Ein Handeln in diesem Bereich war auch dringend notwendig. Auch der Wissenschaftsrat hat im Zusammenhang mit seinen Empfehlungen zur Reform des Hochschulzugangs vom Januar 2004 erhebliche Defizite bei den Verläufen des Übergangs von der Schule zur Hochschule in Deutschland festgestellt. So sind nach den Ergebnissen dieser Untersuchung weit über die Hälfte der Studienanfänger zum Studienbeginn nicht hinreichend über Studienfach und Hochschule informiert. Fast die Hälfte wählt die Hochschule nach studienfachfremden Kriterien aus. Auch zeigte sich deutlich, dass das gegenwärtige System der Hochschulzulassung nicht gewährleisten kann, dass die Eignungsprofile von Studienanfängern optimal mit den Anforderungen der Studiengänge abgeglichen werden.
Dies alles führt letztendlich dazu, dass wir in Deutschland viel zu hohe Studienabbrecherquoten haben.
Nach der aktuellen HIS-Studie bricht ein Viertel der Studierenden das Studium ohne einen Hochschulabschluss endgültig ab. Wie wir wissen, bricht ein weiteres Viertel den zunächst gewählten Studiengang ab und setzt das Studium dann in einem anderen Fach fort, und zwar zumeist ohne Anrechnung der zunächst erbrachten Studienleistungen. Das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand, dem Abhilfe geschaffen werden musste; denn dies ist eine riesengroße Fehlallokation von Ressourcen, die die Hochschulen vorzuhalten haben.
Wir sind es sowohl den Studierenden als auch den Hochschulen schuldig, alles zu tun, um diesen Umstand zu beseitigen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist das vorliegende Reformgesetz. Durch die nun vorgesehenen Auswahlverfahren wird es zu einer besseren Abstimmung der Qualitätsprofile der Studienbewerber mit den Anforderungen einzelner Studiengänge kommen. Das wird langfristig zu einer Verringerung der Studienabbrecherquoten führen. Dies wird letztendlich die Hochschulen auch finanziell entlasten. Es ist zu beachten, dass nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft ein Studierender die Hochschulen über 8 000 Euro jährlich kostet.
Eine bessere Abstimmung des Qualitätsprofils des Studienbewerbers und des Angebotsprofils der jeweiligen Hochschule verbessert aber auch die
Wettbewerbsituation unserer Hochschulen. Die zugewiesene Verantwortung für die Auswahl der Studierenden ist ein wichtiges Element bei der Profilbildung und entfaltet damit Wirkung im nationalen und internationalen Wettbewerb. Denn letztlich werden die Hochschulen den Wettbewerb für sich entscheiden, die für den jeweiligen Studiengang besonders motivierte und leistungsfähige Studierende haben, die den steigenden Anforderungen gewachsen sind und sich zugleich mit ihrer Hochschule identifizieren.
Es ist deshalb auch nur konsequent und zwingend erforderlich, dass der vorliegende Gesetzentwurf den Hochschulen in erheblichem Umfang Entscheidungsbefugnisse bei der Gestaltung und Durchführung des Auswahlverfahrens einräumt. Hier zeigt es sich, dass wir es ernst meinen mit der Autonomie und Selbstverwaltung der Hochschulen.
Die Hochschulen sollen in Zukunft selbst in dem vom Gesetz weit gezogenen Rahmen entscheiden, wie sie die besondere Eignung der Studienbewerberinnen und Studienbewerber feststellen. Die Entscheidungsfreiheit bei der Anwendung dieser Auswahlkriterien ist nur insoweit eingeschränkt, als 50 % der Studienplätze nach einer Kombination der Durchschnittsnote mit mindestens einem weiteren Kriterium zu vergeben sind. Der Durchschnittsnote muss dabei auch weiterhin eine besondere Bedeutung zukommen. Damit wird den Empfehlungen des Wissenschaftsrates Rechnung getragen, nach denen der Schulabschlussnote nach wie vor eine herausragende Rolle beizumessen ist.
Zu der von der rot-grünen Opposition immer wieder vorgetragenen Befürchtung, dass flächendeckende Hochschulauswahlverfahren, insbesondere Auswahlgespräche, die soziale Selektivität des Bildungssystems erhöhten, ist auf den Bericht des Wissenschaftsrates zu verweisen. Dort heißt es:
„Die einschlägigen Begleitstudien der in Deutschland bisher angewandten Studierfähigkeitstests legen nahe, dass diese Tests neutral gegenüber der Zugehörigkeit zu sozialen Herkunftsgruppen sind“.
nisse verfassungskonform sind. Die immer wieder angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stammt aus dem Jahr 1972. Von verschiedenen wichtigen Verfassungsrechtlern wird vorgetragen, dass eine Entscheidung 30 Jahre später ganz anders aussehen würde.
Bezüglich der geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Reduzierung der Wartezeitquoten möchte ich auf den Bericht zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes hinweisen, der im Deutschen Bundestag von allen dort vertretenen Fraktionen einstimmig beschlossen wurde. Nach dem dort dargestellten Beratungsergebnis wäre es verfassungsrechtlich sogar zulässig, auf eine Wartezeitquote ganz zu verzichten, wenn nach Landesrecht über die Durchschnittsnote hinaus mehrere andere Auswahlkriterien obligatorisch zur Anwendung kämen. Genau dies passiert hier in Niedersachsen, sodass selbst die Senkung einer Wartezeitquote auf im Extremfall 7,7 % nach der dort von allen getroffenen Aussage verfassungskonform wäre.
Es ist darauf hinzuweisen, dass der heute zur Verabschiedung anstehende Gesetzentwurf nahezu alle in den Anhörungen und Stellungnahmen vorgetragenen Anregungen enthält.
Nur in wenigen, dann aber begründeten Ausnahmefällen wurden die Anregungen nicht berücksichtigt. So wurde auf Anregung der TU Braunschweig den Hochschulen die Möglichkeit eröffnet, für die Durchführung von Auswahlgesprächen Gebühren zu erheben. Das Ganze ist als Option für die Hochschulen ausgestaltet.
(Isolde Saalmann [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Natürlich stimmt das!)
Die Hochschulen entscheiden also in eigener Verantwortung, ob sie Gebühren erheben oder nicht. Meine Damen und Herren, das ist die gelebte Autonomie, die Sie ansonsten doch immer einfordern.
Meine Damen und Herren, mit der Novelle des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes werden die niedersächsischen Hochschulen für den Wettbewerb gestärkt. Die Hochschulen warten auf die zusätzlichen Möglichkeiten, die ihnen dieses Gesetz für die Auswahl ihrer Studierenden bietet. Es ist auch wichtig, dass wir heute entscheiden und die Verabschiedung nicht durch weitere Beratungen verzögern.
Wir werden dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zustimmen. Die Hochschulen und die Studierenden werden es uns danken. - Herzlichen Dank.
(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAl- lister [CDU]: Sehr guter Einstand!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt ebenso wie die Hochschulen die Neuordnung der Hochschulzulassung in Niedersachsen.
Ein gezieltes studiengangspezifisches Auswahlverfahren durch die Hochschulen selbst ist sicherlich ein wichtiger Baustein, um z. B. die Studienabbrecherquote zu senken. Deshalb beurteilen wir eine Veränderung des Hochschulzulassungsverfahrens grundsätzlich positiv. Allerdings müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Zweitens. Das Verfahren darf nicht sozial selektiv wirken. Unsere Hochschulen brauchen die Besten, nicht die Reichsten.
Drittens. Größtmögliche Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen, gepaart mit Transparenz für die Studierenden.
Um es gleich vorweg zu sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt keine einzige dieser Voraussetzungen.
Bevor ich das im Einzelnen begründe, noch ein paar Worte zum Verfahren. Nach der Anhörung Anfang Dezember hat sich der Wissenschaftsausschuss am 10. Februar mit dem Gesetzentwurf befasst - das erste und einzige Mal. Dabei stellte sich heraus, dass die Regierungsfraktionen nicht bereit waren, auch nur eine einzige Forderung der Hochschulen aus der Anhörung zu übernehmen. Wenn Herr Güntzler hier das Gegenteil behauptet, mag das der Tatsache geschuldet sein, dass er nicht dabei war. Insofern kann man das vielleicht entschuldigen.
Das Gleiche - keine Berücksichtigung - gilt für die zum Teil schwer wiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken des GBD, mit denen man sich nicht einmal ernsthaft auseinander setzte.
Die Devise hieß „Abblocken!“ nach dem Motto: Wir haben schon im Herbst gesagt, dass wir das Gesetz so wollen, und dabei bleibt es.
Eine dringend notwendige zweite Beratung im Ausschuss wurde abgelehnt, weil man offenbar im Wettrennen mit den anderen Bundesländern einen Platz auf dem Treppchen anstrebt. Hier geht Imagegewinn ganz offensichtlich vor Rechtssicherheit.
Nun zu unseren Bedenken im Einzelnen: Unsere Verfassung sieht als Ausfluss des Artikels 12 des Grundgesetzes vor, dass jeder Mensch, der über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügt, ein Recht auf einen Zugang zu einem Studium seiner Wahl hat. Das Bundesverfassungsgericht hält zur Sicherung dieses Rechts eine hinreichend hohe Wartezeitquote für erforderlich. Die nach dem Gesetzentwurf im Einzelfall möglichen 7,5 %
begegnen ganz erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wir halten deshalb eine Ergänzung des Gesetzes um eine Mindestquote von 10 %, wie in Baden-Württemberg - alle anderen Bundesländer haben im Übrigen eine Mindestquote von 20 % -, für notwendig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Land sollte im Interesse der Hochschulen, aber auch der Bewerberinnen und Bewerber dafür sorgen, dass Aufwand und Nutzen der Verfahren in einem angemessenen Verhältnis stehen, und es sollte Transparenz gewährleisten. Erste Untersuchungen zu den Auswahlgesprächen und -verfahren zeigen, dass gerade bei den Auswahlgesprächen die Gefahr von Subjektivität und Willkür relativ groß ist. Fragen von tierlieben Hochschullehrern, ob Haustiere gehalten werden, sollen durchaus schon vorgekommen sein. Um diesen auch von den Studierenden und der LandesAsten-Konferenz vorgetragenen Befürchtungen zu begegnen, hat die SPD-Fraktion in ihren Änderungsantrag den Vorschlag der Hochschulen aufgenommen, strukturierte Auswahlgespräche vorzusehen.