Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Aurich!)

- Ja, genau, Aurich! Der Ostfriesenkurier brachte am 20. April 2004 einen Bericht über eine Bildungskonferenz des SPD-Unterbezirks in Aurich mit Wolfgang Jüttner. Überschrift: „Dreigliedriges Schulsystem auf den Müllhaufen der Geschichte.“ Das ist Ihre Politik.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ihr Unter- haltungswert ist mäßig, Herr McAl- lister!)

Ich sage Ihnen eines: 90 % der Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen besuchen das dreigliedrige Schulsystem. Hunderttausende von Schülern besuchen diese Schulen mit ganz engagierten Lehrkräften. Sie haben kein Recht, diese Schulform so zu diffamieren. Das ist eine absolut inakzeptable Politik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unsere Kinder in Niedersachsen sind von 1990 bis 2003 im Bildungssystem schwer benachteiligt worden. Das PISA-Ranking war dafür immer ein besonderer Beweis. Was unsere Kinder jetzt brauchen, sind optimale Chancen, sich auf das Leben und das Berufsleben vorzubereiten. Dafür brauchen sie ein modernes, gegliedertes Schulsystem.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Modern?)

Was sie nicht brauchen, ist eine Landtagsopposition, die Schulstrukturen und Pädagogen diffamiert. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir setzen unsere konsequente Modernisierung Niedersachsens auch bei der inneren Sicherheit fort. Die Präsenz der Polizei wurde bereits gestärkt. Wir haben 500 zusätzliche Polizeianwärter eingestellt, 125 Beamte aus anderen Ländern übernommen und zusätzlich 200 Beamte in den Vollzugsdienst eingesetzt durch die Übernahme von Verwaltungskräften aus den aufgelösten Bezirksregierungen. Auch in 2006 werden weitere 100 Beamte hinzukommen. Ferner erreichen wir eine effektivere Verbrechensbekämpfung durch eine neue Organisationsstruktur mit sechs regionalen und einer funktionalen Polizeidirektion.

Auch hier wiederum: Unsere Politik in Niedersachsen hat nach zweieinhalb Jahren Erfolg. Die Zahl der Straftaten geht zurück - von 608 000 zum Ende der SPD-Regierung 2002 auf 587 000 Ende 2004. Ich zitiere ein weiteres Mal die BertelsmannStudie als objektive, unabhängige Instanz - Seite 148 -:

„Möglicherweise macht sich bereits positiv bemerkbar, dass in Wulffs Revier nun mehr Polizisten für Ordnung sorgen; denn zum Regierungswechsel belastete die niedrigste Polizeidichte aller Bundesländer die Sicherheitslage. Ein neues Polizeigesetz und eine Polizeireform zielen ebenfalls darauf ab, die Schlagkraft der Gesetzeshüter zu erhöhen.“

Ein bessere Urteil kann man unserem Innenminister in der inneren Sicherheit nicht ausstellen, und ein schlechteres können Sie gar nicht mit nach Hause nehmen, Herr Bartling.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich komme noch einmal zur Finanzpolitik zurück. Wir haben von Ihnen ein schweres Erbe übernommen. Das haben wir bisher in jeder Haushaltsberatung deutlich gemacht, und das lastet auch täglich auf uns. Sie haben die Gesamtverschuldung des Landes von 1990 bis 2003 verdoppelt. Wir haben am 2. Februar 2003 von Ihnen 43 Milliarden Euro an Schulden übernommen. Wir zahlen für die von Ihnen aufgetürmten Schulden pro Tag 7 Millionen Euro Zinsen.

(Heinrich Aller [SPD]: Da ist auch Alb- recht dabei!)

Sie haben kritisiert, Herr Jüttner, wir hätten einen verfassungswidrigen Haushalt. Es ist doch völlig unbestritten, dass der Haushalt verfassungswidrig ist. Natürlich wollen wir die Nettokreditaufnahme niedriger machen als die Summe der Investitionen, und wir sind hierbei auch auf dem besten Wege. Wir versuchen, jedes Jahr die Nettoneuverschuldung um 350 Millionen Euro abzusenken, und wir tun das auch. Sie beschimpfen uns aber für jeden einzelnen Sparvorschlag, den wir unterbreiten. Was Sie hier vorgetragen haben, ist geradezu grotesk.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber eines ist völlig richtig: Wir können in Niedersachsen nur so erfolgreich sein, wie dies die Rahmenbedingungen in Deutschland insgesamt zulassen. Wir sind der felsenfesten Überzeugung, dass sich die Rahmenbedingungen in Deutschland ändern müssen.

Die Bilanz nach sieben Jahren Rot-Grün ist - das haben wir heute Morgen gehört, und das hören wir jeden Tag im Wahlkampf und abends in den Sendungen; wir lesen es in den Zeitungen -: Sieben Jahre rot-grüne Politik haben ausgereicht, um Deutschland zum Schlusslicht in Europa zu machen. Wir befinden uns nach wie vor in der dramatischsten Wirtschafts- und Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik. Das trifft den Bund, aber das trifft natürlich auch alle 16 Bundesländer. Das Versagen von Rot-Grün ist so eindeutig, dass dies sogar Ihr eigener Bundeskanzler erkannt und darum gebeten hat, Neuwahlen anzusetzen, weil er mit seiner jetzigen parlamentarischen Mehrheit nicht weitermachen kann.

Wir haben im Jahr 2004 den größten weltwirtschaftlichen Boom des letzten Vierteljahrhunderts, der letzten 25 Jahre, gehabt. In Deutschland hat ein solcher Boom jedoch nicht stattgefunden. In allen möglichen Ländern dieser Welt wächst die Wirtschaft stärker, wächst sie schneller als bei uns in Deutschland.

Herr McAllister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möhrmann?

Nein, ich bin ohnehin gleich fertig. Das können wir nachher im persönlichen Gespräch klären.

Sie können auf Neuseeland schauen, Sie können auf Großbritannien schauen, Sie können auf Irland schauen, Sie können auf Dänemark, die Niederlande und Finnland schauen, Sie können sogar - da hat Herr Möllring Recht auf Botswana schauen - alle haben es offensichtlich besser gemacht als wir. Eine derart lange Phase der Stagnation hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben.

Wir werden es auch in den letzten vier Tagen vor der Bundestagswahl jedem im Lande sagen: Jeden Tag gehen in Deutschland 1 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren. Wir haben die höchste Arbeitslosenquote in der Ge

schichte. Alle 15 Minuten macht eine Firma in Deutschland Pleite. Das sind 40 000 Firmen im Jahr. Eine Million Kinder leben von staatlicher Unterstützung. Das ist die katastrophale Bilanz von Rot-Grün! Vor diesem Hintergrund stellen Sie sich hier hin, Herr Jüttner, verteidigen dieses Modell und rufen nach noch mehr Staat und noch mehr Abgaben. Was Sie vorgetragen haben, ist unglaublich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie haben nicht zugehört! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist Verleumdung!)

Deshalb werben wir als Christdemokraten Seite an Seite mit unseren liberalen Freunden für einen Politikwechsel, für einen Richtungswechsel in Deutschland, für eine Reform im Arbeits- und Tarifrecht, für eine Reform der Sozialversicherungssysteme, für ein einfacheres und gerechteres Steuersystem mit niedrigeren Steuersätzen, für eine bessere Innovationspolitik und für weniger staatliche Bürokratie. Letztlich steht Deutschland in der Tat vor einer Richtungsentscheidung: Wollen wir mehr Eigenverantwortung, mehr Wettbewerb, mehr Wachstum, mehr Freiheit? Setzen wir wieder auf diese Kräfte, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben? Oder gehen wir den verhängnisvollen Weg von noch mehr Staat, noch mehr Bürokratie und noch weniger Eigenverantwortung? Das ist eine klare Richtungsentscheidung. Dafür stehen CDU und FDP auf der einen Seite und Rot-Rot-Grün auf der anderen Seite. Dazu sollen sich die Menschen gerne eine Meinung bilden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Abschließend zitiere ich noch einmal die Bertelsmann-Studie, und zwar Seite 149, noch einmal zu Niedersachsen:

„Gerade gegen noch erforderliche drastische finanzielle Einschnitte wird sich Widerstand regen. Dicke Bretter sind zu bohren, um überall wirtschaftlicher Aktivität Vorfahrt einzuräumen. Soll die Eigernordwand erklommen werden, muss die Landesregierung Widerständen begegnen, wie es die Niedersachsen-Hymne gebietet: sturmfest und erdverwachsen.“

Ich sagen Ihnen eines, Herr Ministerpräsident: Sie und die gesamte Landesregierung können sich auf die volle Rückendeckung der CDU- und, so denke ich, der FDP-Landtagsfraktion verlassen. Es wird ein harter Weg, es wird ein steiniger Weg, auch in diesen Haushaltsberatungen. Wir sind auf Ihre neue Oppositionsarbeit gespannt, Herr Jüttner. Ich bin auf ganz konkrete Änderungsvorschläge zum Haushalt mit entsprechenden Gegenfinanzierungsvorschlägen gespannt. Mal sehen, was da kommt. Ansonsten machen wir unsere Politik weiter. Wir nehmen unsere Verantwortung als Mehrheit in diesem Hause wahr, Politik auch in schwierigen Zeiten zukunftsgerecht für Niedersachsen zu gestalten. Sie müssten jetzt einmal anfangen, Ihre Verantwortung als Opposition wahrzunehmen. - Herzlichen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ina Korter [GRÜNE]: Wir können ja einen Kaffee trinken, solange die klatschen!)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rickert von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr McAllister, ich wage erst gar nicht den Versuch, Sie zu toppen. Erlauben Sie mir dennoch, die Position der FDP-Fraktion zum Haushalt 2006 kurz darzulegen.

Wir waren uns, als die Gesetzentwürfe für die heutige Landtagssitzung eingebracht wurden, der Gefahr bewusst, dass die Haushaltsdiskussion, die für das Land sehr wichtig ist, durch Wahlkampftiraden insbesondere der Opposition überlagert wird, damit die Konzeptionslosigkeit der Oppositionsparteien kaschiert werden kann. Wir brauchen aber diesen frühen Zeitpunkt, um in einem vernünftigen Verfahren für das kommende Jahr den Haushalt zu verabschieden und um den Fraktionen und Ausschüssen ausreichend Gelegenheit zu geben, über den Haushalt zu beraten.

Wir alle wissen, in welch katastrophalem Zustand sich der Haushalt nach dem Regierungswechsel im Jahre 2003 befand und dass sich der Finanzminister Stück für Stück an das Konsolidierungswerk machen musste mit dem klaren Ziel: CDU und FDP gehen unbeirrt auf dem Weg, die Nettoneu

verschuldung bis 2008 auf ein verfassungskonformes Maß zurückzuführen, voran.

Wenn wir über Verfassungskonformität reden und uns die Opposition vorhält, dass die kommenden Haushalte ebenfalls nicht verfassungskonform sein werden, so muss man zwangsläufig noch einmal auf die Vorgeschichte eingehen. Massive Steuerausfälle waren es, die die alte Landesregierung im November 2002 zwangen, mit einer Nettoneuverschuldung von fast 3 Milliarden Euro einen Nachtragshaushalt für 2002 und 2003 vorzulegen. Dazu sagte Herr Golibrzuch, der Grünen-Parlamentarier, in der Plenarsitzung vom 20. November 2002 unter anderem - ich zitiere -:

„Aber ein Großteil der Verantwortung für die Haushaltskrater liegt bei dieser Landesregierung. Sie haben über viele Jahre hinweg notwendige Einsparungen verschleppt, verschoben und vertagt.”

Weiter heißt es:

„Neun Jahre lang haben Sie es versäumt, an irgendeiner Stelle tatsächlich notwendige Einsparungen vorzunehmen! Das holt Sie jetzt ein.“

Meine Damen und Herren von der SPD, hätten Sie nur damals schon den GBD bemüht, dann wären Sie möglicherweise einen Schritt weitergekommen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Meinhold, es kennzeichnet die Grünen, dass profilierte Haushaltspolitiker, wie Metzger oder auch Herr Golibrzuch, in dieser Partei keine lange Zukunft haben.

Die Mitverantwortung der Grünen dabei hat er wohlweislich verschwiegen. Aber das Urteil über die Regierung Gabriel/Aller war vernichtend. Es gab im Ergebnis einen Schuldenstand von ca. 44 Milliarden Euro in 2003, für die wir allein 2,5 Milliarden Euro an Zinsen zahlen müssen, und das Ganze ohne Tilgung. Wir müssen also damit leben, dass dieser Schuldenstand noch wächst, es sei denn, wir führen die Nettoneuverschuldung in einem Schlag zurück. Das würde eine Einsparung von über 1 Milliarde pro Jahr nach sich ziehen. Der Finanzwissenschaftler Professor Homburg prognostiziert für das Jahr 2005 sogar, 2,5 Milliarden müssten eingespart werden, um die Verfassungs

konformität kurzfristig herzustellen. Ich möchte Ihr Geschrei einmal hören, wenn wir das machten.

(Beifall bei der FDP)

Aufgrund des fehlenden Wachstums, der schlechten wirtschaftlichen Lage und der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland ist eine Steigerung bei den Einnahmen nicht zu erwarten. Meine Damen und Herren, ein Satz zur Arbeitslosigkeit: Den 5 Millionen Arbeitslosen in diesem Lande ist es völlig wurscht, ob die Bundesrepublik Deutschland im Ranking auf Platz 19 oder 20 steht. Sie wollen Arbeit haben. Den 5 Millionen Arbeitslosen ist es völlig wurscht, ob wir Exportweltmeister sind oder nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Versagen der Bundesregierung haben wir mit schöner Regelmäßigkeit gespürt. Wachstumsprognosen und damit Steuerschätzungen mussten permanent nach unten korrigiert werden. Eine Verbesserung der Einnahmeseite durch Steuererhöhungen ist kontraproduktiv - wie sollte es anders sein? - und nicht gut für die Wirtschaft. Gegen eine Einnahmeverbesserung durch Subventionsabbau kann niemand etwas haben. Die Eigenheimzulage als Subvention kann man zur Diskussion stellen, wenn eine steuerliche Entlastung und Förderung als Alternative folgt. Wenn den Menschen allen wieder mehr netto in die Tasche gegeben wird, dann kann man solche Subventionen einsparen.