunkte für eine Hilfspolizei aufstellte. Dazu sagte er dann noch: „Die Kommunen warten ja darauf, dass ich ihnen endlich die Möglichkeit gebe.“

Dann kam „Hilfspolizei, die Dritte“. Es traten auf die vom Innenminister benannten Kommunen und sagten: „Wir wussten noch gar nicht, dass wir daran Interesse haben.“

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dann, meine Damen und Herren, kam „Hilfspolizei, die Vierte“. Es trat auf der Fraktionsvorsitzende der FDP und brachte zum Ausdruck: „Mit uns ist so etwas überhaupt nicht zu machen.“

Schließlich kam „Hilfspolizei, die Fünfte“. Es trat erneut auf der Innenminister und sagte: „Ich bin da ja gesprächsbereit, z. B. bezüglich der Ein-EuroJobs. Das ist aber nicht meine Idee gewesen, sondern das haben andere ins Gespräch gebracht.“

Meine Damen und Herren, man kann mit diesem Thema so umgehen. Ich sage Ihnen etwas Ernsthafteres dazu: Der Schriftzug „Polizei“ ist in Niedersachsen ein Gütesiegel,

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP)

an dem die Bürgerinnen und Bürger ausgebildete Fachkräfte erkennen können, die in einem dreijährigen Fachhochschulstudium und häufig auch durch einige Fortbildungsveranstaltungen auf den Einsatz vorbereitet worden sind. Vor diesem Hintergrund wäre es eine Verschaukelung der Bürgerinnen und Bürger, wenn jetzt Freiwillige nach einwöchigen Schnellkursen als Polizei auftreten würden. Meine Damen und Herren, wo Polizei drauf steht, da muss auch in Zukunft Polizei drin sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ernst- August Hoppenbrock [CDU])

Ich habe übrigens überhaupt nichts dagegen - Herr Schünemann, Sie haben das gerade auch gesagt -, wenn die Kommunen mit eigenem Personal für Ordnung sorgen, wenn engagierte Bürger aufpassen und der Polizei Meldung machen. Aber dafür braucht man keine solche Einrichtung, wie Sie sie planen.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich nur noch mit einem Punkt auseinander setzen, weil ich sonst meine Redezeit überschreite. Wenn die FDP-Fraktion nun meint, mit dem Zurückweisen dieses Vorschlages liberales Gewissen darstellen zu können, dann darf ich Sie auf das hinweisen, was Sie in Niedersachsen schon alles mit beschlossen haben: u. a. den präventiven Lauschangriff,

(Jörg Bode [FDP]: Das ist nicht wahr!)

von dem Ihre eigene Bundestagsfraktion gesagt hat, dass man so etwas nicht tun sollte. Also glauben Sie ja nicht, dass Sie da herauskommen, indem Sie mit solchem liberalen Scheingefecht den Eindruck erwecken, Sie seien das liberale Gewissen. Das haben Sie verwirkt. Und wenn Sie das nicht glauben, dann sehen Sie sich einmal an, was der Datenschutzbeauftragte heute dazu angemerkt hat.

Lassen Sie mich abschließend aus der Celleschen Zeitung zitieren:

„Was ist daran neu und bemerkenswert? Nichts, außer dem mehr Sicherheit vorgaukelnden Begriff von der ‚freiwilligen Wachpolizei‘. Dass friedliebende Menschen, die sich an Recht und Gesetz halten, Straftaten melden, dürfte zu den Selbstverständlichkeiten in einem zivilisierten Zusammenleben gehören. Das Recht und sogar die Pflicht, der Polizei zu helfen, hat bereits jetzt jeder.“

Ein letztes Zitat: Auf einem Neujahrsempfang hat ein auch der FDP bekannter Generalstaatsanwalt zu diesem Thema gesagt, das erinnere ihn an Blockwartmentalität.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Biallas, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich doch sehr über das, was Sie formuliert haben, gewundert: „Bürgerwehr oder Bürgergesellschaft - wie liberal ist Niedersachsen?“ - Ich fragte mich: Woher kommt eigentlich der Begriff „Bürgerwehr“? - Herr Minister Schünemann hat ihn nicht verwendet, Herr Bode hat ihn nicht verwendet, Herr Rösler hat ihn nicht verwendet, und ich habe ihn auch nicht verwendet.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Da wäre ich mir nicht so sicher! - Thomas Opper- mann [SPD]: Aber alle haben daran gedacht, stimmt‘s?)

Niemand, der bisher über das Thema geredet hat, hat von „Bürgerwehr“ gesprochen. Das ist auch gut so; denn genau das wollen wir nicht, im Gegenteil: Wir wollen verhindern, dass es in Niedersachsen Bürgerwehren gibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte nicht wiederholen, was der Innenminister hier schon deutlich gesagt hat. Aber damit wir wieder auf den Teppich kommen: Es geht überhaupt nicht darum - Herr Bartling, da haben Sie ja völlig Recht -, das Gütesiegel „Polizei“ zu relativieren. Es ist ausdrücklich gesagt worden,

dass es sich nicht um Polizeidienst und auch nicht um Polizeiersatzdienst handelt, sondern dass es darum geht, bürgerschaftliches Engagement zu nutzen, um die Polizei zu unterstützen und um polizeiliche Tätigkeiten zu ergänzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das wurde deutlich gesagt. Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie bei diesem Thema solch ein Theater machen.

Ich kann mir höchstens vorstellen, dass das Ihre neue Oppositionsstrategie ist. Dann hätten Sie sich damit verraten. Das kann man natürlich machen: ein Problem sozusagen jeden Tag schärfer herbeireden und überhöhen, um sich anschließend an die Spitze der Bewegung derjenigen zu setzen, die dieses Problem mit Nachdruck bekämpfen. Das kann Ihre neue Oppositionsstrategie sein, herzlichen Glückwunsch! Aber sie ist durchschaut.

(Zustimmung bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Ist dir das selber ein- fallen? - Nein!)

Meine Damen und Herren, wenn wir in Niedersachsen etwas völlig Neues planten, dann müsste man in der Tat so engagiert darüber reden, wie Sie es angefangen haben. Es gibt aber in ganz Deutschland genug Beispiele aus vielen Bundesländern, in denen das längst praktiziert wird. Der Innenminister hat klar gesagt: Wir wollen bei weitem nicht so weit gehen wie Hessen. Ich füge hinzu, damit das auch einmal thematisiert wird: In Berlin - und da regiert Rot-Rot - gibt es eine Hilfspolizei, und die ist sogar bewaffnet.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Wir hingegen unterhalten uns über bürgerschaftliches Engagement. Herr Bartling, bei aller Liebe: Sorgen Sie doch erst einmal dafür, dass sich das in Berlin ändert. Dann dürfen Sie hier auftreten und uns Empfehlungen geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiner Bartling [SPD]: Darauf habe ich keinen Einfluss!)

Ich will gerne zugeben - das ist ja Ihr eigentliches Motiv -, dass aufgrund des permanenten Durcheinanders von allen Seiten nicht unbedingt deutlich wurde, worum es eigentlich geht. Die Vermittlung des Sachverhaltes - das will ich selbstkritisch sagen - muss noch verbessert werden. Wir wollen ja nicht daran vorbeireden.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Ach! - Wal- ter Meinhold [SPD]: Aber nicht nur an dieser Stelle!)

Aber Sie wissen doch, dass an dem ganzen Zirkus, den Sie hier veranstalten, außer der Wortwahl nichts dran ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Deswegen freue ich mich, dass es durchaus auch in Ihren Kreisen, Herr Kollege Gabriel - -

(Sigmar Gabriel [SPD]: Warum hat denn die FDP so gespitzt reagiert?)

- Das müssen Sie die FDP fragen.

(Lachen bei der SPD - Sigmar Gabriel [SPD]: Das stimmt, keine Frage!)

- Herr Kollege Gabriel, wenn ich Sie etwas fragen will, frage ich ja auch nicht die Grünen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will noch etwas ganz Aktuelles erwähnen. Über Ihren geschätzten Genossen Bürgermeister aus Peine - er ist wohl von der SPD, das ist immer so gewesen

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das bleibt üb- rigens auch so! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Das wollen wir mal abwarten!)

- jeder schafft und erhält sich eine Insel der Glückseligkeit - lese ich heute: „Prüfauftrag: Die Stadt liebäugelt mit der Bürgerstreife. Bürgermeister Willenbücher präsentiert im Sommer der Politik die Rahmenbedingungen.“ Der Bürgermeister ist also schon weiter als wir.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Auch das ist nicht schwer!)