Protokoll der Sitzung vom 18.05.2005

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Oppermann. Ich erteile ihm das Wort.

(David McAllister [CDU]: Oh, schade!)

Herr Minister, ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass Sie selbst die Debatte durch die Äußerung des Ministeriums ausgelöst haben, dass der Voslapper Groden, dass das Hafenvorland erst ab dem Jahr 2020 erschlossen und vermarktet werden soll. Das ist die Absage an eine große Lösung. Wenn Sie sich bereit finden könnten, hier zu erklären, dass mit der Vermarktung dieser Grundstücke auf dem Hafenvorland - die Bauleitplanung der Stadt Wilhelmshaven wird ja nach Abschluss des Flächennutzungsplanverfahrens demnächst beginnen - nicht erst im Jahr 2020, sondern so früh wie möglich begonnen werden soll, dann wären wir wieder auf einer Konsensschiene. Wir werden Sie in diesem Jahr noch an zwei Dingen messen, nämlich erstens daran, dass die Grundstücksvermarktungs- und Immobilienmanagementgesellschaft gegründet wird - die Stadt Wilhelmshaven hat entsprechende Beschlüsse gefasst, und das Land muss das jetzt auch tun; dann kann es losgehen -, und zweitens daran, dass die 152 Millionen Euro, die in der Mittelfristi

gen Planung für 2006 für den JadeWeserPort vorgesehen sind, ohne Abstriche auch im Haushaltsplanentwurf für 2006 erscheinen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat sich Herr McAllister zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um alle auf den gleichen Kenntnisstand zu bringen, möchte ich gern aus der heutigen Ausgabe der Wilhelmshavener Zeitung zitieren. Wörtliches Zitat:

„John H. Niemann, Präsident der in diesem Jahr 20 Jahre existierenden Wilhelmshavener HafenwirtschaftsVereinigung (WHV), reagierte gegenüber der ‚Wilhelmshavener Zeitung‘ heftig. Da habe Gabriel ‚völlig daneben gegriffen‘. Seit etwa neun Jahren sei ‚uns allen bekannt‘, dass die aufzuspülenden Hafenflächen als erstes vermarktet werden müssten. Das habe erste Priorität. Erst danach käme das, ‚was dahinter steckt‘. Das sei dann Sache des Landes, der Stadt und der Kommunen.“

Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Sie haben hier einen Popanz aufgebaut, Herr Gabriel. Sie haben völlig danebengelegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich empfehle Ihnen auch gern die Lektüre des daneben stehenden Kommentars von Jürgen Peters mit dem Titel „Vertrauen“. Leider reicht jetzt nicht die Zeit, um das alles im Einzelnen vorzulesen.

Ich bin letzte Woche einen ganzen Tag lang in Wilhelmshaven gewesen - eine Stadt, die, glaube ich - das habe ich im Gespür -, nicht mehr lange sozialdemokratisch regiert sein wird. Das haben wir - auch Philipp Röslerdoch deutlich merken können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wilhelmshaven, diese schöne Stadt, hat das Autokennzeichen WHV. WHV steht auch für „Walter

hält Vertrag“ oder „Wulff hat Vertrauen“. - Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 1c liegen mir nicht mehr vor.

Wir kommen damit zu

d) Landesregierung verspielt die Zukunft Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen steigt rapide an - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1927

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Gabriel. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr McAllister, ob das alles zutrifft oder nicht, werden wir hier noch erleben. Wir jedenfalls haben eben festgestellt, dass bei einem der wichtigsten Projekte, nämlich bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und auch der Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen, vor Ort nicht nur die Stimmen zu hören sind, die Sie zitiert haben, sondern auch diejenigen, die Ihnen unterstellen, dass Sie von wichtigen Projekten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit abrücken. Herr Oppermann hat das eben belegt. Deswegen möchte ich Sie gerne fragen, was Sie eigentlich tun wollen, um die Entwicklung, die wir in unserem Bundesland seit etwa einem Jahr erleben können, zu stoppen.

In Niedersachsen lag die Zahl der Arbeitslosen im April 2005 um 20 % über dem Wert des gleichen Monats im Vorjahr. Damit ist die Steigerung bei uns doppelt so stark wie im übrigen Bundesgebiet. Das heißt, dass die Arbeitslosigkeit in Niedersachsen wesentlich stärker angestiegen ist als im restlichen Bundesgebiet. Das Wichtigste dabei allerdings ist, dass wir im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit von dem Spitzenplatz, den wir in den vergangenen Jahren eingenommen haben, inzwischen auf den Platz zurückgefallen sind, der für sich die rote Laterne in Anspruch nehmen kann. Im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit können wir in der Zeit von April 2004 bis April 2005 eine Steigerung um immerhin 43,6 % feststellen. Das ist

ebenfalls ungefähr doppelt so viel wie in der gesamten Bundesrepublik. Im Bereich der jugendlichen Arbeitslosen unter 20 Jahren hat Niedersachsen eine Steigerungsquote von fast 130 % aufzuweisen.

Man könnte dann immer sagen: Das hat etwas mit den neuen Zählungen nach Hartz IV zu tun. Allerdings müsste einmal jemand begründen, warum die Steigerungsraten in anderen Bundesländern, die ja alle vor den gleichen Veränderungen im Bereich Hartz IV stehen, weit unterhalb der Werte liegen, die wir in Niedersachsen zu verzeichnen haben.

Herr Wirtschaftsminister, manchmal lohnt es sich ja, Ihre Reden, die Sie hier im Landtag gehalten haben, hinterher noch einmal nachzulesen. In der letzten Plenarsitzung haben Sie als großen Erfolg zu verkaufen versucht, dass im Dezember 2004 lediglich 684 nicht vermittelte Ausbildungsplatzbewerber 1 484 Angeboten gegenübergestanden hätten. Wir weisen noch einmal darauf hin, dass dies erstens zum großen Teil keine Ausbildungsplätze, sondern Praktikaplätze gewesen sind und dass wir zweitens schon im letzten Jahr zum ersten Mal seit vielen Jahren in Niedersachsen wieder eine unausgeglichene Ausbildungsplatzbilanz hatten. In all diesen Bereichen - im Bereich der Gesamtarbeitslosigkeit, im Bereich der Ausbildungsplätze, im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen, im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit der unter 20-Jährigen - trägt Niedersachsen inzwischen im Bundesgebiet die rote Laterne, obwohl wir in den Jahren 2002 und 2003 an der Spitze der Entwicklung gestanden haben.

Ich möchte einmal daran erinnern, dass die Jugendarbeitslosigkeit von 2002 auf 2003 in ganz Deutschland um 20 % gestiegen war. In einem einzigen Bundesland war sie damals aber um mehr als 40 % gesunken. Das war Niedersachsen. Diesen Erfolg, den wir in Niedersachsen gemeinsam mit Arbeitgebern, gemeinsam mit Gewerkschaften und gemeinsam mit dem Landesarbeitsamt erzielt haben,

(Beifall bei der SPD)

haben Sie ins Gegenteil verkehrt. Wir hatten eine Zeit, in der es ein Bündnis für Ausbildung und Arbeit gab. Dieses Bündnis hat sich vor allem auf den Bereich Ausbildungssituation konzentriert. Davon ist in Ihrer Regierungszeit nichts übrig geblieben. Zum jetzigen Zeitpunkt erleben wir,

dass die Zahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen zwischen Januar und April 2005 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres zum ersten Mal um 10 % zurückgegangen ist. Der Bestand an unbesetzten Ausbildungsstellen betrug im April 2005 in Niedersachsen 18 675. Dieser Zahl stehen 28 845 nicht vermittelte Bewerber gegenüber. Dieses Verhältnis ist das schlechteste seit Jahren. Wir wollen von Ihnen wissen, was Sie tun, um diese rote Laterne wieder abzugeben. Wir wollen wissen, ob Sie die Kürzungen, die Sie im letzten Haushalt im Bereich der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vorgenommen haben, angesichts dieser Zahlen zurückzunehmen bereit sind.

Ferner wollen wir wissen, ob es stimmt, dass aus dem Jahr 2004 Haushaltsreste in Höhe von 1,2 Millionen Euro im Bereich der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung stehen, die Sie nicht verausgaben, sondern dem Finanzminister überantworten wollen. Wir wollen also wissen, ob zwischen Reden und Handeln bei Ihnen ein Unterschied besteht, ob Sie zu dem stehen, was wir in der letzten Plenarsitzung verabredet haben, nämlich dass die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit endlich wieder Schwerpunkt der Arbeit auch dieser Landesregierung werden soll.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Als Nächstem erteile ich Herrn Hermann von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! 57 000 jungen Menschen in Niedersachsen, die eigentlich ihren Start in das Erwachsenenleben meistern sollten, die von einer guten Arbeit träumen, die davon träumen, sich eine eigene Existenz aufzubauen, bleibt diese Möglichkeit vorläufig verwehrt. Sie sind arbeitslos und damit jeder Perspektive beraubt, die sie brauchen, um in unserer Welt erfolgreich bestehen zu können.

Deshalb ist es so wichtig, bei der Unterstützung junger Menschen keine Zeit zu verlieren, sondern so früh wie möglich zu helfen und Maßnahmen zu ergreifen, um sie in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Herr Gabriel, Sie haben immer alles für den zweiten Arbeitsmarkt getan.

(Heidrun Merk [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr!)

Sie haben bei diesen Runden sogar dafür gesorgt, dass die Jugendlichen in den dritten Arbeitsmarkt gekommen sind. Das ist der Unterschied, den Sie jetzt sehen. Und noch eines, Herr Gabriel: Wenn schon die Bundesagentur für Arbeit unter ihre Statistiken schreibt, diese Zahlen seien eingeschränkt zu verwerten, weil eben zurzeit noch ein Durcheinander herrscht, dann sollten auch Sie das beherzigen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Die Fehler- quote liegt nicht bei 100 %!)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, ich bin ein selbständiger Handwerksmeister. Als solcher ist es nicht meine Art, ein Problem nur zu diskutieren und das Ganze auf viel Papier zu beschreiben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich habe gelernt und erfahren: Erfolg hat man, wenn man ein Problem erkennt und es dann umgehend löst. Dabei ist die perfekte Lösung nicht immer die beste Lösung. Oft sind konkrete, wirksame Maßnahmen, die direkt etwas verbessern, sinnvoller als komplizierte Konzepte, die doch nur in Schubladen verschwinden. So ist es auch mit der Jugendarbeitslosigkeit. Will man wissen, wo es hakt, redet man am besten mit den Menschen vor Ort, den Mitarbeitern der Arbeitsloseninitiativen, den Vertretern der Kammern und der Arbeitsagenturen. Dort erhalten Sie konkrete, teils auch überraschende Erkenntnisse und Informationen.

Als Erstes sagt Ihnen jeder dieser Fachleute: Die Zahlen der Regionaldirektion Niedersachsen/Bremen sind zum jetzigen Zeitpunkt, vier Monate nach der radikalen Umstellung des Betreuungssystems für arbeitslose Menschen, Herr Gabriel, und vier Monate vor Ausbildungs- und Schulbeginn, keine verlässlichen Zahlen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dann die Überraschung:

(Sigmar Gabriel [SPD]: Doppelt so hoch, Herr Kollege!)

Als ich der Vertreterin einer Jugendwerkstatt von den Erfolgen des EQJ - Sie kennen das, Herr Gabriel: Einstiegsqualifizierungsjahr erzählt habe, schaute sie mich überrascht an. Sie kannte dieses Instrument gar nicht. Sie sagte spontan, das ist

genau das Richtige für meine Jugendlichen. - Und das, meine Damen und Herren, obwohl im letzten Jahr viele EQJ-Stellen überhaupt nicht besetzt worden sind und wir wissen, dass fast 60 % davon in einen Ausbildungsberuf übernommen werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich rede nicht, ich werde mich dafür einsetzen, dass diese Stellen in diesem Jahr besonders beachtet werden.

(Beifall bei der FDP - Glocke der Prä- sidentin)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die Zeit ist sehr kurz, Frau Präsidentin. Ich weiß das.

Der größte Skandal in diesem System aber, in dem wir uns befinden, ist: Wie kann es sein, dass tausende händeringend eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle suchen und gleichzeitig Betriebe klagen, dass sie keine qualifizierten Bewerber finden? Eine solche Verschwendung junger Talente sollte jeden zornig machen.

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht mit dem Hauptschulprofilierungsprogramm anfangen. Das haben wir jetzt erst in Gang gesetzt. Das dauert natürlich Jahre oder Jahrzehnte.

(Unruhe bei der SPD)