Der von der FDP hier eingeführte Freiheitsbegriff hat nur dazu geführt, dass Sie die Debatten über den Landeshaushalt von Wahrheit und Klarheit befreien wollen. Das, meine Damen und Herren, ist Ihnen allerdings gelungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Aller, mit Ihrem Antrag werfen Sie uns programmierte Wählertäuschung vor und fordern uns auf, mit Ehrlichkeit und Offenheit vor die niedersächsischen Wählerinnen und Wähler zu treten und die finanziellen Wirkungen für den Landeshaushalt vor der Bundestagswahl zu benennen. Ich habe einmal nachgelesen. Als Sie noch Finanzminister waren, haben Sie in der 118. Plenarsitzung am 23. Oktober 2002 ausgeführt:
„Im Übrigen: Angesichts der Bundestagswahl, die ja vor der Tür stand, wäre es völlig sinnlos gewesen, einen Nachtrag aufzustellen.“
Ich stelle fest: Wir haben unmittelbar vor der Bundestagswahl, die ja vor der Tür steht, einen Haushaltsplan nicht nur aufgestellt, sondern auch vorgelegt und zur Diskussion gestellt.
In der damaligen Diskussion ging es außerdem um das Steuervergünstigungsabbaugesetz. Ich hatte seinerzeit darauf hingewiesen, dass die SPD und die Grünen im Bundestag die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel, auf Tiernahrungsmittel, auf Schnittblumen, auf Topfblumen und auf anderes mehr erhöhen wollten. Im Anschluss daran hat Herr Möhrmann hier gesagt, das sei kein Problem. Ich zitiere ihn wörtlich, damit mir hier niemand etwas unterstellt. Er sagte in der 118. Plenarsitzung am 23. Oktober 2002:
„Aber ich will hier an dieser Stelle erklären, dass Herr Möllring als Finanzexperte keine Ahnung hat, wie unser Umsatzsteuersystem funktioniert; denn die Umsatzsteuer trägt nicht der herstellende Betrieb, sondern der Endverbraucher.“
- Stimmt! - Das haben Sie damals gesagt, als Sie die Mehrwertsteuer erhöhen wollten. Im Moment aber sieht es bei Ihnen wieder einmal ein bisschen anders aus.
Grundsätze dieser Landesregierung sind Verlässlichkeit und Klarheit. Deshalb sage ich noch einmal: Diese Landesregierung hat keine eigenen Pläne für eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes. Deshalb haben wir auch keinerlei diesbezüglichen Erwartungen in den Haushaltsplanentwurf aufgenommen; denn wenn wir etwas nicht erhöhen wollen, können wir auch keine Erhöhung aufweisen.
Vielmehr sieht das Regierungsprogramm von CDU und CSU vor - das hätten Sie allerdings auch selbst nachlesen können; es ist nicht Sache der
Landesregierung, dies hier vorzutragen, ich tue es zu Ihrer Erleichterung aber trotzdem -, den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung ab dem 1. Januar 2006 um zwei Prozentpunkte von 6,5 % auf 4,5 % zu senken. Im Gegenzug - das haben wir vor der Wahl offen gesagt; Sie aber versuchen jetzt, das mit einigen fehlerhaften Plakaten auszunutzen - soll der Mehrwertsteuersatz von 16 % auf 18 % erhöht werden. Der ermäßigte Steuersatz von 7 % soll aus Gründen der sozialen Balance jedoch erhalten bleiben. Das, was bisher mehrwertsteuerfrei ist, z. B. die Miete, soll auch mehrwertsteuerfrei bleiben.
Angesichts der jüngsten Ankündigungen von Herrn Minister Eichel gegenüber der Presse, dass er den ermäßigten Umsatzsteuersatz für Waren und Dienstleistungen zum Teil wieder aufheben wolle, müssen Sie sich schon fragen, was Herr Eichel da eigentlich redet. Abgesehen davon träfe eine solche Erhöhung gerade sozial Schwächere, weil die Grundausgaben eines Haushaltes eben - wie die Miete - steuerfrei gestellt oder aber - wie z. B. Nahrungsmittel, Zeitungen, Fahrkarten für den ÖPNV und Tiernahrungsmittel - mit einem verminderten Steuersatz von 7 % belegt sind. Darüber kann man natürlich diskutieren. Aber dann müssen Sie das den Wählern auch ehrlich sagen. Mit Ehrlichkeit und Verlässlichkeit haben diese Äußerungen jedenfalls nur wenig zu tun.
Herr Eichel lässt in seinem Ministerium ja jetzt die Leute suchen, die diese Papiere geschrieben haben. Es hat eine Weisung an die Abteilungsleiter und die Unterabteilungsleiter gegeben, das alles einmal zusammenzuschreiben. Heute aber ist von dieser Weisung nichts mehr bekannt. Wenn ich an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Weisung herausgebe - -
- Herr Buß, Herr Buß, Herr Buß, Herr Buß. Nein, nein, nein. - Es steht unwidersprochen in allen Zeitungen, dass es diese Weisung gab, Entsprechendes zusammenzutragen. Wenn es sie nicht
Ich weiß nur nicht, warum man diejenigen sucht, die getan haben, was ihre Beamtenpflicht ist. Es ist ja nicht das erste Mal. Eichel sollte ja schon einmal 30 Milliarden Euro zusammenschreiben. Er hatte einen Kabinettsauftrag, und in diesem Kabinettsauftrag stehen alle diese Punkte darin.
Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie Eichel kritisieren wollen oder uns. Wir sagen in unseren Wahlprogrammen offen, was wir nach der Wahl machen wollen. Sie aber versuchen, zu verschleiern. Aber da Herr Eichel selbst dann nicht Finanzminister bliebe, wenn ein Riesenwunder geschehen und Rot-Grün die Mehrheit bekommen würde, kann das alles dahingestellt bleiben.
Was die Eigenheimzulage, die Sie ja immer abschaffen wollten, angeht, verstehe ich nicht Ihre Kritik daran, dass man darüber diskutiert, sie in Stufen zurückzuführen und in andere Formen überzuführen.
Zur Pendlerpauschale können Sie im Regierungsprogramm von CDU und CSU ablesen, dass vorgesehen ist, vom 1. Januar 2007 an für neugeborene Kinder bis zum 12. Lebensjahr einen Kinderbonus in Höhe von 50 Euro monatlich als Beitragsermäßigung in die Rentenversicherung einzuführen und diese durch die Abschaffung der Eigenheimzulage zu finanzieren. Das ist eine sozialpolitische Frage.
- Er hat gesagt, wir sollten es vor der Wahl sagen. Wir haben es sogar gedruckt. Es steht auch im Internet. Er kann sich das von seinen Referenten vortragen lassen. Ich kann ihm auch noch ein CDU-Parteiprogramm zuschicken. Offensichtlich ist er selbst nicht in der Lage, da ranzukommen. Die dauerhafte Senkung der Steuersätze wird darüber hinaus einen Ausgleich für den Wegfall der nur für acht Jahre gewährten Zulage bieten.
Bei der Lohn- und Einkommensteuer wollen wir - also die CDU/CSU, nicht die Landesregierung den Eingangssteuersatz auf 12 % und den Spitzensteuersatz auf 39 % senken. Das wären die niedrigsten Steuersätze in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Im Gegenzug wird allerdings im gleichen Umfang eine Zahl von Steu
erbefreiungen, Steuervergünstigungen und Ausnahmetatbestände eingeschränkt oder gestrichen. Eingeschränkt wird z. B. die Pendlerpauschale, die bis maximal 50 Entfernungskilometer auf 25 Cent - immerhin noch 50 Pfennig - reduziert werden soll. Das ist vor dem Hintergrund der sinkenden Steuersätze meines Erachtens angemessen und vertretbar.
Natürlich soll nach einem Wahlsieg von CDU/CSU und FDP in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam ein neues Steuergesetzbuch für Einkommensteuer und Unternehmenssteuer verabschiedet werden. Ziel ist vor allem - auch das ist kein Geheimnis - Vereinfachung, Transparenz und damit Gerechtigkeit. Zugegeben: Effekt der Steuervereinfachung wird sicherlich nicht der Bierdeckel als neues Steuererklärungsformular sein. Wir wollen nämlich ganz weg vom Papier. Wir wollen keine dicken Bierdeckelfilze, sondern eine elektronische Steuererklärung, die optisch auf eine Seite passen soll. Das ist für den normalen Arbeitnehmer durchaus möglich, und wir, CDU/CSU und FDP, werden dieses Ziel gemeinsam erreichen. Wir wollen eine papierlose Steuererklärung. Sie wissen, dass der Bierdeckel lediglich das Synonym für eine einfache Steuererklärung ist.
Zur Gesundheitsprämie. Wir können uns nicht mehr leisten, als wir erwirtschaften. Das ist bekannt, Herr Aller. Die steuerpolitischen Probleme sind daher nicht die einzige Baustelle, an der die neue Regierung wird arbeiten müssen. Es hat sich gezeigt, dass alle bisherigen Gesundheitsreformen nur für wenige Jahre in der Lage waren, die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren. Auch in der Gesundheitspolitik müssen daher die Finanzierungsgrundlagen neu geordnet werden, natürlich unter Berücksichtigung einer fairen Lastenverteilung. Der Weg dazu ist die sozialverträglich gestaltete solidarische Gesundheitsprämie. Die Arbeit an diesem Modell ist im Gange, und Frau von der Leyen steht dafür, dass es sozial gerecht wird.
Sie sehen also: Das Regierungsprogramm 2005 bis 2009 von CDU und CSU gibt auf alle Ihre Fragen, die Sie bereits drei Monate vor der Bundestagswahl in Ihrem Entschließungsantrag gestellt haben, Antworten. Sie sehen auch, dass bisher kein Politiker von CDU und CSU von den Aussagen im Regierungsprogramm von CDU und CSU abgerückt ist. Ich gehe fest davon aus, dass wir
dieses Programm im Falle eines Wahlsieges auch so umsetzen werden. Damit werden wir ebenso wie nach der Übernahme der Regierungsverantwortung in Niedersachsen auch im Bund eine klare und verlässliche Politik bekommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was ich beim vorherigen Tagesordnungspunkt befürchtet habe, ist jetzt eingetroffen: Der Wahlkampf hat uns erreicht. Ich hoffe, die Zuschauer auf den Tribünen sind nicht enttäuscht. Sie waren sicherlich daran interessiert zu hören, wie in diesem Parlament über landespolitische Themen gerungen wird. Stattdessen müssen sie sich Wahlkampfparolen anhören.
Das tut mir außerordentlich Leid, auch für Sie, Frau Merk. Aber wie es uns die Tagesordnung vorgibt und der Ältestenrat beschlossen hat, müssen wir hier das eine oder andere zu diesem Antrag sagen.
Es geht um „Programmierte Wählertäuschung: Christian Wulff muss mit Ehrlichkeit und Offenheit vor die niedersächsischen Wählerinnen und Wähler treten und finanzielle Wirkungen für den Landeshaushalt vor der Bundestagswahl benennen.“ Als ich diese Überschrift las, ahnte ich noch nicht, dass ich heute hier eine finanztheoretische Debatte über die Auswirkungen möglicher Mehrwertsteuererhöhungen führen muss.
Eine Analyse ist furchtbar schwer, da noch kein Wahlergebnis vorliegt und noch keine Koalitionsverhandlungen zwischen Frau Merkel und Herrn Westerwelle stattgefunden haben. Erst am Ende dieser Koalitionsverhandlungen wird man sehen, wie das ausgeht. Und wer die Mehrwertsteuererhöhung ähnlich kritisch sieht wie ich, der muss am nächsten Sonntag eben reichlich FDP wählen.
(Beifall bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sie haben bislang bei Mehrwertsteuererhöhungen noch im- mer mitgemacht! - Zuruf von Heidrun Merk [SPD])
- Frau Merk, ich kann Ihre Empörung ja nachvollziehen. Die Kritik, die ich eingangs geäußert habe, trifft dann wahrscheinlich auch mich. Aber diese Gelegenheit - das muss ich offen zugeben - darf man sich als Politiker nun einmal nicht entgehen lassen.
Deswegen ist es heute auch noch nicht möglich, auf die Auswirkungen einzugehen. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass die andere Politik, die wir machen werden, zukunftsorientierter sein wird. Sie wird mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze und natürlich auch ein ehrliches und gerechtes Steuersystem bringen. Das wird auch gut sein für Niedersachsen.
Da wir jetzt über verschiedene sehr vereinfachte Steuermodelle diskutieren, darf ich mir noch eine Bemerkung erlauben, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die FDP war die erste und einzige politische Kraft in diesem Land, die überhaupt den Mut gehabt hat, ein Steuervereinfachungssystem auf die Tagesordnung zu bringen.