Protokoll der Sitzung vom 18.05.2005

Zweitens brauche ich keinen Nachhilfeunterricht in Gleichstellungspolitik, Frau Merk, von Ihnen schon gar nicht. Denn unter Ihrer Regierung wurde das Frauenministerium doch abgeschafft. Sie haben es noch nicht einmal geschafft, es zu erhalten. Das haben wir sehr beklagt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unter Ihrer Regierungsverantwortung wurden die Frauenbeauftragten verpflichtend eingeführt. Sie haben aber das Geld dafür nicht mitgeschickt. Das war der größte Fehler, den Sie gemacht haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen haben Sie ja so wenig Akzeptanz erreicht. All dies haben Sie verschuldet. Sie haben immer alles gut gemeint, aber nichts gut gemacht. Das möchte ich Ihnen noch einmal sagen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Wenn Sie hier einen Antrag stellen und sagen, die CDU/FDP-Regierung solle Frauenförderung betreiben, dann haben wir das Recht, hier das vorzutragen, was wir tun. Wir tun eine ganze Menge. Wenn Ihnen das nicht passt, dann tut es mir Leid. Weil Ihnen dies nicht passt, ist es ja auch immer so laut, wenn wir hier sprechen. Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir sind auf einem guten Weg. Wir machen das, was wir tun, nicht so laut. Wir wählen die Form von Gesprächen. Wir machen das leise. Wir werden damit Erfolg haben. Sie sehen ja, wie gut die Landesregierung dasteht. Sie kennen die Umfrageergebnisse. Das ist der Erfolg unserer Arbeit. Wir werden auf diesem Wege weitermachen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

Ich rufe nun auf den

Tagesordnungspunkt 15: Einzige (abschließende) Beratung: Miesmuschel-Management an Wattenmeerschutz orientieren - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/554 neu Beschlussempfehlung des Umweltausschusses - Drs. 15/1914

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Der Abgeordnete Janßen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alte und stabile Miesmuschelbänke sind Lebensraum für zahlreiche Tierarten im Wattenmeer. Schnecken, Krebse, Garnelen und Jungfi

sche finden hier Unterschlupf. Zahlreichen Vogelarten wie Austernfischer und Eiderente dienen Miesmuschelbänke als Nahrung. Als einziges natürliches Biotop im Wattenmeer bestehen Miesmuschelbänke aus Hartsubstrat. Sie sind damit nicht nur für den Naturschutz, sondern auch für den Küstenschutz unersetzlich. Sie reduzieren nämlich die Energie auflaufender Wellen und stellen sich Strömungsveränderungen in den Weg. Miesmuschelbänke sind damit ein wichtiger und existenzieller Bestandteil des Wattenmeeres, des Nationalparks und des Netzes Natura 2000.

Trotz des bereits 1999 in Kraft getretenen ersten Managementplans sind die Bestände weiter zurückgegangen, und zwar von 5 000 ha im Jahre 1975 auf 1 300 ha im Jahre 2003. Neben Witterungseinflüssen beeinträchtigt die Befischung dieser Flächen die Miesmuschelbänke. Besonders gravierend sind solche Beeinträchtigungen dann, wenn ältere Miesmuschelbänke betroffen sind. Sie können sich erst nach Jahrzehnten wieder regenerieren, wenn überhaupt.

Zur Neufassung des Bewirtschaftungsplans Ende 2003 haben wir diese Problematik mit dem Ausgangsantrag in das parlamentarische Prozedere eingebracht. Einige Punkte sind tatsächlich von MU und ML aufgenommen worden, wie z. B. die Fortführung des Monitorings und die Unterstützung von Alternativmethoden zur Saatgutgewinnung.

Grundlegend jedoch wollen weder Sie von CDU und FDP noch die Landesregierung insgesamt etwas für den Miesmuschelschutz tun. Aufgrund der großen Bedeutung stabiler Miesmuschelbänke für das Wattenmeer ist es zwingend, alte Bänke weitgehend zu schonen. Diese Forderung ist vernünftig, plausibel und bedroht auch nicht das Existenzrecht der drei verbliebenen Miesmuschelfischereibetriebe in Niedersachsen.

Was aber macht die Landesregierung? - Gerade mal sieben von 31 nachweislich stabilen Bänken werden durch den neuen Bewirtschaftungsplan geschützt. Die übrigen Bänke laufen Gefahr, durch die Fischerei zu erodieren und verloren zu gehen. Das, meine Damen und Herren, sollte Sie doch eigentlich überzeugen, dass es so nicht ausreichend ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mit der Ablehnung unseres Antrages votieren Sie nicht nur gegen den Schutz eines hoch sensiblen Lebensraums. Im

Ergebnis votieren Sie für einen klaren Verstoß gegen europäisches Naturschutzrecht.

(Anneliese Zachow [CDU]: Das stimmt nicht!)

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. September 2004 gegen die Niederlande steht eindeutig fest: Der Miesmuschelbewirtschaftungsplan muss einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Herr Minister Sander, auch wenn Sie nicht anwesend sind, genau das haben Sie versäumt. Sie wissen ganz genau, dass Sie diesen Nachweis nicht führen können. Entsprechend haben Ihre Experten in den Ausschussberatungen herumgeeiert. Zunächst wurde erzählt, die EU-Kommission habe die Miesmuschelbefischung generell für FFH-verträglich erklärt. Nachdem bekannt wurde, dass es sich dabei um einen Einzelfall handelt, wurde dann gesagt, der Bewirtschaftungsplan sei einer Verträglichkeitsprüfung unterzogen worden. Auf Nachfrage konnte er dann nicht vorgelegt werden.

Herr Minister Sander, Sie gehen hier vor wie in anderen Bereichen im Nationalpark Wattenmeer auch. Letztendlich zeigt sich hier wieder: Sie machen nicht Naturschutz mit den Menschen, sondern Naturzerstörung gegen Mensch und Natur; denn die Miesmuschelfischereibetriebe profitieren davon auch nicht. Denn in dem Augenblick, wo Klagen auftreten werden, werden Sie genau Ihre Position nicht halten können. Von daher kann ich Sie nur auffordern: Kehren Sie in diesem sensiblen Bereich um und suchen Sie sich eine andere Spielwiese für Ihre Politik! - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Herr Janßen, der Minister ist nicht da! Diese intellektu- elle Transferleistung müssen Sie erbringen! Sie müssen in der dritten Person sprechen!)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Schröder das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem Bericht der Lebensmittelüberwachung über die Miesmuscheln heißt es:

„Die von den niedersächsischen Muschelfischern geernteten Muscheln sind sehr schmackhaft, ernährungsphysiologisch wertvoll, ausgesprochen schadstoffarm und können daher mit großem Genuss verzehrt werden.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das kann ich nur bestätigen; denn nichts schmeckt besser als frisch gefischte Muscheln an unserer Küste. Wir wollen die niedersächsischen Muschelfischer unterstützen und ihnen keine neuen Reglementierungen aufladen.

(Beifall bei der CDU)

Nach wie vor, Herr Janßen, gibt es vier Betriebe, die mit ihren fünf Kuttern die traditionelle Muschelfischerei betreiben. Sie arbeiten unter strengsten rechtlichen Grundlagen und unter großen Reglementierungen, wie z. B. unter Auflagen der Küstenfischereiverordnung, die z. B. die Antragstellung regeln, die Muschelgröße von Saat- und Konsummuscheln und deren Fangzeiten vorgeben. Zweitens arbeiten sie unter dem Nationalparkgesetz, das den Bewirtschaftungsplan und die Größe der Nationalparkflächen vorgibt, die befischt werden dürfen. Drittens arbeiten sie unter dem Miesmuschel-Managementplan bzw. dem jetzigen Bewirtschaftungsplan, der die Anzahl und Lage der zu befischenden Standorte und auch die Begleitforschung regelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der neue Bewirtschaftungsplan für die Muschelfischer ist im Sommer 2004 vom ML und MU nach langen und guten Verhandlungen mit allen Beteiligten unterzeichnet worden, d. h. auch mit Zustimmung der obersten Fischereibehörde und gemeinsam mit der obersten Naturschutzbehörde.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, spätestens da hätte dieser völlig überflüssige Antrag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingestampft werden müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In Ihrem Antrag heißt es unter anderem:

„Die Freigabe von Miesmuschelbänken zur Saatmuschelgewinnung ist am jeweiligen Gesamtbestand... auszurichten;“

Das ist doch längst geschehen!

(Beifall bei der CDU)

Eine kleine Einschränkung, Herr Janßen: Den Gesamtbestand der Miesmuschelbänke kann man reell nicht vor jedem Abfischen neu feststellen. Das ist zwar bei eulitoralen Bänken durch Fotos und Begehung leichter als bei den sublitoralen Bänken - das sind die, die bei Niedrigwasser nicht trocken fallen, falls es jemanden interessiert. Aber hier muss man sich schon auf die Begleitforschung und auf die Fischer verlassen.

Unter Nr. 2 Ihres Antrages heißt es:

„Der Miesmuschel-Bewirtschaftungsplan ist einer Verträglichkeitsprüfung nach Artikel 6 der FFH-Richtlinie... zu unterziehen.“

Ich möchte daran erinnern, dass uns im Umweltausschuss ganz klar dargelegt wurde, dass unser Umweltministerium derselben Meinung ist wie das Bundesumweltministerium. Denn gemeinsam hat man gegenüber der EU-Kommission erklärt, dass die Muschelfischerei im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer keine erhebliche Beeinträchtigung darstellt. Das holländische Verfahren ging um Herzmuscheln. Nicht alles miteinander vermischen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Verfahren wurde von der EU eingestellt. So weit zu diesem Thema.

Den Bestandsrückgang von Muscheln kann man nicht den Fischern anlasten; denn auch bestimmte befischte Standorte - das wissen Sie sehr wohl können sich langfristig etablieren, wie die Forschungsprojekte belegen. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle, dass der Muschelbestand seit 1999 langsam zurückgeht. Das größte Problem ist, dass es seit 1994 keinen großen Brutfall gab, dass alte Muschelbänke belegt sind oder dass die Junglarven wegfiltriert wurden oder abdrifteten. Seitdem hat man sogar Schwierigkeiten, Besatzmuscheln für die 34 Kulturbänke zur Konsummuschelbefischung zu finden.

Die Forschung zur Muschelaquakultur ist in den letzten Jahren von den Muschelfischern intensiviert worden. Man hat z. B. Projekte mit Langleinen versucht. Die Fischer unternehmen große Anstrengungen, um neue Wege zu gehen. Von den vormals 187 Befischungsstandorten bleiben den

Muschelfischern jetzt noch 102. Davon sind 29 - das wissen Sie auch - ausschließlich der Bestandsbeobachtung vorbehalten.