Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP vermittelt den Eindruck - das war auch in der Rede des Kollegen Rösler eben wieder so -, der aktuelle Streik von Arbeitern und Angestellten in den Straßenmeistereien gefährde die Verkehrssicherheit. Tatsache ist, dass die zuständige Gewerkschaft ver.di bereits anlässlich des ersten Streiktages am 19. Januar 2005 mit dem Land eine Notdienstvereinbarung geschlossen hat, und zwar ganz unproblematisch, um in dringenden Fällen wie Wintereinbruch oder bei Verkehrsunfällen auf jeden Fall die Sicherheit zu gewährleisten. Tatsache ist allerdings auch, meine Damen und Herren, dass sich der zuständige Wirtschaftsminister nach dem 19. Januar 2005 dem Abschluss weiterer Notdienstvereinbarungen verweigert hat.
Genau einen Monat nach den ersten Streikaktionen, also am Samstag, dem 19. Februar 2005, hat die zuständige Gewerkschaft die Fortsetzung die
ser Notdienstvereinbarung angeboten, und zwar exakt 36 Stunden vor Beginn der nächsten Streikaktion am 21. Februar um 0 Uhr. Bis zum Beginn der Frühschicht am 21. Februar erfolgte aus dem Wirtschaftsministerium keinerlei Reaktion.
Herr Rösler, erst nach telefonischer Erinnerung durch die Gewerkschaft hat am Nachmittag des 21. Februar um 16.40 Uhr das Ministerium einen Vorschlag für eine Notdienstvereinbarung angeboten, der allerdings vorsah, dass zwei Drittel der Beschäftigten vom Streik ausgeschlossen werden. Herr Minister Hirche, Sie wussten doch, dass das eine für eine Gewerkschaft unannehmbare Forderung ist. Ich sage Ihnen: Sie wollten keine Vereinbarung. Sie wollten provozieren, statt zu verhandeln.
Meine Damen und Herren, es spricht übrigens für die Gewerkschaft ver.di und die Arbeiter und Angestellten, dass sie danach freiwillig selbst einen Notdienst organisiert haben. Erst seit heute früh verhandelt das Wirtschaftsministerium über eine Notdienstvereinbarung. Fünf geschlagene Tage, Herr Rösler, war Ihnen die Sicherheit auf den Straßen Niedersachsens weniger wichtig als die politische Provokation der Gewerkschaften. Das ist die Wahrheit.
Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie dem öffentlich entstandenen Eindruck, ein tödlicher Unfall auf der A 2 stünde im Zusammenhang mit den Streikaktionen, im Interesse Ihrer eigenen Beschäftigten, Herr Hirche, massiv entgegengetreten wären.
Sie wissen, dass der Unfall am 20. Februar um 22 Uhr auf der A 2 stattgefunden hat, und Sie wissen, dass der Streik am 21. Februar um 0 Uhr begonnen hat, also deutlich nach dem Verkehrsunfall. Sie wissen, dass die Polizei gegenüber der Öffentlichkeit erklärt hat, dass selbst die Aufräumarbeiten nur 10 bis 15 Minuten nach dem Absichern der Unfallstelle begonnen hätten, also au
ßerhalb der Streikzeit. In Ihrem Ministerium einen Zusammenhang zwischen einem tödlichen Unfall und der Streikaktion von Arbeitern und Angestellten herzustellen, ist gegenüber den Beschäftigten eine unglaubliche Unverschämtheit.
Erst führen Sie durch die Verweigerung der Notdienstvereinbarung einen unsicheren Zustand herbei, um ihn hinterher im Landtag durch Herrn Rösler scheinheilig beklagen zu lassen. Sie verweigern eine Notdienstvereinbarung und nehmen wissentlich Gefährdungen im Straßenverkehr in Kauf, um damit Politik zu machen. Das haben wir eben hier erlebt. Sie wollen den streikenden Arbeitern und Angestellten und ihrer Gewerkschaft den Stempel „rücksichtslose Gesellen“ aufdrücken. Dabei nehmen sie nur ihr Grundrecht wahr, Herr Rösler, das die Organisation in einer Gewerkschaft und übrigens auch das Streikrecht im öffentlichen Dienst beinhaltet.
Wenn es jemanden gibt - um auf die Überschrift Ihres Antrages zur Aktuellen Stunde zurückzukommen -, der es krachen lässt, Herr Rösler, dann sind das Ihr eigener Wirtschaftsminister und auch Sie. Die Überschrift fällt auf Sie zurück. Auch das muss klar werden.
Sie wollen provozieren, statt zu verhandeln. Das Gegenteil wäre richtig. Wer Streiks verhindern will – das wollen wir alle –, muss verhandeln, darf aber nicht provozieren. Unsere Forderung an Sie ist, mit dieser Polemik gegenüber Ihren eigenen Beschäftigten aufzuhören und zu akzeptieren, dass man sich in Tarifverhandlungen befindet, bei denen die Friedenspflicht beendet ist, und dass es ein Grundrecht auf Streik gibt, auch wenn uns das nicht gefällt und die Forderungen schwierig sind. Sie müssen an den Verhandlungstisch und dürfen hier nicht Ihre eigenen Beschäftigten beleidigen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war wieder Sigmar Gabriel, wie er leibt und lebt.
Das kennen wir aus anderen Zusammenhängen, und das haben wir auch in dieser Diskussion wieder erlebt. Plötzlich ist nicht mehr derjenige, der streikt, für die Auswirkungen des Streiks verantwortlich, sondern derjenige, der bestreikt wird.
- Herr Plaue, wir befinden uns vor dem Hindergrund von 5 Millionen Arbeitslosen in der Situation, dass morgens viele Arbeitnehmer, die keineswegs in so gesicherten Arbeitsverhältnissen sind wie die im öffentlichen Dienst Beschäftigten, versuchen, ihren Arbeitsplatz zu erreichen, während sie von denjenigen, die sich in einem gesicherten Arbeitsverhältnis befinden, daran gehindert werden, ihren Arbeitsplatz auf sicheren Straßen ohne Gefahr für Leib und Leben zu erreichen. Die bei ver.di organisierten Mitarbeiter glauben, sie müssten eine Woche vor dem vereinbarten Gespräch mit ver.di bezüglich Tarifverhandlungen mit den Ländern – das Gespräch ist vereinbart – in dieser Weise streiken.
Ich nenne Ihnen einmal den Hintergrund: Es geht schlicht und einfach darum, dass über das Jahr mit martialischen Bekundungen nicht nur von Warnstreiks, sondern auch von einem Flächenbrand in Niedersachsen gesprochen wurde. Jetzt ist es eine pure Frage der Glaubwürdigkeit dieser Scharfmacher, für alle erkennbar einen solchen Streik zu inszenieren,
Kopf gestellt. Natürlich muss ein Streik auch wehtun. Aber die Grenzen sind doch erreicht, wenn Menschen an Leib und Leben gefährdet werden. Offensichtlich begleitet dies hier im Lande nur noch die SPD-Fraktion wohlwollend.
Wenn man die Pressemitteilungen insgesamt liest, dann stellt man folgende Überschriften fest: „Streikirrsinn“, „Gewerkschaft lässt Räumdienste nicht raus“, „Unverschämt, dass ver.di seinen Arbeitskampf auf dem Rücken der Autofahrer und Berufspendler ausführen will“. Das geht in der öffentlichen Darstellung reihenweise so weiter.
Meine Damen und Herren, wenn man dann noch hört, dass heute die Autobahnmeisterei Hannover blockiert worden ist, dass die Straßenmeistereien Burgdorf und Berenbostel sowie andere Straßenmeistereien blockiert worden sind, dann kann man nicht von einer wohlwollenden Vereinbarung reden, die abgeschlossen werden muss, sondern diejenigen, die dort blockieren, verhindern, dass Menschen auf sicheren Straßen ihren Arbeitsplatz erreichen können. Wer dabei ganz bewusst Gefahr für Leib und Leben in Kauf nimmt, hat eine Grenze überschritten, die mit dem Streikrecht nichts zu tun hat. Das ist grobe Fahrlässigkeit, und die Betreffenden müssen auch entsprechend zur Verantwortung gezogen werden.
Dass das Verhandlungsergebnis nicht akzeptiert worden ist, liegt nicht allein an Hartmut Möllring, sondern vielmehr an der Tarifgemeinschaft der Deutschen Länder. Ich bin der Meinung, dass dann, wenn die Gespräche laufen, vernünftig über ein leistungsorientiertes und flexibles Tarifrecht diskutiert und die Diskussion auch vernünftig zu einem Abschluss gebracht werden kann. Aber eines sage ich ganz deutlich in Richtung ver.di: Hört auf mit solchen Menschenleben gefährdenden Streiks! Damit ist die Grenze der Streikmöglichkeiten überschritten. Das hat überhaupt nichts damit zu tun – wer das behauptet, ist ein Märchenerzähler -, dass irgendjemand hier im Hause das verfassungsmäßig garantierte Streikrecht einschränken will. Niemand will das. Streiks müssen auch wehtun, aber sie dürfen nicht die Gesundheit oder das Leben von Menschen gefährden. Hört endlich damit auf!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bleibe dabei: Mit den bisherigen Streikmaßnahmen bei den Straßenmeistereien hat ver.di gegenüber allen Verkehrsteilnehmern auf Niedersachsens Straßen verantwortungslos gehandelt.
Damit meine ich insbesondere die Blockaden einzelner Autobahn- und Straßenmeistereien beim Ausrücken von Einsatzfahrzeugen.
Wenn erst die Polizei geholt werden muss - wie es in dieser Nacht geschehen ist -, bevor die Fahrzeuge ausrücken können, ist das unverantwortlich, meine Damen und Herren.
Dabei wird an keiner Stelle - auch das will ich klarstellen, Herr Gabriel - von mir oder einem meiner Mitarbeiter ein Zusammenhang zu dem tödlichen Unfall hergestellt. Ich stimme Ihnen darin völlig zu, dass dieser andere Ursachen hat.