Protokoll der Sitzung vom 24.06.2005

sind viele Modelle und Zwischenschritte möglich. Dabei ist Fantasie gefragt - je nach den örtlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten. Es kann einfach der Schulvormittag mit einem Mittagessen beendet werden, oder der Schulalltag wird neu rythmisiert: vier Stunden Unterricht, gemeinsame Mittagspause, danach noch einmal zwei Stunden Unterricht. Schließlich kann die Schule nach und nach ein ganztägiges Angebot um den Mittagstisch herum aufbauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der schrittweise Umbau der Schulen zu Ganztagsschulen kostet eine Menge Geld. Das werden Sie mir gleich sagen. Das weiß ich. Die rot-grüne Bundesregierung hat hierfür für die nächsten Jahre und schon in den letzten Jahren 4 Milliarden Euro bereitgestellt - das Land Niedersachsen noch nichts. Die CDU hat anfangs bezweifelt, dass die Bundesregierung überhaupt das Recht hat, dieses Geld zur Verfügung zu stellen. Inzwischen nimmt sie es gern. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist dringend nötig, dass die Unterstützung durch die Bundesregierung fortgesetzt wird. Wir sind gespannt, ob die CDU vor der Bundestagswahl Aussagen dazu machen wird, ob sie dieses Programm fortführen würde. Oder werden Sie sich wieder damit herausreden, Bildungspolitik sei ausschließlich Ländersache? - Dann müssen Sie, Herr Wulff, und Sie, Herr Busemann auch einmal zeigen, dass Ihnen die Bildungspolitik etwas wert ist.

Wir erwarten von Ihnen jetzt ein Investitionsprogramm, welches das Programm des Bundes ergänzt.

(Joachim Albrecht [CDU]: Wo ist Ihr Finanzierungsvorschlag?)

Wenn Sie heute den Schulen und Kommunen sagen, sie bräuchten keine Anträge auf Investitionen für Ganztagsschulen mehr zu stellen, weil die Mittel des Bundes bereits überzeichnet seien, dann ersticken Sie den Reformelan, der an den Schulen gerade im Hinblick auf die Einrichtung von Ganztagsschulen entstanden ist.

Sicherlich geht es um eine Menge Geld. Aber es nützt nichts, Herr Klare, in Sonntagsreden davon zu sprechen, dass Kindererziehung und Berufstätigkeit miteinander vereinbar sein müssen, wenn im Alltag immer nur auf leere Kassen verwiesen wird.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich sage das auch alltags!)

Angesichts immer weiter sinkender Kinderzahlen können wir uns diese stereotypen Ausreden nicht mehr leisten.

Für mich ist klar, dass staatliche Mittel beim Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote besser angelegt sind als beim Ehegattensplitting, bei der Eigenheimzulage oder bei der Entfernungskostenpauschale.

Ein Ausbau der Betreuungsangebote würde sich auf Dauer auch für die öffentlichen Haushalte rechnen. Wenn mehr Müttern und Alleinerziehenden eine Berufstätigkeit ermöglicht wird, dann müssen sie nicht mehr von staatlichen Leistungen leben, sondern können selbst Steuern und Sozialabgaben zahlen. Die Ausgaben für Betreuungsangebote würden durch diese Mehreinnahmen mehr als ausgeglichen. Das ist keine fixe Idee von mir, sondern das hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kürzlich deutlich belegt. Der positive Effekt eines Ganztagsschulinvestitionsprogramms in Niedersachsen wäre auch für Handwerk und kleine mittelständische Betriebe von Nutzen - nachhaltiger von Nutzen als viele Mittel aus dem Wirtschaftsförderfonds, die im Lande nur zu Mitnahmeeffekten geführt haben.

Herr Busemann, ich fordere Sie auf, endlich mit mehr Einsatz an den Ausbau der Ganztagsschulen heranzugehen, damit es in Niedersachsen nicht weiterhin heißt „High noon, heute bleibt die Küche kalt“, sondern: Warmes Essen, ganze Tage, gute Schule, keine Frage. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Eckel das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag fordert u. a., das Land möge sich für eine Verlängerung und Verstetigung des Bundesprogramms „Zukunft Bildung und Betreuung“ einsetzen. Die SPD-Fraktion unterstützt dies ausdrücklich. Die Länder brauchen den Bund, um die Qualität des deutschen Bildungswesens zu steigern; denn das liegt im Interesse des

ganzen deutschen Landes. Die Ganztagsschulen sind ein wichtiger Baustein zu dieser Qualitätssteigerung.

456 Ganztagsschulen gibt es in Niedersachsen. 181 davon sind allerdings Ganztagsschulen light, also eher Halbtagsschulen mit einem Nachmittagsangebot. Der Antrag stellt auch richtig fest, dass der Schwung, der durch das Bundesprogramm bei der Entstehung von Ganztagsschulen ausgelöst wurde, genutzt werden muss. Die Akzeptanz von Ganztagsschulen bei den Eltern hat sich erhöht. Wir dürfen diese Akzeptanz nicht durch Ganztagsschulen light aufs Spiel setzen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin davon überzeugt, dass die Ganztagsschulen light nur so lange zur Akzeptanzsteigerung beitragen, bis die genehmigten Um- und Ausbauten beendet sind. Danach werden die Eltern merken: Das ist eine Mogelpackung. - Danach werden die Eltern fragen: Was ist an Qualitätssteigerung eingetreten? Hat sich der Unterricht verbessert? Gibt es mehr individuelle Förderung? Gibt es die versprochenen erhöhten Bildungschancen? - Sie werden sehen: Mit einer Ganztagsschule light ist das nicht zu leisten. Ohne zusätzliche Lehrerstunden und ohne das durch eine teilweise Kapitalisierung der Stunden ermöglichte Budget sind diese Erwartungen an die Ganztagsschulen einfach nicht zu erfüllen.

Eine Ganztagesschule nach unseren Vorstellungen bietet Zeit - Zeit zum Üben und Anwenden, Zeit zum Miteinander von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften, Zeit für die Mitwirkung von Eltern. Außerdem bietet sie die Möglichkeit zur Persönlichkeitsbildung durch ein breit gefächertes Angebot an Arbeitsgemeinschaften. Sie lassen Erfahrungen zu, die in einer Halbtagsschule nicht möglich sind.

Die Ganztagsschulen light wirken sich auf die Motivation von Lehrern und Lehrerinnen negativ aus. Ich zitiere zur Illustration aus einer gestern in den Wolfsburger Nachrichten wiedergegebenen Stellungnahme, in der die Beantragung einer Ganztagsschule abgelehnt wird. Es heißt dort - das ist die Meinung des Kollegiums -:

„Eine Ganztagsbetreuung ist zurzeit nicht finanzierbar und objektiv betrachtet pädagogisch unsinnig;... Zum anderen müssten Lehrer zusätzlich Betreuungsstunden leisten, was die

ohnehin schlechte Unterrichtsversorgung weiter beinträchtige.“

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist aber nicht so beeindruckend, was die da sagen! Das beeindruckt mich über- haupt nicht!)

Auch die Begeisterung der Lehrer und Lehrerinnen an den bereits existierenden Ganztagsschulen light wird sinken, je länger sie auf die Unterstützung des Landes warten müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der nächste und wichtigste Schritt in Niedersachsen muss sein, Ganztagsschule für Ganztagsschule in den Stand zu setzen, ihr bei der Antragstellung vorgelegtes pädagogisches Konzept auch umsetzen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Dass Abgeordnete von CDU und FDP in der letzten Woche die Genehmigung von Ganztagsschulen light in ihren Wahlkreisen gefeiert haben, lässt eher den Schluss zu: Sie wissen zu wenig von der Ganztagsschularbeit und sind eigentlich der Meinung, dass ein nettes Freizeitangebot die Kinder von der Straße hält und dass dieses Angebot sowieso nur von allein Erziehenden und bildungsfernen Schichten benötigt wird.

Sie unterschätzen die Bedeutsamkeit der Unterrichtsstruktur für einen nachhaltigen Lernerfolg. Die skandinavischen Länder haben deswegen so gut abgeschnitten, weil ihre Ganztagsschulen den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Schüler und Schülerinnen gerecht werden. Der rhythmisierte Tagesablauf, der den Wechsel von einer kognitiven Beanspruchung mit mehr auf Motorik oder Kreativität ausgerichteten Phasen ermöglicht, ist das Gütezeichen einer Ganztagsschule.

Zu viele Kinder leben in Elternhäusern, die spielerisches Lernen nicht zulassen, in denen jegliche Anregung zum Fragen und Entdecken fehlt. Eine Ganztagsschule kann diese Defizite ausgleichen und damit den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufbrechen. Schule soll sich öffnen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Frau Eckel, warum haben Sie diese Schulen ei- gentlich nicht eingerichtet? Das ist doch nur ein Gerede hier! Ich kann es nicht mehr hören!)

- Wir haben keine Ganztagsschulen light eingerichtet, Herr Klare. Das wissen Sie ganz genau. Wir hatten ganz andere Zuwendungen für diese Schulen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Klare, Sie haben gleich die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden. - Frau Eckel!

Schule soll sich öffnen, soll außerschulische Partner in den Schulalltag einbeziehen. Für eine Schule, die dafür Lehrerstunden kapitalisieren kann, gibt es viele Möglichkeiten. Für eine Schule, die das nicht kann, sind diese Möglichkeiten jedoch eingeschränkt.

Die Ergebnisse der PISA-Studie und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen zu müssen, waren die beiden Gründe für die Entstehung von Ganztagsschulen und für ihre bundesweite Unterstützung. Die Verlässlichen Grundschulen sind auch ein Beispiel dafür, dass auf den Wunsch reagiert werden muss, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Besonders von Eltern von Grundschulkindern wird immer häufiger der Wunsch geäußert, Kindern nach der Unterrichtszeit einen Mittagstisch mit Betreuung anzubieten, sodass sie bis etwa 14 oder 15 Uhr versorgt sind. Das hat damit zu tun, dass viele Mütter halbtags arbeiten und diese Zeit brauchen, um nach Hause zu kommen. Solche Angebote gibt es bereits - zumindest im städtischen Raum -, z. B. in Verbindung mit Freizeitheimen, Aktivspielplätzen oder Horten. Eine Zusammenarbeit des Landes mit den Kommunen bei der Erarbeitung und Umsetzung von Konzepten würde die SPD-Fraktion begrüßen im Sinne eines Schrittes in die richtige Richtung, nämlich hin zu einer flächendeckenden Versorgung mit Ganztagsschulen. - Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Albrecht das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Als ich den vorliegenden Entschließungsantrag betreffend „Investitionsprogramm Ganztagsschule konsequent umsetzen und langfristig weiterentwickeln! - Ein Mittagstisch für die niedersächsischen Schulen!“ das erste Mal gelesen habe, habe ich mich schon etwas über die Qualität dieses Antrags gewundert. Ich kenne von Bündnis 90/Die Grünen durchaus bessere Anträge.

(Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

- Doch, vom Bezirksrat Mitte in Hannover. - Der Antragsteller formuliert in diesem Papier eine Reihe von Vermutungen und Unterstellungen. Außerdem stellt er im Antragstext und noch mehr in der Begründung Behauptungen auf, die hinten und vorne nicht stimmen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt keine zögerliche Umsetzung des Investitionsprogramms zur Schaffung von neuen Ganztagsschulen,

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

sondern es wird zeitnah umgesetzt. Das heißt, die eingegangenen Anträge werden sorgfältig geprüft sowohl das pädagogische Konzept als auch die vorgelegten, zum Teil sehr umfangreichen bautechnischen Planungen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Dann wird entsprechend dem Erlass des Kultusministeriums vom 3. November 2003 und gemäß den Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen im Rahmen des Investitionsprogramms zur Schaffung von neuen Ganztagsschulen vom 9. Juni dieses Jahres entschieden.

Wie der Antragsteller Bündnis 90/Die Grünen selbstverständlich weiß, gibt es jährlich einen Antragsschluss. Minister Busemann hat vorgestern schon einmal darauf hingewiesen. Sie werden mir Recht geben: Es macht keinen Sinn, vor dem Antragsschluss schon Entscheidungen zu treffen und die Mittel im Windhundverfahren zu vergeben. Von daher geht die Forderung nach einer beschleunigten Umsetzung völlig ins Leere.

Dass Anträge schon älter als ein Jahr sind, lässt sich sehr einfach und schlüssig erklären. Wenn z. B. eine Schule ihren Antrag Anfang 2004 abge

geben hat, aufgrund der hohen Zahl von Anträgen im letzten Jahr aber nicht zum Zuge gekommen ist, könnte eventuell in diesem Jahr der Zuschlag für die Finanzmittel erteilt werden. Es wurde nicht eineinhalb Jahre geprüft, wie es im Antrag der Fraktion der Grünen heißt, sondern nach der zeitnahen Prüfung im letzten Jahr kann eventuell in diesem Jahr der positive Bescheid an die Schule ergehen. Die in der Begründung aufgestellte Behauptung, die Schulbehörde sei mit der Umsetzung des Programms völlig überfordert, ist also nicht nur schlicht falsch, sondern ist in meinen Augen eine unverschämte populistische Verunglimpfung der Mitarbeiter des Ministeriums,

(Zurufe von den GRÜNEN: Ei jei jei!)