Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der graue Alltag hat Sie eingeholt. Ihr entsprechender Jubelartikel aus dem Oktober 2003 ist inzwischen aus dem Internet getilgt.

Kommen wir zu den Ursachen. Mit Beginn des Jahres 2004 hat diese Landesregierung alle Neubauinvestitionen eingestellt - angeblich, um den Haushalt zu konsolidieren. Wir haben unterschiedliche Auffassungen darüber, wie sich ein Staat verhalten soll. Ein Staat kann sich nicht so verhalten wie ein Familienvorstand. Dieser kann nämlich sparen, weil er nur an sich und seine Familie denken muss. Ein Staat darf nicht nur an seinen Haushalt denken, er muss auch an die Verkäufer und Auftragnehmer denken. Er hat Verantwortung für die Volkswirtschaft und nicht nur für die Betriebswirtschaft. Investitionen sind der beste Anschub für eine Volkswirtschaft. Diese darf man nämlich nicht bremsen, sondern man muss sie ankurbeln, wenn es ihr so geht wie unserer. Dieser Volkswirtschaft fehlt momentan die Nachfrage.

(Thorsten Thümler [CDU]: 20 Jahre Erfolg! - Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU])

- Die SPD-Landesregierung hat bei ihrer Regierungsübernahme schon 20 Milliarden DM Schul

den übernommen. Das ist ungefähr die Hälfte der Schulden, die wir heute haben.

(Widerspruch bei der CDU)

Für die letzten 5 Milliarden sind schon Sie verantwortlich.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Lesen Sie es doch nach. Es gefällt Ihnen nicht, wenn man das sagt. Aber das gehört hier auch einmal auf den Tisch.

(Anneliese Zachow [CDU]: Es müsste nur richtig sein! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Hören Sie doch einmal zu. - Sie haben ein massives Problem bei der Arbeitslosigkeit, weil sich entgegen den letzten Jahren unter der SPD-Landesregierung die Beschäftigung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt nicht positiver, sondern negativer entwickelt. Das bleibt festzuhalten, und das ist Ihr massives Problem. Darunter leiden viele Menschen.

Im Haushalt 2005 - jetzt kommen wir zum Thema treiben Sie diese falsche Politik auf die Spitze. Das manifestiert sich am ehesten bei der Städtebauförderung. Frau Polat hat schon darauf hingewiesen, dass städtische Viertel mit Aufwertungsbedarf einen Zuschuss vom Bund, vom Land und von den Kommunen in jeweils gleicher Höhe erhalten. Der Zuschuss sollte sich für dieses Jahr auf 58 Millionen Euro belaufen.

Das Frappierende an dieser Städtebauförderung ist die Anstoß- und Beispielwirkung. Mittel der Städtebauförderung bewirken Folgeinvestitionen bis zum Achtfachen jedes öffentlich eingesetzten Euros.

(Thorsten Thümler [CDU]: Das ist aber bekannt!)

Diese Landesregierung und die Landtagsmehrheit verzichten auf diese Folgeinvestitionen.

(Der Präsident bemerkt Filmaufnah- men auf einer Besuchertribüne)

Herr Harden, einen Augenblick bitte. - Meine Damen und Herren, die Bevölkerung soll so weit wie

möglich über die Arbeit des Landtags unterrichtet werden. Aber es gibt Sitten in diesem Hause. Deshalb bitte ich den Kameramann, die Zuschauertribüne zu verlassen.

Herr Harden, bitte!

Es wären also 450 Millionen Euro Investitionen zu erwarten, natürlich nicht nur in 2005, sondern auch in den Folgejahren 2006 und 2007. Die Folge dieser Fehlentscheidung wirkt sich nicht sofort, sondern erst zeitversetzt aus.

Um 18 Millionen Euro im Jahr 2005 zu sparen, verzichten Sie auf 450 Millionen Euro Investitionen in die niedersächsische Volkswirtschaft und auf rund 180 Millionen Euro Einnahmen an Steuern und Sozialbeiträgen. Außerdem könnten die sozialen Leistungen um 116 Millionen Euro sinken. Ihre falsche Entscheidung, die Städtebauförderung auszusetzen, kostet das Land zudem rund 5 000 Arbeitsplätze. Damit wären wir wieder am Anfang der Diskussion.

Der Ministerpräsident hat vorhin gesagt, jede Zuckerfabrik habe Auswirkungen in Höhe von 100 Millionen Euro auf die Nachbarschaft. Wir haben sechs solcher Fabriken im Land. Ich stimme ihm zu, dass wir alles tun müssen, um die Zuckerfabriken zu erhalten und zu unterstützen, damit die positiven Ausstrahlungen in der Höhe gesichert werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Was aber für diese 600 Millionen Euro gilt, das muss auch für jene 450 Millionen Euro in der Städtebauförderung gelten. Deswegen wäre es richtig, Sie würden Ihre Fehlentscheidung überdenken und die Mittel wieder zur Verfügung stellen.

(Zustimmung bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: So sind wir auch zu den Schulden gekommen!)

- Die Schulden entstehen, weil der Staat zu wenig Einnahmen hat. Das können Sie doch nicht mit Ausgabenkürzungen gesunden, Herr Rolfes. Da liegt doch Ihr Denkfehler. Sie müssen die Einnahmen verbessern und dürfen nicht die Ausgaben reduzieren.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜ- NE])

Sie haben in dieser Frage ein massives Denkproblem.

(Heinz Rolfes [CDU]: Sie haben ein Problem mit dem Ergebnis, das Sie abgeliefert haben!)

Das Land hat doch ein Problem bei den Einnahmen und kein Problem bei den Ausgaben. Würden Sie bei den Subventionskürzungen mitmachen, hätten wir geringere Probleme in diesem Bereich.

(Heinz Rolfes [CDU]: Die sind völlig gescheitert!)

Das bewährte Instrument Städtebauförderung mit seiner ungeheuren Investitions- und Arbeitsplatzwirkung muss gestärkt und darf nicht geschwächt werden. Gehen Sie mit sich zurate, ändern Sie Ihre Haltung, und der Arbeitsmarkt und die Kommunen werden es Ihnen danken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat nun die Abgeordnete Meißner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es klasse, dass eine solche Stimmung aufgekommen ist, obwohl der Saal vergleichsweise leer ist - Herr Harden, das war schon etwas -; denn Städtebauförderung ist ein wichtiges Thema.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt aber zu dem, was hier gesagt wurde. Ich beginne mit Herrn Harden. Sie haben gesagt, wir hätten ein Denkproblem. Meines Erachtens haben wir kein Denkproblem; das kann man auch beweisen. Sie sprachen auch von negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung und nannten die Zahl von 5 000 Arbeitsplätzen, die verloren gehen. Ich frage Sie, woher Sie diese Zahl haben.

(Uwe Harden [SPD]: Die ist durch Gutachten belegt!)

Ich habe gegenteilige Informationen. Fast alle Kommunen haben gesagt, das Aussetzen der Städtebauförderung für dieses eine Jahr habe

weitestgehend überhaupt keine Auswirkung auf die Projekte, die umgesetzt werden.

(Hermann Eppers [CDU]: Genau so ist es!)

Deshalb kann es auch keine Auswirkung auf die Beschäftigungspolitik haben. Gerade bei der Städtebauförderung ist es doch so - das wissen Sie auch, Herr Harden und Frau Polat -, dass in der Regel die Mittel gegen Ende des Jahres für das Folgejahr bewilligt werden. In 2005 stehen also noch Mittel in beträchtlicher Höhe zur Verfügung, in den meisten Fällen ausreichend viel, um alle Anträge bewilligen und alle geplanten Projekte umsetzen zu können. Es wird also gearbeitet.

Es gibt aber Ausnahmen; das ist richtig. Frau Polat, ich finde es übrigens gut, dass Sie als Opposition aufpassen. Das würde ich auch tun. Auch wir in der Regierungsfraktion kontrollieren, ob alles, was wir sagen, später wirklich so eintritt. Sie haben mich zitiert. Leider liegt mir der Text nicht vor, und ich kann das Zitat jetzt nicht prüfen. Ich bin mir aber sicher, dass ich nicht versprochen habe, es würde nirgendwo Probleme geben. Ich habe sogar angesprochen - das weiß ich ganz genau -, dass es in Wilhelmshaven sehr wohl Probleme gibt. Wilhelmshaven ist ein Spezialfall. Dort wurden Mittel nur sehr zögerlich abgerufen oder eingesetzt. Bei der Neubewilligung von Geldern wurde darauf geachtet, welche Kommunen schon investiert, gebaut, Mittel eingesetzt und abgerechnet hatten. Als weniger Mittel zur Verfügung standen, bekamen diese Kommunen eher den Zuschlag. Wilhelmshaven hat sich leider praktisch selber ins Bein geschossen. Ich habe auch gesagt, dass man in solchen Fällen für Abhilfe sorgen und nach einem Ausgleich suchen muss. Das ist natürlich nicht in der Höhe möglich, wie es wünschenswert wäre. Da gibt es also wirklich ein Problem, das stimmt.

Ich nenne nun das Beispiel Hannover. Ich habe ein Papier mitgebracht, aus dem ich schon einmal zitiert habe.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Denken Sie auch an Leer und an Emden!)

In Hannover wurde in der Ratssitzung am 7. Oktober 2004 gesagt, das vorgesehene Aussetzen der Städtebauförderung in 2005 habe auf die bewilligten Projekte keinen Einfluss. Später wurde ganz speziell gesagt, es habe auch auf die sozialintegrativen Projekte keinen Einfluss.

Ich halte vom Programm „Soziale Stadt“ eine ganze Menge. Ich finde es gut für das Zusammenleben der Menschen und auch für die Investitionen. Das Programm ist in jeder Hinsicht gut, wir unterstützen es voll, und es läuft in diesem Jahr auch weiter.

Sie haben noch gesagt, das Aussetzen der Förderung sei kurzsichtige Haushaltspolitik, es sei nicht nachhaltig. Auch das ist falsch. Es ist nachhaltig, weil wir auch weiterhin investieren können und weil auch weiterhin Arbeitnehmer von ihrem Einkommen in der Bauwirtschaft werden leben können. Es werden weiterhin Projekte bewilligt und bezuschusst werden. 2006 machen wir weiter, dann wird es diese Gelder wieder geben.

Insgesamt machen wir aber durch das Aussetzen für dieses eine Jahr hochgerechnet 27 Millionen Euro weniger neue Schulden. Das lohnt sich doch auf jeden Fall, und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)