Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe bei vielen Dingen häufig ein schlechtes Gewissen und frage mich: Macht man das richtig, oder müsste man es anders machen? - Wenn ich

ein richtig schlechtes Gewissen habe, dann ist es das, dass wir noch immer viel zu viel Schulden zulasten kommender Generationen machen. Wir haben den Haushalt in zwei Positionen ausgedehnt bzw. draufgesattelt, im Bildungs- und Sozialbereich. Das sind die beiden Haushaltspositionen dieser Landesregierung, bei denen draufgesattelt wurde, weil wir sagen: Dort muss gesteigert werden. - Aber wir haben zu konstatieren, dass wir 2,5 Milliarden Euro jedes Jahr an Zinsen für Schulden zahlen, die vor allem Sie in Vorgängerregierungen aufgenommen haben, weil Sie mehr ausgegeben als eingenommen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich finde nichts unsozialer als eine Politik, die nicht generationengerecht ist, die den jungen Leuten nicht die Chance gibt, in 10, 15 oder 20 Jahren hier Politik zu machen und dann ähnliche Möglichkeiten zu haben, wie wir sie heute haben. Ich finde es unerträglich, dass wir jungen Leuten sagen: Ihr sollt mehr Kinder kriegen, als meine Generation auf die Welt gesetzt hat. Ihr sollt Karriere machen unter schwierigeren Bedingungen, als wir sie gehabt haben. Ihr sollt die Schulden zurückzahlen, die Sie gemacht haben. Ihr sollt die Schulden bewältigen, die wir jetzt gerade machen. Ihr sollt die Investitionen tätigen, die wir nicht mehr ausreichend machen. - Das alles sollen sie machen und auch noch das soziale Netz finanzieren. Und wenn sie später mal Hilfe brauchen, dann sagen wir: Für euch trägt das soziale Netz leider nicht mehr; da müsst ihr zusätzlich auch privat vorgesorgt haben.

Was sollen eigentlich 15-jährige bis 20-jährige Menschen in diesem Lande zu solchen Politikern in den Parlamenten sagen, die deren Interessen und Anliegen zur zukünftigen Politik in diesem Lande so mit Füßen treten?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich empfehle den Grünen und der SPD, dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit, der Verantwortung vor kommenden Generationen nicht nur in der Umweltpolitik großen Raum beizumessen, sondern auch in der Finanzpolitik. Das ist eines der Zukunftsthemen dieses Landes. Sie können hier weiterhin stundenlang aufzählen, wo wir was um 100 Euro gekürzt haben.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Um 75 %!)

Am Ende müssen Sie Ihre Politik darauf hin überprüfen, ob sie den jungen Leuten in diesem Lande

wirklich dient. Denen dienen wir mehr als Sie. Vielen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als Nächste hat Frau Ministerin Dr. von der Leyen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten zwei Anträge. Ich möchte zunächst ganz kurz den SPD-Antrag „abarbeiten“.

Herr Albers, Sie haben gesagt, Jugendarbeit lebt von unterstützenden Rahmenbedingungen. Unter Nr. 1 Ihres Antrages beziehen Sie sich auf den Kinder- und Jugendplan aus dem Jahr 2002. Dieser hat genau zwei positive Teile, nämlich erstens den Anfang, in dem Sie politische Schwerpunkte beschrieben haben - das ist das Recht einer jeden Regierung; wir haben allerdings schon einiges dazu gehört -, und das Ende, nämlich den Anhang, in dem Sie die Förderrichtlinien aufgelistet haben. Aber in dem ganz voluminösen Mittelteil ging es offensichtlich darum - Papier ist ja geduldig; dahinter steht ja noch lange kein Handeln -, möglichst viel Geld hinter diesem Thema auszuweisen, was noch lange nicht heißt, dass es auch tatsächlich jugendpolitisch verwendet wird. Da sind z. B. Leistungen aus der Sozialhilfe einfach mal mit den Leistungen der Jugendhilfe vermengt worden - die gehören überhaupt nicht in den originären Bereich hinein -, z. B. die Eingliederungshilfe Behinderter in Höhe von rund 257 Millionen Euro. Das sind originäre Leistungen der Sozialhilfe. Oder es werden Drittmittel des Bundes und anderer Staaten, z. B. Frankreichs und Polens - Beispiel: Deutsch-Französisches und Deutsch-Polnisches Jugendwerk -, in Höhe von 74 000 Euro als Landesleistung aufgeführt, zu denen das Land keinen einzigen Cent gegeben hat.

Mit anderen Worten: Wenn man sich das anschaut und sieht, wie dieser Kinder- und Jugendplan 2002 aufgeführt worden ist, dann wird er von uns mit Sicherheit nicht fortgeschrieben. Das verschwendet nur Ressourcen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben vom Ministerpräsidenten eben ganz detailliert und dezidiert gehört, dass es uns darum geht, das knappe Geld, das wir zur Verfügung haben, effizient und effektiv einzusetzen. Genau aus diesem Grunde wurden die Impulsprogramme - der zweite Punkt, den Sie in Ihrem Antrag fordern; sehr viel weiter geht er nicht - nicht fortgeführt. Das sind Kleinstförderprogramme gewesen, die Ende 2002 nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet worden sind, befristet bis Ende 2004. Ein Schelm, wer wahltaktisch etwas Böses denkt. Wo ist das übergeordnete Landeskonzept? Unter Titeln, die gefördert worden sind, wie „Jeunesse“, „Unternehmen Zirkus“, „Wind, Deich, Kühe und ich“, „Von der Spielwiese zur Ressourcenverantwortung“ können Sie alles und nichts subsumieren, weil diese Förderprogramme mit der heißen Nadel gestrickt worden sind und dann - zu Recht, muss man sagen von den Organisationen und Verbänden auch abgefragt worden sind. Aufgabe des Landes ist nicht die Detailarbeit vor Ort, sondern Aufgabe des Landes ist es, ein übergeordnetes Konzept zu schaffen und vor allen Dingen Schwerpunkte zu setzen.

Ich möchte jetzt gerne auf diese Schwerpunkte und dabei auf den zweiten Antrag eingehen. Das betrifft in meinem Haus in allererster Linie die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und insbesondere die der benachteiligten Jugendlichen, die auf dem Arbeitsmarkt eingegliedert werden sollen. Vorrangiges Ziel ist es, hier voranzukommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

Wir sehen im Haushalt 35 Millionen Euro dafür vor. Das ist weitaus mehr, Herr Jüttner, als die Landesregierung diesem Thema gewidmet hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Wir sind bei weitem besser!)

Es geht aber nicht nur um das Finanzvolumen. Vor allen Dingen geht es auch um die Qualität der Aktivitäten und der Hilfeleistungen. Das betrifft die eben beschriebenen Pro-Aktiv-Centren. Des Weiteren haben wir die Jugendwerkstätten ausgebaut, die Zahl der Plätze zur Schulpflichterfüllung von 100 auf 300 erhöht. Dazu wird jährlich über 1 Million Euro eingesetzt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben uns eines Themas angenommen, das bei Ihnen quasi nicht behandelt worden ist, näm

lich des Themas des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Beispiele sind die Trickbox, ein medienpädagogisches Projekt in Kindergärten und Schulen, und das Projekt Filmsichtung für 12- bis 16jährige Schülerinnen und Schüler, die die Filme auf ihre Inhalte hin analysieren. Neu ist auch - um Ihnen nur einige Themen zu nennen, die wir innerhalb dieser zwei Jahre bearbeitet haben - das Programm NEXT NETZ, das wir mit dem Landesjugendring zusammen sehr erfolgreich gestartet haben. Es ist sehr erfolgreich und erfreulich, mit dem Landesjugendring diesen Jugendserver gerade zur Integration von benachteiligten Jugendlichen auszuweiten.

Wenn wir schon über Projekte sprechen, die wir fördern: Neu ist auch die Einführung einer integrierten Berichterstattung. Die 50 Städte und Landkreise haben mit uns zusammen ein gemeinsames Beobachtungswesen, sodass wir eine Möglichkeit zum Benchmarking haben und Best-Practice-Beispiele sehen können, damit die Städte- und Landkreise eine Möglichkeit haben zu vergleichen, was erfolgreich auf diesem schwierigen und wichtigen Gebiet der Jugendarbeit, aber auch der Jugendhilfe ist. Denn niemand hier im Raum wird leugnen - auch Sie nicht -, dass die Kosten explosionsartig ansteigen und dass wir alle nach Auswegen suchen, um weg von der reinen Kostensteigerung hin zu einer größeren Effizienz von Programmen zu kommen.

Von den 62 Jugendämtern im Land beteiligen sich an diesen Best-Practice-Beispielen und an dieser integrierten Berichterstattung inzwischen 52. Das wird ausgesprochen positiv angenommen. Das ist für die Städte und Landkreise sehr viel mehr als ein dicker Bericht; denn Papier ist geduldig. Hier können wir wirklich arbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Fakt ist, dass diese Landesregierung im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes nicht nur plant, sondern auch handelt. Wir haben die Mittel erhöht. Wir haben für den Neustart des Kinderschutzzentrums Hannover gesorgt. Wir sind sehr aktiv auf dem Gebiet der Prävention für Kinder und Jugendliche. Ich habe hier im Landtag bereits die beiden Kampagnen zum Thema Tabak und Alkohol bei Jugendlichen, insbesondere im Freizeitund Schulbereich, vorgestellt. Ich freue mich, dass der Kultusminister dies inzwischen mit seinem entsprechenden Erlass eindeutig unterstützt, der in den Schulen gut angenommen wird. Da geht die

Diskussion jetzt richtig los: Was sind Vorbildfunktionen der Erwachsenen? Was sind Vorbildfunktionen von heranwachsenden Schülern, gerade für die jüngeren Schüler, beim Thema Alkohol und Tabak? Dies ist gelebte Jugendarbeit und nicht nur ein Bericht, der lang und geduldig ist.

Wir haben uns mit der Landesstelle für Suchtgefahren insbesondere des Themas Alkohol bei Jugendlichen angenommen. Wir haben auch das Thema Übergewicht bei Kindern im Kindergartenalter als das Thema angenommen, an dem wir schwerpunktmäßig arbeiten wollen. Das ist Prävention für Jugendliche, damit sie auf die Dauer eine reelle Chance haben, starke Jugendliche zu werden, und gehört auch in den Suchtbereich mit hinein.

(Zustimmung von Gesine Meißner [FDP])

Ein weiteres Anliegen der Landesregierung ist die Unterstützung der Eltern und Stärkung ihrer Erziehungskompetenz. Ich nenne dies in der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung steht, zwar als letzten Punkt. Aber er ist einer der wichtigsten Punkte. Eine Dokumentation wird auf dem 10. Deutschen Präventionstag am 6. und 7. Juni dieses Jahres hier in Hannover präsentiert werden. Ich lade Sie alle ein, sich dort ein Bild zu machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Wortmeldung, die mir vorliegt, ist von Frau Janssen-Kucz. Frau Janssen-Kucz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fand es eigentlich sehr angenehm, dass der Ministerpräsident sich in diese Debatte eingemischt hat, finde es aber bedauerlich, dass er jetzt der Debatte nicht mehr beiwohnt.

(Ursula Körtner [CDU]: Muss er auch nicht!)

Wenn man sich einmischt, sollte man bis zum Schluss bleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Noch einmal zu der Substanz von Anträgen. Man kann über die Substanz von Anträgen und auch von Redebeiträgen streiten. Aber da ich mich auch nicht zu anderen Wortmeldungen auslasse, lassen wir das einmal im Raum stehen.

Wir haben hier heute zwei Anträge: einen zur Jugendhilfe, einen zur Jugendpolitik. Die SPD will mit ihrem Antrag die Jugendhilfe stärken. Ich frage mich aber in Teilen, was da noch zu stärken ist und ob die Jugendhilfe in Niedersachsen nicht schon ein kleines bisschen zu einem Torso verkommen ist. Denn der Niedersächsische Kinderund Jugendplan wurde von dieser Landesregierung ad acta gelegt. Das haben wir eben wortwörtlich gehört. Ich glaube auch nicht daran, dass Sie ihn fortschreiben bzw. umsetzen wollen; das ist eben sehr deutlich gesagt worden. Eine Fortschreibung wäre auch nur dann machbar, wenn es eine umfassende Bestandsaufnahme und Auswertung der bisherigen Jugendhilfe und Impulsprogramme gäbe. Doch ein Großteil der Programme ist längst abgewickelt bzw. den Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen. Es gibt da nicht mehr allzu viel auszuwerten.

Es grenzt in dem Antrag der SPD - das muss ich leider sagen - an Hilflosigkeit, wenn die SPD die Landesregierung auffordert, den Jugendhilfeträgern bis zum Ende der Legislaturperiode Planungssicherheit zu geben. Wir kennen doch die Leier der Regierung: Die beste Kinder- und Jugendpolitik ist die Sparpolitik, damit die nachfolgenden Generationen weniger Schulden haben. Das haben wir hier eben wiederholt gehört.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist auch richtig!)

Die Antwort hätten Sie auch vorher haben können. Aber man kann sich auch kranksparen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Das ist ein Totschlagargu- ment!)

Meine Damen und Herren, die SPD hat Ihnen mit ihrem Antrag eine Steilvorlage gegeben, die Sie aufgegriffen haben. Die SPD hat ihren Antrag Ende Januar, Anfang Februar eingereicht. Zehn Tage später sind Sie gekommen. Sie haben genau das gemacht, indem Sie gesagt haben: Wir reduzieren die Jugendhilfe jetzt auf zwei Schwerpunkte.

(Zuruf von der CDU: Konzentrieren!)

Diese beiden Schwerpunkte sind „Übergang Schule und Beruf“ sowie das Ehrenamt. Das sind zukünftig die beiden Schwerpunkte der Landesregierung. Alles andere geht peu à peu über den Deister. Das ist genau das, was hier passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb noch einige Sätze zu dem Antrag der Regierungsfraktionen mit dem Titel „Niedersächsische Jugendpolitik neu ausrichten“. Dahinter steht doch wirklich nichts anderes als das Plattmachen von Klein- und Kleinstförderprogrammen. Ich kann auch die Ministerin nicht verstehen, wenn sie hier sagt, es würde jetzt auf Prävention gesetzt. Gerade die Kleinstförderprogramme - ich nenne noch einmal das Zirkus-Projekt - hatten einen sehr starken präventiven Charakter, gerade auch in dem Bereich gegen Rechts.