Es gibt in unserer Gesellschaft nun einmal Diskriminierungen. Diskriminierungen finden jeden Tag statt. Sie sind zwar kein Massenphänomen, für die Betroffenen sind sie aber umso schlimmer. Auch Sie wissen doch, dass Rollstuhlfahrer in Hotels keine Zimmer bekommen, weil man den anderen Gästen ihren Anblick nicht zumuten will, oder dass es Urteile gibt, die eine Reisepreisminderung vorgesehen haben, weil behinderte Menschen am Nachbartisch ihre Mahlzeiten eingenommen haben. Gerade heute erst hat sich der Behindertenbeauftragte dieses Landes, Herr Finke, ausdrücklich für dieses Gesetz ausgesprochen.
Sie wissen doch auch, dass es Altersdiskriminierung gibt. Älteren Menschen werden Dispokredite gekündigt, ohne dass es dafür irgendeinen sachlichen Grund gibt, außer ihrem Alter. Frauen verdienen immer noch 30 % weniger als Männer. Homosexuelle bekommen keine Lebensversicherung.
Wollen Sie mir sagen, dass in diesem Land nicht diskriminiert wird? Das können Sie nicht; denn Beispiele dafür gibt es. Wollen Sie, dass das so bleibt, weil Sie gegen ein Gesetz sind, dass den betroffenen Menschen ihre Rechte zurückgibt?
Wir mussten leider damit rechnen, dass Sie hier apokalyptische Horrorszenarien an die Wand malen. Diese entbehren aber jeder Grundlage. Bleiben Sie doch auf dem Teppich!
Es geht nicht um gefühlte Diskriminierung, sondern um tatsächliche Diskriminierung. Die muss - Stichwort „Beweislastumkehr“ - nachgewiesen werden. Dies gilt auch nicht im privaten Geschäft, sondern nur bei Massengeschäften. Ansonsten wird die EU-Richtlinien 1 : 1 umgesetzt. Dagegen können Sie doch wirklich nichts haben!
Ich sagen Ihnen: Wer die Betroffenen nicht vor Diskriminierung schützen will, der will einfach nur, dass weiterhin diskriminiert werden kann. So einfach ist das, meine Damen und Herren.
Das Modell einer freien Gesellschaft, Herr Rösler, teile ich mit Ihnen ganz unbedingt. Ich sage Ihnen aber eines: Freiheit gilt immer für alle. Wer Menschen diskriminiert, schließt sie aus und nimmt ihnen ihre Freiheit. Oder, um es frei nach Rosa Luxemburg zu sagen: Freiheit ist vor allen Dingen immer die Freiheit der anderen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien - Bundestagsdrucksache 15/4538 -, über den wir heute reden, umfasst 56 eng bedruckte Seiten. Der Gesetzentwurf ist eine ausgesprochen schwer verständliche Lektüre. Er trägt vor allem die grüne Handschrift, und gerade das macht ihn so besonders unverständlich. Was Justizministerin Frau Zypries davon hält, wissen alle Beteiligten, das wissen vor allem die Sozialdemokraten.
Frau Helmhold hat vorhin den Artikel 3 unseres Grundgesetzes angesprochen. Genau da liegt das Problem dieses Gesetzentwurfs: Das, was darin geregelt werden soll - und leider wird weit über das Ziel hinausgeschossen -, ist bereits in Artikel 3 unseres Grundgesetzes geregelt, in einem Artikel mit drei kurzen Absätzen.
Es ist richtig, dass mit diesem Gesetzentwurf EURichtlinien umgesetzt werden sollen. Die EU sagt, dass ein Diskriminierungsverbot in den Bereichen Rasse und ethnische Herkunft nationalstaatlich geregelt werden müsse. Der Bund erweitert diese beiden Vorgaben allerdings um die Tatbestände Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht.
Meine Damen und Herren, bei allen vier Fraktionen in diesem Hause ist völlig unumstritten, dass wir uns dem Schutz von Minderheiten in Deutschland besonders widmen und dass wir die tagtägliche Diskriminierung, die es natürlich gibt, abbauen müssen. Es gibt aber einen Unterschied zwischen der bürgerlichen Hälfte und der linken Hälfte in diesem Hause: Aus unserer Sicht ist es eine Utopie zu glauben, eine oft ungerechte Welt mit un
gerechten und intoleranten Menschen durch Dutzende neuer Paragrafen gerechter machen zu können. Das funktioniert nicht!
Aus meiner Sicht sind es im Wesentlichen vier Gründe, die gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung sprechen:
Erstens. Das Antidiskriminierungsgesetz ist in Wirkung und Absicht im Ergebnis ein Bevormundungsgesetz. Es greift tief in die Vertragsfreiheit und in die Eigentumsrechte der Bürgerinnen und Bürger ein.
Es ist unserer Vertragsfreiheit nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch gerade fremd, dem Einzelnen vorzuschreiben, welche Gesichtspunkte für den Abschluss oder die Gestaltung eines Vertrages maßgeblich sein dürfen. Mit unserem Verständnis von Vertragsfreiheit und sozialer Marktwirtschaft ist dieses Gesetz nicht vereinbar.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ist denn Ihr Verständnis mit dem Grundgesetz vereinbar?)
Zweitens. Es ist völlig unbestritten, dass die Wirtschaft in Deutschland bereits jetzt unter rechtlichen Hürden, Bürokratielasten und Rechtsunsicherheiten leidet. Dieses Antidiskriminierungsgesetz wird aber noch mehr Probleme schaffen. Im Ergebnis wird - das hat der Kollege Rösler zu Recht gesagt gerade bei Mittelständlern die Bereitschaft sinken, Arbeitsplätze anzubieten und Wohnungen zu bauen. Das nutzt im Ergebnis niemandem.
Ich zitiere an dieser Stelle gern den Präsidenten der Handwerkskammer Lüneburg-Stade, Gernot Schmidt. Er sagte wörtlich: „Das Absurde an diesem Gesetz ist, dass es selbst diskriminierend wirkt. Wieder einmal wird gerade der Mittelstand benachteiligt.“ - Dagegen sind wir!
Drittens, rechtstechnisch gesehen. Die Vielzahl der Diskriminierungstatbestände und auch ihrer Ausnahmen, die Umkehr der Beweislast, die Haftung für Drittverschulden und die umfassenden Klagemöglichkeiten für Interessenverbände schaffen im
Viertens. Dieses Gesetz schafft zusätzliche Bürokratie. Neben den bereits eingeführten Stellen beim Bund, die sich um die Antidiskriminierung kümmern, soll eine Antidiskriminierungsstelle beim Familienministerium geschaffen werden. Die Kosten belaufen sich auf 5,6 Millionen Euro jährlich. Bei der Antidiskriminierungsstelle soll ein 16köpfiger Beirat eingerichtet werden. Die Antidiskriminierungsverbände als Abmahnvereine - Kollege Rösler ist auf den „Ablasshandel“ bereits eingegangen - sollen das Verbandsklagerecht auf breiter Ebene durch Betriebsräte und Gewerkschaften in die Wirtschaft einführen. Unser Wirtschaftsminister Walter Hirche hat diesen Gesetzentwurf zu Recht als „bürokratisches Monstrum“ bezeichnet. Recht hat er!
Meine Damen und Herren, der Schutz von Minderheiten und die Verbesserung ihrer Lage, der Abbau von Diskriminierung im täglichen Alltag sind richtig und wichtig; das ist auch ein gemeinsames Anliegen aller vier Fraktionen in diesem Hause. Das Antidiskriminierungsgesetz allerdings gibt nicht die richtigen Antworten darauf. Die Bundesregierung muss einen praxistauglichen Gesetzentwurf vorlegen. So jedenfalls ist es mit uns nicht zu machen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr McAllister, ich finde, im Vergleich zu den Äußerungen des neu gewählten CDU-Generalsekretärs Kauder zum Antidiskriminierungsgesetz haben Sie eine vergleichsweise sachliche Rede gehalten. Gleichwohl ist das, was Herr Kauder gesagt hat, für Sie trotzdem ein Problem, denn dieser Mann ist der neue CDU-Generalsekretär, und er hat gesagt: Früher sei es auf die richtige Rasse angekommen. Später in der DDR sei die richtige Klasse propagiert worden. Dann sei es um die richtige Hautfarbe gegangen. Jetzt erleben wir: Es muss einer die korrekte politische Einstellung haben.
Meine Damen und Herren, wer die Rassendiskriminierung der Nazis auf eine Stufe mit dem Bemühen um politische Korrektheit im demokratischen Deutschland stellt, der hat jegliche Trittsicherheit verloren, wenn es darum geht, zwischen Gut und Böse sowie zwischen Richtig und Falsch zu unterscheiden.
Das ist eine so krasse politische Fehleinschätzung, dass ich dazu von Ihnen, Herr McAllister - Sie sind doch mutig und lassen nichts unkorrigiert im Raume stehen -, noch eine Äußerung erwarte. Ich glaube nämlich nicht, dass Sie die Auffassung von Herrn Kauder teilen. Aber sie steht hier im Raum, und Sie haben sich davon bisher noch nicht distanziert.
Wenn Sie jetzt mir vorwerfen wollen, dass ich politische Korrektheit durchsetzen will: Die Probleme, die dann kommen, weil die Junge Union in Mecklenburg-Vorpommern den Herrn aus Hessen einlädt
- Hohmann heißt er; ich hatte den Namen schon vergessen; aber die Junge Union hat ihn wieder auf die Tagesordnung gesetzt -, haben Sie selbst. Die müssen Sie auch selbst lösen.
Nun zum Antidiskriminierungsgesetz. Es wird befürchtet, dass den Arbeitgebern vorgeschrieben wird, wen sie einzustellen haben. Das war ja die Sorge von Herrn Rösler. Herr Rösler, Sie haben gesagt, dass insbesondere wegen der Beweislastumkehr große Bürokratie gefürchtet werden muss. Ich möchte Ihnen dazu etwas aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch vorlesen, und zwar aus dem § 611 a. Darin ist vorgeschrieben, dass Arbeitgeber jegliche Geschlechterdiskriminierung bei Einstellungen, Beförderungen oder Kündigungen zu unterlassen haben. Weiter heißt es:
„Wenn im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf das Geschlecht bezo
Wissen Sie, wer das Gesetz gemacht hat? - Das wurde unter der Regierungsverantwortung von CDU und FDP verabschiedet, als in den 80er-Jahren eine der frühen Antidiskriminierungsrichtlinien in der EU umgesetzt wurde. Stehen Sie denn zu Ihren eigenen politischen Handlungen? - Das ist der Grundgedanke des Antidiskriminierungsgesetzes.
Er wird allerdings - ich gebe Ihnen Recht - weiter ausgeführt. Diese Vorschrift hat nicht verhindert - das ist das Argument, das die Wirksamkeit des Antidiskriminierungsgesetzes relativiert -, dass in Deutschland Frauen für gleichwertige Arbeit im Durchschnitt 30 % weniger Entgelt bekommen als Männer, meine Damen und Herren. Das ist doch eine gigantische gesellschaftliche Diskriminierung. Sie wollen doch eine familienfreundliche Politik. Dazu gehört, dass Frauen für gleiche Arbeit gleiches Geld bekommen, oder nicht?
Herr McAllister, ich teile Ihre Einschätzung, dass Toleranz nicht allein durch Gesetze erreicht werden kann. Aber sagen Sie doch einmal: Was machen Sie mit Ihrer Politik eigentlich dafür, dass wir ein tolerantes weltoffenes Niedersachsen haben? Glauben Sie etwa, dass die Demontage der Stellen der Frauenbeauftragten die Diskriminierung von Frauen reduziert? Glauben Sie etwa, dass die Streichung des Blindengeldes die Diskriminierung von Blinden verhindert?