Protokoll der Sitzung vom 25.02.2005

Was erreichen wir mit der Einführung von Studiengebühren? - Zum einen mehr Qualität und Effizienz. Wir stärken die finanzielle Basis der Hochschulen. Wir eröffnen die Möglichkeit, Studiengänge nach einem Preis-Leistungs-Verhältnis einzustufen. Die Entwicklung von Eigenverantwortung und Kostenbewusstsein, auch aufseiten der Studierenden, wird gefordert und gefördert. Wir erreichen zudem eine Qualitätssteigerung bei den Studienangeboten.

Wir brauchen Hochschulen, in denen der Wettbewerb zu Hause ist. Das ist eine altbekannte Forderung. Doch schaut man einmal genau hin, stellt man schnell fest, dass überall um die Qualität der Forschung gerungen wird. Der Wettbewerb in der Lehre kommt bisher zu kurz. Aus diesem Grund fordern wir, dass die Studienbeiträge für die Verbesserung der Lehre eingesetzt werden sollen.

Studienbeiträge sind auch ein Steuerungsinstrument. Sie beeinflussen das Angebotsverhalten der Hochschulen und das Nachfrageverhalten der Studierenden positiv. Studierende können eine intensivere Beratung verlangen. Wettbewerb um zahlende Studierende führt zu einer Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen.

Studienbeiträge führen zu einer Verkürzung der Studienzeit. Die SPD fordert - Frau Dr. Andretta hat es gerade wieder getan -: Wir brauchen mehr

Studienanfänger. - Was wir brauchen, sind mehr Absolventen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Fakt ist: Heute brechen 25 % aller Studienanfänger ihr Studium ohne Abschluss ab. Weitere 25 % wechseln, oft erst nach mehreren Semestern, ihr Studienfach. Die durchschnittliche Studiendauer liegt in Deutschland um 25 % über dem OECDDurchschnitt. Die Einführung von Studienbeiträgen wird zu einem effizienteren Studienverhalten und somit auch zu einer Verkürzung der Studienzeiten führen. Das hohe Durchschnittsalter deutscher Hochschulabsolventen wird deutlich gesenkt werden und damit die Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Arbeitsmarkt verbessern. Als politisch Verantwortliche müssen und werden wir dafür sorgen, dass unsere Studierenden diese Chance auch erhalten.

Wir erreichen mit der Einführung der Studienbeiträge zudem mehr soziale Gerechtigkeit in der Bildungsfinanzierung. Das müsste Ihnen eigentlich sehr entgegenkommen.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, Sie beschwören doch immer das Schreckgespenst der sozialen Auslese durch die Einführung von Studienbeiträgen herbei. Belegen können Sie dies nicht. Fakt ist heute in Deutschland: Von 1982 bis heute fiel der Anteil der Studierenden, die aus den so genannten sozial schwachen Familienverhältnissen kommen, von 23 % auf 12 %, und dies ohne Studienbeiträge.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Unsere Schlussfolgerung: Ihre Behauptung, Studienbeiträge würden Zugangsbarrieren für Studierwillige aus den unteren Einkommensgruppen darstellen, ist so nicht zutreffend und lenkt von den eigentlichen benachteiligenden Faktoren ab.

Deshalb brauchen wir Studienbeiträge, die sozialverträglich ausgestaltet sind und in ein leistungsfähiges Darlehens- und Stipendiensystem integriert werden müssen. Das bedeutet zinsgünstige, vermögensunabhängige Bildungskredite mit der Möglichkeit, sie erst nach der Aufnahme einer Berufstätigkeit und einem damit verbundenen Mindesteinkommen zurückzuzahlen, und die Befreiung von Studienbeiträgen aus Billigkeitsgründen, wie Kindererziehung, Behinderung, Familienpflege. Wir sagen doch immer, dass heute zu wenig Akademi

kerinnen Kinder bekommen. Damit kämen wir zumindest diesem Problem etwas entgegen. Wir erwarten von den Hochschulen, dass sie Stipendien für herausragende Leistungen in Studium und Gesellschaft ausloben.

Dann noch eines: Heute finanzieren alle Steuerzahler die Hochschulabsolventen. Die Studierenden beteiligen sich nicht an den Kosten ihrer Ausbildung. An dieser Stelle können wir eine Gerechtigkeitslücke schließen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

War es nicht die SPD, die vor wenigen Jahren noch monierte, die Sekretärin bezahlt mit ihren Steuern das Studium des Chefarztes? - Sie lamentieren, wir handeln und haben einen akzeptablen Weg gefunden, um dieses zu bereinigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Noch haben Sie gar keinen Weg gefunden!)

Ein erfolgreiches Hochschulstudium ist immer auch als eine Investition in die eigene Zukunft anzusehen - also Eigenverantwortung der Studierenden. Jeder Handwerker muss heute seine Ausbildung zum Meister selbst finanzieren mit bis zu 30 000 Euro. Eine Beteiligung der Studierenden an den Kosten ihrer Ausbildung ist demnach gerecht.

Nun einmal zu den Zahlen. Durchschnittlich kostet ein Studium 40 000 Euro, ein Jurastudium rund 25 000 Euro, ein Medizinstudium rund 135 000 Euro; somit auch ganz klar die Staffelung bei den Studienbeiträgen in bestimmten Bereichen.

Hochschulabsolventen erzielen in der Regel höhere Lebenseinkommen, haben bessere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und ein geringeres Risiko der Arbeitslosigkeit. Auch dies muss hierbei gesehen werden.

Fazit: Erstens. Studienbeiträge fördern den Wettbewerb unter den Hochschulen. Zweitens. Sie verbessern die Finanzausstattung der Hochschulen. Drittens. Sie geben Anreiz zum zügigen Studium. Viertens. Studienbeiträge schaffen die Möglichkeit der zusätzlichen Profilbildung von Hochschulen und Fachbereichen. Fünftens. Studienbeiträge führen zu mehr sozialer Gerechtigkeit in der Bildungsfinanzierung. Sechstens. Studienbeiträge führen zu einer Verkürzung der Studienzeiten. Siebtens. Sie führen zu mehr Qualität und Effizienz in der Lehre.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Beratungen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat jetzt Frau Dr. Heinen-Kljajić.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit ihren Plänen zur Einführung von Studiengebühren ab dem ersten Semester wird diese Landesregierung nicht nur wortbrüchig, sondern sie spitzt die bisher eingeleiteten Fehlsteuerungen im niedersächsischen Bildungswesen in dramatischer Weise weiter zu. Das so genannte Hochschuloptimierungskonzept und nun auch die Novelle zum Hochschulzulassungsgesetz haben den Spar- und Kostendruck auf die Hochschulen deutlich erhöht. In der Konsequenz sinkt die Zahl der Studienplätze in Niedersachsen. Die Studienzugangssituation verschlechtert sich ebenso wie die Studienbedingungen.

Meine Damen und Herren, die Pläne zur Einführung von Studiengebühren einschließlich Ihrer Schulpolitik runden das Bild nun ab. Sie arbeiten an einem Bildungssystem, das konsequent dem Prinzip des Selektierens verpflichtet ist und bei dem die soziale Herkunft eine deutlich stärkere Auswirkung auf die Bildungsbiografie hat als die individuelle Befähigung.

(David McAllister [CDU]: Sie wissen, dass das falsch ist!)

Das, meine Damen und Herren von CDU und FDP, ist nicht nur sozialpolitisch und volkswirtschaftlich kontraproduktiv, sondern auch eine klare Kampfansage an die Wissensgesellschaft.

Meine Damen und Herren, wir sprechen uns daher klar gegen Ihre Pläne zur Einführung von Studiengebühren aus. Ich kann die Folgen Ihrer Gebührenpläne an dieser Stelle nur kurz verdeutlichen.

Zum Ersten. Selbst wenn diese Gebühren nachgelagert und einkommensabhängig zurückgezahlt werden können, Menschen aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien werden ihre Entscheidung über die Aufnahme eines Studiums

angesichts der zu erwartenden Verschuldung nach dem Studium häufig anders treffen, als sie dies bei einem gebührenfreien Erststudium tun würden.

(Zuruf von der CDU: Sind Leute, die das Abitur haben, bildungsferne Schichten?)

Im Ergebnis werden junge Menschen, die eigentlich für ein Studium befähigt wären, von den Hochschulen ferngehalten.

Zum Zweiten. Wenn Sie, Herr Minister Stratmann, die Frage, ob überhaupt und, wenn ja, in welcher Höhe Studiengebühren erhoben werden, den Hochschulen überlassen wollen, dann ziehen Sie eine weitere Selektionsstufe ein. Denn das, was Ihrer Meinung nach den Wettbewerb zwischen den Hochschulen anregen soll, wird dazu führen, dass Studierende aus einkommensschwachen Schichten häufig in „billige“ Fachbereiche oder Hochschulen ausweichen.

Zum Dritten. Wenn Sie dann die angekündigten Gebühren semesterweise erheben wollen, strafen Sie all jene ab, die während des Studiums erwerbstätig sein müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und das sind nicht weniger als 41 % der Studierenden.

Meine Damen und Herren, die hier geschilderten Auswirkungen der Gebührenpläne dieser Landesregierung werden sich im Laufe der nächsten Jahre weiter verschärfen. Sie, Herr Minister Stratmann, haben es bis heute nicht geschafft, den seit 2003 zugesagten Zukunftsvertrag abzuschließen, der die Hochschulen zumindest bis 2007 vor weiteren Kürzungen bewahren würde. Wer soll Ihnen eigentlich noch glauben, wenn Sie versprechen, die Einführung von Studiengebühren werde davon abhängig gemacht, dass das Geld zusätzlich den Hochschulen zukommt? Tatsächlich ist bei dieser Landesregierung damit zu rechnen, dass die Gebühren im Laufe der Jahre steigen werden, während die Landesmittel zurückgehen.

Meine Damen und Herren, auch bei allen anderen offenen Fragen steht die Landesregierung mit leeren Händen da. Stipendien? - Fehlanzeige. Frau Trost hat eben darauf hingewiesen, dass das dann in die Verantwortung der Hochschulen zu legen sei. Ein Finanzierungssystem? - Fehlanzeige. Im Gegenteil, Ihr federführender Kollege, Herr Senator Dräger aus Hamburg, fordert eine Preisgabe des BAföG, um die Gebührenkredite für die Studierenden finanzierbar zu machen. Da kann selbst die

Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Frau Wanka, nur warnen, dass die ungeklärte Frage in der Finanzierung von Studiengebühren die Gefahr in sich birgt, dass Schulabsolventen von einem Studium abgeschreckt werden.

Meine Damen und Herren, Sie haben Ihre Hausaufgaben schlicht nicht gemacht.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Da täuschen Sie sich!)

Ich finde, dass dieses Thema viel zu ernst ist, als dass ein derart unprofessioneller Umgang damit erlaubt wäre. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Professor Zielke. Bitte schön!

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: We- nigstens einer, der weiß, wovon er re- det! - Gegenruf von Katrin Trost [CDU]: Danke!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Landtagssitzung am 27. Januar wissen wir, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Gabriel, Schwierigkeiten mit der Prozentrechnung hat. Seit heute wissen wir, dass sein Stellvertreter, Herr Jüttner, Probleme mit dem Lesen hat. Er hat den vorliegenden Antrag unterschrieben, und da hat er Dinge in die Regierungserklärung vom 4. März hineingelesen, die da gar nicht drinstehen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Kennen Sie das Internet? Ist Ihnen das bekannt?)

Die Passage vom gebührenfreien Erststudium gibt es in der Regierungserklärung nicht - laut Landtagsprotokoll, und das zählt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Macht euch nur ordentlich Mut!)

Ist das nun Dyslexie oder schlampige Recherche? - Fast muss man froh sein, dass die beiden Herren hier im Landtag sitzen und nicht niedersächsische Kinder unterrichten.

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)