Protokoll der Sitzung vom 25.02.2005

die schon heute erkennbar unter dem Gesichtspunkt des demografischen Wandels die Schließung der kleinen Schulstandorte beschleunigen wird.

(Beifall bei der SPD)

Schon heute haben wir jahrgangsübergreifende Klassen.

Aus dem Ministerium für den ländlichen Raum kommt ein interministerieller Arbeitskreis, der bisher allerdings noch keine Ergebnisse vorgelegt hat. Wenn es um die ländlichen Räume geht, stellen wir fest, dass die GA-Mittel zur Stärkung der ländlichen Räume nicht ausgeschöpft werden. Im Gegenteil: Im letzten Jahr hat man einschließlich der Landesmittel 20 Millionen Euro verfallen lassen.

Aus dem Innenministerium kommt eine Verwaltungsreform, die gerade gut funktionierende Regionalmanagementstrukturen zerstört hat.

Auf Veranlassung der Staatskanzlei werden wir vielleicht demnächst eine längere Berichterstattung des NDR über den demografischen Wandel bzw. dessen Auswirkungen auf Niedersachsen hören.

Meine Damen und Herren, das macht deutlich, der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geht in die richtige Richtung. Ich bin gespannt auf die Beratungen in den Ausschüssen, vor allem aber auf

die dann vielleicht besseren Diskussionsbeiträge der Kollegen von CDU und FDP.

Als Letztes beantrage ich - man sieht es vielleicht an den Rednern, dass man den wichtigsten Ausschuss als mitberatenden Ausschuss vergessen hat - eine Mitberatung - ich bin zwar der Meinung, er müsste federführend sein, aber ich bin ja erst einmal bescheiden - durch den Ausschuss für den ländlichen Raum. Denn dort sitzt schließlich der wichtige interministerielle Arbeitskreis. Ich möchte zudem anregen zu überdenken, ob wir zu diesem Thema nicht eine Anhörung durchführen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Hillmer zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die genannten Herausforderungen sind nicht neu. Die Debatte über die demografische Frage erreicht langsam eine breite politische Öffentlichkeit. Ich danke den Grünen, dass sie einen Antrag zu diesem wichtigen Thema eingebracht haben.

Bereits seit vielen Jahren, meine Damen und Herren, sind die südlichen und östlichen Landesteile mit Schrumpfung und Alterung konfrontiert. Die Auswirkungen sind vielerorts durch einen verstärkten Zuzug nach 1989 überlagert worden. Jetzt treten sie wieder verstärkt hervor. Die Vorredner haben zum Sachverhalt bereits viel Richtiges gesagt.

Ich möchte betonen, meine Damen und Herren - das kam in Ihrer Betrachtung, Frau Helmhold, zu kurz -, dass die Bewältigung des Wandels sehr viel mit Subsidiarität zu tun hat. Wir haben heute schon Kommunen mit einer Altersstruktur, die andere Kommunen in Niedersachsen in 50 Jahren noch nicht erreicht haben werden. Gerade im kommunalen Bereich, wo der Großteil der relevanten Infrastruktur bereitgestellt wird, wird bei der Planung von Kinderbetreuung, Schulen oder Alteneinrichtungen sehr wohl die Demografie berücksichtigt, vielleicht nicht so ausdrücklich und wortreich, wie wir das hier tun, aber allemal situationsangepasster, als wir das von Hannover aus je könnten.

Jede Kommune, meine Damen und Herren, muss ihre Situation und ihre Perspektiven betrachten und passende Antworten finden. Eine landesweite Patentlösung wird es hierzu nicht geben. Die von Ihnen geforderten Fachsymposien und Runden Tische können hier durchaus Anregungen geben.

Frau Helmhold, Sie sind in Ihrer Rede konkreter geworden als in dem Antrag selbst, als Sie nämlich gezielt gesagt haben, welche Infrastruktur Sie für einen Rückbau seitens des Landes empfehlen. Es hat natürlich Konsequenzen für die ländlichen Räume, wenn der Nahverkehr eingeschränkt wird, weil dort weniger Menschen sind. Das heißt für die, die dann noch dort sind, dass dort weniger Züge fahren, dass eventuell Landesstraßen nicht mehr renoviert werden. Das ist dort dann schon eine kritische Frage.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wir wer- den intelligente Konzepte haben müs- sen!)

- Frau Helmhold, ich kann Ihnen das genau erklären. Sie haben in Ihrem Antrag das Beispiel Uelzen aufgeführt. Es ist heute auch noch einmal zitiert worden. Ich komme aus Uelzen. Ich erläutere Ihnen einmal, wie sich das vor Ort auswirkt.

Wir haben pro Familie mehr Kinder als im Durchschnitt von Niedersachsen. Das Problem ist, dass es keine Arbeitsplätze gibt und diese Kinder nach der Schulausbildung wegziehen. Bei der Lösung dieses Problems könnte die Autobahn durchaus Abhilfe schaffen. Wir beobachten im Landkreis Uelzen, dass wir im Nordkreis, 10 km von der Lüneburger Autobahn entfernt, eine Bevölkerungszunahme und im Südkreis, der strukturschwach und abgelegen von Infrastruktur ist, einen Bevölkerungsrückgang haben. Man muss also sehr differenziert hinschauen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das wollen wir ja auch!)

Gerade bei dieser Frage, mit der man einer Region wie dem Landkreis Uelzen helfen könnte, verweigern sich die Grünen, nämlich beim Thema Autobahn. Alle anderen sind sich in dieser Frage einig.

Ich nenne Ihnen noch weitere Ansatzpunkte, mit denen man einer Region wie dem Landkreis Uelzen helfen kann. Wir haben in den letzten Jahren Zuzug von Familien gehabt aufgrund von günstigen Rahmenbedingungen wie Eigenheimzulage und Pendlerpauschale. Aber auch hier sind es

wieder die Grünen, die dieser Region etwas wegnehmen wollen.

Vor diesem Hintergrund nehmen wir Ihnen Ihre Sorge um den ländlichen Raum einfach nicht ab. Sie beschreiben die Sachverhalte richtig. Da gibt es einen Patienten, aber Sie verweigern ihm die Therapie und geben ihm stattdessen Sterbehilfe. Das halte ich nicht für redlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das in Ihrem Antrag benannte Zentrale-OrteKonzept ist als Leitbild für Schrumpfung und Rückbau durchaus geeignet. Es wird jedoch im Bereich der öffentlichen Träger schwer durchsetzbar sein, weil die Politik den jeweils eigenen Bürgern verpflichtet ist. Außerdem laufen Standortentscheidungen nach betriebswirtschaftlichen Gesetzen ab und lassen sich nicht politisch definieren. Damit stoßen wir an Grenzen von Planung, die sehr wohl verhindern kann, aber nicht aus sich heraus gestalten kann. Ich meine, auch inhaltlich greift Ihr Antrag zu kurz. Ihre Strategie ist nur reaktiv, da steckt so viel Pessimismus, so viel Resignation drin.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nein, da steckt Optimismus drin!)

Wenn wir nur den Niedergang verträglich organisieren,

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Rechtzeitig nach vorn gucken! Nicht den Kopf in den Sand stecken!)

ist das keine Perspektive für eine Wohlstandsnation, Herr Wenzel.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Analyse geht von der Zwangsläufigkeit der demografischen Entwicklung aus. Diese ist in der Tat schwer zu beeinflussen, aber sie ist kein Naturgesetz.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nicht war- ten!)

- Herr Wenzel, wir brauchen eine Ressort übergreifende Handlungsstrategie, die den Trend positiv beeinflusst, die die demografische Struktur verbessert und nicht nur verwaltet. Dazu gehört zunächst eine positive Einstellung zur Zukunft.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Richtig!)

Wenn wir in Niedersachsen beginnen, Haushalte zu sanieren, dann ist das Appell zum Maßhalten an die jetzige Generation, um den Kindern noch eine Chance zu lassen. Verschuldung ist zukunftsverweigernd und kinderfeindlich. Wir nehmen unsere Generation zu wichtig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das müs- sen gerade Sie sagen! Sie haben die Verschuldung nach oben getrieben!)

- Herr Wenzel, ich muss Ihnen doch nicht erklären, was Nachhaltigkeit heißt.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie ma- chen in diesem Jahr mehr Schulden als im letzten Jahr! 100 Millionen mehr!)

Wir nehmen unsere Generation zu wichtig und vergessen, dass auch nach uns noch jemand leben will.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr Wertschätzung für Kindererziehung und Familienarbeit. Andere Länder wie z. B. Frankreich stellen sich der demografischen Herausforderung viel unverkrampfter und aktiver. Dort erfahren Eltern mit drei oder mehr Kindern eine besondere direkte Förderung. Wir müssen bewusster machen, dass eine Gesellschaft eine Schicksalsgemeinschaft gleich einer großen Familie ist, die die Kinder für eine gute Zukunft braucht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Die Bestandsaufnahme im Antrag ist korrekt. Die Handlungsempfehlungen sind zu pauschal und staatsgläubig. Wir möchten das Thema breiter und proaktiver und nicht nur reaktiv angehen. Die Herausforderung Demografie geht über infrastrukturelle Fragen weit hinaus.

Ich möchte für meine Fraktion beantragen, die federführende Beratung dem Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu übertragen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Landesregierung Herr Minister Ehlen, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entschließungsantrag stellt die rückläufige Entwicklung der Bevölkerung dar. Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Meine Vorredner haben darauf abgehoben, und darüber sind wir uns alle einig. Wir wissen aber auch, dass dieses Problem nicht neu ist. Hiervon sind alle Bereiche von Gesellschaft und Politik betroffen. Deshalb müssen wir hier einen Anpassungsbedarf sehen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen.

Deshalb stimme ich der Überschrift des Antrags insoweit zu. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, in allen Teilräumen unseres Landes die Lebens- und Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die junge Bevölkerung gut aufwachsen kann, dass Ausbildungs- und Arbeitsplätze vorhanden sind und dass für alle Altersgruppen die Versorgung sichergestellt ist. Das ist eine große Herausforderung, die weit über den vorliegenden Antrag hinausgeht.

Wir reden nicht nur über Schulen, Kindergärten, Verkehrswege und den ÖPNV. Deshalb müssen wir hier feststellen, dass wir mit nur einem Runden Tisch und mit nur einem Fachsymposium sicherlich nicht auskommen werden.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)