Meine Damen und Herren, so exotisch die Welt der Cowboys für Gitte, sind auch im 21. Jahrhundert für viele Jungen noch der Haushalt, die Familienarbeit oder soziale Berufe. Jungen wollen Fußballstar, Feuerwehrmann oder Manager werden, aber nicht Altenpfleger oder Sekretär. Schon seit längerer Zeit rücken deshalb auch die Bildungs- und Berufschancen von Jungen ins Blickfeld. Wissenschaftliche Studien zeigen uns, dass Jungen heute größere Probleme haben, ihren eigenen Weg zu finden. Sie sind in vielen schulischen Bereichen schlechter, und sie werden häufiger verhaltensauffällig als Mädchen. Auch bei der beruflichen Orientierung ist eine gewisse Einseitigkeit zu beobachten. Sie beschränken sich zu 35 % auf zehn handwerkliche und technische Berufe. Gerade in dem Bereich der Sozial- und Gesundheitsberufe sind Jungen bzw. Männer selten anzutreffen. Das halte ich für ein großes gesellschaftliches Problem. Gerade in den ersten prägenden Lebensjahren zu Hause, im Kindergarten und dann in der Grundschule werden Kinder noch immer nahezu ausschließlich von weiblichen Bezugspersonen betreut. So wird es schwierig, ihnen ein neues Frauen- und Männerbild zu vermitteln. Wir haben deshalb parteiübergreifend beschlossen, den „Girls‘ Day“ zu einem Zukunftstag für Jungen und Mädchen zu entwickeln.
Damit entsprechen wir dem Konzept des Gender Mainstreaming, was nichts anderes heißt, als dass bei allen Entscheidungen geschlechtsspezifische Fragen berücksichtigt werden. Ziel soll es sein, Jungen für typisch weibliche Berufe zu interessieren. Sie sollen Einblicke in Berufe wie z. B. Erzieherin, Arzthelferin, Grundschullehrerin oder in der Altenpflege erhalten.
Ich habe den demografischen Wandel bereits angesprochen. Ein steigender Anteil von älteren Menschen wird dazu führen, dass wir auch mehr Nachwuchs im Pflegebereich brauchen. Hier können und wollen wir in Zukunft auf Jungen nicht verzichten. Mit dem Zukunftstag für Mädchen und Jungen soll die Chancengleichheit von Frauen und Männern im Berufsleben weiter umgesetzt werden; denn langfristig wird nur eine Flexibilisierung der Rollenbilder von Mädchen und Jungen dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern.
Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass wir uns bei diesem wichtigen Thema parteiübergreifend einig sind. Natürlich wird der „Girls‘ Day“ - man muss realistisch bleiben - nicht von einem Tag zum anderen traditionelle Rollenbilder aufbrechen und ganze Heerscharen von Mädchen in technische und naturwissenschaftliche Berufe drängen. Solange soziale Berufe, in denen die Hilfe für Menschen im Mittelpunkt steht, ein so schlechtes Image haben und deutlich geringer bezahlt werden, werden wir dort auch zukünftig weniger Männer finden. Vor diesen Schwierigkeiten müssen wir nicht kapitulieren - im Gegenteil. Die Politik muss hier Änderungen herbeiführen. Eine Initiative wie der „Girls‘ Day“ ist dabei der richtige Weg. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass sich bei diesem Tagesordnungspunkt ein Konsens abzeichnet. Wir haben von den Vorrednerinnen bereits einige Ausführungen dazu gehört, dass sich Mädchen und junge Frauen ihren
Beruf typischerweise aus einem bestimmten Spektrum auswählen. Was bei den Jungen der Fußballstar, der Manager und der Supermann ist, ist bei den Mädchen - zumindest in der Altersklasse, von der Sie gesprochen haben - typischerweise die Prinzessin, das Fotomodell oder die Schauspielerin.
Ich möchte aber noch einen anderen Aspekt in die Diskussion einbringen. Gerade ist der Mikrozensus 2004 veröffentlicht worden, die größte statistische Erhebung in Deutschland. Darin zeigt sich, dass in der Verteilung der Positionen auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor eine enorme Schieflage besteht, insbesondere bei der Altersgruppe der 30- bis 44Jährigen.
Meine Herren, grundsätzlich gilt in dieser Altersklasse inzwischen: Frauen sind bei gleicher Ausbildung erfolgreicher als Männer.
Sie sind gut oder besser ausgebildet als Männer und erreichen früher eine qualifizierte Position. Aber häufig können sie ihr Bildungspotenzial dann nicht in eine Führungsposition oder in eine gleichwertige Bezahlung umsetzen.
Wenn wir genauer hinschauen - das wurde eben schon thematisiert -: In den gering qualifizierten Berufen ist das Geschlechterverhältnis in etwa pari. In den mittleren bis gehobenen Berufen sind die Führungspositionen etwa zu 30 % von Frauen besetzt. Dann aber wird es ganz düster: In Deutschlands Chefetagen sind die Positionen nach wie vor dominant von Männern besetzt, nämlich in 80 % der Fälle.
Ganz schwierig wird es - diesen Punkt möchte ich besonders erwähnen -, wenn Kinder mit im Spiel sind. Am häufigsten sind Führungspositionen mit Ehemännern ohne Kinder besetzt. Diese eigenwillige Kombination scheint besonders komfortabel für eine Führungsposition zu sein. 24 % der Führungspositionen sind von Männern mit Kindern besetzt. Bei Frauen mit Kindern bricht dieser Anteil auf gerade einmal 10 % herunter. Wohl gemerkt, wir sprechen über die Altersgruppe der 30- bis 44Jährigen mit gleicher Ausbildung.
Das Signal, das damit nach wie vor ausgesandt wird, ist fatal: Wer Kinder hat, kommt aufs Nebengleis. Das gilt für Männer, aber insbesondere für Frauen. Dies muss sich ändern.
Wir wollen eine partnerschaftliche Gesellschaft, in der beide Geschlechter gleichermaßen erwerbstätig sein, also an der Gestaltung unseres Landes und an Entscheidungen teilhaben können. Und wir wollen, dass Männer und Frauen Verantwortung für die Familie übernehmen. Dazu müssen die notwendigen Werte herausgebildet und reflektiert werden.
Jungen und Mädchen müssen dabei sicherlich unterschiedliche Wege gehen. Wir wollen Mädchen dabei unterstützen, ihr Berufswahlspektrum zu erweitern; denn eine gut funktionierende Wirtschaft - auch das klang schon an - ist auch und zunehmend auf qualifizierte weibliche Arbeitskräfte angewiesen. Jungen sollen dabei unterstützt werden, ihre spätere Verantwortung für die Familie als positive Bereicherung ihrer Lebensplanung zu sehen.
Kultus- und Sozialministerium werden demnächst ein Gesamtkonzept vorlegen, um die jungen Menschen beider Geschlechter bereits in der Schule zu sensibilisieren. Mädchen und Jungen werden daran herangeführt, sich frühzeitig mit der Balance zwischen Familie und Beruf auseinander zu setzen.
Dabei geht es auch nicht nur - das möchte ich abschließend sagen - um den Beruf im engeren Sinne. Es geht auch darum wieder zu entdecken, dass das Leben und das Erfahren von Alltagskompetenzen, von Erziehungswissen, von sozialer und emotionaler Kompetenz heranreifen müssen. Solche Kompetenzen brauchen wir nicht nur im Berufsleben, sondern mehr denn je in der Gesellschaft insgesamt. - Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung: Keine Hilfspolizisten in Niedersachsen die öffentliche Sicherheit der Polizei überlassen, Zivilcourage stärken - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1806
Der Antrag wird eingebracht durch den Abgeordneten Dr. Lennartz. Herr Dr. Lennartz, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, haben Sie gestern zufällig die Hannoversche Allgemeine Zeitung gelesen? Wenn ja, dann haben Sie auch den Kommentar mit der Überschrift „Gegenverkehr“ lesen können. Dort hieß es:
„An vielen Stellen der Regierungsarbeit werden Schwächen und Mängel deutlich. Vieles ist der großen Eile in den ersten beiden Jahren der Regierung Wulff geschuldet. Deutlich wird die geänderte Stimmung an vielen aufgewühlten Debatten über Reformen. Betroffen davon ist hauptsächlich Innenminister Uwe Schünemann, der ein Faible hat für schnelle Entscheidungen.“
Die Leitstellendebatte sorgt für böses Blut in den Kommunen und in ihrer eigenen Fraktion. Ihre Forderung nach einer Datenspeicherung auf Vorrat, für ein Jahr, vergrätzt die Unternehmerverbände und Ihren Kabinettskollegen Walter Hirche. Mit Ihren Plänen zur Hilfspolizei ecken Sie bei der Polizei im Land, bei Bürgern und auch bei Ihrem Koalitionspartner an. Herr Rösler von der FDP-Fraktion hat gesagt, Sie könnten den Text der Nationalhymne nicht. Er heißt „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Herr Rösler meint, Sie singen „Einigkeit und Recht und Ordnung“.
(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Die Ordnung gehört zur Frei- heit dazu!)
Herr Ripke, der CDU-Generalsekretär, sagte bereits Anfang des Jahres, wir bräuchten keine Bürgerstreifen.
Wir Grünen stimmen mit CDU-Vertretern wie Herrn Ripke, mit der FDP - nachdem sie sich in einem Parteitagsbeschluss gegen die Hilfspolizei ausgesprochen hat - und mit der SPD darin überein, dass es für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit in Niedersachsen keiner Hilfspolizisten bedarf.
Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist in Niedersachsen und auch anderswo Aufgabe einer gut ausgebildeten und professionellen Polizei.
Sie haben heute die Gelegenheit, diese Aussage zu bestätigen, indem Sie erklären, dass das Projekt einer Hilfspolizei in Niedersachsen nicht weiter verfolgt wird. Das kann jedermann ohne Probleme tun - auch ein Innenminister -, wenn er zu besseren Erkenntnissen gekommen ist.
Die Erfahrungen mit dem hessischen Modell, der so genannten freiwilligen Polizei, sind nicht positiv. Die Universität Gießen, die den Modellversuch wissenschaftlich begleitet hat, konnte nicht bestätigen, dass der Polizeihilfsdienst der öffentlichen Sicherheit unabweisbar nutzt bzw. einen Zugewinn an Sicherheit bedeutet. Auch vor diesem Hintergrund ist es aus unserer Sicht nicht verantwortungsvoll, Bürgerinnen und Bürger Situationen und Gefahren auszusetzen, für die sie weder vorbereitet noch entsprechend ausgebildet sind.
Polizeihilfsdienste sind deshalb auch keine Antwort auf die Forderung nach mehr Zivilcourage. Zivilcourage, wie wir sie verstehen - als politische Tugend in der Bürgergesellschaft -, setzt nicht auf Delegation auf Dritte, sondern auf den interventionsfähigen Einzelnen oder auf entsprechende Gruppen. Zivilcourage ist also Ansatz und Produkt einer politischen und nicht einer Hilfsdienstbildung. Ein tatsächlicher Gewinn für die öffentliche Sicherheit lässt sich in Niedersachsen neben der Arbeit einer professionellen und gut ausgebildeten Polizei nur durch vermehrte Anstrengungen zur Stärkung
Ich fasse zusammen. Mit einem freiwilligen Polizeidienst würde ein sicherheitspolitisch höchst umstrittenes Placebo installiert. Zudem würden Landesaufgaben auf die Kommunen übertragen. Begleiterscheinung Ihrer Pläne, Herr Innenminister, wäre die Etablierung Freiwilliger erster und zweiter Klasse. Die angedachte Aufwandsentschädigung für alle Mitglieder einer freiwilligen Hilfspolizei wäre eine ungerechtfertigte Privilegierung z. B. gegenüber ehrenamtlichen Feuerwehrleuten und Katastrophenhelfern.
Auch, aber nicht nur aus diesen Gründen lehnen wir die Einführung eines Polizeihilfsdienstes ab. Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Lennartz, Lesen bildet bekanntlich. Daher ist es auch ein Fortschritt, dass Sie das hessische Gutachten gelesen haben. Allerdings muss man sagen, dass Reisen noch mehr bildet. Vielleicht sollten auch Sie einmal nach Hessen fahren und sich das vor Ort anschauen, damit Sie einen umfassenden Eindruck gewinnen.
Wenn Sie das getan hätten, hätten Sie wahrscheinlich das gehört, was wir, als wir letzte Woche dort waren, auch gehört haben. Uns wurde von Polizeibeamten ein Modell vorgestellt, und der dortige Kollege hat in seiner abschließenden Bewertung gesagt: Ich würde Ihnen empfehlen, das nicht unter dem Begriff „freiwilliger Polizeidienst“ zu diskutieren; denn das, was wir hier machen, hat mit der eigentlichen Polizeiarbeit nichts zu tun. Wenn Sie das gehört hätten, Herr Dr. Lennartz, hätten Sie Ihren Antrag wahrscheinlich so nicht gestellt.