Meine Damen und Herren, ich wundere mich darüber, dass über dieses Thema zum Teil durchaus kontrovers diskutiert wird. Denn bezüglich der Aussiedler haben wir so etwas bereits parteiübergreifend beschlossen. Für diesen Bereich haben wir gesagt: Im Fall der Familienzusammenführung muss zuvor ein Sprachtest durchgeführt werden, in dem Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachgewiesen werden müssen. Erst wenn das geschehen ist, können sie nach Deutschland kommen. Wir haben nämlich gesehen, dass es hier Integrationsprobleme gibt. In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen allerdings: Was man den Aussiedlern zu Recht zumutet, das muss man den Ausländern, den Migranten insgesamt auch zumuten können, und zwar gerade vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es bei diesem Personenkreis solche schwierige Sachen wie Zwangsehen gibt. Meine Damen und Herren, was man den Aussiedlern zumutet, kann auch den Migrantinnen und Migranten insgesamt zugemutet werden.
Meine Damen und Herren, natürlich kann man auch über das Mindestalter von 21 Jahren diskutieren, und dabei ist die Frage zu stellen, ob das insgesamt sinnvoll ist. Sie müssen sich aber auch dazu die Situation vorstellen. Gerade 16-, 17-, und 18-Jährige, die noch gar nicht die erforderliche Reife haben können, werden in eine solche Situation gebracht. An dieser Stelle macht es Sinn, einmal in andere Länder wie z. B. die Niederlande oder Dänemark zu gucken, die schon Entsprechendes eingeführt haben. Das aber ist meiner Ansicht nach nicht der Hauptpunkt, sondern viel
Meine Damen und Herren, es gab durchaus kritische Stimmen im Bund. Das waren die Grünen. Wie Sie gemerkt haben, haben die Bundesregierung und insbesondere der Bundesinnenminister aber in keiner Weise reagiert, weil wir uns in diesem Bereich zum größten Teil einig sind. Es gibt auch auf der Ebene des Bundesinnenministers, auf Arbeitsebene, genau diese Vorschläge bezüglich des Mindestalters von 21 Jahren und bezüglich derjenigen, die berechtigt sein sollen, Integrationskurse durchzuführen. Das soll jetzt mit in das neue Ausländergesetz aufgenommen werden.
Meine Damen und Herren, wir müssen in dieser Frage die ideologischen Scheuklappen einfach einmal wegnehmen und darüber nachdenken, wie man diese Situation auch mit praktischer Hilfe verändern kann.
Frau Langhans von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte keine Zwischenfrage stellen, sondern sich noch einmal zu Wort melden. Nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung haben Sie, Frau Langhans, eine zusätzliche Redezeit von eineinhalb Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Schünemann, ich möchte gleich auf das eingehen, was Sie ganz zum Schluss gesagt haben. Es existiert in der Tat kein einziges Koalitionspapier mit diesem Inhalt, das sich derzeit in der Beratung befindet. Ein solches Papier existiert definitiv nicht.
Ich möchte jetzt auf die Frage eingehen, warum die Durchführung von Deutschkursen in den Herkunftsländern möglicherweise wichtig ist. Meiner Auffassung nach werden Sie erstens nicht gewährleisten können, dass diese Deutschkurse für jeden erreichbar sind und von jedem finanziert werden können. Diese Vorstellung - das habe ich schon in meiner Rede gesagt - entbehrt jeder Realität. Zweitens kommt noch etwas anderes hinzu. Meiner Auffassung nach wäre es viel sinnvoller, die betreffenden jungen Frauen genau hier die Integrationskurse besuchen zu lassen, damit sie hier informiert werden, damit sie hier die deutsche
Sprache lernen und hier etwas über die Institutionen und den Staatsaufbau erfahren. Das wäre meines Erachtens wesentlich zielführender, als Kurse im Ausland durchzuführen. Es wäre wenig konkret, die deutsche Sprache dort zu lernen.
Jetzt noch eine weitere Anmerkung. Herr Minister Schünemann, meiner Meinung nach ist es ist angemessen, von Aussiedlern - weil sie Deutsche sind - zu verlangen, dass sie die deutsche Sprache können, wenn sie hierher kommen. Das gilt auch für Familien. Dies finde ich angemessen, wie ich Ihnen ganz ehrlich sagen muss. Beide Gruppen können aber nicht miteinander verglichen werden. Ich halte Sprachkenntnisse in der Tat für das entscheidende Kriterium, die Integration voranzubringen. Das ist überhaupt gar keine Frage. Sie darf meines Erachtens aber nicht nur Sprachkenntnisse, sondern sie muss auch die Integration zur Grundlage haben.
Danke schön. - Darauf antwortet direkt Herr Minister Schünemann, bevor Frau Kollegin Merk das Wort erhält.
Ich freue mich sehr, dass Sie jetzt einen so großen Wert auf die Integration in Deutschland legen. Das Land Niedersachsen hat eine Bundesratsinitiative gestartet, nach der diese Integrationskurse jetzt nicht nur diejenigen absolvieren sollen, die neu nach Deutschland kommen, sondern wir legen Wert darauf, dass auch diejenigen, die hier schon seit vielen Jahren leben, aber noch nicht integriert sind, nicht nur einen Anspruch, sondern auch die Verpflichtung haben, an solchen Kursen teilzunehmen. Das aber ist mit dem Beschluss leider Gottes nicht in Gänze umgesetzt worden, sondern nur zum Teil, was sehr bedauerlich ist. Wenn Sie uns in diesem Punkt unterstützt hätten, hätten wir es vielleicht auch insgesamt hinbekommen. Das aber ist leider Gottes nicht geschehen.
Zu den Aussiedlern muss ich Ihnen schon Folgendes sagen: Das eine sind diejenigen, die tatsächlich Deutsche sind und hierher kommen. Die müssen einen Sprachtest absolvieren, um ihre Herkunft nachzuweisen. Darüber aber habe ich nicht gesprochen. Es geht um Familiennachzug. 75 %
derjenigen, die jetzt auf der Grundlage des Bundesvertriebenengesetzes nach Deutschland kommen, sind nicht deutschstämmige Familienangehörige. Denen muten wir jetzt zu - mit Ihren Stimmen, übrigens auch mit den Stimmen der Bundesregierung -, an einem Sprachkurs teilzunehmen und Grundkenntnisse nachzuweisen. Das ist meiner Ansicht nach genau der Punkt.
Meine Damen und Herren, Sie können doch nicht sagen, dass diejenigen, die hier leben oder zu uns kommen - gerade die Frauen, die betroffen sind -, an diesen Integrationskursen so teilnehmen, wie wir uns das wünschen, weil sie kein Wort deutsch sprechen und überhaupt nicht die zur Integration in die Gesellschaft erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Können sie hier aber Ansprechstellen aufsuchen und sich artikulieren, dann haben sie eher die Möglichkeit, sich hier zu etablieren und integriert zu werden.
Meine Damen und Herren, praktische Tipps im Herkunftsland sind meiner Ansicht nach eine gute Voraussetzung dafür, später hier in Deutschland integriert zu werden.
Danke schön. - Nach § 71 Abs. 2 hat Frau Kollegin Merk von der SPD-Fraktion eine Redezeit von drei Minuten.
Es war wohltuend zu hören, wie bedacht und nachdenklich die Ministerin dieses Thema aufgegriffen und beantwortet hat. Lassen Sie mich gleichzeitig aber auch sagen, welcher Unterschied zum Innenminister besteht. Meiner Meinung nach sollten Sie sich noch einmal zusammensetzen; denn es gilt eines: Die Erfahrungen einer Ministerin und die anderen Erfahrungen eines Ministers müssen nicht gleich sein. Das hat man bei der Rede des Innenministers genau gemerkt. Herr Innenminister, Sie gehen überraschenderweise grundsätzlich davon aus, dass eine Zwangsehe im Wesentlichen von außen nach innen begangen wird. Das heißt, dass die junge Frau zwangsweise nach
Sie kennen die Lage in Deutschland offensichtlich nur sehr wenig. Ihnen ist offensichtlich noch nicht einmal die Tatsache bekannt, dass ganz viele junge Mädchen, die hier groß geworden und nur schwach integriert sind, zwangsweise zur Ehe verpflichtet werden, und zwar in der Bundesrepublik Deutschland! Das sollten wir zunächst einmal zur Kenntnis nehmen. Im Hinblick darauf können Sie weder einen Integrationskurs noch sonst was fordern.
Ich möchte Ihnen einen kurzen Fall schildern, den ich selbst erlebt habe. Es geht dabei um eine Familie mit elf Kindern, die hier seit 25 Jahren lebt. Deren Tochter ist mit elf Jahren von einem Deutschen missbraucht worden, der Sohn auch. Der Deutsche ist später zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Das Mädchen war damals 13 Jahre alt. Weil sie nicht mehr unberührt war, wurde sie dann hier mit ihrem Cousin verheiratet. Sie wurde aber nicht standesamtlich verheiratet, wie das vielfach üblich ist, sondern entsprechend dem yezidischen Glauben religiös. Auch ihre ganze Familie ist nur religiös verheiratet. Niemand hat einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem anderen, niemand hat ein Erbrecht usw. Wir können uns mit diesen Fragen noch sehr viel detaillierter auseinander setzen, als Sie das offensichtlich tun.
Lassen Sie mich noch ein Weiteres sagen. Was mich an Ihrer Debatte stört - nicht an der Debatte der Ministerin -, ist, dass Sie sich offensichtlich immer nur die Türkei vorstellen.
- Doch, Sie stellen sich nur die Türkei vor. - Ich gehe jetzt gedanklich einmal einen Schritt weiter. Stellen Sie sich einmal vor: Das Gleiche passiert in Afghanistan. Das kennen wir auch aus Vietnam und vielen anderen Ländern. Lassen Sie uns einmal gemeinsam überlegen, wo man einen Integrationskurs oder einen Sprachkurs in Afghanistan belegen kann. Das möchte ich bei der Lage, in der sich Afghanistan befindet, sehen.
In Vietnam gibt es ein einziges Institut, das die deutsche Sprache unterrichtet. Das ist das Goethe-Institut in Hanoi und sonst nirgendwo.
Herr Minister, Sie haben eben gesagt, dass Sie praktische Politik machen wollen. Aber das, was Sie hier eben gebracht haben, ist höchst unpraktisch und nicht umsetzbar. Deshalb rate ich Ihnen sehr: Es hat sich immer gelohnt, sich mit den anderen Ministern zusammenzusetzen und sich belehren zu lassen, wenn man nicht viel weiß. Das wäre in diesem Fall die Belehrung durch Ihre Frauenministerin.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 14: Zweite Beratung: Gleichberechtigung fördern statt ‚Männerquote‘ fordern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/482 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 15/1884
Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich von der SPD-Fraktion die Frau Kollegin Hemme. Frau Kollegin Hemme, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fühle mich durch die klimatischen Verhältnisse heute sehr angeschlagen und etwas krank. Vielleicht sollten wir einmal wechseln, damit Sie hinten im Zug sitzen. Dann säßen Sie hier etwas ruhiger.
Wenn wir uns das Datum der ersten Beratung anschauen, stellen wir fest, das Datum der ersten Beratung ist der 31. Oktober 2003. Man kann also sagen, in eineinhalb Jahren ist der Antrag gut abgelagert. Er ist aber trotzdem aktuell. Dafür gibt es einen ganz konkreten Anlass. Aus einer Analyse des Weltwirtschaftsforums in Genf geht hervor, dass kein Land bisher völlige Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen hergestellt hat. Das WWF hat in 58 Staaten - darin sind die 30 Staaten der OECD eingeschlossen die wirtschaftliche Teilhabe und die Möglichkeiten der politischen Einflussnahme und Beteiligung untersucht. Das Ergebnis überrascht nicht: In den skandinavischen Ländern ist die Gleichberechtigung am weitesten umgesetzt, Schweden steht auf Platz 1, Deutschland auf Platz 9.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, entwickeln Sie bitte in diesem Zusammenhang denselben Ehrgeiz wie bei PISA, Herr Klare. Lassen Sie uns verstärkt an der Umsetzung der Gleichberechtigung arbeiten. Dazu hätten wir gern die Frauenbeauftragten an unserer Seite,
deren Wertigkeit und Wichtigkeit Sie, Frau Ministerin, noch einmal, wie ich hörte, nach der Verabschiedung der Novellierung der NGO in einem Schreiben den Hauptverwaltungsbeamten mitgeteilt haben. Es wäre schön gewesen, wenn Sie sich vorher hätten durchsetzen können. Ich hoffe aber, dass wir alle gemeinsam dazu stehen.
Den Anstoß für diesen Ihnen vorliegenden Antrag gaben Äußerungen des Kultusministers zur Männerquote an Grundschulen, einer damit angeblich verbundenen Qualitätssteigerung des Unterrichtes und einer Besserung der schulischen Leistungen der Jungen.
(Die Rednerin räuspert sich - Karl- Heinz Klare [CDU]: Das hat doch mit dem Erziehungsprozess zu tun!)
- Ich war ja noch nicht fertig. Deshalb habe ich gesagt, ich fühle mich etwas angegriffen, ständig muss ich etwas husten. - Inzwischen hat sich die Diskussion über die Situation der Jungen zum Glück versachlicht.