Tagesordnungspunkt 35: Zweite Beratung: Sicherheit im Justizvollzug besser gewährleisten! - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/1617 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 15/2039
Die Beschlussempfehlung zu Tagesordnungspunkt 33 lautet auf Annahme, die Beschlussempfehlung zu Tagesordnungspunkt 34 auf Annahme in geänderter Fassung und die Beschlussempfehlung zu
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Durch die Beteiligung von Privaten an der Bauplanung, insbesondere im Bereich der Justizvollzugsanstalten, können sich Einsparpotenziale ergeben, wenn es gelingt, gemeinsam mit dem Nutzer die Abläufe zu optimieren. Auch bei den laufenden Kosten lassen sich gegenüber einem herkömmlichen Betrieb Einsparungen erzielen, ohne dass die Standards darunter zu leiden hätten. Ich glaube, es besteht auch Einigkeit darüber, dass die so genannten PPP-Projekte durchaus erfolgreich sein können. In vielen Fällen waren sie das auch schon, und sie können in vielen Fällen auf den Bereich der Justizvollzugsanstalten sehr gut angewendet werden.
Jedoch ist nicht nur der Einspareffekt die Motivation zur Privatisierung. Auch sollen die Haftbedingungen verbessert und soll die Modernisierung der Justizvollzugsanstalten forciert werden. Wir konnten bei den zahlreichen Bereisungen des Unterausschusses feststellen, dass es mittlerweile in einigen Justizvollzugsanstalten einige bauliche Rückstände zu beseitigen gilt. Doch nicht nur bei den Neubauten, sondern auch bei Sanierungsarbeiten und möglichen Erweiterungen oder Veränderungen könnten PPP-Modelle durchaus Anwendung finden. Dabei hat sich, wie in anderen Bundesländern zu beobachten ist, die Privatisierung zumindest im nicht sicherheitsrelevanten Bereich bewährt; das konnten wir in der Ausschussberatung feststellen. Es ist davon auszugehen, dass ein teilweise privatisierter Betrieb flexibler ist. Auch ist die Personalerschließung im privaten Bereich einfacher als im öffentlichen Dienstrecht. Schließlich entsteht auf diese Weise ein Wettbewerb und somit eine gesteigerte Motivation unter den Mitarbeitern. Andererseits - um auch die andere Seite zu betrachten - bleiben hoheitliche Aufgaben, die mit Zwangsauswirkungen auf Gefangene verbunden sind, entsprechend den gesetzlichen Anforderungen in öffentlicher Hand.
Mit einem Neubau durch Private kann zudem den durch das Bundesverfassungsgericht und durch den Bundesgerichtshof formulierten Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung entsprochen werden. Es ist selbstverständlich, dass
diese Anforderungen bei der Unterbringung von Gefangenen zu beachten sind. Doch es ist auch festzustellen, dass Mehrfachbelegungen, so wie wir sie in einigen unserer Justizvollzugsanstalten leider immer noch vorfinden, nicht per se der Menschenwürde widersprechen. In den niedersächsischen Gefängnissen herrscht nun einmal eine angespannte Belegungssituation. Wir haben mit über 7 075 Gefangenen die höchste Belegung seit 35 Jahren, und Hoffnung auf einen zahlenmäßigen Rückgang besteht nicht. Wo also sollen wir die Gefangenen lassen?
Bezüglich des Fehlbestandes an Haftplätzen müssen wir die Situation also ganz nüchtern sehen. Notwendig sind - das haben wir aber auch nicht erst in den letzten Wochen und Monaten erkannt Kapazitätserweiterungen vor allem im geschlossenen Vollzug. Um den Behandlungsvollzug auch in baulicher Hinsicht zu verwirklichen, sind enorme Anstrengungen unternommen worden. Exemplarisch will ich hier nur die im vergangenen Jahr in Betrieb genommene Justizvollzugsanstalt Sehnde nennen, eine Anstalt, die baulich für modernen und zeitgemäßen Vollzug steht.
Da weiterhin noch Haftplätze fehlen, lässt sich die angespannte Lage nur eingrenzen, wenn eine Mehrfachbelegung während der Ruhezeit - unter der Voraussetzung der Zustimmung der Gefangenen oder bei räumlichen Erfordernissen der Justizvollzugsanstalt - vorgenommen wird, wobei ausdrücklich auf die Achtung der Menschenwürde geachtet wird. Von einer Aufweichung des Grundsatzes der Einzelunterbringung im Interesse der Sicherheit kann also überhaupt nicht die Rede sein, auch nicht von einer Verzögerung der Durchführung notwendiger baulicher Maßnahmen.
Die Anstalten werden mit modernster Sicherheitstechnik ausgestattet. Wir haben uns mit dem Unterausschuss z. B. die JVA Sehnde angeschaut. Diese Anstalt ist wirklich hochtechnologisch ausgestattet. Vielleicht hätte die Vorgängerregierung an der einen oder anderen Stelle in ihren Planungen sogar noch ein wenig zurückhaltender sein können. Man hätte die Anstalt auch dann noch sehr sicher und sehr modern bauen können. Jetzt hat man an der einen oder anderen Stelle vielleicht sogar ein bisschen zu viel des Guten getan. Das Geld, das dafür aufgewendet worden ist, hätte man vielleicht sogar in anderen Haftanstalten investieren können.
Die Inbetriebnahme der Justizvollzugsanstalt Sehnde gewährleistet jedoch eine sichere Unterbringung von Schwerverbrechern. Der Hochsicherheitstrakt entspricht höchsten Anforderungen; ich sagte es eben.
Daneben hat auch die Einteilung der Anstalten des Landes in vier Sicherheitsstufen die Sicherheit erheblich verbessert. Die Gefangenenklientel wird nun auf die vorhandenen Sicherheitsstandards der Justizvollzugsanstalten abgestimmt. Von einer mangelhaften Sicherheit im niedersächsischen Justizvollzug kann somit keine Rede sein. Wir haben uns schon in der ersten Beratung über die Sachlage unterhalten
Lassen Sie mich abschließend sagen: Mangelhaftigkeit fällt einem jedoch bei dem Änderungsantrag der SPD ein. Alle Fragen, die in diesem Antrag aufgeworfen werden, sind bereits in der Beratung bzw. in der Anhörung zum Ursprungsantrag ausführlich erörtert und geklärt worden. Deshalb bleibt nur die Frage: Was soll das? - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! Frau Ministerin, die Grüne-Fraktion legt Wert auf eine sachliche und konstruktive Diskussion. Auf der Grundlage dieser drei Anträge führen wir heute ja so etwas wie eine Generaldebatte über den Justizvollzug.
Der Justizvollzug gerät bekanntlich immer nur dann in die Schlagzeilen, wenn sich ein spektakulärer Ausbruch ereignet. Dann auf einmal interessieren sich die Menschen wieder für das, was hinter Gefängnismauern passiert. Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass dort viel für die Sicherheit und für die Resozialisierung getan wird. Bei 7 000 Gefangenen in Niedersachsen ist der finanzielle und der personelle Aufwand, den wir für die Sicherheit der Menschen und für die Wiedereingliederung der straffällig gewordenen Menschen, die im Justizvollzug untergebracht sind, leisten, erheblich. Diesen Gesichtspunkt möchte ich in den Mittelpunkt meiner Betrachtung stellen.
Meine Damen und Herren, nicht nur wir im Unterausschuss, sondern das gesamte Parlament ist aufgefordert, über die Sicherheit im Vollzug keine Dramatikdebatte, sondern eine sachorientierte Debatte zu führen. Die Grüne-Fraktion sieht jedenfalls keinen Grund, hier in Niedersachsen Ängste zu schüren; dazu besteht aus unserer Sicht kein Anlass.
Der erste Gesichtspunkt ist: Uns geht es um einen humanen Strafvollzug. Dazu gehört auch eine Resozialisierung der Straftäter. Das muss eine zentrales Anliegen aller Akteure sein. Wir sehen, dass ein solcher humaner Strafvollzug in Niedersachsen gewährleistet wird und dass die Akteure auf diesem Gebiet sehr eng zusammenarbeiten.
Zentraler Punkt ist die Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten. Hier ist einmal die technische Seite entscheidend, zum anderen aber auch eine qualitativ ausreichende Ausstattung mit Personal, das die Sicherheit gewährleisten kann. Darüber wollen wir diskutieren; das ist die Messlatte, die wir an alle Entscheidungen, die künftig hier im Parlament getroffen werden, anlegen.
Meine Damen und Herren, Controlling, Organisationsuntersuchungen und Zielplanungen sind für uns unabdingbare Standards beim Einsatz der Steuermittel, die bei uns in Niedersachsen intensiv verwendet werden.
Frau Ministerin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir stehen PPP-Projekten im Vollzug grundsätzlich positiv gegenüber. Wir sind bereit, auf der baulichen Ebene, also bei der Planung und Erstellung von JVAs, diesen Weg mitzugehen. Beispiele aus anderen Bundesländern liegen vor und sollten uns als Orientierung dienen; entsprechende Informationen wurden uns bei der Anhörung im Unterausschuss sowie im Rechtssausschuss gegeben.
Wir sind jedoch der Meinung - insoweit weichen wir voneinander ab -, dass der Betrieb in sicherheitsrelevanten Bereichen ausschließlich hoheitlichen Bediensteten des Landes Niedersachsen vorbehalten sein sollte. Hier dürfen Private keinen Fuß in die Tür bekommen; das sehen wir als eine zentrale Anforderung an. Leider haben Sie diese beiden Punkte, also die bauliche Seite einerseits und die
innerbetriebliche Organisation der JVAs andererseits, in einem Antrag zusammengefasst. Hinsichtlich der baulichen Seite wären wir den Weg gerne mitgegangen. Weil aber heute über beides zusammen abgestimmt wird, werden wir ihn dann doch nicht mitgehen können, Frau Ministerin.
Wir diskutieren jedoch weiterhin konstruktiv mit, wenn es um die Realisierung und um die Abwägung in einzelnen Bereichen geht. Darin, meine Damen und Herren, unterscheiden wir uns auch von der ablehnenden Haltung der SPD.
Der zweite Antrag befasst sich mit dem Grundsatz der Einzelunterbringung. Daran gibt es aus grüner Sicht keine Abstriche zu machen. Frau Ministerin, die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist im Grundgesetz verankert. Die Einzelunterbringung ist schon von Gefangenen eingeklagt worden. Wir sehen nicht die Notwendigkeit, das Gesetz in dieser Hinsicht aufzuweichen, sondern lehnen das strikt ab. Eine Aufweichung würde mehr Unsicherheiten und Störungen im Vollzug bedeuten. Die Mehrfachbelegung führt dazu, dass sich Gruppen bilden, was nicht immer gut ist, und das wollen wir vermeiden. Die Einzelunterbringung ist ein Bestandteil der Menschenwürde, deren Unantastbarkeit im Grundgesetz verankert ist. Wie gesagt, an dieser Stelle gibt es keine Abstriche von grüner Seite.
Der dritte Antrag, den wir in diesem Gesamtkontext beraten, ist mit „Sicherheit im Justizvollzug besser gewährleisten!“ überschrieben. Wir haben im Unterausschuss intensiv über die Sicherheitsstandards in den JVAs beraten. In diesem Zusammenhang haben wir uns auch die Entweichungsstatistik intensiv angesehen. Es gibt aus unserer Sicht keine Anzeichen dafür, dass die Zahl der Ausbrüche von Gefangenen in den letzten Jahren angestiegen ist. Der Mittelwert war immer gleich. Insofern hat jede Regierung unter menschlichen Verfehlungen leiden müssen - dieser Aspekt steht bei Ausbrüchen immer im Mittelpunkt -; denn trotz hoher Sicherheitsstandards funktioniert der Mensch nicht immer so, wie man es sich in seinen Planspielen vorstellt. In diesem Zusammenhang ist der Mensch nun einmal einfach Mensch und damit der große Unsicherheitsfaktor. Dies ist - auch aus grüner Sicht - einfach festzustellen.
Hinsichtlich der Sicherheitskonzepte wird ständig an einer Aktualisierung gearbeitet; diese Information haben wir aus der Ausschussberatung mitgenommen. Wir haben gehört, dass das Justizcontrolling gerade eingeführt worden ist. Auch unter der alten Regierung hat es schon eine Art Controlling gegeben, das durchaus wirkungsvoll war. Die Personalstruktur hat sich in den letzten Jahren ebenfalls nicht groß verändert. Mit dem Haushalt 2005 ist die Übernahme von 120 Justizanwärterinnen und Justizanwärtern möglich geworden, was wir sehr begrüßen. Die Nagelprobe wird für uns der Haushalt 2006 sein. Wir werden sehen, ob Sie, Frau Ministerin, sich gegen den Finanzminister durchsetzen können. Wir würden Sie dabei jedenfalls unterstützen.
Meine Damen und Herren, wir fordern Sie auf, in dieser Frage zur Sachdebatte zurückzukehren. An einer solchen Sachdebatte werden wir uns beteiligen. Es gibt keinen Grund, den Justizvollzug in Niedersachsen schlecht zu reden. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln jetzt drei Tagesordnungspunkte zusammen. Lassen Sie mich zu Tagesordnungspunkt 34 zunächst ganz kurz Folgendes sagen: Wir wollen den Grundsatz der Einzelunterbringung, der im Strafvollzugsgesetz festgeschrieben ist, nicht aufweichen. Deshalb werden wir den im Rechtausschuss veränderten und in sein Gegenteil verkehrten Antrag der SPD-Fraktion in der Fassung der Beschlussempfehlung nicht mittragen.
Zu Punkt 35 kann ich Ihnen auch nur sagen, dass wir die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses nicht mittragen werden.
Nun zu Punkt 33. Es geht bei diesem Punkt um - so will ich es einmal kurz nennen - die Teilprivatisierung des Justizvollzuges. Lassen Sie mich mit zwei Vorbemerkungen beginnen. Wir haben mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass die Justizministerin den Antrag,
betreffend Teilprivatisierung des Strafvollzuges, schon lange vor der heutigen Beschlussfassung durch öffentliche Äußerungen in einer schier unglaublichen Art vorauseilenden Gehorsams zu ihrer Sache gemacht hat. Frau Ministerin, von Respekt vor dem Parlament zeugt das nicht.
Frau Heister-Neumann, wie ist das eigentlich? Hat sich der Herr Staatsmodernisierer dieses Thema eigentlich aus eigener Machtvollkommenheit unter den Nagel gerissen, oder haben Sie dem Druck aus dem Innenministerium nicht standhalten können?
Ich will jetzt etwas zu dem zweiteiligen Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Privatisierung des Strafvollzuges sagen. Soweit es um Planung, Neubau oder Umbau eines Gebäudes für eine neue Haftanstalt geht, stoßen Sie bei der SPD auf volle Zustimmung - das ist gar keine Frage -, natürlich vorausgesetzt, unsere Sicherheitsstandards werden eingehalten, und es rechnet sich. Insoweit begleiten wir Sie auf Ihrem Weg.
Zum teilprivatisierten Betrieb einer JVA sagen wir Folgendes: Freiheit ist unser aller höchstes Gut und grundgesetzlich geschützt. Wenn Eingriffe erfolgen müssen, so ist das unbestritten ein hoheitlicher Akt, der nur unter der Verantwortung des Staates durchgeführt werden darf.
Freiheitsentzug ist immer auch eine Form von Gewalt. Das Gewaltmonopol hat allein der Staat. Darin bestand bisher Konsens unter allen demokratischen Parteien. Wer das Gewaltmonopol des Staates aber zerfleddern will, wie Sie das vorhaben, der demontiert den Rechtsstaat.
Sie, ausgerechnet Sie von der angeblich so bürgerlichen Regierungskoalition, und die Landesregierung in Gestalt der Justizministerin sind auf dem Wege zu einer solchen Demontage des Rechtsstaates.
Kernbereiche der Justiz müssen als hoheitliche Aufgabe erhalten bleiben. Das sind Ihre Worte, Frau Ministerin. Justizvollzug ist als Ganzes eine solche Kernaufgabe. Sie sollten sich an Ihre eigenen Worte halten. Wir haben im Unterausschuss einen Änderungsantrag vorgelegt - er liegt Ihnen vor -, der sich mit verschiedenen Bereichen be