Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Das Versagen der Bundesregierung haben wir mit schöner Regelmäßigkeit gespürt. Wachstumsprognosen und damit Steuerschätzungen mussten permanent nach unten korrigiert werden. Eine Verbesserung der Einnahmeseite durch Steuererhöhungen ist kontraproduktiv - wie sollte es anders sein? - und nicht gut für die Wirtschaft. Gegen eine Einnahmeverbesserung durch Subventionsabbau kann niemand etwas haben. Die Eigenheimzulage als Subvention kann man zur Diskussion stellen, wenn eine steuerliche Entlastung und Förderung als Alternative folgt. Wenn den Menschen allen wieder mehr netto in die Tasche gegeben wird, dann kann man solche Subventionen einsparen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es bleibt daher auch nichts anderes, und es ist auch vernünftig, die Ausgaben zu kürzen. Das geht nicht von heute auf morgen, es sei denn, man spart das Land kaputt. Ergo muss man die Nettokreditaufnahme sukzessive zurückführen. Die Ausgaben wurden schrittweise gesenkt. Zum Beispiel sanken die Ausgaben in 2005 im Vergleich zum Vorjahr um über 3 %. Alle Bereiche der Landespolitik mussten in den letzten zwei Jahren eine Vielzahl von Kürzungen hinnehmen, sodass alle Ressorts einen erheblichen Beitrag zur Konsolidierung geleistet haben. Dabei mussten bei den Personalkosten, die bekanntlich mehr als 45 % der Gesamtausgaben ausmachen, besonders harte Einschnitte hingenommen werden. Wir meinen deswegen, dass die Zumutbarkeitsgrenze hier erreicht ist.

Mit der Abschaffung z. B. der pauschalen Auszahlung des Landesblindengeldes wurde ein einkom

mensabhängiger Tatbestand eingeführt. Dies ist ein Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik. Zuwendungen werden zukünftig verstärkt auf Basis der tatsächlichen Bedürftigkeit gewährt und nicht in Form eines Nachteilsausgleichs unabhängig vom Einkommen. Meine Damen und Herren, das Bedürftigkeitsprinzip sowie die dabei weitestgehende Abhängigkeit von Einkommen und Vermögen findet auch zunehmend Befürworter bei den Kommunen.

Wenn die Landesregierung beispielsweise vorschlägt, dass bei Polizeibeamten die Lebensarbeitszeit zu verlängern ist, so ist das angesichts der allgemeinen Diskussion durchaus akzeptabel. Einzig bei Polizeibeamten im Schichtdienst würden wir uns eine Berücksichtigung der hohen Belastung der Beamten wünschen.

Bei allen Einsparzwängen muss Niedersachsen dringend eine langfristige Orientierung beibehalten und zukünftige Wirtschaftsstrukturen stärken. Den strategischen Zielen für Wachstum und Zukunftsorientierung, Innovation, Mobilität, Internationalität und Flexibilität wird weiterhin Vorrang eingeräumt. Das gilt insbesondere für Projekte wie den Tiefwasserhafen Wilhelmshaven, den Forschungsflughafen Braunschweig oder auch Ansiedlungsprojekte wie INEOS. Wissenschaft, Forschung und Entwicklung sind in der FDP, sind in den Regierungsfraktionen in sehr guten Händen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bei den Ausgabenkürzungen legen wir mit dem Haushalt 2006 eine Atempause ein. Immerhin haben die Konsolidierungsmaßnahmen der vergangenen Jahre eine Entlastung von rund 1,6 Milliarden Euro fortlaufend für das Haushaltsjahr 2006 erbracht. Es bleibt bei dem erklärten Willen, die Nettokreditaufnahme um 350 Millionen Euro zurückzuführen. Das würde in diesem Jahr ein Absinken auf 1,8 Milliarden Euro bedeuten. Dieses Ziel erreichen wir auch durch die Privatisierung von Landesvermögen. Die Veräußerung von Landesvermögen sehen wir als FDP-Fraktion nicht nur unter fiskalischen Gesichtspunkten, sondern auch unter ordnungspolitischen Aspekten.

(Beifall bei der FDP)

So haben wir der Veräußerung der niedersächsischen Spielbanken zugestimmt, weil wir der Meinung sind, dass Glücksspiel nicht zur staatlichen Daseinsvorsorge gehört.

(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)

Dies gilt auch für die Landeskrankenhäuser, weil wir glauben, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, psychiatrische Kliniken zu betreiben. Allerdings haben wir beim Maßregelvollzug als staatlicher Hoheitsaufgabe noch Beratungsbedarf.

Ich halte es im Übrigen für hochgradig verwerflich, in diesem Zusammenhang unterschwellige Ängste vor der Privatisierung zu schüren. Darauf dürfen wir uns nicht einlassen. Ansonsten müssten Millionen deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Ängste ausstehen. Sollten diese Ängste tatsächlich vorhanden sein, müssen wir diese durch eine solide Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik bekämpfen.

(Beifall bei der FDP - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Gleichermaßen halten wir die Veräußerung der Rückflüsse aus herausgelegten Förderdarlehen der LTS in Höhe von 433 Millionen Euro für akzeptabel. Es macht wenig Sinn, angesichts fehlender Liquidität auf der einen Seite Kredite aufzunehmen und auf der anderen Seite Darlehensforderungen zu halten. In der Privatwirtschaft heißt in einer solchen Situation diese gängige Methode Factoring. Warum also nicht für das Land?

Unter dem gleichen Gesichtspunkt, nämlich der Liquiditätszufuhr, sehen wir die Veräußerung von Stammkapital der NORD/LB im Wert von 280 Millionen Euro an die HanBG. Wenn die HanBG für den Erwerb einer werthaltigen und interessanten Beteiligung - die NORD/LB hat ein vorzügliches Ranking und ist ein erfolgreicher, in Niedersachsen, aber auch in Europa angesehener Player Kredite aufnimmt, dann ist das ein völlig normaler unternehmerischer Vorgang, wie er täglich in Kapitalbeteilungsgesellschaften vorkommt.

Das gibt mir Gelegenheit, zum Thema Schattenhaushalte eine Anmerkung zu machen. Der Kern des Problems liegt in der Frage: Gehört es zu den Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge, dieses oder jenes zu tun? - Die Situation ist doch ähnlich wie in mancher Kommune: Da beteiligen sich öffentliche Unternehmen am Bau von Sporteinrichtungen, dem Betrieb von Wohnungsbaugesellschaften usw. Dabei werden im Prinzip öffentliche Mittel der direkten Kontrolle durch die Räte oder Kreistage entzogen. Ich habe im Prinzip überhaupt nichts dagegen. Wenn allerdings Sie von der Opposition dies für verwerflich halten, dann lassen

Sie uns in die Diskussion einsteigen: Was gehört zu den Aufgaben des Staates? - Am Ende ist dann möglicherweise die vollständige Privatisierung die sauberste Lösung.

(Beifall bei der FDP)

Außer Kritik an der einen oder anderen Maßnahme habe ich von der Opposition noch keine konkreten Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung gehört. Das gilt insbesondere für die Ausgabenseite. Sie wissen genau, dass die Sanierung der Staatsfinanzen besonders durch Kürzungen bei den Ausgaben erfolgen muss; denn allein durch Einnahmesteigerungen geht das nicht. Das wäre auch der falsche Weg.

Ich bemerke übrigens, dass die haushaltspolitische Spitze der SPD-Fraktion nicht mehr im Raum ist. Wahrscheinlich kann sie konkrete Vorschläge nicht ertragen. Das würde sich auch nicht mit dem Linksruck vertragen, den Herr Jüttner hier gerade produziert hat, indem er das Motto „Sozial ist, was Arbeit schafft“ diskreditiert, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP)

Für diejenigen, die keine Arbeit haben, ist es zeitweilig unerträglich, ihren Lebensunterhalt vom Staat alimentiert zu wissen. Jeder Mensch will arbeiten, damit er das, was er verdient, auch nach eigenem Gusto ausgeben kann, ohne vom Staat abhängig zu sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aus eigener Anschauung und Erfahrung, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich Ihnen sagen: Arbeit ist mehr als nur Broterwerb. Arbeit ist ein Stück Teilhabe an dieser Gesellschaft, ist Mitin-dieser-Gesellschaft-Sein. Deswegen ist „Sozial ist, was Arbeit schafft“ genau das richtige Motto, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich komme noch einmal auf den Haushalt zurück. Wir nehmen mit Zustimmung zur Kenntnis, dass die Landesregierung den erfolgreich beschrittenen Weg zur Konsolidierung der Landesfinanzen fortsetzt. Wir unterstützen - ja, wir fordern - das Ziel, die Verfassungskonformität bis zum Ende der Legislaturperiode zu erreichen, und zwar nicht unsertwillen, sondern um der zukünftigen Generationen willen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich bedanke mich ausdrücklich bei dem Kabinett Wulff/Hirche für die geleistete Arbeit. Ich wünsche den Fraktionen in diesem Sinne konstruktive Haushaltsberatungen in den kommenden Wochen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bevor ich dem Abgeordneten Wenzel das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, dass die Redner in dieser Debatte an dem Rednerpult keine Restredezeit angezeigt bekommen; diesbezüglich waren Irritationen entstanden. Ich sage deshalb nun die Restredezeiten an: Die CDU-Fraktion hat noch 13 Minuten, die SPD-Fraktion noch fünfeinhalb Minuten, die FDP-Fraktion noch 8 Minuten und 17 Sekunden, die Fraktion der Grünen verfügt noch über ihre kompletten 22 Minuten und 30 Sekunden, und die Landesregierung hat noch 15 Minuten Restredezeit.

Herr Wenzel, Sie haben jetzt das Wort für die Fraktion der Grünen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ehrlichkeit hat etwas mit Ehre zu tun, Herr Wulff. Wie ist es jetzt um Ihre und die Ihres Finanzministers tatsächlich bestellt? - Sie behaupten - das ist die Kernaussage in den Reden, die Sie heute hier gehalten haben -: Die Neuverschuldung wird gegenüber dem Vorjahr gesenkt. - Was ist aber tatsächlich passiert? - Diese Landesregierung nimmt im Jahr 2005 über Schattenhaushalte 600 Millionen Euro an zusätzlichen neuen Krediten auf, die im Haushaltsplan nicht offiziell ausgewiesen sind. Die Neuverschuldung wird in Niedersachsen in diesem Jahr nicht gesenkt, sondern sie steigt gegenüber dem Vorjahr definitiv an. Trotz Verfassungswidrigkeit, trotz Rekordverschuldung, trotz anders lautender Wahlversprechen und trotz der Kürzungen beim Weihnachtsgeld, bei den Blinden und bei den Hochschulen.

Meine Damen und Herren, das alles sollte ja unterhaltsam sein, auch die schlechten Witze von Herrn Möllring, die manchmal schmerzensteuerpflichtig sind, oder die Zitatensammlung von Herrn

McAllister, die wir hier zum Besten bekommen haben.

(Heinz Rolfes [CDU]: Beim Erfinden neuer Steuern seid ihr gut! - David McAllister [CDU]: Die Schmer- zensteuer gibt es noch nicht!)

- Vielleicht hilft Ihnen das ja noch in Ihrer Finanzlage, Herr McAllister. - Sie verkaufen uns hier ein sehr schlichtes Weltbild. Manchmal fühlt man sich an die alten Parolen wie „Freiheit oder Sozialismus“ erinnert.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Den Sozia- lismus haben wir heute gehört!)

So einfach funktioniert das aber nicht. Ich möchte nur wenige Zahlen zum Vergleich vortragen, damit wir wenigstens über dasselbe reden.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das Wirtschaftswachstum in den fünf Jahren nach der Wende von Herrn Kohl betrug 1,5 %. In den Jahren 1992 bis 1998 betrug es 1,5 %, und zwischen 1998 und 2004 auch 1,5 %. Woher Sie hier die Einschätzung nehmen, es habe angeblich eine Stagnation gegeben, die so lange wie noch nie andauere, bleibt Ihr Geheimnis.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zu Zeiten der Regierung Kohl hat es jedenfalls ähnliche Wachstumsraten gegeben. Wachstumsraten sind allerdings nicht mein einziger Maßstab. Sie mögen ein Hinweis sein, aber es hilft uns nicht so recht weiter, alles am Wirtschaftswachstum zu messen.

Zu den Arbeitslosenzahlen, die Sie hier immer wieder zum Besten geben: Sie sprechen von 5 Millionen. Im Juli 2005 sind es exakt 4,77 Millionen Arbeitslose. Darin sind 330 000 erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger mitgerechnet. Das ist ein statistischer Effekt, den Sie im Bundesrat mitbeschlossen haben. Wenn man zum Vergleich Ihre letzte Regierungszeit heranzieht: Während der Kohl-Regierung ist die Arbeitslosenzahl von 1,8 Millionen auf 4,28 Millionen angestiegen, davon im Westen damals 2,9 Millionen. Wenn man der Zahl vom Ende der Regierung Kohl die zusätzlichen ABM-Stellen zurechnet, die Sie damals extra für den Wahlkampf bereitgestellt hatten, dann kommt man auf eine Zahl von 4,43 Millionen Ar

beitslosen. Im Juli lag die Zahl der Arbeitslosen bei 4,44 Millionen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Wenn man die Ein-Euro-Jobs herausrechnet, auf was kommt man dann? - Rosstäuscher!)

Also: Diese Schauermärchen, die Sie uns hier erzählen - und dazu noch diese Geschichte von der Angst und dem Angstschüren, die Herr Rösler heute Morgen hier zum Besten gegeben hat -, sind schon etwas abenteuerlich.

Herr Wenzel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rickert?

Nein, ich möchte erst einmal meine Ausführungen zu Ende bringen. Am Ende meiner Redezeit gerne. - Diese Schauermärchen haben mit der Wirklichkeit nur sehr wenig zu tun.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Ihre ja?)