Protokoll der Sitzung vom 18.05.2005

Sie sind ja seinerzeit - das war die ganz schwache Seite des Projektes, bevor der Regierungswechsel stattfand und bevor wir, wie Kollege Dr. Biester das gerade ausgeführt hat, das Projekt auf finanziell sichere Füße gestellt haben - durch die Lande gereist und haben von unrealistisch hohen Anteilen des Privatkapitals gesprochen. Das ist die Vorlage gewesen - ich sehe, dass sich Kollege Janßen schon freut, dass er das gleich wieder aufgreifen kann -, um das Projekt wackelig erscheinen zu lassen. Meine Damen und Herren, man kann nicht auf der einen Seite das private

Kapital in einem hohen Anteil mit in die Infrastrukturfinanzierung hineinnehmen wollen, es aber auf der anderen Seite als Heuschrecke beschimpfen und verscheuchen.

Ich fordere Sie, Herr Gabriel und Herr Oppermann, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, auf: Kehren Sie zum Konsens zurück! Sprechen Sie nicht von der großen und der kleinen Lösung! Erinnern Sie sich noch daran, warum die Bahnlinie, die den JadeWeserPort erschließt, nördlich um den Voslapper Groden herumgeführt wird? - Um nämlich genau die Zweifel zu vermeiden, die sich aus Gründen des Vogelschutzes ergeben könnten. - Unterstützen Sie das Projekt ohne Wenn und Aber! Differenzieren Sie nicht zwischen der großen und der kleinen Lösung, und realisieren Sie mit uns den JadeWeserPort zum Wohle der Region.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Janßen, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Visionen, die sich in Niedersachsen bei den Regierungsfraktionen und zum Teil auch bei der SPD mit dem JadeWeserPort verknüpfen, erinnern mich zum Teil doch fatal an die „blühenden Landschaften“, die an anderer Stelle entstehen sollten. So ähnlich kommt mir das auch hier vor.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Da war auch Ihre Frak- tion geteilter Meinung!)

Für eine vernünftige und zukunftsorientierte Nutzung des Hafens Wilhelmshaven wäre eine hafenpolitische Gesamtkonzeption für die norddeutsche Küste dringend erforderlich. Leider sind die Regierungsfraktionen und die Landesregierung jedoch nicht willens, an einem solchen Gesamtkonzept mitzuarbeiten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Stattdessen setzen Sie Wilhelmshaven auch künftig verstärkt der Konkurrenz von Hamburg aus. Das hat zur Folge, dass Wilhelmshaven zwar tatsächlich eine Chance hat, aber als Transship

menthafen. Das bedeutet: Große Schiffe kommen an, und kleine Schiffe fahren wieder raus.

(Zuruf von der CDU: Das geht doch gar nicht!)

Ergebnis ist ein ausgesprochen geringer Wertschöpfungsanteil; das ist ganz einfach. Im europäischen Wettbewerb ist es nun einmal so, dass Rotterdam näher am Ruhrgebiet und Hamburg näher an Berlin liegen. Das muss man auch in Niedersachsen zur Kenntnis nehmen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ihre Erkenntnis, 570 ha Fläche könne man nicht auf einmal vermarkten, ist ja durchaus nachvollziehbar. Das haben wir Ihnen auch früher schon gesagt. Allerdings stellen Sie dadurch Ihr Refinanzierungskonzept erheblich infrage, für das Sie Zahlen ja sowieso noch nicht vorgelegt haben. Es ist doch davon auszugehen, dass Ihr Refinanzierungskonzept noch löcheriger wird, als es bislang schon war, wenn Flächen, die dem Land Niedersachsen gehören, nicht entsprechend vermarktet werden können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das größte Versäumnis Niedersachsens in diesem Zusammenhang war schlicht und ergreifend das Ignorieren des Ausstiegs von Hamburg und das Fehlen privaten Kapitals - insofern gebe ich Ihnen Recht, Herr Kollege Riese - bei der Infrastruktureinrichtung. Hamburg ist nicht mehr im Boot, und ein Überdenken des Projekts, ein realistisches Szenario mit Finanzierungsmöglichkeiten und realistischen Arbeitsplatzzahlen, gab es nie. Ihre Devise stattdessen: Kopf in den Sand und weiter so.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Als Fazit bleibt eigentlich nur: Die Landesregierung nimmt Risikokapital in die Hand, weil sie zum einen nicht bereit ist, an einem Hafenkonzept mitzuarbeiten und dadurch eben das Risiko besteht, dass sie auch keine Einnahmen für den Landeshaushalt daraus erzielen wird. Der zweite Punkt: Wilhelmshaven wird 2015 nicht in „Boomtown“ umbenannt werden, weil die Arbeitsplätze nun einmal nicht in den Himmel wachsen und auch die vermarktbaren Flächen nicht ohne Ende nachgefragt werden.

Es wäre in diesem Zusammenhang tatsächlich wichtig, meine Damen und Herren, ernsthaft Konsequenzen zu ziehen und ein vernünftiges Refinanzierungskonzept aufzustellen; denn das ver

ausgabte Geld soll schließlich auch wieder hereingeholt werden. Es geht ja hier nicht um Peanuts. Da mir nicht bekannt ist, dass Niedersachsen 500 Millionen Euro irgendwo auf der hohen Kante liegen hat, muss das Geld aufgenommen, also kreditfinanziert werden. Wenn man die Kosten dafür in Rechnung stellt, ist man bei einem Gesamtvolumen von deutlich über 1 Milliarde Euro.

(Zuruf von Inse-Marie Ortgies [CDU])

Sie müssen also schon einmal konkrete Zahlen vorlegen; das haben Sie bis jetzt überhaupt nicht getan, und so lange Sie das nicht tun, bleibt es eine windige Sache. Ich sage Ihnen noch eines: In Cuxhaven könnten Sie das Projekt möglicherweise mit der Hälfte der Summe, die Sie hier investieren wollen, realisieren.

(Zuruf von Ursula Körtner [CDU])

Prüfen Sie es einmal vernünftig. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Das Wort hat Herr Minister Hirche.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Oppermann kann einem schon Leid tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Er muss hier immer ausbügeln, was sein Fraktionsvorsitzender vor Ort verzapft.

Meine Damen und Herren, um deutlich zu machen, wie die Situation vor Ort, nämlich seitens des Präsidenten der Hafenwirtschaft in Wilhelmshaven, gesehen wird: Das ist nichts anderes als wahltaktische Rederei und führt zur Verunsicherung in Wilhelmshaven.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist geradezu rührend, wenn Herr Oppermann mich hier auffordert: Verderben Sie nicht die gute Aufbruchstimmung in Wilhelmshaven!

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Oppermann, ich rate Ihnen, einmal den Kommentar der heutigen Ausgabe der Wilhelmshavener Zeitung zu lesen, in dem steht, dass die Äußerungen von Herrn Gabriel die Gemeinsamkeit und die Entschlossenheit, den JadeWeserPort zu realisieren, unterminieren und dass man solche Äußerungen in dieser Situation unterlassen sollte. Das sagt der Mann, der die Hafenwirtschaft repräsentiert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Diese Landesregierung - ich wiederhole das gern sowohl bei diesem Thema als auch bei anderen hält, was sie verspricht. Wir halten die Grundsatzvereinbarung und den Kooperationsvertrag zwischen dem Land und Wilhelmshaven ein. - Ich habe im Übrigen auf Langeoog bestätigt, dass die Gründung der Vermarktungs- und Immobiliengesellschaft wie verabredet in Angriff genommen wird.

Meine Damen und Herren, ich habe mir für alle Fälle den Kooperationsvertrag noch einmal angesehen, in dem auch die Vermarktung der Flächen ganz eindeutig geregelt ist. Wir wissen, dass die benötigten Flächen naturschutzrechtlich völlig unterschiedlich zu betrachten sind, und haben deshalb gesagt: Weil wir den Hafen schnell realisieren wollen, beginnen wir jetzt mit dem Stück, in dem wir keinerlei naturschutzrechtliche Probleme haben. Gegenstand des Vertrags ist deswegen die Vermarktung einer Fläche von 170 ha des Hafengrodens, der sich unmittelbar an den Containerterminal mit 120 ha anschließt. Diese Flächen sind für die Werbung bei Ansiedlungsinteressenten geeignet.

Meine Damen und Herren, es ist auch in diesem Vertrag vereinbart, dass danach, also in einer zweiten Stufe, die Flächen im Voslapper Groden vermarktet werden, von denen drei Viertel im Eigentum des Landes sind. Diese Stufenfolge werden wir einhalten und berücksichtigen. Im Vertrag steht weiter, dass die Bauleitplanung, also Flächennutzungsplanung und Bebauungsplan für den Voslapper Groden, erfolgen wird, sobald dies städtebaulich erforderlich ist. Auf einen genauen Zeitpunkt können wir uns noch nicht festlegen; das kann noch dauern, weil im Hinblick auf den Biotopcharakter des Voslapper Grodens noch Rechtsfragen zu klären sind. Wenn wir die Klärung dieser Rechtsfragen abwarten würden, käme es zu einer Verzögerung von vielleicht ein, zwei oder drei Jahren, und ich weiß schon, was Herr Gabriel dann

gesagt hätte: Diese Landesregierung ist nicht in der Lage, den Hafen Stück für Stück pragmatisch in der Realität voranzubringen, weil sie zu viele Dinge in ein Paket packt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist zwar das gute Recht einer Opposition - ich meine sogar, es ist die Pflicht einer Opposition -, immer den Finger in eine Wunde zu legen. Aber ich meine, dass erstens es hier keine Wunde gibt und dass Sie zweitens durch öffentliche Diskussionen dieser Art, die in der Sache völlig unberechtigt sind, nicht Niedersachsen nützen - ich sage das sehr zurückhaltend -, sondern eher den Wettbewerbern, die es auch immer am Markt gibt.

Wir wollen in einem klaren Tempo Schritt für Schritt vorangehen. Dazu noch ein Hinweis: Ich sehe durchaus Ihre Verdienste bei der Vertragsunterzeichnung und bei der Entscheidung für Wilhelmshaven statt für Cuxhaven. Das war seinerzeit keine einfache Entscheidung, und ich habe großen Respekt vor diesem Entscheidungsprozess. Aber wir haben dann erst die Finanzen auf eine solide Grundlage stellen müssen, weil die Voraussetzungen in der Mipla dafür nicht geschaffen waren. Das haben wir getan.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von David McAllister [CDU])

Meine Damen und Herren, noch ein Wort zum Thema Arbeitsplätze: Wir haben gesagt, in einem überschaubaren Zeitraum, d. h. innerhalb von fünf Jahren nach Hafenbeginn, werden wir mit etwa 2 000 Arbeitsplätzen rechnen können. Sie können ja jederzeit sagen, dass wir in der ferneren Perspektive 5 000 - ich hoffe, auch mehr als 5 000 haben werden. Aber wir sollten jetzt immer über den Zeithorizont reden. Das ist wie mit hannoverimpuls bei der SPD, wobei der Oberbürgermeister von 40 000 neuen Arbeitsplätzen gesprochen hat. Ich bin in der heutigen Zeit des industriellen Umbruchs und der Globalisierung froh, wenn wir mit neuen Initiativen industrielle und sonstige Arbeitsplätze im Lande halten und etliche neue hinzubekommen.

(Vizepräsidentin Silvia Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Wir sollten hier keine Mondzahlen in die Landschaft stellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das hat doch nichts damit zu tun, dass wir dieses Riesenprojekt nicht gemeinsam zu einem Erfolg bringen wollen. Meine Damen und Herren, ich glaube sogar, dass wir mit diesem Projekt, mit dem sich sogar im Landtag einige schwer tun, erreichen, dass Niedersachsen nicht weiter nur ein binnenorientiertes Land ist, sondern die Küste damit stärker in den Vordergrund rückt und wir damit etwas aufholen, was uns Hamburg und Bremen in bestimmter historischer Hinsicht voraus haben, dass wir nämlich die Marktchancen der Küste nutzen und damit einen Beitrag dazu leisten, dass eine eigenständige Entwicklung in Wilhelmshaven, Cuxhaven, Emden, Brake und überall an der Küste stattfindet. Das machen wir in diesem Zusammenhang. Wir lassen uns dabei auch nicht durch von der Seite geworfene Knüppel irritieren. Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven wird wie vereinbart und vorgesehen realisiert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU]: Sigmar, geh‘ du jetzt rein!)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Oppermann. Ich erteile ihm das Wort.