Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

(Zustimmung von Hans-Dieter Haase [SPD])

Meine Damen und Herren, die laufende Verschlickung der Hafeneinfahrt und damit die Behinderung der Hafennutzung ist nicht auf aktuelle Weservertiefungen zurückzuführen, sondern auf einen Eingriff in den Verlauf der Weser aus dem Jahr 1891.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Hört, hört!

Damals, im Jahre 1891, ist vor Langlütjensand ein Leitwerk errichtet worden, das sich nachhaltig auf den Fedderwarder Priel ausgewirkt hat und unter dem der Fedderwarder Priel noch heute zu leiden hat.

Das Land hat im Jahre 1996 ein Gutachten bei der Bundesanstalt für Wasserbau in Auftrag gegeben, das klären sollte, wie die Probleme des Priels zu beseitigen oder abzumildern sind. Die Bundesanstalt ist zu einer Lösung gekommen, deren Kosten auf 15 Millionen Euro und nicht auf 1,5 Millionen Euro geschätzt wurden. Hinzukämen jährliche Unterhaltungskosten in einer Größenordnung von 300 000 bis 450 000 Euro. Diese Kosten sind durch das Land nicht zu finanzieren. Diese Position haben wir bereits lange vor der Landtagswahl vertreten, und wir stehen auch heute noch dazu.

Wir sind aber nicht nur aus finanziellen Gründen gegen diese große Lösung, sondern auch deshalb, weil sie nicht nachhaltig ist. Der Untergrund des Watts ist wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge sehr dynamisch, sodass es keinen Sinn macht, gegen die Natur zu bauen. Das heißt, auch ein großes Wasserbauwerk wird nicht in der Lage sein, die Hafenzufahrt auf Dauer freizuhalten. Die vorgeschlagene Lösung ist daher weder finanzierbar noch nachhaltig.

Meine Damen und Herren, die ehemalige Landesregierung hat noch im Jahr 2002 in Person des damaligen Ministerpräsidenten Gabriel den Be

troffenen vor Ort die Zusage gegeben, die Schiffbarkeit des Fedderwarder Priels und die Hafenzufahrt Fedderwardersiel im Rahmen der Unterhaltungsbaggerei, wie vom Hafenamt Jade-Weser vorgeschlagen, sicherzustellen. Soweit mir bekannt ist, gilt diese Zusage auch für die jetzige Landesregierung,

(Minister Walter Hirche: Richtig!)

auch wenn sich der jetzige Ministerpräsident vor Ort für die Hüttenmeister-Variante ausgesprochen hat, falls er die Wahl gewinnt. Bei einem Vor-OrtBesuch von Herrn Wulff und bei der Fahrt mit der „Wega“ ist die „Wega“ nach meiner Kenntnis absichtlich auf die Barre vor der Hafeneinfahrt navigiert worden, um auf die schwierigen Verhältnisse aufmerksam zu machen. Wir fordern auch in der Opposition nicht die Einhaltung eines solchen Wahlversprechens, wenn es denn so gewesen sein sollte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir glauben, dass die Hafenzufahrt durch Unterhaltungsbaggerei gesichert werden kann. Große Baumaßnahmen im Nationalpark sind auch finanziell nicht zu verantworten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Riese zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Riese!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht „Butjadingen die Zwölfte“, sondern es ist „Butjadingen die Fünfzehnte“ nach meinen oberflächlichen Recherchen durch die Drucksachen der jetzigen und der vorigen Legislaturperiode des Niedersächsischen Landtages. Fünfzehn Mal ist im Plenum Fedderwardersiel Gegenstand gewesen, häufig auf Antrag der Fraktion der Grünen, mitunter in einer interessanten Koalition mit der CDU, woran sich die Sozialdemokraten jetzt schmunzelnd erinnern. In den 15 Landtagssitzungen und 29 Ausschusssitzungen zu diesem Thema unter einer ganzen Reihe von Ministerpräsidenten gab es eine nicht abreißende Folge von Entschließungsanträgen, Anfragen und Petitionen, in denen eines immer deutlich geworden ist: Der Mensch denkt, Gott lenkt. Darauf hat gerade der

Kollege Buß, wenn auch mit anderen Worten, schon hingewiesen.

1891 ist sicherlich nicht das erste Datum gewesen, das am Fedderwarder Priel eine Rolle gespielt hat, sondern wir haben es nach Kenntnis aller Fachleute dort wie überall im Wattengebiet und im Küstengebiet mit einem morphologischen System zu tun, an dem vor allen Dingen eines stabil ist, nämlich sein großer und anhaltender Drang zur Veränderung. Die Ursache-Wirkung-Beziehungen zwischen Wasserbaumaßnahmen und der Veränderung von Hafenzufahrtsgewässern wie im Fedderwarder Priel sind leider wissenschaftlich überhaupt nicht sehr einfach mit Wenn-Dann-Beziehungen zu erläutern, sondern die Fachleute arbeiten mit Modellen; sehr verdienstvoll übrigens die Forschungsstelle Küste, Teil des früheren Landesamtes für Ökologie, die sich sehr viel Zeit und Mühe mit verschiedenen Gutachten gemacht hat und die immer wieder nur Zusammenhänge hat beschreiben können, aber keine ganz eindeutigen Ursache-Wirkung-Beziehungen.

Liebe Antragsteller, es besteht in diesem Landtag überhaupt kein Zweifel über die Bedeutung von Tourismus, Fischerei oder auch der Hafensituation am Federwarder Priel. Bis dahin sind wir alle einer Meinung. Allerdings über die Stetigkeit der Verlandung, die Sie im zweiten Spiegelstrich Ihres Antrages hervorheben, möchte ich gerne mit Ihnen ausgedehnt im Ausschuss diskutieren; denn nach Aussage der genannten Forschungsstelle Küste stellt sich die Verlandung so stetig, wie Sie das hier so gerne schwarz malen, nicht dar.

Sie wollen doch nicht in allem Ernst von uns verlangen, dass wir Ihren Spiegelstrich Nr. 3 beschließen, demzufolge das Vertrauen in die Verlässlichkeit dieser hervorragenden Landesregierung gestört sei. Da würden wir schon weit eher beschließen, dass Ihre Wahrnehmung gestört ist.

Den Dialog mit den Betroffenen in der Gemeinde Butjadingen gibt diese Landesregierung nach meiner festen Überzeugung ebenso wenig auf wie die sie tragenden Fraktionen. Da können Sie sicher sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Von der CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Thümler zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Herr Thümler, jetzt will ich aber wissen, ob wir den Hüttenmeister verwirklichen und vor allem ob wir ihn bezahlen können!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, ob ich die Neugierde von Herrn Gabriel befriedigen kann.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Ich bin ge- spannt!)

Was soll uns der vorliegende Entschließungsantrag der Grünen sagen? - Im Grunde genommen eigentlich nichts Neues; denn die ersten beiden Spiegelstriche Ihres Entschließungsantrages können im Prinzip ungesehen alle Parteien dieses Landtages unwidersprochen so hinnehmen. Der dritte und der vierte Spiegelstrich sind allerdings nach meiner Auffassung ungeheuerlicher Unsinn und zudem auch gefährlich. Denn seit 1999 haben ca. 90 Gespräche und Besprechungen unter Beteiligung des MW, der Staatskanzlei und weiterer Behörden des Landes Niedersachsen zur Zukunft des Fedderwarder Priels und auch der Gemeinde Butjadingen stattgefunden. Ich behaupte, dass das Fahrwasser des Fedderwarder Priels zu den am besten untersuchten Fahrwassern in der Deutschen Bucht zählt.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Allerdings nicht gerade zu den meistbefahre- nen!)

- Das ist allerdings auch wahr, aber ich sage Ihnen gleich etwas dazu. - Es gehört also zu den am besten untersuchten Fahrwassern, und man kann dann, wenn gesagt wird, es sei nichts passiert, nur entgegnen: Diese Behauptung ist ungeheuerlich!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zudem möchte ich hier feststellen, damit das auch einmal protokollarisch festgehalten wird, dass es sich bei dem Fahrwasser des Fedderwarder Priels um ein Fahrwasser von 40 m Breite handelt, das im Begegnungsverkehr von zwei Schiffen mit Vollgeschwindigkeit befahren werden kann. Zwei Fischkutter können dort im Begegnungsverkehr fahren. Ich möchte einmal wissen, wo das an der Küste - wenn ich an das Fahrwasser von Juist und anderswo denke - möglich ist. Mir fällt da nichts ein. Also sollte man, lieber Herr Janßen, auch da

die Füße still halten, weil man mit solchen Anträgen auch viel zerreden kann.

Das heißt unter dem Strich, dass das Land seiner Verpflichtung aus dem einstimmigen Landtagsbeschluss von 1997 nachkommt und auch künftig nachzukommen gedenkt. Dazu gleich mehr.

Da Sie in Ihrem Entschließungsantrag im Übrigen auch den Tourismus und seine Entwicklung angesprochen haben, möchte ich dazu Folgendes kurz ausführen: Im Dezember vergangenen Jahres, kurz vor Jahresschluss, am 28. Dezember, wenn ich mich nicht irre, hat Minister Hirche der Kur- und Touristik GmbH Butjadingen einen Bewilligungsbescheid über rund 5 Millionen Euro zur Verbesserung der touristischen Infrastruktur der Gemeinde übergeben. Die dort genannten vier Module sollen Butjadingen zu einem modernen und interessanten „Seebad an der Nordsee“ machen. Dabei ist u. a. in der Folge des einstimmigen Landtagsbeschlusses auch vorgesehen, eine Bademöglichkeit für die Burhaver und ihre Gäste anzulegen, nämlich einen Badessee im Außenbereich von 2 ha Größe. Ich sage das hier deswegen, weil er gemeinhin manchmal als „Pinkelbecken“ bezeichnet wird. Ein 2 ha großes Pinkelbecken ist mir allerdings nicht bekannt. Von daher sollte man auch da etwas vorsichtig sein.

Das Land Niedersachsen hält sich, so gesehen, an seine Zusagen und auch und vor allem an die Baggerungen im Fedderwarder Priel, die im Herbst letzten Jahres noch einmal stattgefunden haben und auch künftig stattfinden werden. Auf der Grundlage von Gutachten der Forschungsstelle Küste ist mit den Vertretern der Gemeinde Butjadingen sowie der Bürgerinitiative Butjadingen ein Vorgehen im Jahre 2003 verbindlich abgesprochen worden. So ist die Aussage der Forschungsstelle Küste „Wir arbeiten mit der Natur im System und nicht gegen die Natur. Wir sind nicht formend und gestaltend tätig, sondern begleitend.“ richtig. Das müsste Ihnen, Herr Janßen, eigentlich aus dem Herzen sprechen, weil es quasi Ihre Politik darstellt, die wir hier verfolgen wollen.

Aus dem Dienstbericht der Forschungsstelle Küste möchte ich einige Sätze zitieren, die zeigen, wie überflüssig Ihr Antrag ist, da sich die Natur eben so verhält, wie sie sich verhält, und nicht so, wie wir es vielleicht gerne hätten. In diesem Dienstbericht ist zu lesen - Frau Präsidentin, ich darf zitieren -: Damit haben sich die im Vorschlag von Meier und Stefan 2001 verbundenen Erwartungen zur Ent

wicklung des Priels weitgehend erfüllt. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Für massive Eingriffe besteht aber absehbar kein Anlass. - So die Forschungsstelle Küste im Dienstbericht von 04/2003.

Weiter ist zu lesen: Mit jedem Zyklus verlagert sich der Langwarder Prielbogen weiter nach Süden. Zu vermuten ist deshalb, dass der südliche Fedderwarder Priel langfristig eine Lage einnehmen wird, die in etwa dem Verlauf der Wega-Rinne entspricht, einer muldenförmigen Vertiefung der Burhaver Plate. In dieser Lage wäre der Priel mit nahezu gestrecktem Verlauf direkt auf den Hafen gerichtet. Vor diesem Hintergrund der weiteren erwarteten morphologischen Entwicklung wäre damit ein für die Zubringung zum Hafen Fedderwardersiel günstiger Zustand erreicht, der aber durch wasserbauliche Eingriffe stabilisiert werden müsste. - Aber erst dann, wenn es sich so entwickelt hat, wie die Natur es vorgibt, lieber Herr Janßen. Also: mit der Natur und nicht gegen die Natur.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind im Übrigen im Einvernehmen mit den örtlich Betroffenen auf einem guten Weg, dies so zu gestalten, und werden nicht mit schwerem Wasserbau, der zudem überflüssig und teuer wäre, gegen die Natur arbeiten.

Ich sehe Ihr Kopfschütteln. Da Sie mir das nicht glauben, will ich zum Schluss aus dem Protokoll einer Besprechung bei Niedersachsen Ports in Brake zitieren. Herr Janßen, Sie dürfen nicht das Protokoll vom 17. Februar nehmen, sondern müssen die Originalfassung vom 23. Februar, nämlich von gestern, beachten. Darin steht, es wird ausdrücklich bestätigt, was im Dienstbericht der Forschungsstelle Küste festgehalten wird: Der Bericht 03/2004 der Forschungsstelle Küste sieht Sicherungsmaßnahmen erst vor, wenn die Fahrrinne nach mehreren Verlagerungszyklen die Linienführung der so genannten Wega-Rinne erreicht hat.

Ein weiteres Zitat: Zur Erreichbarkeit des Hafens wird festgehalten: Baggerarbeiten in diesem Bereich, soweit überhaupt durchführbar, hätten kaum Einfluss auf das Tidefenster zur Erreichbarkeit des Hafens.

Noch Fragen?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Hirche. Bitte!

(Sigmar Gabriel [SPD]: Jetzt kannst du uns einmal loben! Das haben wir aus dem Weg geräumt!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit fast einem Jahrzehnt wird nun über den Fedderwarder Priel diskutiert. Es sind viele Lösungen erwogen und hin und her überlegt worden, wie das so ist. Das ist so wie mit Ebbe und Flut: Jedes Mal sieht es nach der Ebbe anders aus, wenn man sich das genau anguckt, und nach der Flut auch.

Mit dem vorgelegten Antrag können Sie von den Grünen nicht darüber hinwegtäuschen, dass gehandelt wird. Das hat - das sage ich ohne Vorbehalte und Einschränkungen - die letzte Landesregierung getan, und wir tun das genauso. Meine Damen und Herren, die damalige SPD-Regierung hat 2001 gegenüber der Gemeinde zugesagt, die Hafenzufahrt unter festgelegten Bedingungen freizuhalten. Die Bedingungen sind im Einvernehmen mit den Beteiligten vor Ort festgelegt worden, und an diese Zusage fühlen wir uns weiterhin gebunden. Das heißt konkret: Wir sorgen mit geeigneten Mitteln - der Kollege Buß hat das eben ausgeführt für eine Zufahrt zum Hafen. Das Land hat erhebliche Finanzmittel eingesetzt, und sofern es erforderlich wird, werden wir unsere Baggeraufgabe auch weiterhin wahrnehmen, meine Damen und Herren. Aber an der Küste sieht man vielleicht deutlicher als sonst irgendwo im Lande: Gegen die Natur lässt sich das nicht machen. Herr Kollege Buß, ich unterstreiche ausdrücklich Ihren Satz, den ich mir sinngemäß so notiert habe: Es macht keinen Sinn, gegen die Natur zu baggern. - Es ist schon interessant, dass hier von den Grünen, die sich sonst immer darauf berufen, sie würden sozusagen natürliche Vorgänge unterstützen und das nicht mit industriellen Eingriffen kaputtmachen wollen, genau an dieser Stelle der industrielle Eingriff gefordert wird. Meine Damen und Herren, das macht zumindest nachdenklich.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Alle Aktivitäten sind wissenschaftlich begleitet worden. Die Experten haben dem Land gute Arbeit

bescheinigt und halten Wasserbaumaßnahmen, wie sie von den Grünen vorgeschlagen werden, für nicht Erfolg versprechend.

Der von Ihnen geforderte Kostenvergleich zwischen den bisherigen Unterhaltungsmaßnahmen einerseits und einer wasserbaulichen Absicherung der Wega-Rinne andererseits erübrigt sich allein schon deshalb, weil der Priel zurzeit keine Anstalten macht, sich so zu verhalten, wie Sie das vorschlagen und anregen. Wenn man eben dem Wasser predigt, wie es laufen soll, ist das nicht so ganz erfolgreich.

Hinsichtlich der vermeintlichen Auswirkungen des JadeWeserPorts verweise ich an dieser Stelle auf die Aussagen der Bundesanstalt für Wasserbau, die mit umfangreichen Modellversuchen belegt hat, dass negative Folgen für den Priel nicht zu befürchten sind. Im Übrigen werden die im Planfeststellungsverfahren vorgebrachten Bedenken von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion aufgenommen und geprüft. Alle getroffenen Maßnahmen werden vor Ort den Betroffenen regelmäßig vorgestellt und erläutert. Sie finden weitgehend Zustimmung, auch wenn gelegentlich etwas anderes behauptet wird.