Protokoll der Sitzung vom 21.04.2005

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir streiten uns hier über zwei wichtige Themen, die die Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten bewegen, nämlich die Fragen: Wie stellen wir die Energiesicherheit her? Wie sichern wir die Gesundheit der Menschen und die Umwelt? Herr Sander, es ist falsch, wenn wir die Klimakatastrophe gegen die Gefährdung durch Radioaktivität ausspielen.

Ich will Ihnen einmal eine Geschichte erzählen. Das ist auch der Grund, aus dem ich mich gemeldet habe. Der Kollege Runkel ist hierher gekommen und hat den Vortrag gehalten, den alle Lobbyisten der Atomenergie seit Jahrzehnten halten: Wir haben alles im Griff. Es ist alles sicher. Das ist kein Problem. Ihr habt nur keine Ahnung von der Wissenschaft.

Herr Runkel, mit 18 Jahren habe ich das erste Mal Schacht Asse besucht. Das ist eine so genannte Versuchsendlagerung. Wir sind mit der Schule

hingefahren. Dort empfingen uns solche Wissenschaftler wie Sie. Sie haben gesagt: Es ist alles sicher. - Da haben wir gefragt: Das ist ja komisch. Hier ist ein Salzstock mit drei abgeteuften Schächten. Schacht 1 ist abgesoffen, Schacht 3 ist abgesoffen. In Schacht 2 lagert ihr Atommüll, ohne dass ihr das zurückholen könnt, obwohl ihr es Versuchsendlagerung nennt. - Darauf haben die gesagt: Das ist alles kein Problem. Wir wissen ganz genau, dass das sicher ist. - Sie haben uns Zahlen vorgestellt, Berechnungen. Wir als dumme Schüler haben gefragt: Wenn die Schächte rechts und links daneben abgesoffen sind, woher wissen Sie so genau, dass das beim zweiten Schacht nicht passieren kann? - Darauf haben die uns solche Vorträge wie Sie gehalten.

Inzwischen wissen wir - Herr Sander hat das Problem auszubaden -, dass es in Schacht 2 Laugeneinbrüche gibt, dass die nicht wissen, woher das Wasser kommt und wie sie es stoppen sollen. Sie haben kein Konzept, wie sie die so genannte Versuchsendlagerung sicher machen können.

Ich sage Ihnen: Wenn wir hier über Verantwortung für künftige Generationen sprechen, habe ich die Nase voll von solch undifferenzierten Vorträgen, wie Sie sie hier gehalten haben. Das ist unglaublich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir können doch nicht nur, weil Sie ein Lobbyinteresse daran haben, die Gefahren der Atomenergie auf Dauer ignorieren. Das ist eine hoch gefährliche Angelegenheit für Generationen. Ich bin nicht dagegen, dass da weitergeforscht wird. Ich bin auch nicht dagegen, dass man darüber diskutiert. Da gibt es eben unterschiedliche Meinungen. Aber mit einer solchen platten Haltung hierher zu kommen und zu sagen, wir haben alles im Griff, ihr habt nur nicht genug gelesen - das ist ein bisschen dünn, Herr Runkel.

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Letzte Bemerkung, Herr Präsident. - Weil immer das Thema Arbeitsplätze kommt: Wir haben 160 Milliarden DM in die Subventionierung der Atomwirtschaft gesteckt - 160 Milliarden! Wir haben nicht einmal einen Bruchteil davon in erneuerbare

Energien gesteckt. Aber bis zum Ende 2004 waren in der Windkraftbranche, Herr Runkel, Herr Sander, 61 000 Menschen beschäftigt, in der Atomwirtschaft sind es 30 000 und bei erneuerbaren Energien insgesamt 120 000 Menschen.

Herr Kollege, ich war schon sehr großzügig. Sie müssen jetzt zum Ende kommen.

Ja. - Wenn Sie sich um Arbeitsplätze bemühen wollen, dann spielen Sie das nicht gegen die Sicherheit von Menschen aus, sondern sehen Sie sich an, wo die Mehrzahl beschäftigt ist: in den modernen Technologien und nicht in den Technologien des letzten Jahrhunderts, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Runkel, Sie haben das Wort.

Herr Gabriel, ich empfehle Ihnen in der Tat, einmal nachzulesen, wenn ich meinen Vortrag ins Internet gestellt habe, was ich Ihnen sonst noch alles hätte sagen wollen, wenn Sie hier von der Sicherheit eines Salzstocks reden, der für die Endlagerung untersucht werden muss. Es gibt bisher keinen Hinweis darauf, dass der Salzstock in Gorleben in irgendeiner Weise nicht geeignet sein könnte. Auch bei der Asse ist die Tatsache, dass der Salzstock überhaupt da ist, dass wir ihn jetzt vorfinden, ein Beweis dafür, dass dort über Jahrmillionen kein Wasser war; denn sonst wäre der Salzstock aufgelöst und nicht da.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Jetzt ist wel- ches da! Ich würde sagen, gehen Sie mal in die Region!)

- Den Salzstock Asse habe ich nicht nur einmal besichtigt, sondern mehrmals, Herr Gabriel, und auch den Salzstock in Gorleben. Sie können sich darauf verlassen: Um festzustellen, ob alles sicher ist, wollen wir ja gerne das Moratorium aufheben, also um zu sehen, ob er geeignet ist oder ob er nicht geeignet ist. Bisher gibt es keinen Hinweis

darauf, dass er nicht geeignet ist. Das wissen Sie genauso gut wie ich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dorothea Steiner [GRÜNE) : Was halten Sie von Granit statt Salz? Wollen wir nicht darüber reden?)

Weil Sie das genau wissen, Herr Gabriel, reden Sie ja so, wie Sie gerade wieder geredet haben, nämlich weil Sie das als einziges Argument anführen können, um weiterhin gegen die Kernenergie zu polemisieren. Das ist das einzige Argument, das Sie haben: Wir wissen nicht, wohin mit dem Müll, und ihr könnt damit nicht umgehen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Nein, ich hatte nur zwei Minuten Redezeit! Sonst wä- re es mehr geworden!)

Deswegen wollen Sie dieses Problem bis auf den Stankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Das genau ist Ihre Zielsetzung.

(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Ach was!)

Wenn Sie sehen, was der AkEnd als Verfahren zur Suche eines neuen Ein-Endlagers vorgeschlagen hat, das sich dadurch auszeichnen soll, dass es wirklich für alle Arten von radioaktivem Müll geeignet sein soll, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist technisch schon falsch, und zwar deswegen, weil es verschiedene Arten radioaktiven Mülls gibt - Herr Sander hat das vorhin auch schon angedeutet -, die unterschiedliche Arten der Endlagerung benötigen. Allein deswegen ist das Quatsch, was da vorgeschlagen worden ist. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Dürr, auch zwei Minuten!

Herr Gabriel, den Menschen in Niedersachsen ist wohl klar geworden, dass wir bei der Frage der friedlichen Nutzung der Kernenergie unterschiedlicher Auffassung sind. Das ist auch gar nicht das Problem. Aber Sie müssen den Menschen in Niedersachsen und in Deutschland ernsthaft sagen, dass wir in Deutschland in Zukunft unabhängig von der zukünftigen Nutzung der Kernenergie ein fertiges Endlager brauchen. Deswegen sind wir gegen das Moratorium, weil wir gegen Denkverbote sind.

Weil wir heute nicht wissen können - da gebe ich Ihnen völlig Recht -, ob Gorleben endgültig geeignet sein wird, müssen wir doch zumindest den Wissenschaftlern die Möglichkeit geben, dieses Erkundungsbergwerk zu Ende zu untersuchen, um dann Gewissheit zu haben und eventuell zu entscheiden, dass wir woanders weiter suchen. Das ist der Punkt, Herr Gabriel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Klaus-Peter Dehde [SPD]: Nach wel- chen Kriterien denn, Herr Dürr?)

Im Übrigen, Herr Dehde, um auch das ganz kurz zu sagen: Es wird auch in Zukunft weiterhin radioaktiver Müll anfallen, und zwar im schwach- und mittelradioaktiven Bereich, wie vorhin dargelegt.

Jetzt zu Ihnen, Herr Wenzel. Da werde ich wirklich langsam sauer. Das sage ich mal ganz deutlich.

(Oh! bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich habe Ihnen vorhin etwas über Symbole gesagt, Herr Wenzel. Auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Einspeisevergütung sind solche grünen Symbole. Zur Wahrheit gehört, dass zur Reduzierung um eine Tonne Kohlendioxid durch das Erneuerbare Energiengesetz zwischen 100 und 150 Euro von der Volkswirtschaft aufgewendet werden müssen. Mit dem Instrument des Emissionshandels sind es ungefähr 8 oder 10 Euro. Daran merkt man, dass es Ihnen weder bei der Kernenergie um den Ausstieg noch beim Thema Klimaschutz um wirklichen Klimaschutz im Sinne des Kyoto-Protokolls geht, sondern einzig und allein um Ideologie, um grüne Ideologie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Denn sonst würden Sie eine andere Klimapolitik in Deutschland machen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Auch wenn es sie gäbe, könnte ich sie nicht mehr bedienen; denn die Redezeiten sind ausgeschöpft.

Wir kommen jetzt zu der notwendigen Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit die Anträge

der Fraktion der SPD und Fraktion der Grünen ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 18: Zweite Beratung: Keine Finanzierung des Gesundheitssystems über Kopfprämie zulasten von Familien, Rentnern und Arbeitsplätzen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1348 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 15/1779

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Kollegen Schwarz das Wort erteile, wäre ich dankbar, wenn ein wenig mehr Ruhe eintreten würde. - Herzlichen Dank.

Herr Kollege Schwarz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst an dieser Stelle meinen beiden CDU-Kollegen Angelika Jahns und Dr. Winn für die langjährige gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit im Ausschuss danken.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben über Parteigrenzen hinweg versucht, Sozialpolitik für die Menschen in unserem Land und nicht für Parteiprogramme zu machen. Dr. Winn war darüber hinaus der Einzige mit medizinischem Sachverstand in unserem Ausschuss.

(Zuruf von der CDU: Herr Schwarz hat keinen medizinischen Sachverstand?)

- Nein, ich bin kein Mediziner. Ich finde es auch nicht gut, wenn Sie das witzig finden.