Protokoll der Sitzung vom 25.02.2005

(Katrin Trost [CDU]: Das haben wir!)

Sie, Herr Minister Stratmann, zerschlagen die Landesarbeitsgemeinschaft für Soziokultur, die als beliehener Unternehmer bundesweit als beispielhaft gilt.

Auch Folgendes habe ich immer wieder gesagt - es ist auch unbestritten -: Sie zerschlagen die hervorragende Arbeit des Landesverbandes der Kunstschulen, die bisher ähnlich wie die LAGS als beliehener Unternehmer arbeiten konnte. Die Mittelvergabe funktioniert übrigens nur noch bei diesen beiden Verbänden. Ansonsten funktioniert die Mittelvergabe in diesem Lande nicht.

Sie wollen die bisher praktizierte Verantwortungspartnerschaft mit den Verbänden durch Bürokratie ersetzen. Sie ziehen - das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen - operative Aufgaben - Thema Verwaltungsreform - massiv ins Ministerium und blähen dieses mit Stellen auf. Sie geben bewährte Förderstrukturen auf und ersetzen sie durch bürokratische Strukturen. Es bleibt festzustellen, dass unter dem Deckmantel der Verwaltungsreform dirigistische Bürokratie und Zentralisierung in die Kulturförderung Eingang finden sollen. Liebe Frau Seeringer, darüber reden wir.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, mit unserer Kritik - ich kenne ja die Beiträge von Herrn Stratmann, ich weiß schon, was kommt: wir alle haben Unrecht, alles ist ganz anders - sind wir in kompetenter Gesellschaft. So sagt der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, zu der Zerschlagung der Kulturförderung in Niedersachsen Folgendes:

„Die Landesregierung in Niedersachsen ist mit dem Ziel angetreten, Bürokratie abzubauen und die Verwaltung

zu entschlacken. Die Vorschläge der CDU- und der FDP-Landtagsfraktion zur Neuordnung der Kulturförderung würden genau das Gegenteil zur Folge haben.“

(Beifall bei der SPD)

„Die CDU und FDP in Hannover werden sich entscheiden müssen, ob sie die aktive Bürgergesellschaft in der Kultur oder mehr Staat wollen.“

(Beifall bei der SPD)

„Die Auswirkungen werden weit über Niedersachsen hinaus von Bedeutung sein.“

Noch ein Zitat: Auch die kulturpolitische Gesellschaft zeigt sich angesichts der Entwicklung in Niedersachsen außerordentlich besorgt und warnt in einer Presseerklärung vom 22. Februar 2005 - ich zitiere, weil es so schön ist -:

„Trägervielfalt und Selbstorganisation sind Garanten einer freien Kulturförderung und einer lebendigen Kulturszene.“

Ich erinnere daran: Die CDU/FDP-Regierung will das gerade zerschlagen.

„Auch der Niedersächsische Landtag sollte daher auf Verantwortungspartnerschaft und Aufgabenteilung setzen, statt dirigistisch einzugreifen.“

Unterschrieben wurde diese Presseerklärung - Sie sehen, ich bin lernfähig, was Ihre Wortbeiträge anbelangt - auch von Frau Dr. Iris Magdowski, die, wie Sie wissen, Mitglied in Ihrer Partei ist. Ich könnte das fortsetzen. Ich will mich nur noch auf den Arbeitskreis der niedersächsischen Kulturverbände beziehen.

(David McAllister [CDU]: Das war ja eine bahnbrechende Nachricht!)

- Ja, das ist es auch. Da Sie offensichtlich doch relativ wenig Ahnung von Kultur haben, schlage ich vor, dass wir einmal darüber reden. Ich bin gerne bereit, Ihnen weiterzuhelfen.

(Zustimmung bei der SPD)

Auch der Arbeitskreis der niedersächsischen Kulturverbände stellt in einer Presseerklärung vom

24. Februar 2005 fest, dass Ihre Neuordnung der Kulturpolitik außerordentlich fragwürdig sei.

(David McAllister [CDU]: Wie ist das als Ex-Ministerin? Wie ist das in der Opposition?)

- Sie glauben doch nicht, dass ich auf Sie eingehe. - Die Bundesakademie in Wolfenbüttel, Frau Seeringer, hier als zukünftiges Kompetenzzentrum zu bezeichnen, sehr geehrte Damen und Herren, ist so absurd und zeigt, dass Sie nicht wissen, was schon heute in Wolfenbüttel in dieser Bundesakademie passiert. Sie ist ein Kompetenzzentrum. Sie braucht Sie dafür nicht.

(Beifall bei der SPD)

Also, sehr geehrte Damen und Herren, die eindeutig ablehnenden Reaktionen der Fachöffentlichkeit auf Ihren Entschließungsantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind für Ihre kulturpolitischen Vorstellungen vernichtend, Herr Minister, und fordern Sie auf, den jetzt eingeschlagenen Weg zu korrigieren. Wir schließen uns dem an. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Dr. Heinen-Kljajić das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Unruhe)

Einen Augenblick bitte! - So, bitte!

Der von der CDU und der FDP vorgelegte Antrag zur Neuordnung der Kulturförderung verfolgt aus meiner Sicht nur ein Ziel: Die etablierte Partnerschaft zwischen dem Land und dem freien Kulturbereich zur Sicherstellung kultureller Grundversorgung soll beendet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zugleich haben wir es hier mit einem Musterbeispiel einer wenig hilfreichen Arbeitsteilung zwischen dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur und den Regierungsfraktionen zu tun. Das MWK hält sich vornehm zurück, und die Fraktionen machen die Aufräumarbeiten.

Frau Seeringer, von wegen, Sie reden mit allen Verbänden. Seit Wochen verharrt das Ministerium im Totstellreflex und verweigert den betroffenen Verbänden Gespräche, obwohl die ihnen eigentlich eindeutig zugesagt waren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Und nun versuchen FDP und CDU, die bewährten Strukturen hinterrücks einzukassieren. Um das zu erreichen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, scheuen Sie, wie schon in der Haushaltsdebatte erlebt, nicht davor zurück, mit falschen Behauptungen aufzuschlagen. Sie widersprechen sich ferner an allen Ecken und Enden.

Meine Damen und Herren, hier nur zwei Beispiele: Sie wollten mit der Auflösung der Bezirksregierungen die Verwaltung verschlanken. Was wir im Bereich der Kulturförderung hingegen erleben, ist das Aufblähen des Verwaltungsapparates im Fachministerium. Dort sitzen nun die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksregierungen und sollen zukünftig zentral die Mittelvergabe für die Projekte über 10 000 Euro oder von so genannter überregionaler Bedeutung für die gesamte erste Säule - kulturelle Bildung - abwickeln. Diese Entwicklung im MWK führt die Ziele der Verwaltungsreform schlicht und ergreifend ad absurdum.

Auch die Behauptung, eine Abwicklung von Förderanträgen sei durch das MWK billiger zu haben als durch die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur, mit der ja seit 1997 erfolgreich das Modell einer beliehenen Unternehmerschaft geführt wird, kann ja wohl nur ein schlechter Witz sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Auslagerung der Aufgabe aus dem Ministerium ist doch seinerzeit u. a. vorgenommen worden, um Effizienzpotenziale zu nutzen. Meine Damen und Herren, die LAGS hat einen Verwaltungskostenanteil von 9 %. Das kann eine Behörde niemals schaffen. Das wissen Sie alle hier genauso gut wie ich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Daran ändert auch die ständige und falsche Veranschlagung der Personalkosten der Landesverbände als reine Verwaltungsausgaben nichts - Frau Bührmann hat das Problem ja schon angesprochen -; denn dahinter verbergen sich tatsächlich zu einem Großteil Beratungs- und Fortbildungsleistungen, die der Qualität der geförderten Angebote, die Sie ja sonst an anderer Stelle völlig zu Recht einfordern, direkt zugute kommen. Das, was hier geleistet wird, kann bei weitem nicht durch Fortbildungsprogramme bei der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel aufgefangen werden, allemal nicht ohne eine deutliche Aufstockung der Personal- und Sachmittel an dieser Stelle.

Meine Damen und Herren, außerdem müssen Sie mir einmal erklären, wo denn die von Ihnen so vehement eingeforderte Effizienzsteigerung durch die Übertragung der Mittelvergabe durch die Landschaften herkommen soll. Ein „relativ geringer“ Betrag von 1 Million Euro zukünftig über 14 eigenständig verwaltete Vergabeinstanzen zu verteilen, hat mit effizientem Mitteleinsatz nun aber überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie messen mit zweierlei Maß, meine Damen und Herren. Wenn man Ihr Modell konsequent nachvollzieht, muss man sich fragen, wozu Sie die Säule kulturelle Bildung mit der freien Kultur überhaupt noch mit einem Dachverband erhalten wollen. In den beiden anderen Säulen hat der Dachverband durchaus eine wesentliche Aufgabe. Er wickelt nämlich die Mittelvergabe innerhalb der Säule ab. Was aber, bitte schön, soll denn dieser Dachverband in der Säule kulturelle Bildung machen? Geht es im besten Fall einfach nur darum, am Dreisäulemodell festzuhalten, weil es so hübsch übersichtlich ist, oder geht es im schlechtesten Falle darum, die einzelnen Spartenverbände langfristig in einem Dachverband aufgehen zu lassen?

Ihr Modell lässt jedenfalls viele Fragen offen und führt mitnichten zu einer Gleichbehandlung der Verbände, wie es Frau Trost unlängst in einer Pressemitteilung behauptet hat.

Meine Damen und Herren, wir fordern das Fachministerium auf, wie zugesagt noch einmal das

Gespräch mit den Verbänden der Säule kulturelle Bildung zu suchen; denn es kann nicht angehen, dass die Koalitionsfraktionen die Aufräumarbeit für das MWK übernehmen. - Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Dr. Zielke das Wort.