Wir brauchen Unterstützungssysteme, ortsnah, schnell und unbürokratisch. Die Schulbehörde ist Dienstleister im positivsten Sinn, wenn sie ihre Schulen kennt und unterstützt. Man muss auf Evaluation ergebnisorientiert reagieren können. Die Rückmeldungen auf durchgeführte Inspektionen sind im Übrigen erfreulicherweise positiv.
An die Schulleiter werden in Zukunft ganz neue Anforderungen gestellt. Sie müssen Managementfunktionen übernehmen, und sie werden für Budget, Personalplanung und Profilbildung zuständig sein. Daher versteht es sich von selbst, dass so etwas einer sorgfältigen Vorbereitung bedarf. Wir befürworten die Einführung der eigenverantwortlichen Schule. Es ist unser Anliegen, der über Jahre hinweg vernachlässigten Bildungslandschaft zeitnah neue Impulse zur Qualitätsverbesserung zu geben.
Entscheidend ist eine gut durchdachte und qualitativ hochwertige Umsetzung. Wenn das gelingt, werden wir zwangsläufig motivierte Partner auf dem weiteren Weg zur Verbesserung der Bildungsqualität und damit zur Eröffnung neuer Chancen für unsere niedersächsischen Schülerinnen und Schüler finden. Zunächst brauchen unsere Schulen aber wieder Luft zum Atmen, d. h. im Klartext, Ruhe zum Arbeiten.
Ich habe gerade im Plenum eine Feder gefunden. Herr Busemann, ich hoffe, die haben nicht gerade Sie verloren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss sagen: Zuerst war ich erstaunt, dass die CDU ausgerechnet das Thema eigenverantwortliche Schule für die Aktuelle Stunde meldet, gibt es doch im ganzen Land massivste Kritik gerade daran. Genau bei diesem Projekt, Herr Minister, welches nach Ihren Aussagen das Fundament Ihrer Verwaltungsreform im Bereich Schule sein soll, haben Sie einen Fehlstart hingelegt.
Wollen Sie diesen Fehlstart heute in der Aktuellen Stunde ausbügeln und deshalb das Thema setzen? - Herr Klare hat sich hier redlich bemüht, den Kolleginnen und Kollegen etwas zu erklären, was noch völlig nebulös ist. Noch vor kurzer Zeit war aus Reihen der CDU ohnehin nur höhnische Skepsis zu diesem Thema zu hören. Herr Klare, 1996 waren Sie noch massiv dagegen. Die Kollegin Vockert hat im Mai 2002 in der Plenarsitzung zu dem Antrag der Grünen „Schule 21 - selbständige Schule, Entwicklungsspielräume für lernende Schulen erweitern“ gesagt - ich zitiere aus dem Protokoll -:
„Man muss sich schon manchmal fragen, welche Luftblasen, welche Luftschlösser hier aufgebaut werden“
Heute tut die CDU-Landesregierung gerne so, als sei sie es gewesen, die dieses Konzept der selbständigen, der eigenverantwortlichen Schule erfunden hat. Herr Busemann, Sie hätten besser daran getan, sich genauer über die Entwicklung im Lande Nordrhein-Westfalen zu informieren. Dort hat bereits vor drei Jahren die rot-grüne Landesre
gierung in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung, mit der Sie ja auch zusammenarbeiten, erfolgreich das Modell selbständige Schule gestartet. Den beteiligten Schulen wurden große Freiheiten für ihre Weiterentwicklung eingeräumt. Sie können z. B. den Unterricht neu rhythmisieren, Lerngruppen so zusammen setzen, wie es den jeweiligen Lernbedürfnissen entspricht, sie können Projektund Werkstattunterricht durchführen, und sie können auf ganz neuen Wegen die Lern- und Leistungsentwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler beschreiben und bewerten. In all diesen Fragen ist bei Ihnen, Herr Busemann, bisher Fehlanzeige.
Die neuen Freiheiten in der pädagogischen Arbeit erfordern natürlich auch eine neue Form der Qualitätssicherung und der Rechenschaftslegung. Freiräume bekommen die Schulen in NRW auch in der Sachmittelund Personalbewirtschaftung. Mehr Freiheit bekommen sie vor allem auch in der Mitbestimmung und der Organisation sowie Mitwirkung. Alle, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und die Eltern, sollen stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Eines ist doch klar: Die Erneuerung der Schule kann nur gelingen, wenn alle daran mitwirken. Eigenverantwortlichkeit muss von unten wachsen und getragen werden. Sie kann nicht von oben verordnet werden.
Dasselbe, Herr Busemann, gilt für die Schulinspektion, die Sie per Kabinettsbeschluss einführen wollen, anstatt darauf zu setzen, dass das gesamte Parlament eine so wichtige Entscheidung mitträgt und die Schulinspektion gesetzlich verankert wird.
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist doch völlig am Thema vorbei! Wer sonst als das Kabinett soll es denn beschlie- ßen?)
Herr Busemann, was Sie uns vorgelegt haben, ist kein vernünftiges und sinnvolles Modell mehr, sondern nur noch ein Schrumpfmodell.
Bis heute können Sie uns nicht sagen, welche Freiräume Sie den Schulen eigentlich einräumen wollen. Sie sagen uns nur: Die Stunde braucht nicht mehr 45 Minuten zu dauern. Ich will mehr Leine lassen.
Sehr viel deutlicher sind Sie hingegen bei der Frage der Schulverfassung. Sie stärken einseitig die Schulleitung, während bei Ihnen die Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern entmündigt werden. Das rächt sich schon jetzt. Die Landesregierung hat bei der Einführung der eigenverantwortlichen Schule bisher alle relevanten Verbände gegen sich: von der GEW über den Philologenverband und den Landesschülerrat bis hin zu den Eltern. Nur 130 Schulen haben sich bis jetzt bereit erklärt, als Modellschule in dem Projekt der Bertelsmann Stiftung mitzuarbeiten. Warum? Weil Ihr Konzept undemokratisch und unausgegoren ist, zu viele Restriktionen enthält und die nötigen Unterstützungsleistungen völlig unklar bleiben.
Herr Minister, die Eigenverantwortlichkeit hat eine herausragende Bedeutung für die Qualitätsverbesserung der Schule. Das sehen auch wir so. Wir verlangen deshalb von Ihnen und der Regierung: Gefährden Sie dieses so wichtige Projekt nicht durch zu viel Dirigismus und falschen Ehrgeiz! Geben Sie den Schulen mehr Freiheit - sowohl pädagogische als auch organisatorische! Geben Sie ihnen eine demokratische Verfassung! Denn Schule muss weiterhin die Wiege der Demokratie sein. Eigenverantwortlichkeit braucht alle Kräfte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Diskussion um dieses Thema landet man offenbar immer wieder bei PISA. Dabei fallen mir Zeitungsartikel aus dem Jahr 2002 ein, in denen es hieß, dass Niedersachsen bei der PISA-Studie hinter Polen liegt. In der Lesekompetenz lagen wir international auf Platz 34, über das Ganze gesehen auf Platz 21. Im nationalen Vergleich waren wir Elfter von vierzehn. Damals, im Sommer 2002, schrieb die Neue Presse: Niedersachsen liegt, wie auch andere SPD-regierte Bundesländer, nur im Mittelfeld. Zum Glück gibt es noch Bremen und Sachsen-Anhalt - damals SPD-regiert -. Im internationalen Vergleich sieht es zappenduster aus. Polen lässt grüßen usw.
„Inzwischen rächt sich offenbar, dass viele in der SPD lange Zeit glaubten, es fördere die Chancengleichheit, wenn man die Leistungsanforderungen nur weit genug herunterschraube. Ein fataler Irrtum. Die katastrophalen Leistungen unserer Schüler“
Wir sind mittendrin in dem Thema Qualität an unseren Schulen. Ich stehe dafür, dass wir eine Schulstrukturreform mit nachhaltigen Veränderungen gemacht haben. Wir haben die Orientierungsstufe abgeschafft und das Abitur nach zwölf Jahren eingeführt. Dafür mussten natürlich alle Erlasse entsprechend novelliert werden. Das war eine ganze Menge Arbeit. Ich habe heute etwas von Meisterleistung gelesen, aber so weit will ich gar nicht greifen. Das war jedenfalls ein wichtiger Schritt.
Meine Damen und Herren, wir sind uns hoffentlich darüber einig, dass man mit Schulstruktur allein die Qualitätsverhältnisse an den Schulen nicht verbessert. Da muss noch ein bisschen mehr kommen.
Eben war das Stichwort „im Kern vernünftig“ gefallen. Wir müssen gucken, wie wir die Schulen eigenverantwortlicher machen und wie sie vor allem auch qualitativ besser werden.
Ich möchte das einmal historisch einordnen. Vor 30 Jahren gab es zum Stichwort der erlassfreien Schule u. a. den Wunsch nach mehr Eigenverantwortung an den Schulen. Die Befreiung von Vorschriften wurde gefordert. Die Schulen wollten selbst vieles machen und besser werden. Es gab die Begriffe der autonomen und der selbständigen Schule. Zum Stichwort der eigenverantwortlichen Schule gibt es unterschiedliche Akzentuierungen. Aber allen ist doch gemein - das unterstelle ich zum Positiven -, dass wir miteinander gucken müssen, wie wir besser werden. Dieser 30-jährige Prozess muss langsam, aber sicher zu einem Ergebnis geführt werden; denn unsere Schülerinnen und Schüler stehen international im Wettbewerb und warten auf Festlegungen, die von oben kommen.
Für mich war die eigenverantwortliche Schule nie so etwas, dass man sagt: Die können machen, was sie wollen, und wir als Staat ziehen uns zurück. - Der Staat - dafür stehe ich - muss sein Bildungswesen hoheitlich verantworten.
Der Staat hat auch Ressourcenverantwortung. Er muss genügend Lehrer zur Verfügung stellen, gute Ausbildung garantieren und Bildungsstandards vorgeben. Aber auf dem Weg zum Erreichen der Ziele sollen die Schulen durchaus Freiheit haben. Das ist ein komplizierter Vorgang, der nicht so einfach ist. Ich erinnere mich an manche Veranstaltung - Sie sich vielleicht auch, meine Damen und Herren -, bei der wir über Schulstruktur gefochten haben. Damals haben viele, nicht zuletzt die Lehrer, gesagt: Es mag sein, dass ihr das regeln müsst, aber noch viel wichtiger ist, sich um die Inhalte und die Qualitätsfragen zu kümmern. Nun, da es ernst wird, habe ich den Eindruck, dass manche weiche Knie bekommen.
Ich möchte Ihnen Folgendes sagen - Herr Jüttner, wir haben den Dialog ja schon im Kultusausschuss letzte Woche gehabt -: Sie wollen mich in die Ecke schieben. Ich soll schon jetzt sagen, wie es am Ende, also 2010 oder noch später, einmal sein wird. Sie wollen ein fertiges Paket auf dem Tisch haben, und dann haben Sie kräftig etwas zu trommeln. - Aber in diese Ecke bekommen Sie mich nicht!
Frau Korter, das Thema Demokratie war eben mit Recht angesagt. Wenn eine solch gravierende Veränderung stattfindet, meine Damen und Herren, dann bitte schön der Reihenfolge nach. Wir im Ministerium haben etwas gemacht, was wir sozusagen pflichtgemäß tun mussten. Wir haben nämlich eine Arbeitsgruppe „Eigenverantwortliche Schule“, besetzt mit 30 Experten über das ganze politische Meinungsspektrum des Landes, eingesetzt. Auch Lehrerverbände, Personalräte usw. waren vertreten. Wir haben einen Arbeitsbericht bekommen, der sehr gute Vorschläge dazu macht, in welchen Bausteinen man wann zu der eigenverantwortlichen Schule kommen kann.
Das soll einen demokratischen Dialog auslösen. Daran möchte ich Sie erinnern. Ich bin aber etwas erstaunt darüber, dass mancher nicht genau über die zeitliche Abfolge Bescheid weiß und nicht weiß, wie das aussehen wird. Ich habe in der Presseerklärung vom 18. März 2005 mit der Überschrift „Dialog mit allen Beteiligten -Hearing am 15. und 16. Juni 2005“ ausdrücklich gesagt:
„Die Arbeitsgruppe ‚Eigenverantwortliche Schule‘ hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Auf Basis dieser Diskussionsgrundlage wollen wir nun in einen breit angelegten Dialog zur weiteren Vorgehensweise... im Detail eintreten.“
Das halte ich für Demokratie. Das ist ein Angebot. Zum Hearing sind Sie alle eingeladen. Danach muss geguckt werden, wie es weitergeht.
Meine Damen und Herren, da das Reformtempo in diesem Bereich noch gar nicht festgelegt ist, wundere ich mich über eine solche Phantomdiskussion. Dem einen ist es zu wenig, dem anderen geht es zu schnell, und es wird Druck empfunden. Damit, dass sich alle Gedanken machen, bin ich einverstanden.
- Kollege Meinhold, ich kann Sie beruhigen. - Ich lege Wert darauf, dass wir das Hearing auf uns zukommen lassen. Danach kann man über die Schritte, über das Reformtempo und darüber, was wann passieren muss, jederzeit mit mir reden. Aber in einer Frage können Sie nicht mit mir reden, nämlich dass am Ende das Ergebnis steht: Niemand muss etwas machen. Alles kann so bleiben, wie es ist. - Das darf nicht sein.